Protokoll der Sitzung vom 30.08.2018

Zum Thema der gefühlten Sicherheit im Lande habe ich noch ein Beispiel. Wie die „Mitteldeutsche Zeitung“ vor einiger Zeit berichtete,

hat sich allein im Saalekreis die Zahl der kleinen Waffenscheine binnen zwei Jahren mehr als verdoppelt. Für uns ist klar, die steigende Zahl an Waffenscheinen und Waffenbesitzern steht in eindeutigem Zusammenhang mit der fragilen Sicherheitslage in diesem Land. Für die Bürger kommt die gefühlte Sicherheit vor der tatsächlichen, welche in Ihren Statistiken abgebildet wird.

Nehmen wir zum Vergleich eine normale Familie, also Mann, Frau und Kinder. Statistisch sind die meisten Eltern sicherlich gute Eltern. Sie kümmern sich um ihre Kinder, geben Schutz, ernähren, bilden aus, erziehen. Aber dass sich das Kind tatsächlich sicher und geborgen fühlt, ist nicht in jedem Fall gesagt.

Herr Innenminister, ich habe zwar arge Zweifel, doch nehme ich Sie beim Wort. Tun Sie alles dafür, um Straftaten zu verhindern, und leisten Sie Präventionsarbeit.

Ausdrücklich teile ich Ihre ehrenden Worte an die Kameraden der freiwilligen Feuerwehren und die vielen Ehrenamtlichen in den Vereinen. Ich schließe mich an und bedanke mich zusätzlich bei den Tausenden Freiwilligen im Land für ihren ehrenvollen Dienst an unserer Gemeinschaft.

(Beifall bei der AfD)

Dass es entgegen Ihren Aussagen um die Feuerwehren im Land gerade nicht allzu gut bestellt ist, zeigt sich daran, dass wir morgen unter dem Tagesordnungspunkt 12 zwei Anträge behandelt werden, die die Leistung der Feuerwehren dauerhaft sichern, die Feuerwehren ehren und mit messbaren Taten unterstützen sollen. Ich bin auf Ihre Ausführungen zu diesen Anträgen sehr gespannt.

Werte Kollegen! Herr Innenminister, wie bereits eingangs meiner Ausführungen erwähnt, gab es während Ihrer Rede sicherlich einige CDU-Abgeordnete, die die inflationäre Nutzung des Begriffs Heimat als, sagen wir mal, wichtiges Signal sahen. Wie das bei den linken Fraktionen ankam, das werden wir ja gleich noch hören.

Da Sie soeben Gelegenheit hatten, Ihre Definition des Heimatbegriffs vorzutragen, folgt nun die unsrige. Denn vieles von dem, was Sie sagten, hat mit einer wohlüberlegten Definition und einer fundierten Herleitung des Begriffs Heimat wenig zu tun. Auch ich werde den Begriff im folgenden Abschnitt meiner Rede häufig nutzen. Der Unterschied ist, dass wir damit einen ernsten und aufrechten Umgang pflegen. Für uns ist der Begriff Heimat keine Floskel und kein Fangnetz zum Fischen von Wählerstimmen.

(Beifall bei der AfD)

Heimat ist ein sehr deutsches Wort. Es lässt sich schwer in andere Sprachen übersetzen. Die

Germanen sagten zum eigenen Haus und Hof „heimod“. Herder meinte, „Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss.“ Das bedeutet, dass Heimat für das Individuum wie für die Gemeinschaft ein Ganzes aus Raumbezug und natürlichen wie kulturellen Gegebenheiten ist, in das man hineingeboren wird; vielleicht auch hineinwachsen kann. Eine wichtige Rolle spielen die Verknüpfung mit der Kindheit sowie die Poesie des Gewachsenen und Gewordenen. Das erklärt den starken gefühlsmäßigen Bezug der Menschen zu ihrer Heimat und die Probleme, eine zweite Heimat zu finden.

Der Heimatbegriff ist ein konservativer. Die Mobilisierung der Menschen in Europa und die Zerstörung der ökologischen Systeme, die mit der industriellen Revolution einsetzte, ließ die ersten Umwelt- und Heimatschutzbewegungen - allesamt stark konservativ - entstehen. Umweltschutz und Heimatschutz sind urkonservative Themen.

Linke und Liberale sahen den Begriff schon bald als ein Relikt. Im Zuge der Modernisierung würde dieser zwangsläufig verschwinden. Denn, so Linke und Liberale, die Betonung von Herkunft und Bindung habe eine negative Wirkung auf den Menschen, und davon solle man sich schnellstmöglich emanzipieren.

