Protokoll der Sitzung vom 31.08.2018

Auch eine Verschiebung der Landesverordnung Natura 2000, natürlich in Abstimmung mit der EU und dem Bund, um keine Strafzahlungen zu generieren, sollte kein Tabu sein, da diese besonders tierhaltende Betriebe zusätzlich belastet.

(Zustimmung von Ulrich Thomas, CDU)

Für tierhaltende Betriebe müssen auch Transportzuschüsse geprüft und gezielt eingesetzt werden. Bei aller Brisanz in der Landwirtschaft sind die Folgen in der Forstwirtschaft noch viel gravierender.

(Ulrich Thomas, CDU: Leider ja!)

Der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldeigentümer AGDW Philipp zu Guttenberg sagte in der „top agrar“ am 29. August - ich zitiere -:

„Unsere Wälder sind ebenso wie die Acker- und Grünlandflächen massiv von den Dürreschäden betroffen. Nach den Stürmen und Orkanen der letzten Jahre haben die Hitze und Trockenheit besonders die Laubhölzer schwer in Mitleidenschaft gezogen. Viele Aufforstungen müssen im nächsten Jahr wiederholt werden.“

Weiter sagt er:

„Es müsse von einer Jahrhundertkatastrophe im deutschen Wald gesprochen werden.“

Diese Aussage macht die dramatische Lage im deutschen Wald deutlich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

Unser Wald wurde in den letzten zwölf Monaten durch die Stürme Xavier und Herbert im Oktober 2017 sowie Friederike im Januar 2018 und durch die jetzige Dürre so stark getroffen, dass der Wald in Sachsen-Anhalt auf Jahre geschädigt wurde. Die Sturmschadensbilanz beläuft sich auf 3,5 Millionen Festmeter. Die Kosten für drastisch eingebrochene Holzpreise, Aufarbeitungskosten und Ernteverluste belaufen sich laut Waldbesitzerverband auf mindestens 140 Millionen €.

Erste Schätzungen gehen zusätzlich von 5,5 Millionen total geschädigten Jungbäumen aus, wobei Schäden in natürlich nachgewachsenen Jungbeständen noch gar nicht berücksichtigt werden konnten. Dazu kommen noch die Schäden durch den Borkenkäfer, durch das Kieferntriebsterben,

das sogenannte Diplodia pinea, und durch weitere Schädlinge. Allein durch das Kieferntriebsterben werden 840 000 Festmeter Schadholz erwartet.

In der Forstwirtschaft beträgt die Gesamtschadenssumme in diesem Jahr ca. 182 Millionen € und die langfristigen Belastungen belaufen sich zusätzlich auf ca. 171 Millionen €. Hier besteht, wie es auch die Ministerin gestern auf eine Anfrage meines Kollegen Daldrup bestätigte, dringender Handlungsbedarf. Die bereits vorliegende Katastrophenrichtlinie muss schnellstens in Kraft treten.

Zusätzliche Nasslager werden benötigt. Auch ein Einschlagverbot für Frischholz im Jahr 2019 wäre sinnvoll.

Wir beantragen die Überweisung des Antrags der LINKEN und des Alternativantrags der AfD in die Ausschüsse, da wir über eine schnellstmögliche Hilfe ohne Vermischung mit der Agrarwende sprechen müssen. Es muss gehandelt werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, selbst Ihr Kollege Norwich Rüße, ein ökologisch wirtschaftender Nebenerwerbslandwirt aus dem Landtag in NRW, erklärt in der „top agrar“ am 23. August - ich zitiere -:

„Die aktuelle Dürre mit einer, wie auch immer gearteten, Agrarwende zu vermischen, mag zwar auf den ersten Blick attraktiv sein, ist aber mehr als gewagt. Diese Dürre hat wenig mit der Größe oder der Ausrichtung von Betrieben zu tun und trifft gleichermaßen Großbetriebe und Nebenerwerbsbauern sowie ökologisch und konventionell wirtschaftende Betriebe. Wo kein Wasser, da kein Wachstum. Punkt.“

(Zustimmung bei der CDU - Cornelia Lüd- demann, GRÜNE: Habe ich gelesen!)

