Protokoll der Sitzung vom 30.08.2018

positiv prägenden Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen.

Ich kann den Satz von Herrn Stahlknecht: „Ich stehe einem sozialen Jahr aufgeschlossen gegenüber“, nur unterschreiben. Das tue auch ich. Aber ich glaube nicht - abgesehen davon, dass ich das für rechtlich unmöglich halte -, dass ein soziales Jahr die Wirkung, die hier in Rede steht, entfaltet, wenn es auf Zwang gründet.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Aussetzung der Wehrpflicht auf der einen Seite und die Angebote für ein freiwilliges Engagement - FSJ, FÖJ, es gibt ganz viele; auch der Bundesfreiwilligendienst wird sehr viel stärker nachgefragt, als ich mir das vorstellen konnte -, das ist aus meiner Sicht die richtige Richtung. Wer will, der kann. Wer will, der kann sich einbringen, der kann Erfahrungen sammeln, der kann mit anpacken.

Demokratie heißt eben, sich freiwillig und selbstbestimmt einzubringen, nicht zwangskollektiviert zu werden, vermittelt über einen Zwangsdienst.

Aus grüner Sicht ist das bestehende System grundsätzlich zu begrüßen, aber Verbesserungen sind anzustreben. Genau über solche Verbesserungen wollen wir - deswegen auch die Ausschussüberweisung - gern reden. Wir wollen beispielsweise mehr Plätze im Freiwilligendienst haben. Gerade im Bereich des FSJ haben wir immer mehr Bewerberinnen und Bewerber, als wir Plätze anbieten können. Das ist ein Punkt, über den man reden kann.

Wir können über eine höhere Sachkostenpauschale reden. Beim Bundesfreiwilligendienst wäre über eine höhere Vergütung zu diskutieren. Es wäre tatsächlich auch über die Anbindung und die Begleitung von Bundesfreiwilligen zu diskutieren. Aus meiner Sicht und nach den Erfahrungen, die ich aus Gesprächen gewonnen habe, ist nämlich ein Grund dafür, dass dort so viele abbrechen, dass sie nicht entsprechend begleitet werden. Da haben wir aus den Jugendfreiwilligendiensten gute Erfahrungen. Die müssen wir besser in die Erwachsenenfreiwilligendienste transportieren.

Auch ist die rechtliche Stellung im Verhältnis zum SGB II und SGB VII bei den Freiwilligendiensten noch einmal zu hinterfragen, dahin gehend, inwieweit die Vergütung mit Leistungen gemäß diesen Sozialgesetzbüchern verrechnet wird. Über die Höhe des Taschengeldes im Freiwilligendienst ist aus meiner Sicht auch zu sprechen.

Aber wir müssen gar nicht über den engen Bereich der klassischen Freiwilligendienste reden; denn letztlich ist die Idee dahinter doch, junge Menschen möglichst früh Lebenserfahrungen mit

zugeben, die sie auf ihrem weiteren Lebensweg begleiten, Erfahrungen, die sie im Schulunterricht nicht machen können.

Wir müssen auch Praktikumsmöglichkeiten verbessern, Berufsorientierung in der Schule ausbauen, auch in Förderschulen und Gymnasien, und duale Studiengänge fördern, also Ansätze verfolgen, die junge Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit abholen, sie abseits von Familie, Freunden und Schule mit der Gesellschaft als Kooperations- und Arbeitszusammenhang in Kontakt bringen.

In diesem Sinne sind wir sehr dafür, über die Verbesserung der Möglichkeiten des Engagements von jungen Menschen zu reden. Wir sind sehr dafür, eine Brücke zu bauen zwischen Schule, Ausbildung, Studium etc., aber nicht aufgrund von Pflicht, sondern aufgrund von Freiwilligkeit. Denn nur in Freiheit wächst Verantwortung. - Vielen Dank.

Frau Lüddemann, Herr Borgwardt hat sich zu Wort gemeldet. Würden Sie seine Frage beantworten?

Sehr geehrte Kollegin Lüddemann, dass wir unterschiedliche Auffassungen haben, ist legitim, ist bei uns auch geregelt. Aus dem Grunde werden wir natürlich auch, wenn wir überweisen, über die Dinge, die Sie angesprochen haben, reden, natürlich auch über die Dinge, die wir angesprochen haben.