Seit einiger Zeit wird versucht, den Heimatbegriff neu zu besetzen. Dabei wird regelmäßig ausgeblendet, dass Heimat immer eine relative Homogenität der Gemeinschaft und ihres Lebensraums voraussetzt. Die Anthropologie wird bei den meisten Neudeutungen des Begriffs Heimat komplett ausgeblendet. Heimat ist mehr als nur ein Wort. Heimat ist die Liebe des Eigenen. Heimat bedeutet Geborgenheit, Freundschaft, Familie, Freiheit, kulturelles Erbe und nicht zuletzt Tradition.

Wir haben die Pflicht, die Heimat zu schützen, ihre Werte aufrechtzuerhalten und an unsere Kinder und Kindeskinder weiterzugeben.

(Beifall bei der AfD)

Heimat ist nichts Beliebiges, nichts von gestern oder vorgestern. Heimat hat nichts zu tun mit Blut und Boden, wie ich es in Ihrer Erklärung las. Sicherlich grenzt der Begriff auch aus. Wichtiger aber ist, dass Heimat das Gute und Bewahrenswerte im Inneren schützt.

Noch ein weiter Punkt Ihrer Erklärung, Herr Minister, bereitet mir Sorgen. Sie fordern ein modernes und passgenaues Einwanderungsgesetz. Zwar ist in Bezug auf Einwanderung und Asyl der Status quo nun wirklich reformbedürftig. Doch möchte ich kein Einwanderungsgesetz erleben, das aus der Feder einer schwarz-roten oder schwarz-rot-grünen Regierung stammt. Vielleicht kommen Sie ja noch darauf, mit welchem

Partner man ein solches Gesetz schmieden könnte.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE, lacht)

Sie sprachen soeben auch über eine gut überlegte Zuwanderungspolitik. Meinten Sie damit die Idee, bereits abgelehnten Asylbewerbern durch die Hintertür eine neue Bleibeperspektive zu eröffnen? - Sie unterstützten ja zuletzt den Vorstoß des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, abgelehnte Asylbewerber über ein neues Einwanderungsgesetz doch wieder einzubeziehen.

Meine Damen und Herren! Asyl ist ein Schutz auf Zeit vor Verfolgung. Wenn keine weitere Gefahr mehr besteht oder ohnehin nie bestanden hat, dann müssen diese Menschen wieder in ihre Heimat zurückkehren.

Herr Innenminister, hängt Ihr Wunsch nach einer Aufweichung der Gesetzgebung vielleicht damit zusammen, dass die Abschiebequoten in Sachsen-Anhalt katastrophal sind? Oder wollen Sie eigentlich gar nicht abschieben und tun alles dafür, dass die irgendwie hier Ankommenden auch irgendwie hier bleiben können?

Im Juni 2015 gaben Sie der „Mitteldeutschen Zeitung“ ein Interview. Die Schlagzeile verriet schon damals, wo die Reise hingehen soll. In diesem Interview sagten Sie, Sachsen-Anhalt könne bis zu 15 % Ausländer verkraften. Schon damals - da stand Deutschland noch vor dem absoluten Kontrollverlust an seinen Grenzen, also noch vor der Flut - meinten Sie, dass wir Zuwanderer gezielt anwerben müssten. Anscheinend hat sich Ihre Auffassung dazu in den letzten drei Jahren nicht wirklich verändert. Für Sie scheint Zuwanderung immer noch das Thema der Zukunft zu sein.

Derzeit haben wir in Sachsen-Anhalt einen Ausländeranteil von 4,6 %. In Zahlen sind das ungefähr 100 000 Personen. Soll Sachsen-Anhalt auf Ihre 15 % Ausländer kommen, müssten hier noch mal ca. 230 000 Neubürger ankommen. Das sind in etwa so viele, wie ganz Magdeburg an Einwohnern hat. Herr Innenminister, das kann nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall bei der AfD)

Wie meinte Altkanzler Schmidt schon 1981: „Wir können nicht mehr Ausländer verdauen [...]“. Und der war Sozialdemokrat.

Wie der MDR am 28. August berichtete, ergab eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap, dass meiner Partei - der AfD - bzw. meiner Fraktion die höchsten Kompetenzwerte im Bereich der Bekämpfung von Verbrechen und Kriminalität - Stichwort innere Sicherheit - zugeschrieben werden. Uns freut das und für Sie hier im Hohen Haus ist das vielleicht ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Bisher haben Sie unsere parlamentarischen Initiativen zur inneren Sicherheit mehrheitlich abgelehnt. Vielleicht machen Sie sich zukünftig einmal die Mühe und versuchen zu verstehen, was wir fordern, um die Lage im Land nachhaltig zu verbessern. Oder Sie haben es bereits verstanden und fassen den Mut und stimmen auch einmal zu, wenn meine Fraktion einen Antrag stellt. Die Mehrheit der Bürger im Land würde es Ihnen danken. Sie können das nachher beim Antrag zu den sicheren Herkunftsstaaten gleich unter Beweis stellen.