Weiterhin erklärt er - ich zitiere -:

„Es sei ein andauernder Fehler der GRÜNEN, jede Krise immer politisch […] nutzen zu wollen. Deshalb sollten die jetzt diskutierten Nothilfen eindeutig von einem Umbau der Landwirtschaft getrennt wer

den […]“

Wie gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, das sagt der agrarpolitische Sprecher der Fraktion der GRÜNEN im Landtag von NRW.

(Ulrich Thomas, CDU: Hört, hört!)

Über die Vorsorge für künftige Jahre diskutieren wir im Ausschuss. Die CDU-Fraktion schlägt einen Fonds zur Bewältigung von Folgen von Naturereignissen unter finanzieller Beteiligung des Landes Sachsen-Anhalt und aller Bevorteilten vor.

Wir beantragen die Überweisung des Antrags zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie zur Mitberatung in den Ausschuss für Finanzen. - Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abg. Heuer. Es gibt keine Fragen. - Somit kommen wir zum Beitrag der Landesregierung. Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Prof. Dalbert. Sie haben das Wort.

Danke, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Die Situation ist dramatisch. Wir als Landesregierung lassen unsere Bäuerinnen und Bauern nicht allein. April, Mai, Juni, Juli, voraussichtlich auch der August - das sind die heißesten Monate seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. In Bernburg - Sie haben es vielleicht der Zeitung entnommen - verzeichneten wir mit 39,5 °C einen Hitzerekord.

Als ob das noch nicht genug wäre, fehlt der Niederschlag. Seit Jahresbeginn sind in Sachsen-Anhalt weniger als 300 l/m² Niederschlag gefallen. Das Übliche sind mehr als 450 l/m². Also, es ist warm und es kommt kein Wasser herunter. Wenn es kommt, dann kommt es als Starkniederschläge oder als Gewitter - lokal sehr unterschiedlich - oder wie es der Deutsche Wetterdienst sagt: Es fehlen großflächige, langanhaltende Regenfälle, also das, was wir gemeinhin als Landregen bezeichnen und im Frühsommer und im Sommer erwarten.

Dies hat dazu geführt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir auf 63 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Sachsen-Anhalt Ertragsausfälle von mehr als 30 % zu verzeichnen haben.

Ich will Ihnen einmal einige Zahlen nennen, um dies zu charakterisieren. Wenn wir uns den Ackerbau anschauen, dann ist, relativ gesehen, beim Winterweizen quasi noch eines der besseren Ergebnisse festzustellen, wo die Ertragseinbußen „nur“ 25,6 % betragen - also immerhin auch ein Viertel -, und das auf 55,3 % der Landesfläche. Beim Winterroggen hingegen liegen die Ertragseinbußen bei knapp 40 %, und das auf 86 % der entsprechenden Flächen.

Kollege Heuer sprach bereits an, dass es besonders unsere tierhaltenden Betriebe getroffen hat. Wenn wir uns den Futterbau inklusive Grünland anschauen, so stellen wir fest, dass wir dort überall plus/minus 50 % Ertragseinbußen zu verzeichnen haben, und das auf 100 % der Fläche.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Sie gestatten mir, auch die Sonderkulturen zu nennen. Dies ist natürlich wenig Fläche, aber es ist sehr spezifisch für unser Land. Hierbei müssen wir - ich meine Majoran und Thymian, Sonderkulturen, Kümmel, Arzneifenchel, Zwiebeln - 50 % Ertragseinbußen verzeichnen, und das auf der Hälfte der entsprechenden Flächen.

Die Situation ist also dramatisch. Wir haben es schon sehr früh im Jahr erwartet; denn im Mai/Juni begannen bereits die Debatten darüber, dass wir dies befürchtet haben. Aufgrund dieser Zahlen hat die Landesregierung am 28. August entschieden, dass die strengen Kriterien erfüllt sind und diese Dürre mit einer Naturkatastrophe gleichzusetzen ist.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Bernhard Daldrup, CDU)

Das ist die Voraussetzung, um den existenzgefährdeten Betrieben auch finanziell zu helfen.

