Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

(Beifall bei der SPD)

Es ist schon erstaunlich, wenn Sie von einer drastischen Zunahme von Fällen sprechen und das ins Verhältnis setzen. BAMF-Entscheidungen im Jahr 2017 gab es in 603 000 Fällen. Es kam im letzten Jahr zu ca. 550 Kirchenasylen in Deutschland. In diesem Jahr sind es bis zu diesem Zeitpunkt 700. Mittlerweile haben wir auch schon über 110 000 Entscheidungen des BAMF. So viel zu den „drastischen“ Zahlen der Leute, die sich im Kirchenasyl befinden.

Auch das Märchen, dass das wahrscheinlich nichts mit christlichem Menschenverstand zu tun habe, und der Umstand, von einer Kirchenasylszene zu sprechen, sind schon dreist.

Herr Minister hat es ausgeführt: Es wird in den Kirchengemeinden nicht von einer Szene entschieden, ob Kirchenasyl gewährt wird, sondern die Kirchengemeinde, der Kirchengemeinderat, ist in diese Entscheidungen massiv eingebunden. Es gibt ein Verfahren, dass das nicht allein durch zwei oder drei Menschen entschieden wird, son

dern der Kirchengemeinderat entscheidet in Gemeinschaft, ob Kirchenasyl gewährt wird.

Im Vorfeld wird jeder betroffene Fall genau betrachtet. Das ist dann eine Entscheidung, die die Kirche trifft, weil sie dann für diese Person - wir hören jetzt: mittlerweile auch für 18 Monate - aufkommt für Unterkunft, Lebenshaltung, Krankenbehandlung und rechtliche Unterstützung. Eine solche Entscheidung macht sich keine Kirchengemeinde in unserem Land einfach und das ist keine Kirchenasylszene; dagegen verwahre ich mich massiv.

Kirche bleibt weiterhin Schutzraum für Arme, Kranke, Benachteiligte und auch für Flüchtlinge. Wir haben deshalb keinen Anlass dazu, diese Vereinbarungen, die zwischen BAMF und dem Bevollmächtigten der evangelischen und katholischen Kirche getroffen worden ist, aufzukündigen. Wir werden sie respektieren in ihrer christlichen Nächstenliebe. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nachfragen sehe ich nicht. Dann danke ich Frau Schindler für die Ausführungen. - Für DIE LINKE spricht der Abg. Herr Gallert.

(Hagen Kohl, AfD, meldet sich zu Wort)

- Entschuldigung! - Frau Schindler, Herr Kohl hat sich noch zu Wort gemeldet. - Herr Kohl, Sie haben das Wort.

Ich möchte nur eines richtigstellen: Ich sprach nicht von einer Kirchenasylszene, sondern von einer Pro-Flüchtlinge-Szene.

Nein, ich habe es in dem Moment mitgeschrieben, in dem Sie das sagten. Wir können es im Protokoll nachlesen. Sie haben „Kirchenasylszene“ gesagt.

(Beifall bei der SPD)

Da bin ich mir nicht sicher. Ich kann es mir nicht erklären. Das gucken wir uns noch mal an.

Nun gut. Aber ich habe es in dem Moment mitgeschrieben, in dem Sie das sagten.

Herr Kohl, dann hat sich das erledigt. Ich danke Frau Schindler nochmals. - Für die LINKE spricht

der Abg. Herr Gallert. Herr Gallert, Sie haben das Wort.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der AfD! Wir erleben auch bei diesem Antrag ein Phänomen, das heute, glaube ich, schon an anderer Stelle einmal als Antragsrecycling benannt worden ist. Wir müssen uns jetzt offensichtlich darauf einstellen, weil Ihnen die Ideen ausgehen, dass wir etwa im Jahresabstand immer wieder die gleichen Anträge von Ihnen auf den Tisch gelegt bekommen. Auch bei Herrn Kohl habe ich heute keine neuen Argumente gehört, die ich nicht alle schon vor einem Jahr gehört hätte.

Es gibt ein altes Sprichwort: Woran erkennt man, dass jemand alt wird? Er zitiert sich selbst. Da sage ich jetzt mal: Sie sind auf dem Weg zu einer Superaltpartei getreu dem Motto „überholen ohne einzuholen“. Sie werden schneller alt als wir alle, wenn Sie sich mit Ihren Anträgen nur noch selbst zitieren.

(Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der AfD)

Dann will ich nur noch zwei, drei Bemerkungen zu all den Dingen machen, die wir schon vor einem Jahr gesagt haben. Klar, es ist für die AfD unvorstellbar und auch inakzeptabel, dass sich Menschen, ohne irgendwelche eigenen Vorteile davon zu haben, aus reiner Menschlichkeit, aus einer grundsätzlichen Solidarität heraus dazu bereit erklären, Lasten auf sich zu nehmen und anderen Menschen zu helfen, weil diese Angst davor haben, mit einem Schicksal konfrontiert zu werden, wie die Dublin-III-Verordnung es leider hunderttausendfach bei uns tut, nämlich dort verbleiben zu müssen, wo sie zuerst EU-Boden betreten haben.