Was den angesprochenen Rechtsruck angeht: Dieses Land wurde in den letzten Jahren so weit nach links verschoben, dass eine Kurskorrektur definitiv nicht schaden kann.

(Lebhafter Beifall bei der AfD)

Wenn wir das, was Sie als Rechtsruck bezeichnen, noch zweieinhalb Jahre weiter in diesem Land gestalten, kommen wir wieder genau in der Mitte an, und da gehören wir auch hin.

(Beifall bei der AfD)

Sehr geehrter Herr Minister! Ich komme noch einmal auf den Begriff Heimat zurück und schließe - nicht ohne eine kleine Anmerkung zu machen - mit Worten Christoph Türckes: „Solange das Gefühl, das sich Heimweh nennt, bei kleinen und großen Kindern“ - und wer ist schon hundertprozentig erwachsen - „nicht ausstirbt, gibt es keinen vernünftigen Grund, das Wort Heimat aus der deutschen Sprache zu tilgen.“ Dem möchte ich hinzufügen: oder den Begriff umzudeuten oder für sein eigenes politisches Kalkül zu instrumentalisieren.

(Olaf Meister, GRÜNE: Das machen nur Sie!)

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kirchner. - Wir kommen zum nächsten Redner, und zwar spricht für die SPDFraktion Herr Erben.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst herzlichen Dank an Minister Stahlknecht für seine Regierungserklärung zu diesem Thema; denn diese gibt uns Gelegenheit, hier im Landtag von Sachsen-Anhalt die Debatte darüber zu führen, was für uns Heimat ist.

Elf Minuten sind nicht viel; trotzdem will ich einleitend darauf hinweisen, dass ich zwei Orte habe, die ich meine Heimatorte nenne. Von meinen 50 Lebensjahren habe ich die ersten 20 Lebens

jahre in Thüringen gelebt, wuchs dort in der Rhön in herrlicher Landschaft auf, allerdings auch nur wenige 100 m von der unüberwindlichen innerdeutschen Grenze entfernt.

Vor mehr als 30 Jahren kam ich, nicht freiwillig, da zur NVA eingezogen, in meine heutige Heimatstadt Weißenfels. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass dieser Ort jemals meine Heimat werden könnte. Keinen Tag länger als unbedingt nötig wollte ich in dieser Stadt, umgeben von Buna, Leuna und auch von Tagebauen, verbringen. Es kam völlig anders. Hier in Sachsen-Anhalt ist heute meine Heimat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über das, was Heimat ist, tobt seit Monaten eine heftige politische Auseinandersetzung in Deutschland.

Was ist Heimat für mich? - Eigentlich ist es ganz einfach: Heimat ist dort, wo ich zu Hause bin, wo ich mich wohlfühle, Freunde habe und jeden Winkel wie meine Westentasche kenne.

Doch Heimat ist eben nicht nur ein Ort. Heimat ist auch ein Gefühl. Es bedeutet, geborgen zu sein, sich wohlzufühlen, sich sicher zu fühlen. Die meisten fühlen sich sicherlich in ihrer Familie geborgen. Kinder fühlen sich in der Kindertagesstätte geborgen, dann in der Schule. Später gehören zum Geborgensein sicherlich auch eine ordentliche medizinische Versorgung und die Gewissheit, im Alter ordentlich gepflegt zu werden. All das muss auch im ländlichen Raum verfügbar sein. Das müssen wir erhalten. Dort, wo es Defizite gibt, müssen diese, vor allem auch im ländlichen Raum, beseitigt werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Für die allermeisten Menschen ist Heimatort dort, wo sie sich wohlfühlen. Dieses Sichwohlfühlen ist an eine Voraussetzung geknüpft, die die Politik schaffen kann, aber eben nicht nur die Politik. Menschen wollen, dass es ihnen in ihrem Ort gut geht, und sie wollen hier die entsprechenden Bedingungen dafür schaffen. Dort und auf diese Weise entsteht erstens Engagement in den Schulen, bei der freiwilligen Feuerwehr, im Heimatverein, im Sportverein oder auch im Gemeinderat. Dort wird Heimat gestaltet. Fährt ein Bus? Wann verlieren wir das lahme Internet? Praktiziert bei uns noch ein Arzt? Ist das Vereinsleben intakt? - Dieses Engagement für die Heimat ist oft der Anfang von Politik. Ich sage daher: Ohne Heimat keine Demokratie.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

In der Heimat wachsen Demokraten heran. Wenn Demokratie aus dem Möglichmachen von Heimat für viele Menschen besteht, dann ist Demokratie auch erfolgreich. Deshalb ist der Heimatbegriff ein

zutiefst demokratischer, ja sozialdemokratischer Begriff.