Protokoll der Sitzung vom 31.08.2018

Aus diesem Grunde erwarte ich sowohl von den Gesellschaftern als auch von der Geschäftsführung endlich eine klare Aussage zur Zukunft der Arbeitsplätze in und um Magdeburg.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich finde es sehr befremdlich, dass ein Unternehmen sowohl den Dialog mit den Betriebsräten als auch den Dialog mit der Politik bisher verwehrt hat. Fördermittel hat man stets gern in Empfang genommen. Schlussendlich hat die staatlich garantierte EEG-Förderung den Aufstieg des Unternehmens erst möglich gemacht.

Enercon hatte 20 Jahre Zeit, alternative und zukunftsfähige Produkte zu entwickeln. Stattdessen hat die Firmenleitung ihre Zeit damit verbracht, ein Geflecht von Zulieferfirmen mit dem klaren Ziel zu schaffen, sich bei der ersten Gelegenheit aus der sozialen Verantwortung zu stehlen.

Ich bin dem IG-Metall-Sprecher Thomas Weber sehr dankbar für seine Ursachenanalyse. Nicht die Politik ist an der aktuellen Enercon-Situation schuld, sondern eine Unternehmensspitze, die es versäumt hat, den Windanlagenbauer zukunftsfähig aufzustellen.

Meine Damen und Herren! Meine deutlichen Worte werden Sie sicherlich überraschen. Die CDU hat viele politische Gefechte im Sinne der Arbeitgeber ausgetragen; wir werden das auch weiter tun.

Immer wenn es um fairen Wettbewerb, wenn es um die Interessen von Mittelstand und Handwerk oder um den Stellenwert der Unternehmen in unserer Gesellschaft geht, stehen wir auf der Seite unserer fleißigen Unternehmerinnen und Unternehmer im Land.

Aber das Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft, so wie es Walter Eucken, Ludwig Erhard und die CDU immer vertreten haben, funktioniert nur, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht vergessen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Wir Deutschen sind zu Recht stolz auf unsere soziale Marktwirtschaft, die jahrzehntelang die Grundlage unseres Gesellschaftsvertrages und entscheidend für das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg war.

Ihr Erfolg gründete darauf, dass sie einen starken Sozialstaat, ein hohes Maß an Eigenverantwortung und funktionierende Märkte nicht als Widerspruch sah, sondern als einander bedingende Voraussetzungen für Wohlstand und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dieser Zusammenhalt, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das Wesen einer starken Sozialpartnerschaft.

Enercon - ich habe es schon erwähnt - konnte nur wachsen und reichlich Gewinne einfahren, weil

die Politik die erneuerbaren Energien förderte und weil unser Bundesland ideale Rahmenbedingungen geschaffen hat.

Aber im Endeffekt waren es die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus unserer Region, die hoch qualifiziert und hoch engagiert viel mehr für das Unternehmen geleistet haben als an anderen Standorten von Enercon. Dafür auch an der Stelle herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Wer Gewinne und Subventionen einstreicht, von der eigenen Belegschaft Flexibilität und Höchstleistung erwartet, sich aber gleichzeitig aus der Verantwortung stiehlt, der, meine Damen und Herren, handelt unsozial. Genau dieser Eindruck entsteht bei Enercon.

Meine Fraktion hat der Belegschaft solidarische Unterstützung zugesagt. Dem schließe ich mich persönlich ausdrücklich an.

(Beifall bei der CDU)

Enercon muss jetzt seiner Verantwortung gerecht werden. Ein gutes Management ist dann gefordert, wenn es Probleme gibt. Wir erwarten von der Firmenleitung klare Signale für eine positive Zukunft des Enercon-Standortes Magdeburg. Ich erwarte einen Dialog auf Augenhöhe und gemeinsame Lösungen im Interesse, im Sinne der Beschäftigten.

Gesellschafter und Geschäftsführung stehen in der Verantwortung für die Menschen einer ganzen Region. Dieser Verantwortung müssen sie nun gerecht werden, auch indem sie endlich ihre Sprachlosigkeit aufgeben. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Herr Abg. Zimmer. Ich sehe keine Fragen. - Wir kommen zum nächsten Redner. Für die AfD-Fraktion wird der Abg. Herr Daniel Rausch sprechen.