Warum ist das wichtig? - Erinnern Sie sich einmal an die Milchkrise im Jahr 2015 zurück. Welches Ergebnis hatten wir dort? - Vom April 2015 bis zum Juni dieses Jahres haben wir 105 Betriebe verloren, und es sind die kleinen Betriebe, die wir verloren haben. Das heißt, 23 % unserer milchwirtschaftlichen Betriebe haben in diesem Zeitraum geschlossen. Wenn wir jetzt unsere kleinen Betriebe mit ihrer Existenzgefährdung alleinlassen, dann, meine Damen und Herren, brauchen wir über Agrarstruktur in diesem Land irgendwann nicht mehr zu diskutieren. Deshalb müssen wir unseren Landwirtinnen und Landwirten helfen.

Aber natürlich umfasst unser Hilfsschirm mehr als die Finanzhilfen, über die ich gleich noch sprechen werde. Wir sind sehr früh tätig geworden und haben vieles als Erste getan: Wir haben die Landwirtschaftliche Rentenbank angeschrieben und sie hat auf meine Bitte hin das Liquiditätshilfeprogramm für die von Dürre betroffenen Landwirtinnen und Landwirte geöffnet. Was die Liquidität betrifft, so haben wir mit der Landgesellschaft eine gute Möglichkeit, Boden sozusagen vorübergehend mit einer gesicherten Rückkaufoption zu verkaufen. Wir haben die Bürgschaftsregelung Land und Forst, die hier greift.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Der Finanzminister hat auf meine Bitte hin auch schon weit vor der Sommerpause Kontakt mit den Finanzämtern aufgenommen, um darauf aufmerksam zu machen, dass man Steuervorauszahlungen sowie die Stundung von Steuerschuld prüfen möge.

Wir haben den großen Landverpächter Landgesellschaft, BVVG, die Evangelische Kirche angeschrieben, um um eine Pachtstundung zu bitten. Alle haben darauf positiv reagiert, und ich gehe davon aus, dass die Landgesellschaft, die sozu

sagen in unserem Besitz ist, diese Stundung zinsfrei vornehmen darf.

Dies alles haben wir getan und wir haben noch mehr getan: Bei den tierhaltenden Betrieben - dabei geht es um Futter - muss man fragen: Woher kann das Futter kommen? - Es gibt Maßnahmen, die man ergreifen kann und die manchmal nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Aber ich finde, auch mit Maßnahmen, die 40 oder 60 Betrieben helfen, müssen wir in einer solchen Krise ergreifen.

Deshalb haben wir sofort die Möglichkeit ergriffen, zum 1. Juli die Nutzung der ökologischen Vorrangflächen, also der Brachen, zu Futterzwecken zu erlauben - ganz unbürokratisch: Man musste nur im ALFF anrufen und dann war es sozusagen genehmigt. Im Ministerialblatt ist es am 23. Juli erschienen und man musste überhaupt keinen Antrag mehr stellen.

Auf Bundesebene ist man jetzt mit einer Eilverordnung unterwegs, um die Zwischenfrüchte auf den ökologischen Vorrangflächen für Futterzwecke freizugeben. Das muss noch durch den Bundesrat. Ich gehe davon aus, dass es dort positiv beschieden wird.

(Zustimmung von Bernhard Daldrup, CDU)

Wir haben das Antragsverfahren bereits eröffnet und können die Anträge erst bescheiden, wenn es durch den Bundesrat beschlossen worden ist. Dann müssen die Zwischenfrüchte auch nicht drei Monate, wie es in Deutschland vorgeschrieben ist, auf den ökologischen Vorrangflächen verbleiben, sondern nur die acht Wochen, die als Mindestzeitraum von der EU vorgeschrieben sind. All das haben wir auf den Weg gebracht.

Lassen Sie mich noch zu den finanziellen Hilfen kommen. Hierbei geht es um nicht rückzahlbare Zuschüsse. Die Landesregierung hat bereits am 24. Juli, also vor der Sommerpause, gesagt: Wenn diese Kriterien - Dürre ist eine Naturkatastrophe - erfüllt sind, werden wir finanziell helfen.

Zuvor hat auf Initiative Sachsen-Anhalts die Sonderamtschefkonferenz der Agrarministerkonferenz am 3. Juli den Bund gebeten, auf Bundes- und EU-Ebene zu prüfen, ob Hilfen möglich seien.