Ich will nur mit einer Legende - ich glaube, das haben die Rentner nicht verdient - aufräumen. Sie haben gesagt, systematisch wäre das - -

Rechts, rechts.

Oder rechtssystematisch. Es wäre falsch, das hier nicht zu korrigieren; denn die einen haben im Regelfall für ihr Land gearbeitet und Abgaben geleistet und haben den Dienst erreicht. Die anderen haben bisher in dieser Form nichts geleistet. Das ist der nicht gleichzusetzende Rechtsrahmen. Das stimmt nicht. Ich wollte das hier nur richtigstellen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Lüddemann, Sie haben noch einmal das Wort.

Herr Kollege Borgwardt, ich bin dankbar, dass Sie das noch einmal ansprechen; denn genau das - - Ich wollte diese Diskussion. Ich habe mir gedacht, dass es da Nachfragen oder Unverständlichkeiten gibt. Deswegen habe ich es als provozierendes Beispiel gebracht.

Ach so, es war ein Fehler?

Nein, es ist völlig richtig. Rein rechtssystematisch ist es das Gleiche. Ich bin keine Juristin, aber ich habe mich da informiert. Es ist rein rechtssystematisch das Gleiche. Es wird eine Bevölkerungsgruppe zu etwas verpflichtet. Das ist genau das Gleiche, als wenn wir eine Gruppe von jungen Menschen verpflichten, etwas zu tun.

(Zuruf von der AfD)

Dass es völlig absurd ist, das gerade bei Rentnern zu tun, darin sind wir uns doch einig. Ich meine, über das Renteneintrittsalter und all diese ganzen Implikationen können wir ja auch gern reden. Das ist jetzt nicht die Debatte. Es war nur das Beispiel, dass einfach einmal im Kopf zu Ende gedacht wird, was es bedeutet, eine Gruppe von Menschen pauschal zu etwas zu verpflichten.

(Unruhe bei der AfD)

Offensichtlich ist ja dieser Gedankengang jetzt in Gang gekommen. Da wir beide Anträge überweisen, werden wir in drei Ausschüssen viel, viel Gelegenheit haben, über all die Dinge zu reden.

Frau Lüddemann, Herr Farle hatte sich noch zu Wort gemeldet. - Herr Farle? - Herr Farle, Sie haben das Wort.

Das ist nur eine Zwischenintervention. Sie können ja dann Stellung nehmen, wenn Sie wollen.

Wenn ich will.

Ich kann mir beileibe nicht vorstellen, dass es dasselbe ist, wenn jemand, der ein ganzes Leben

gearbeitet hat und dann die Rente endlich erreicht hat, verpflichtet wird, im Rahmen einer Dienstpflicht, die Sie gerade ins Gespräch gebracht haben, tätig zu werden, wie ein junger Mensch, der noch keine Lebenserfahrung gesammelt hat und der es vielleicht ganz gut gebrauchen kann, gesellschaftlich sinnvolle Arbeit zu tun. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das bei Ihnen richtig durchdacht ist, selbst wenn Sie in juristischen Verwirrungskategorien denken. Denn das sind zwei völlig unterschiedliche Menschengruppen. Die haben miteinander gar nichts zu tun. Die einen haben schon gearbeitet, und die anderen müssen den Beweis, dass sie arbeiten wollen und können usw., erst noch erbringen.

Meine Frage ist also: Das ist einfach nur ein verwirrtes Denken. Meinen Sie das wirklich ernsthaft - das wäre jetzt noch eine Frage -, dass man den Rentnern eine allgemeine Dienstpflicht vorschreiben kann?

Herr Farle, Sie haben mir wieder nicht zugehört.

Ich habe genau zugehört: Man muss das ins Gespräch bringen. Man könnte das ins Gespräch bringen.

Nein, das habe ich nicht gesagt.

Doch, das haben wir genau registriert.

Nein! Das habe ich nicht gesagt.

Frau Lüddemann, Sie haben jetzt noch einmal das Wort. Sie können jetzt antworten.

