Protokoll der Sitzung vom 20.04.2018

„Bildung: elementar“ verharrt im rein Deskriptiven, erklärt das Sein zum Soll und lässt so jeden Bildungsanspruch fahren. Wenn unsere Kinder in diesem Ungeist erzogen werden, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn am Ende immer mehr Auszubildende ihre Lehre abbrechen, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn die Schulabbrecherquote hoch ist und die Schulabschlüsse immer weniger wert sind.

Es hilft kein Gejammer darüber, dass die Herkunft angeblich über die Berufschancen entscheidet. Damit lenken Sie doch nur von dem eigenen bildungspolitischen Versagen ab.

(Zustimmung bei der AfD)

Es hilft nur eines: den Kindern von Beginn an Pflichtgefühl und Fleiß beizubringen und sie im Geist einer klaren Arbeitsethik zu erziehen. Bildung ist Arbeit, das muss von Beginn an die Maxime an unseren staatlichen Bildungseinrichtungen sein.

(Beifall bei der AfD)

Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, das untaugliche Programm „Bildung: elementar“ in diesem Sinn gründlich zu überarbeiten. Die Autoren sollen sich dabei an dem Bildungs- und Erziehungsplan für den Kindergarten des Ministeriums für Volksbildung der Deutschen Demokratischen Republik orientieren:

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

weniger Professionalisierungswahn, mehr gesunder Menschenverstand, weniger reformpädagogische Theorie, mehr tradierte Praxis, weniger Experimente, mehr Orientierung an bewährten Methoden und ein klarer Bildungsbegriff.

Wenn wir unsere Vorschulkinder in diesem Sinn wieder zu Sekundärtugenden wie Fleiß, Pflichtbewusstsein, Disziplin und Zuverlässigkeit erziehen, wenn wir ihnen schon im Kindergarten systematisch wertvolles Weltwissen vermittelt, ihr logisches Denken geschult und ihr Handeln gebildet haben, dann haben sie es in der Schule leichter. Sie werden schneller Fortschritte machen und insgesamt weiter kommen.

Das schließlich kann ein Beitrag dazu sein, dass wir die Krise des Bildungswesens in den Griff bekommen und dem steten Niveauverlust entgegenwirken. Verlassen wir die Irrwege der 68er-Kuschelpädagogik. Kehren wir zu den bewährten Konzepten institutioneller Bildung und Erziehung zurück. - Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Lebhafter Beifall bei der AfD)

Herr Dr. Tillschneider, Herr Krull hat sich zu Wort gemeldet. - Herr Krull, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Dr. Tillschneider! Dass die AfD die Erziehung zu einer sozialistischen Persönlichkeit fordert, was nämlich der Plan der DDR-KitaErziehung war, ist schon sehr interessant. Aber okay.

(Oliver Kirchner, AfD: Sie müssen richtig zuhören!)

Einige aufklärende Worte für Sie. Erstens. Ich habe Ihre Worte so verstanden, dass Sie gesagt haben: Die Eltern, die ihre Kinder, die unter drei Jah

ren alt sind, nicht zur Kita schicken, sind nach Ihrer Ansicht offensichtlich die besseren Eltern.

(Widerspruch bei der AfD)

Das konnte man meiner Auffassung nach Ihren Worten deutlich entnehmen. Es kam deutlich zum Ausdruck, dass diejenigen, die ihr Kind vorher in die Kinderkrippe geben, die schlechteren Eltern sind.

Zweitens möchte ich Sie einmal aufklären. Sie sprachen ständig von staatlichen Bildungseinrichtungen. 40 % der Kitas, der Kinderkrippen und Horte sind in freier Trägerschaft. Das sind also keine staatlichen Einrichtungen. Ich wäre mit der Wortwahl vielleicht etwas vorsichtiger.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Das sind kommunale Einrichtungen.

(Zurufe von der LINKEN und von der AfD)

Drittens. Die Kinderrechte. Ich weiß, Sie sind damit beschäftigt, Ihre Bücher zu lesen und anderes. Aber vielleicht hätte das Wahlprogramm der CDU zur Bundestagswahl geholfen. Darin steht: Wir fordern die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz. Sie haben offensichtlich einen alten Stand. Ab und zu etwas Neues zu lesen, hat vielleicht einen gewissen Vorteil.

Als Vater von zwei Kindern, die dieses KitaSystem durchlaufen haben und zu eigenständigen Persönlichkeiten herangezogen wurden, begrüße ich das ausdrücklich; denn diese Kinder sollen lernen, selbstständig ihren Weg zu gehen. Eine Pädagogik, die nur noch vorgibt: „Das und das hast du zu lernen“, macht die Kinder nicht fit für das moderne Leben. Sie müssen in der Lage sein, sich Bildungsinhalte zu erschließen, und nicht nur frontal von vorn unterrichtet werden.

(Zurufe von der AfD)

Das sollten Sie an dieser Stelle vielleicht berücksichtigen. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD, und von der Regierungsbank)

Wie fit das Bildungssystem unsere Kinder für die Anforderungen der modernen Welt macht, sehen wir immer, wenn wir mit Vertretern der Industrie sprechen, die alle sagen, die Lehrlinge können nichts mehr.

(Beifall bei der AfD)

Das sehen wir an der Universität, wenn Abiturienten anfangen, Germanistik zu studieren, die kein Deutsch können, wenn Ingenieurstudenten keine Mathematik können. Da sehen wir, wie fit die jungen Menschen durch das Bildungssystem gemacht werden.

Sie legen mir einfach etwas in den Mund und das weise ich ganz entschieden zurück. Ich habe nichts abgewertet, ich habe nur gesagt: Man muss nicht Pädagogik studiert haben, um ein Kind zu erziehen.

(Oliver Kirchner, AfD: Richtig!)

