Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

- Nein, bei einer Dreiminutendebatte haben wir uns auf einen Fragesteller pro Fraktion geeinigt. -

Wir fahren in der Debatte fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel. Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich könnte jetzt die Rede, die ich vor knapp einem Jahr hier gehalten habe, noch einmal halten. Ich könnte über die theologische Fundierung des Kirchenasyls sprechen, ich könnte über die Frage sprechen, ob das Kirchenasyl das Recht brechen will oder ob Kirchenasyl nicht vielmehr das Recht zur Anwendung bringen will bzw. dem Recht eine Chance auf Anwendung geben will. All das will ich nicht tun.

Zu den maßgeblichen Unterschieden zwischen dem Menschenbild der AfD und dem der demokratischen Fraktionen hier im Raum ist bereits deutlich von Herrn Gallert ausgeführt worden. Ich will die Gelegenheit einfach noch einmal nutzen, um zu sagen, wir haben in Sachsen-Anhalt eine ordentliche, eine gute Praxis des Kirchenasyls. Das hat auch damit zu tun, dass es eine verlässliche Absprache zwischen allen Beteiligten gibt, dass diese Absprachen tragen.

Dafür bin ich auch dem Innenministerium dankbar, dass es sich immer wieder an diesen Absprachen beteiligt und dafür sorgt, dass hier nicht der Rechtsstaat in Gefahr gerät, sondern dass wir an dieser Stelle der Humanität zur Geltung verhelfen können.

Ich will all denjenigen danken, die sich von den wirklich infamen Anfeindungen, die von Ihnen von der AfD immer wieder vorgetragen werden, nicht einschüchtern und vergraulen lassen, sondern die diese Kirchenasyle unter großem persönlichen Aufwand aufrechterhalten und die sich in den Gemeinden diese Entscheidung nicht leicht machen. Dass sie es sich nicht leicht machen, dazu ist vom Innenminister heute hier auch vorgetragen worden.

Das, was Sie als Inflation begreifen, ist keine. Sie spielen wieder einmal mit den Zahlen und wollen sich nicht an Fakten halten. Das ist ein echtes Problem. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Silke Schindler, SPD)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Striegel für die Ausführungen. - Für die CDUFraktion spricht der Abg. Herr Schumann. Herr Schumann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte am Anfang mei

ner Rede einmal kurz auf die Ausführungen von Herrn Kohl eingehen. Herr Kohl, Sie haben sich auf die Geschichte, auf den 30-jährigen Krieg in Magdeburg bezogen. Ich möchte in der Zeit noch weiter zurückgehen. Der Gedanke, dass Orte, die der Religionsausübung dienen, gleichzeitig Stätten des Schutzes sind, lässt sich bis in einfache Kulturen der Frühgeschichte und auch bis in die frühen Hochkulturen zurückverfolgen. Mit dem Begriff Asylon wurde im antiken Griechenland das Verbot beschrieben, Personen und Sachen insbesondere vom Tempel wegzubringen.

Markstein für die Institutionalisierung mittelalterlichen Kirchenasyls war das Konzil von Orange im Jahr 441 im Südosten Frankreichs. Wer sich in eine Kirche geflüchtet hat, soll nicht ausgeliefert, sondern aus Respekt vor dem heiligen Ort verteidigt werden. Der Bruch des Kirchenasyls war mit Exkommunikation bedroht. Eine solche Wertschätzung des Kirchenasyls hat es also schon im frühen Mittelalter gegeben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Sicherheit würde es das moderne Kirchenasyl in dieser Form ohne seine Vorbilder in der Geschichte überhaupt nicht geben. Die Kirchen in Deutschland stellen das bestehende Asylrecht prinzipiell nicht infrage.

Wie unser Innenminister bereits ausführte, obliegt die Gewährung von Asyl einzig und allein dem Staat. Die Kirchen besitzen somit kein eigenes Asylrecht. In der rechtlich verbindlichen Verfahrensabsprache zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche sowie dem BAMF heißt es, dass besondere Härtefälle von den von den Kirchen benannten zentralen Ansprechpartnern der zuständigen Stelle des BAMF im Rahmen des rechtlich Möglichen zur nochmaligen Prüfung vorgelegt werden können.

Kirchenasyl begründet weder einen Anspruch, noch verpflichtet es den Staat. An dieser Stelle möchte ich aus „Spiegel Online“ vom 3. Mai dieses Jahres zitieren:

„Da das Kirchenasyl kein Bestandteil der deutschen Rechtsordnung sei, ergebe sich damit auch kein Anspruch auf Duldung - auch wenn die Behörden nichts dagegen unternehmen, heißt es in dem Urteil [des OLG München]. Nicht anerkannte Flüchtlinge, die Schutz in Kirchen suchen, haben demnach keinen Anspruch auf Aussetzung ihrer Abschiebung.“

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Retter unseres christlichen Abendlandes! Es ist laut Statistik zwar eine leicht steigende, aber dennoch geringe Zahl von Fällen in Sachsen-Anhalt zu verzeichnen.

