Protokoll der Sitzung vom 30.08.2018

Ausgewogene Anteile theoretischer und praktischer Lerninhalte formen Facharbeiter mit umfassenden Kenntnissen und Fertigkeiten in ihrem Beruf. Ob duales Studium, betriebliche Lehre oder außerbetriebliche Berufsfachschulausbildung, bis hin zur Mitarbeiterqualifizierung, die Möglichkeiten der Berufs- und Weiterbildung in Deutschland sind umfangreich.

Doch auch bei uns wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Auch in Deutschland gibt es vielschichtige Entwicklungen, auf die wir mit klugen Instrumenten und überlegten Strategien reagieren müssen: Fachkräftelücke, Industrie 4.0, Digitalisierung, Unternehmensnachfolgen, Weiterbildung,

Neuorientierungen, Studierneigung, Inklusion, Einbindung von gering Qualifizierten, Schulabgangsniveau und Grundkenntnisse von Real- und Hauptschülern, Ausbildungsbeteiligung der Wirtschaft - um nur einige zu nennen.

Manche Probleme werden wir nur unter großen Anstrengungen wieder beheben können.

Das größte aller Sorgenkinder aus meiner Sicht ist aber der Geburtenrückgang oder, wie Sie es beschönigend ausdrücken, der demografische Wandel. Wir von der AfD nennen es Katastrophe, aber wir wollen es jetzt nicht an Worten festmachen. Denn wir sind uns, denke ich, darin einig, dass die daraus entstandenen Probleme im Gesundheitswesen, bei der Alterssicherung, am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft nicht mehr zu übersehen sind und wohl auch nur schwer beherrschbar bleiben. Das, meine Damen und Herren, bleibt Ihr Versagen.

(Zustimmung bei der AfD)

Die Statistiken in den Berufsbildungsberichten zeigen ganz deutlich den Absturz der Berufsbewerberzahlen als langfristigen Trend auf. Die eingetretenen Fachkräftelücken in Pflege und Wirtschaft sind darin schon seit Jahren prognostiziert gewesen. Das ist ein Problem in ganz Deutschland. Aber die selbst erklärten Eliten waren froh über jedes nicht geborene deutsche Kind.

(Oh! bei der SPD)

Über die Alterssicherung bis 2040 wollen CDU und SPD deswegen lieber nicht diskutieren, wobei hier natürlich hauptsächlich die CDU der Bremser ist.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Wie kommen Sie zu der Erkenntnis?)

Denn es müssten ja die ungeborenen Arbeitnehmer von morgen diese neue Rente erwirtschaften. Nach 2025 erwartet die CDU wahrscheinlich das schwarze Loch in der Rentenkasse. Bildung und Ausbildung, Lehre und Studium, Wissenschaft und Forschung, Familie und Infrastruktur - hier muss investiert werden, um die Zukunft unseres Volkes zu sichern.

Deshalb ist es aus unserer Sicht richtig, wenn wir uns dort, wo wir immer gut aufgestellt waren, auch wieder stärken. Das ist die Berufsbildung im Land. Ab jetzt können wir es uns nämlich nicht mehr leisten, Ressourcen zu verschenken. Mitarbeiter und Berufsschüler müssen die Förderung bekommen, die sie in die Lage versetzt, sich selbst beruflich zu verwirklichen und nebenbei unserer Volkswirtschaft einen Mehrwert zu verschaffen.

Das gilt für alle Bürger des Landes, für Berufseinsteiger, Facharbeiter, Akademiker ebenso wie für

Menschen mit Behinderungen oder Berufsschüler mit Leistungsdefiziten. Nur so lassen sich nämlich in Zukunft unser umfassendes soziales Sicherungssystem erhalten und der Lebensstandard der Menschen sichern.

Aus diesem Grund ist es notwendig, die Situation am Ausbildungsmarkt zu kennen, berufliche Weiterbildungsangebote zu entwickeln und alle Förderinstrumente auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen, und das alles im Hinblick auf eine größtmögliche Chance der Deutschen auf Arbeit und Wohlstand.

(Zustimmung bei der AfD)

Um allen an der Berufsbildung Beteiligten einen umfassenden Überblick, statistische Daten und analytische Auswertung bereitzustellen, ohne die fundierte Entscheidungen nicht getroffen werden können, befürworten wir die Rückkehr zu einer jährlichen Berichterstattung. Da wir aber Bedenken haben, dass die Landesregierung aus den vorliegenden Berichten - -

Herr Raue, meine Bedenken beziehen sich jetzt darauf, dass Ihre Redezeit seit 40 Sekunden vorbei ist. Sprechen Sie bitte den letzten Satz.