Das heißt, bis zum dritten Lebensjahr wachsen die Kinder, die bei den Familien erzogen werden, genauso gut - nicht weniger und nicht besser, aber genauso gut - auf wie in der Kita. Das habe ich gesagt. Das ist im Protokoll nachzulesen. Das ist Ihre Fantasie und dafür kann ich nichts.

(Beifall bei der AfD - André Poggenburg, AfD: Richtig!)

Zur sozialistischen Persönlichkeit. Wir haben diesen Plan natürlich selektiv rezipiert; das habe ich gesagt. Den ganzen Ideologiekrampf haben wir abgezogen. Aber wenn man das abzieht - das war in der DDR-Wissenschaft oft sehr oberflächlich - und schaut, was bleibt, ist das doch ein brauchbarer Ansatz. Ich meine, das DDR-Bildungssystem hat viel bewirkt und wurde von den skandinavischen Ländern übernommen. Warum nicht heute Sie damit inspirieren?

(Beifall bei der AfD)

Es gibt keine weiteren Fragen. Ich danke Herrn Dr. Tillschneider für die Ausführungen. Danke, Herr Dr. Tillschneider. - Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Grimm-Benne. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Um es gleich vorwegzunehmen: Die Landesregierung sieht derzeit keine Veranlassung und erst recht keine Notwendigkeit dafür, das Bildungsprogramm zu überarbeiten und Rahmenrichtlinien zur Entwicklung von Lehrplänen für nicht schulpflichtige Kinder zu entwickeln. Das Bildungsprogramm für Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt ist bei Praktikern wie Fachwissenschaftlern gleichermaßen anerkannt und folgt den Gütekriterien frühkindlicher Bildung.

Es hat den Anschein, als läge dem Antrag der AfD-Fraktion ein anderes Bildungsprogramm zugrunde; denn anders kann ich mir die Fehlinterpretation nicht erklären. Gerade über Bildungsprozesse im Kleinkindalter gibt es in den letzten Jahren vielfältige neue wissenschaftliche Erkenntnisse in den Bereichen der Bildungswissenschaften, der Pädagogik, der Psychologie, aber auch der Neurowissenschaften, und das zumeist in ungewohntem Gleichklang. Belegen lässt sich im Übrigen auch, dass sich das sachsen-anhaltische Bil

dungsprogramm geradezu vorbildlich an eben jenen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Im September 2004 - wir hatten eine schwarz-gelbe Landesregierung - wurde das Bildungsprogramm für Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt mit dem Titel „Bildung: elementar - Bildung von Anfang an“ von der damaligen Landesregierung beschlossen. Das Programm initiierte nach seiner Veröffentlichung einen gemeinsamen Prozess im Land, eröffnete pädagogische Diskurse und Dialoge, stieß vielfältige Entwicklungen im Bereich der Qualifizierung bei den pädagogischen Fachkräften an und veränderte die Qualität in der Praxis der Einrichtungen tiefgreifend.

Im Rahmen einer Bildungsvereinbarung zwischen dem Land auf der einen Seite und dem Landkreistag, dem Städte- und Gemeindebund, den Kirchen sowie der Liga der Freien Wohlfahrtspflege auf der anderen Seite wurde das Bildungsprogramm zum damaligen Zeitpunkt freiwillig zur gemeinsamen Basis für die Arbeit in den Kindertageseinrichtungen erklärt.

In der eben erwähnten Bildungsvereinbarung wurde weiterhin festgelegt, dass eine Evaluierung der Umsetzung des Bildungsprogramms erforderlich ist. Die Ergebnisse der Evaluierung sollten der Weiterentwicklung des Bildungsprogramms dienen. Das ist in dem Gesetzgebungsverfahren im Jahr 2012 passiert, als wir das Bildungsprogramm überarbeitet und dann verpflichtend in das Kinderförderungsgesetz hineingenommen haben.

Da Sie so gut zitiert haben - ich kenne es von Juristen, dass man immer die Passagen weglässt, die nicht zur eigenen Argumentation passen -, möchte ich Ihnen andere Seiten des Bildungsprogramms vorlesen. Ziel des Bildungsauftrages ist es, Kinder zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu erziehen.

Auf Seite 34 des Bildungsprogramms heißt es: Die Bereitschaft des Erziehenden, seine Autorität jederzeit zurückzunehmen, ist eine Voraussetzung für das Gelingen einer pädagogischen Beziehung, in der das Ziel die Selbsttätigkeit und Mündigkeit des Kindes ist. Erzieherisches Handeln kann sein Ziel nur durch das Mittun des Kindes erreichen. Hierzu setzt der Erziehende Vertrauen in das Kind, dass es selbsttätig und autonom handeln will und sich selbst entsprechend bilden wird. In einer solchen Beziehung sind Autonomie und Mündigkeit des Kindes demnach nicht nur das Ziel, sondern auch der Weg von Erziehung.

Zu dem von Ihnen in Ihrem Antrag erwähnten DDR-System der Kindererziehung hat der Abg. Herr Krull schon ausgeführt. Aber was ich besonders schlimm finde, ist, was für ein Bildungsverständnis Sie haben: Führung durch eine Autorität.

Das ist ein Führungsstil, der ein Machtgefälle zum Ausgangspunkt des Lernens macht

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

und den wissenschaftlichen Diskurs um Jahrzehnte zurückzudrehen versucht. Das werden wir auf jeden Fall ablehnen. - Ich denke, ich habe zu dem Punkt alles gesagt. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt keine Fragen. Dann danke ich der Frau Ministerin für die Ausführungen. - In der Debatte sind drei Minuten je Fraktion vorgesehen. Für die CDU spricht die Abg. Frau Gorr. Frau Gorr, Sie haben das Wort.