Protokoll der Sitzung vom 24.10.2018

Vielen Dank, Herr Minister Webel. Ich sehe keine Fragen. - Somit können wir in die vereinbarte Fünfminutendebatte einsteigen. Der erste Redner wird für die AfD-Fraktion Herr Büttner sein. Sie haben das Wort, Herr Abg. Büttner.

Danke, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon zwei Gesetzesänderungen zum ÖPNV-Gesetz in einem Jahr zeugen von Flickschusterei in der Regierungskoalition und ihrer Landesregierung im Gesetzgebungsverfahren.

Mit dem im Jahr 2017 erfolgten Beschluss des Deutschen Bundestages über die gesetzlichen Grundlagen für die Neuordnung der Bund-LänderFinanzbeziehungen wurde festgelegt, dass ab dem Jahr 2020 die im Entflechtungsgesetz festgeschriebenen Kompensationsleistungen entfallen. Stattdessen werden die Länder allgemeine Zahlungen aus dem Umsatzsteueraufkommen erhalten. Damit werden die zweckgebundenen Ent

flechtungsmittel, aus denen eine Vielzahl erfolgreicher Um- und Ausbaumaßnahmen im kommunalen Nahverkehr finanziert wurde, durch Mittel aus dem Gesamthaushalt ersetzt.

Den Ländern steht ab dem Jahr 2020 ein größerer Anteil am gesamtstaatlichen Umsatzsteueraufkommen zu. Die zusätzlichen Einnahmen aus der Umsatzsteuer sind keine Zuwendungen, sondern originäre Einnahmen der Länder, für die aufgrund des Gesamtdeckungsprinzips keine Zweckbindung gilt und über die die Länder eigenverantwortlich verfügen können.

Das zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern erzielte Verhandlungsergebnis sieht mit Ausnahme des GVFG-Bundesprogramms keine Fortführung der Kompensationszahlungen des Bundes ab dem Jahr 2020 vor. Damit wird der von der Föderalismuskommission I angestrebten Zielsetzung einer alleinigen Kompetenz der Länder in den oben aufgeführten Aufgabenbereichen umfänglich Rechnung getragen.

Der Wegfall der Entflechtungsmittel ab dem Jahr 2020 entspricht damit der gegenwärtig bestehenden staatlichen Aufgabenzuordnung. Dies führt aber nur zu einer scheinbaren Stärkung der Verantwortung des Landesgesetzgebers, dem künftig die finanzielle Ausstattung der entflochtenen Mischfinanzierung im Rahmen des Landeshaushalts eigenverantwortlich obliegt - „scheinbar“ deshalb, weil die Bundesländer natürlich nicht allein über ihren Steueranteil im Bundeshaushalt entscheiden können. Die finanzielle Abhängigkeit vom Bund bleibt bestehen.

Was passiert aber bei einer wirtschaftlichen Rezession mit dem Umsatzsteueraufkommen und der Umsatzsteuerbeteiligung der Länder? - Eine Antwort hierauf wird man in der Begründung zu dem Gesetzentwurf vergeblich suchen.

Eine verlässliche Finanzierung des ÖPNV ist mit der vorliegenden dritten Änderung des ÖPNVGesetzes wiederum nicht gegeben, wenn sich die jährlichen Zuwendungen des Landes in Abhängigkeit vom Steueraufkommen von theoretisch 0 bis maximal 20 Millionen € inklusive 2,5 % jährlicher Dynamisierung ab dem Jahr 2021 bewegen können bzw. dürfen.

Das dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz entstammende GVFG-Bundesprogramm zur Finanzierung großer Vorhaben ist im bundesweiten Maßstab mehrfach überzeichnet. Das jährliche Mittelvolumen von 332,5 Millionen € wurde seit 20 Jahren nicht dynamisiert.

Notwendig wäre eine Erhöhung der GVFG-Gesamtmittel auf 1 Milliarde € pro Jahr. Wo bleibt das erfolgreiche Engagement der Landesregie

rung im Bundesrat, frage ich mich. Das EU-Programm „Europäischer Fonds für regionale Entwicklung“, EFRE, läuft 2020 aus. Sollte es nicht fortgeschrieben werden, müsste der Mittelanteil für den ÖPNV ebenfalls durch Bund und Land ersetzt werden.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen Ost, VDV-Ost, kam in seiner Analyse des Jahres 2013 im Hinblick auf den ÖPNV in SachsenAnhalt zu dem Schluss, dass die Finanzierungslücke für die Infrastruktur bei mehr als 30 Millionen € jährlich liegt. Wie diese Finanzierungslücke nachhaltig geschlossen werden soll, lässt auch dieser Gesetzentwurf völlig offen.

Ein gesetzlicher Auftrag zur Kostendeckung unter Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung des Verbindungsangebotes, wie durch die Beschaffung kleinerer Busse, den Aufbau eines Rufbussystems, den Einsatz digitaler Lösungen und die Integration neuer Mobilitätsformen, wird nicht konkret festgeschrieben.