Ich habe schon vor einem Jahr sehr deutlich gesagt, wie die Situation - die hat sich nicht wesentlich geändert - zum Beispiel in den Lagern Griechenlands aussieht, wie sie zum Beispiel in Ungarn aussieht und wie sie in zunehmendem Maße auch in Italien aussehen wird.

Natürlich gibt es Menschen - darüber können wir froh sein; ich bedanke mich dafür bei jedem einzelnen Kirchenmitglied -, die sagen: Ich nehme die Lasten auf mich, um den Menschen dieses schreckliche Schicksal zu ersparen, wieder dorthin gehen zu müssen. Das ist gelebte Humanität. Herzlichen Dank an jede Kirchengemeinde, die diesen Mut aufbringt.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Alexan- der Raue, AfD)

Es entfacht Ihre Wut, wenn Menschen nach humanen Grundsätzen leben, wenn Menschen sich zu ihren eigenen Lasten für Humanität einsetzen;

denn das scheint immer noch eine unerträgliche Vorstellung für Sie zu sein. Dass Sie deswegen mit solchen Dingen nicht umgehen können, ist auch klar.

Aber ich sage einmal: Solange es Menschen gibt, die in den kirchlichen Gemeinden ihre Humanität in die Praxis umsetzen und sagen: „Wir nehmen die Lasten auf uns, und wir nehmen es sogar auf uns, dass wir von solchen Leuten wie denen von der AfD dafür beschimpft werden, dass wir mit Menschen menschlich umgehen“, so lange ist mir um die Zukunft dieses Landes nicht bange. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Gallert, Herr Farle hat sich zu Wort gemeldet.

Dann soll er das tun.

Herr Farle, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist eine Kurzintervention, aber Sie können gern dazu Stellung nehmen. Sie haben die Frage gestellt, woran man erkennt, dass Leute alt werden. Nun haben sie sinngemäß gesagt, die AfD wird sehr schnell alt.

Ich sage Ihnen, damit hängt auch zusammen, wenn man sich in der Öffentlichkeit auf Großplakaten präsentiert, auf denen steht „Frauenversteher“, „Unternehmensversteher“ und was man sonst noch alles versteht. Wenn man als Fraktion tatsächlich immer wieder dieselben Anträge gestellt, wie es bei der LINKEN hundertprozentig seit vielen Jahren der Fall ist, wenn man sich ihre Sammlung ansieht, dann kann man wirklich feststellen, und zwar ganz neidlos: Sie bringen immer wieder dasselbe aufs Tapet. Also, dann gilt doch der Vorwurf in erster Linie für Ihre Fraktion selbst.

(Zustimmung bei der AfD)

Der zweite Punkt ist: Ihr Beitrag liegt doch völlig neben der Sache. Humanität beanspruchen wir auch für uns.

(Lachen bei der SPD - Sebastian Striegel, GRÜNE: Sie lösen es aber nicht ein!)

Aber das beanspruchen wir für alle Menschen in diesem Land, also für die, die auf der Flucht waren und zu Recht unterstützt werden. Das trifft aber für zwei Drittel der Menschen, die als sogenannte Flüchtlinge hergekommen sind, in keiner Weise zu.

Das ist der Punkt, an dem Sie auf der linken Seite als Parteien völlig versagen, weil Ihnen auch nach zwei oder drei Jahren noch immer nicht klar ist, dass die meisten sich diesen sogenannten Flüchtlingsstatus nur ergaunert haben und sich die Humanität und die Unterstützung der Menschen erschlichen haben. Das geschieht jeden Tag und bei allen Sozialämtern.

(Beifall bei der AfD)

Sie müssen einmal realisieren, dass das so ist.

Herr Gallert, Sie haben noch einmal das Wort, wenn Sie antworten möchten.

Herr Farle, ich kann nichts für Ihre Weltsicht und die werde ich auch nicht ändern. Ich will aber zumindest an einer Stelle auf einen grundlegenden Unterschied hinweisen. Herr Kohl hat das Beispiel des 30-jährigen Krieges in Magdeburg genannt. Und was war sozusagen seine entscheidende Distanz? - Die Menschen, die damals hier gerettet worden sind, waren Magdeburger. Diejenigen, um die es jetzt geht, sind ja nicht einmal Deutsche. - Wortwörtlich!

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Nicht ein- mal Europäer!)

Das sind ja keine Europäer, die kommen von ganz woanders her. Wissen Sie, das ist der entscheidende Unterschied zwischen Nationalismus und Humanität.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Wort Humanität bezieht sich auf „human“, auf Menschen. Menschen, die woanders herkommen, und mögen es sogar Menschen sein, die - in Ihrer Diktion - nicht einmal Europäer sind, haben bei uns den gleichen Anspruch und die gleichen Menschenrechte. Das ist der grundsätzliche Unterschied zwischen uns.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir uns eigentlich darauf geeinigt hatten, dass wir bei einer Dreiminutendebatte nur eine Nachfrage pro Fraktion zulassen. Herr Gallert hat es vorhin auch so praktiziert. Wenn eine Änderung gewünscht wird, müssten wir darüber im Ältestenrat beraten.

(André Poggenburg, AfD, hält zwei Finger in die Höhe)