Bevor ich Herrn Rausch das Wort übergebe, freue ich mich ganz besonders, dass mein ehemaliger Kollege, unser ehemaliger Landtagspräsident auf der Zuschauertribüne anwesend ist. Herzlich willkommen, lieber Dieter Steinecke! Schön, dass du uns beisitzt.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Abg. Rausch, Sie haben das Wort. Bitte.

Werte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Wir beschäftigen uns heute mit dem geplanten Stellenabbau bei Enercon, konkret der Tochterfirma WEC Turmbau Magdeburg. Enercon will deutschlandweit ca. 830 Stellen, davon 132 Stellen in

Magdeburg abbauen; das haben wir heute mehrfach gehört.

Die Frage, die sich allen Beteiligten stellt, ist: Sind die Mitarbeiter der WEC Turmbau GmbH Mitarbeiter von Enercon? - Die Mitarbeiter sind sich sicher, sie sind Mitarbeiter von Enercon. Sie tragen teilweise Arbeitsbekleidung mit dem Logo von Enercon, sie haben Mail-Adressen von Enercon, und sie bekommen offizielle Schreiben der Firma Enercon, in denen es beispielsweise um die Weihnachtsgratifikation und Ähnliches geht. Enercon hat maßgeblich bestimmt, ob Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder Lohnerhöhungen gewährt wurden.

Die Frage, ob die Mitarbeiter zu Enercon gehören, ist entscheidend dafür, mit wem die Betriebsräte, die Gewerkschaften und die Politik verhandeln müssen. Ich befürchte, Enercon hat sich für solche Fälle gut aufgestellt.

Die Firma Enercon wird von der UEE Holding GmbH gehalten, dessen ehemaliger Geschäftsführer der Milliardär Aloys Wobben war. Die Holding thront über mehrere GmbHs, die sich wiederum in Dutzende weitere Gesellschaften aufteilen.

Im Jahr 2012 wurde die Aloys-Wobben-Stiftung gegründet. Diese soll angeblich der alleinige Gesellschafter der Enercon-Gruppe sein. Der Enercon-Geschäftsführer Herr Hans-Dieter Kettwig ist gleichzeitig der Vorstandsvorsitzende dieser Stiftung.

Meine Damen und Herren! Wie mir von betroffenen Mitarbeitern unter vorgehaltener Hand berichtet wurde, ist ein Gesellschafteraustausch in den Tochter-GmbHs bereits in vollem Gange. Angeblich soll Herr Hans-Dieter Kettwig als Gesellschafter aus Positionen herausgelöst werden, um eine Verbindung zu Enercon zu verschleiern. Wie gesagt, das sind Gerüchte, die interessierte Kreise überprüfen sollten.

Ich habe mir die Mühe gemacht und habe mir bei North Data die Firmenbekanntmachungen angeschaut. Tatsächlich wurde unter anderem am 13. August 2018 bei der Magdeburger Komponentenfertigung, bei der WEC Turmbau Emden und einen Tag später, am 14. August 2018, bei der WEC Turmbau Magdeburg der Gesellschafter Hans-Dieter Kettwig ausgetauscht. Da ist einiges in Bewegung. Die Geschäftsleitungen sind sehr umtriebig; das kann man in Magdeburg sehen.

Nach einem Anruf bin ich dort vorbeigefahren. Tatsächlich sind seit Montag einige Leute dabei, die Enercon-Logos - das Logo mit der roten Welle; einige werden es kennen - verschwinden zu lassen.

Ich glaube, hier wird viel unternommen, um dies zu verschleiern und deutlich zu machen, dass diese GmbHs nicht zu Enercon gehören, sondern

nur Zulieferer sind. Hier wurden bewusst Strukturen geschaffen, um sich im Fall der Fälle aus der Verantwortung ziehen zu können.