Den letzten Satz, prima. - Da wir aber Bedenken haben, dass die Landesregierung aus den vorgelegten Berichten die richtigen Schlüsse zieht, wird sich die AfD-Fraktion zu diesem Antrag der Stimme enthalten. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Fragen. Wir können in der Debatte fortfahren. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Keindorf. Herr Keindorf, Sie haben das Wort.

(Zustimmung von Frank Scheurell, CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor vier Jahren haben wir uns an dieser Stelle letztmalig mit dem Berufsbildungsbericht der Landesregierung beschäftigt. Dabei liefert dieser Bericht wichtige Zahlen zu den aktuell knapp 48 000 Jugendlichen in einer Berufsausbildung, davon etwa 26 500 in dualer Ausbildung sowie geschätzt bis zu weiteren 20 000 jungen Menschen bis 27 Jahre, die Maßnahmen im Übergangssystem Schule/Beruf durchlaufen.

Mit dem nunmehr vorliegenden Antrag geben die Koalitionsfraktionen der Landesregierung die

Möglichkeit, aktuelle Zahlen zur Berufsausbildung und zum Ausbildungsmarkt sowie Maßnahmen zur Bewältigung der bekannten Herausforderung bei der Fachkräftesicherung vorzustellen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie mit Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Berufsfeldern in Ihrer Region sprechen, dann stellen Sie schnell fest, dass die Betriebe in SachsenAnhalt die sich schon seit Jahren verschärfende Fachkräfteproblematik als inzwischen wichtigstes Hemmnis für eine Weiterentwicklung und Fortführung des Unternehmens und - das möchte ich deutlich sagen - in der Konsequenz auch den Erhalt von Arbeitsplätzen nennen. Die Sorgen bei der Suche nach geeigneten qualifizierten Fachkräften und Auszubildenden werden, so zeigen es jedenfalls die Analysen der Wirtschaftskammern, inzwischen höher bewertet als die Steuer und Abgabenlast oder etwa bürokratische Hürden.

Aus der Sicht der CDU-Fraktion ist daher der seinerzeit zwischen der Landesregierung und den Anforderungen der Praxis gefundene Kompromiss, einen Bericht über immerhin bis zu 70 000 junge Menschen hier im Land nur alle zwei Jahre vorzulegen, nicht mehr zeitgemäß. Mit der Rückkehr zum jährlichen Monitoring können dagegen aktuelle Entwicklungen in der Berufsausbildung als Grundlage klugen politischen Handelns deutlich verbessert werden.

Eine Voraussetzung dabei ist jedoch, dass der Bericht so weiterentwickelt wird, dass eine ehrliche Betrachtung der Realität möglich wird.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Es ist wenig hilfreich, wenn Zahlen zu den Vertragsauflösungen von Ausbildungsverhältnissen - das Thema wurde schon genannt - auf einer fragwürdigen Berechnungsgrundlage erstellt werden. Darauf habe ich an dieser Stelle auch schon hingewiesen. Vertragsauflösungen infolge eines Ausbildungsplatzwechsels zwischen zwei Betrieben, eines Wechsels einer Fachrichtung im selben Unternehmen, eines Wechsels aufgrund einer Betriebsinsolvenz oder vor dem Hintergrund von Mehrfachbewerbungen von Jugendlichen bei Ausbildungsantritt dürfen eben nicht statistisch mit einem echten Ausbildungsabbruch gleichgesetzt werden.

Ich frage an dieser Stelle: Wie kann die Politik die Rahmenbedingungen der beruflichen Bildung richtig setzen, wenn bereits der Ist-Zustand zum Teil nicht korrekt erfasst wird? - Hier müssen wir jetzt zügig zu einheitlichen Standards kommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem geschilderten und überaus ernsten Hintergrund haben Handwerkskammer sowie Industrie- und Handelskammer am Freitag, den 13. Juli - dieses Datum haben wir in diesem Zusammenhang bewusst ge

wählt -, einen Alarmruf zur Berufsausbildung gestartet. Auf zwei der zehn Punkte gehe ich kurz ein.

Es muss uns gemeinsam gelingen, erstens die praxisnahe Berufsorientierung an allen Schulformen und zweitens die Allgemeinbildung der Jugendlichen zu verbessern mit dem Ziel, dass möglichst wenig Jugendliche nach der Schule auf aus meiner Sicht nach wie vor viel zu viele AzubiFörderprogramme im Übergangssystem Schule/ Beruf angewiesen sind. Leider werden die mehr als 30 Programme und Maßnahmen mit Zahlen zu den Teilnehmern, zur Finanzierung und zur erfolgreichen Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bisher im Bericht nicht einzeln aufgeführt. Auch insoweit sollte sich etwas ändern.