Ich stelle mir jetzt lieber nicht vor, welche Bilder wir international produzieren würden, wenn wir

Asylanten mit Gewalt aus Kirchen zerren müssten, um sie der Abschiebung zuzuführen. Ich glaube, das entspricht nicht der Vorstellung von einem Deutschland, die jedenfalls wir demokratischen Parteien haben. Das wollen wir nicht.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Die oft aus Gewissens- und Glaubensgründen unterstützten Fälle von Kirchenasyl sind aus meiner Sicht viel zu sensibel, um an dieser Stelle politisiert zu werden. Meine Damen und Herren, wir lehnen Ihren Antrag ab. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Schumann für die Ausführungen. - Als Redner für die AfD-Fraktion spricht noch einmal Herr Kohl. Herr Kohl, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Vizepräsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Ich musste feststellen, wenn es knifflig wird, dann werden so einige vom Deezer-Syndrom erfasst und hören nur das, was Sie hören wollen.

Herr Gallert, der grundlegende Unterschied zwischen dem Kirchenasyl in Deutschland damals und heute besteht nicht darin, dass die Leute aus fernen Ländern kommen. Der Grund, aus dem sie ihre Reise starten, ist doch nicht der, dass sie hier in Deutschland ins Kirchenasyl gehen wollen. Sie kommen auch nicht über die Grenze, um hier ins Kirchenasyl zu gehen. Sie haben andere Vorstellungen. Das unterscheidet sie schon einmal von dem Kirchenasyl im Jahr 1631.

Des Weiteren ist noch immer nicht geklärt, worin die mittelbare oder unmittelbare Gefahr für Leib und Leben bestehen soll. Diese Antwort sind Sie bisher schuldig geblieben.

(André Poggenburg, AfD: Im Kopf der LIN- KEN!)

- Ja, wahrscheinlich. - Es war klar und vorhersehbar, dass unser Antrag abgelehnt wird. Die AfD versteht sich als parlamentarischer Arm des Rechtsstaates

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ui, ui, ui!)

und wird weiterhin für die Aufhebung der Vereinbarung zwischen dem BAMF und den Amtskirchen eintreten.

(Zustimmung bei der AfD)

Die Amtskirchen tragen in vielerlei Hinsicht eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Das ent

pflichtet sie aber nicht davon, geltende Rechtsnormen zu achten und den Rechtsstaat nicht infrage zu stellen. In den Fällen, in denen es infolge von Kirchenasylen zu Fristüberschreitungen kam und kommt, werden die Kirchen ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht.

Wenn der Innenminister zu Recht beklagt, dass in Sachsen-Anhalt viele Ausreisepflichtige leben, die nicht abgeschoben werden können, dann muss die Frage gestellt werden, welchen Anteil er an dieser Situation hat bzw. was er dagegen unternommen hat.

Seit 2017 kam es im Kirchenasyl in 50 Fällen zu Fristüberschreitungen nach der Dublin-III-Verordnung. Diese Menschen verbleiben zumindest erst einmal in Deutschland, obwohl das BAMF ein negatives Votum abgab. Das heißt, diese Menschen haben sich das Asylverfahren und damit den vorläufigen weiteren Aufenthalt in Deutschland ersessen. Das war nur möglich, weil es in Deutschland übliche Tolerierungspraxis ist, nicht aus dem Kirchenasyl abzuschieben.

Auch Innenminister Stahlknecht will keine Vollstreckungsmaßnahmen in Kirchenräumen durchführen. Ich kann verstehen, dass man in das Kirchenasyl nur ungern von außen eingreift oder dieses beendet, weil das, wie Herr Schumann sagte, üble Schlagzeilen und hässliche Bilder ergibt. Denn erfahrungsgemäß ist es so, dass im Falle einer drohenden Rückführung die Meldeketten der Abschiebungsgegner glühen und der Widerstand gegen die Rückführung organisiert wird. Aber diese Bilder hätten dann nicht die Polizei oder der Innenminister zu verantworten, sondern jene, die staatliches Handeln be- oder verhindern wollen.

Zum Schluss noch ein Hinweis. Der Bundesinnenminister plant, wie es rechtens ist, Dublin-III-Fälle an der deutschen Grenze abzuweisen. Insofern ist es nur konsequent, diesen Menschen keinen Anspruch auf Kirchenasyl im Land einzuräumen. Wer Seehofers Vorhaben unterstützt, kann unseren Antrag nicht ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Kohl für die Ausführungen. - Wir kommen nun zum Abstimmungsverfahren.

Den Wunsch auf Überweisung in einen Ausschuss konnte ich nicht wahrnehmen. Deshalb stimmen wir direkt über den Antrag der AfD-Fraktion in der Drs. 7/2982 ab. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist die AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE. Stimmenthaltungen? - Sehe ich nicht. Da

mit hat dieser Antrag keine Mehrheit erhalten. Der Tagesordnungspunkt 24 ist erledigt.

Bevor wir zum Tagesordnungspunkt 25 kommen, nehmen wir im Präsidium einen Wechsel vor.

Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Tagesordnung fort.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 25

Beratung

Keine Fördermittel für Vereine, die durch ihre Tätigkeit die parteipolitische Neutralitätspflicht verletzen

Antrag Fraktion AfD - Drs. 7/2983

Der Einbringer ist der Abg. Herr Poggenburg. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Erst einmal ein großes Lob dafür, dass Sie hier gesundheitlich angeschlagen so Ihre Frau stehen.