(Zustimmung bei der AfD)

Denn eines ist klar: Ein Konzern wie Enercon mit einem Jahresumsatz von ca. 5,1 Milliarden € im Jahr 2016 muss natürlich eine höhere Abfindung zahlen als ein Zulieferer.

Ich fordere die Geschäftsleitung der Firma Enercon auf, sich ihrer Verantwortung zu stellen und mit den betroffenen Kollegen über mögliche sozial- und betriebspolitische Maßnahmen, wie zum Beispiel Weiterbeschäftigung an anderen Standorten, Qualifizierung, Kurzarbeit oder Abfindung, zu sprechen.

Es kann nicht sein, dass eine Firma wie Enercon, die mit großzügigen Subventionen groß geworden ist, die jahrelang Gewinne in Millionenhöhe abgeworfen hat, die Steuersparmodelle betrieben hat, sich nun aus der Verantwortung ziehen will.

(Beifall bei der AfD)

Den Verantwortlichen bei Enercon muss doch klar gewesen sein, dass ihr Geschäftsmodell nicht mehr lange gut gehen kann. Die Probleme waren abzusehen. Enercon ist der weltweit fünftgrößte Hersteller von Windkraftanlagen - das haben wir schon gehört -, jedoch die Hälfte der Anlagen steht in Deutschland. Der Markt ist also endlich.

Die Akzeptanz von Windenergieanlagen schwindet. Anders wäre es, wenn man sagen könnte: Der Strom wird ständig billiger. Nein, das Gegenteil ist der Fall. Vielleicht wird er an der Strombörse um ein paar Cent billiger.

Aber wir wollen jetzt nicht über die verkorkste Energiewende reden. Wir wollen darüber reden, dass es Enercon nicht gelungen ist, sich abseits der EEG-Umlagen marktwirtschaftlich zu etablieren. Es ist doch ein Zeichen dafür, dass die Windenergiebranche nicht gesund ist, dass massiv Stellen abgebaut werden müssen, wenn die Förderungen gekürzt werden. Es wurde versäumt, neue Märkte zu erschließen, neue Produkte und Dienstleistungen in das Portfolio aufzunehmen.

Übrigens: Über die 140 Mitarbeiter, die bei der Rotorblattfertigung Magdeburg zum Jahresende 2017 entlassen wurden, spricht kein Mensch mehr. Über die vielen Hundert Leiharbeiter, die bei Enercon beschäftigt waren und denen jahrelang eine Festanstellung versprochen wurde, spricht auch niemand mehr. Das ist eben Kapitalismus, werden einige denken. Ja, das ist Kapitalismus der sozialen Verantwortungslosigkeit. Und das brauchen wir nicht, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der AfD)

Wir brauchen keine Unternehmen, die sich hinter Firmengeflechten verstecken, um den Arbeitern ihre Mitbestimmungsrechte vorzuenthalten. Wir brauchen in Deutschland Unternehmen mit sozialer Verantwortung. Das heißt, wir müssen endlich wieder zur sozialen Marktwirtschaft zurückkommen.

(Beifall bei der AfD)

Herr Minister Willingmann, Ihre Betroffenheitsrhetorik hilft den Mitarbeitern von Enercon überhaupt nicht. Sie sind in der Regierungsverantwortung und werden an Ihren Taten gemessen.

Aber wir sollten nicht denken, dass die Politik keinen Einfluss hat. Schauen Sie nach Sachsen, schauen Sie nach Görlitz. Dort ist es der Politik gelungen, die Schließung des Siemens-Turbinenwerkes zu verhindern. Warum? - Aus Angst, ja, aus Angst, die AfD könnte bei der nächsten Wahl die stärkste Kraft im Land werden.

(Lachen bei der CDU)

Zum Schluss noch einmal ganz klar: Enercon hat jahrelang von aus Steuergeldern finanzierten Subventionen profitiert und ist nun in der Pflicht, eine sozialverträgliche Lösung herbeizuführen. Die AfD-Fraktion steht selbstverständlich auf der Seite der Mitarbeiter und wird diese in ihrem Kampf um die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze unterstützen. - Danke schön.