Das Übergangssystem Schule/Beruf in seiner jetzigen Form ist in einer Zeit entstanden, als die hohe Nachfrage nach einem Ausbildungsplatz in den sogenannten Warteschleifen verwaltet wurde. Jetzt ist die Situation eine völlig andere. Ich bin fest davon überzeugt, dass durch eine Bündelung und Reduzierung auf einen geeigneten Maßnahmenpool im Übergangssystem Mittel freigesetzt werden können, die an anderer Stelle für die Attraktivität der beruflichen Bildung steigernde Maßnahmen eingesetzt werden können, zum Beispiel das Azubi-Ticket.

(Andreas Steppuhn, SPD: Das wollte ich hören!)

Meine Damen und Herren! Ich bitte um Zustimmung zum vorliegenden Antrag. Zum Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE wird nachher der Kollege Steppuhn im Namen der Koalitionsfraktionen noch Stellung nehmen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Keindorf. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht nunmehr die Abg. Frau Hildebrandt. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Die Koalition möchte mit dem vorliegenden Antrag den bisher alle zwei Jahre veröffentlichten und ca. 200 Seiten starken Berufsbildungsbericht abschaffen und stattdessen einen Jahresmonitor zur Berufsbildung einführen. Grundsätzlich ist das eine gute Idee.

Frau Ministerin, mein Beraterherz sträubt sich, wenn der künftige Jahresmonitor in Kalenderjahren berichten soll. Ausbildungen, egal ob betrieblich oder schulisch, beginnen in der Regel im

August oder im September eines Jahres. Deshalb ist es deutlich sinnvoller, über den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 30. September des Vorjahres zu berichten und bereits Anfang Januar den Jahresmonitor zu veröffentlichen. Im zweiten Quartal gibt es wenige Steuerungsmöglichkeiten auf aktuelle Trends auf dem Ausbildungsmarkt. Darum stellen wir den Änderungsantrag.

Der im Antrag der Koalitionsfraktionen gefordert Überblick über die Entwicklungen am Ausbildungsmarkt zum Stand 30. April 2018 erscheint mir sehr fraglich. Was soll daraus hervorgehen? - Keine neue Ausbildung wird zu diesem Zeitpunkt angetreten. Vertragslösungen in der Probezeit kommen im Frühjahr nicht vor. Und die Zahl der gemeldeten Bewerber und der freien Ausbildungsstellen finden Sie monatlich in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit. Dies ist aber nur ein handwerklich statistisches Problem, dem sie leicht abhelfen können, wenn Sie unserem Änderungsantrag zustimmen.

Eine andere Sache sind die festzulegenden Schwerpunkte im Bericht. Ich weiß nicht, ob Sie den Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt erkennen. Wir haben bereits in der Debatte zum Thema „Berufsschulen als Motoren des dualen Systems weiter stärken“ und in mehreren Ausschüssen darüber geredet. Gerade die CDU-Fraktion macht regelmäßig auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Unternehmensgründungen und die zahlreichen anstehenden Unternehmensübergänge im Land aufmerksam. Also gilt es doch, nicht nur auf die Schulabgänger und Ausbildungssuchenden zu schauen, sondern auch auf die Angebotsseite.

Wie viele Betriebe haben wir im Land? Wie viele davon sind ausbildungsberechtigt und wie viele davon bilden überhaupt noch aus? Wie viele geben auch auf, weil sie keine geeigneten Bewerber mehr finden? - Daraus ließe sich ableiten, wie die Unternehmen je nach Betriebsgröße auf die Bewerberzahl reagieren und welche Landesstrategien helfen könnten, die Ausbildungsmarktlage zu verbessern.

In allen anderen Punkten können wir mitgehen. Ich bitte also um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe auch hierzu keine Frage. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nunmehr der Abg. Herr Aldag.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich will es ganz kurz machen; denn alle wesentlichen Punkte zum

Antrag haben meine Vorrednerinnen und Vorredner bereits erläutert. Das Anliegen des Antrags ist ja auch wirklich übersichtlich.

Statt eines zweijährigen breit angelegten Berufsbildungsberichts wollen wir ein regelmäßiges Jahresmonitoring zur Berufsbildung einführen. Die Vorteile liegen auf der Hand und wurden angeführt: aktuellere Daten, damit ein höherer Praxisnutzen des Berichts entsteht, ein übersichtlicheres statistisches Nachschlagewerk statt breiter inhaltlicher Ausführungen, die bisher auf zwei Jahre alten Zahlen basierten. Und zu guter Letzt wird es sogar noch günstiger.