Ich habe in meiner Rede gesagt und auf die Intervention des Kollegen Borgwardt nochmals ausgeführt, dass es ein Beispiel für eine rechtssystematische Analogie ist. Genauso gut könnte man auch sagen: Alle zwischen 40 und 45 Jahren werden zu einem Dienstjahr verpflichtet. Es ist eine rein hypothetische rechtssystematische Diskussion.

Um Gottes willen, das habe ich sofort gesagt. Wir haben sogar noch eine etwas andere Auffassung zum Renteneintrittsalter als die Kollegen der großen Koalition in Berlin. Das können wir ja dann auch alle nachlesen. Aber das will ich hier gerne

noch einmal richtigstellen: Es geht wirklich nur darum zu sagen, was passiert rein rechtssystematisch, wenn ich relativ willkürlich eine Gruppe herausnehme und sie zu einem Pflichtjahr verpflichte.

Frau Lüddemann, es gibt von Herrn Gürth noch eine Wortmeldung. - Herr Gürth, Sie haben das Wort.

Ich bin mir, geschätzte Kollegin, jetzt nicht ganz sicher, ob ich das richtig verstanden habe. Aber Ihnen müsste ja auch noch bekannt sein, dass die Wehrpflicht, die seit 2011 ausgesetzt ist, auf einer Rechtsnorm basiert. Wir haben Artikel 4 der Menschenrechtskonvention - Verbot von Pflichtdiensten -, aber wir haben grundgesetzliche Möglichkeiten, die das erlauben.

Artikel 12 unseres Grundgesetzes ist die Grundlage für die Wehrpflicht. Und im Wehrpflichtgesetz, also einfachgesetzlich geregelt, steht: Derjenige, der dieser verfassungsrechtlich normierten Wehrpflicht nicht nachkommt, muss dafür einen Ersatzdienst leisten - daraus der Terminus „Ersatzdienste“. Das ist dann die Rechtsgrundlage dafür, dass der, der dieser Pflicht aus Gewissensgründen nicht an der Waffe nachkommen möchte, das nicht muss. Aber er muss in einem Land, wo ab der ersten Sekunde nach der Geburt mit Krippe, mit Kindergarten, mit Schule, mit Hort, mit Ausbildung alles geleistet wird, ein Jahr seinem Staat dann dienen. Das ist die Grundlage.

Diese ist aufgrund dieser Verfassungsregelung des Artikels 12 und aufgrund des Wehrpflichtgesetzes klar definiert, ist auch x-mal überprüft worden. Sie war Rechtsgrundlage dafür, dass junge Menschen ein Jahr lang dem Land dienen, während sie alle weiteren Besonderheiten ihrer Möglichkeiten aufgrund des Staatsbürgerrechts und dessen, was Deutschland bietet, nutzen können.

Können wir nicht diese Rechtsnorm nutzen und sagen: Es ist nicht schlimm, es bringt jeden weiter, wenn er einmal - weil das ganze Leben immer wieder Pflichten bringt - für eine begrenzte Zeit dem Land verpflichtend dient, im ökologischen, im kulturellen, im sozialen Bereich oder wo auch immer, oder im Dienst an der Waffe. Was ist daran so schlecht? Und rechtlich verboten ist es offensichtlich nicht.

Frau Lüddemann, Sie haben noch einmal das Wort.

Erstens denke ich nicht, dass das jetzt rechtlich möglich ist. Ich denke, dazu müsste man das Grundgesetz an der Stelle anpassen.

(Zurufe von der AfD)

Zweitens denke ich nicht, im Unterschied offenbar zu den Kollegen der CDU, dass ein verpflichtender Dienst tatsächlich den gewünschten Erfolg bringt, dass wir tatsächlich genügend Plätze für junge Menschen haben, die völlig unvorbereitet auf den Arbeitsmarkt kommen. Wir haben auch gar nicht die nötige Betreuung. Wir haben jetzt gerade - das ist ja auch angefragt und ausgeführt worden - im Bundesfreiwilligendienst gesehen, dass nur die Zurverfügungstellung eines Platzes, gerade in diesem Bereich, weder für die Träger noch für die jungen Menschen oder auch für die älteren im Bundesfreiwilligendienst hilfreich ist.