Damit im ländlichen Raum ein Verkehrsangebot bestehen kann, das Mobilität auch ohne Pkw ermöglicht, muss gerade bei dünneren Takten besonders Wert auf bessere Abend- und Wochenendangebote, kurze Umstiegszeiten und eine Anschlussverbindungsgarantie gelegt werden, um die Gesamtreisezeit gering zu halten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abg. Büttner. Ich sehe keine Fragen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die SPD-Fraktion spricht der Abg. Herr Dr. Grube. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich glaube, über die Bedeutung des ÖPNV brauche ich zu so später Stunde gar nicht so viele Worte zu verlieren. Dazu herrscht bei den meisten Fraktionen Common Sense, wie man so schön sagt. Er ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Er ist Bestandteil der Aufgaben und des Leistungsumfangs aller drei staatlichen Ebenen, die wir in der Bundesrepublik haben. Die Frage ist, wie wir ihn organisieren.

Wir reden heute über ein kleines Gesetz mit einer großen Wirkung.

(Zustimmung von Frank Scheurell, CDU)

- Einer passt noch auf. - Was steht darin? - Drei Dinge. Zum Ersten. Die Zuwendungen an die

Kommunen für Investitionen in den straßengebundenen ÖPNV werden festgeschrieben. Das sind 20 Millionen €. Die werden es bleiben. Die haben wir auch jetzt schon, aber sie werden für 2020 quasi fortgeschrieben. Wie Herr Büttner auf 0 Millionen € kommt, ist mir irgendwie nicht ganz erklärlich. Nur weil es eine Gegenfinanzierung gibt, von der wir nicht genau wissen, wie sie sich in den nächsten Jahren möglicherweise entwickelt - - Aber in dem Gesetz steht: 20 Millionen €.

Es steht auch noch mehr darin; denn diese Zuwendungen sind nicht statisch, sondern werden dynamisiert. Ab 2021 gibt es jedes Jahr 2,5 % mehr. Das klingt jetzt ein bisschen trocken, aber wenn man das bei Lichte betrachtet, ist das gerade für uns Verkehrspolitikerinnen und Verkehrspolitiker tatsächlich ein Quantensprung in der Verkehrspolitik dieses Landes. Das hat mit Flickschusterei und mit kleinen Gesten nichts zu tun. Das ist etwas ganz Großes.

Es gibt diese 20 Millionen € jenseits des Haushaltsplanes. Die gesetzliche Grundlage gab es schon immer. Man musste das jedes Jahr oder alle zwei Jahre, wenn es sich um Doppelhaushalte handelte, erkämpfen. Jetzt bedeutet es gesetzlich verbriefte Planungssicherheit für den ÖPNV - und das inflationsgeschützt. Ich persönlich finde das ziemlich genial. Dafür darf sich, meine Damen und Herren, diese Koalition völlig zu Recht auch einmal loben lassen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN - Siegfried Borg- wardt, CDU: So ist es! - André Poggenburg, AfD: Wenn es sonst keiner macht!)

Punkt 2. Die 20 Millionen €, die in den nächsten Jahren noch aus Entflechtungsmitteln finanziert werden - die Vorredner haben es gesagt, danach läuft das Ganze aus -, werden ersetzt, und zwar durch die erhöhten Anteile am Umsatzsteueraufkommen ab 2020. Das ist etwas für Haushaltspuristen, weil den Leuten, die in den Bussen und Bahnen sitzen, schlussendlich völlig egal ist, woher das kommt. Aber uns, die wir es organisieren müssen, ist es eben nicht egal.

Das ist aber nicht nur etwas für Haushaltspuristen. Das ist auch etwas für Freunde der gelebten und praktizierten verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung. Denn das, was die Landesregierung in dem Gesetzentwurf nachvollzogen hat, ist etwas, was der Landtag auf Initiative der Koalitionsfraktionen längst beschlossen hat: nämlich die Aufteilung der Mittel aus dem Umsatzsteueraufkommen, die die Entflechtungsmittel ab 2020 ersetzen - so wie es jetzt im Entflechtungsgesetz vorgesehen ist.

(Siegfried Borgwardt, CDU: So ist es!)

Hier gilt also das Primat des Parlaments, meine Damen und Herren. Wir finden das gut.

Wir als Verkehrspolitiker der Koalition hätten uns natürlich gefreut, wenn das Primat sich ein bisschen schneller durchgesetzt hätte. Das gehört zur Wahrheit dazu. Das haben wir bereits bei der letzten Novelle des ÖPNV-Gesetzes im April von diesem Podium aus kundgetan. Dem Vernehmen nach lag das ein bisschen an den Kassenwarten am Editharing. Dafür bekommen sie auch ein Trostpflaster. Wir bauen als Stadt Magdeburg ja bei ihnen direkt vor der Tür eine Straßenbahnhaltestelle. Damit ist es vielleicht ein bisschen verschmerzbarer.

(Zustimmung bei der SPD - Minister André Schröder: Teure Haltestelle!)

Punkt 3: die berühmt-berüchtigten 31 Millionen € für die Schülerbeförderung. Diese werden ab 2020 aus Landesmitteln finanziert, wie es im Koalitionsvertrag steht. Wir entziehen damit dem schienengebundenen Personennahverkehr nicht mehr das Geld für die Rücklagen, wenn die Regionalisierungsmittel irgendwann auslaufen. Die Opposition wird das als nicht schnell genug erachten. Wir werden das mit Sicherheit gleich hören.

(Guido Henke, DIE LINKE: Richtig!)

Wir sagen: besser spät als nie.

Meine Damen und Herren! Wir werden das Thema in den Ausschüssen sicherlich noch beraten. Es gibt bestimmt noch die ein oder andere kleine Änderung, aber bestimmt nicht in den eben vorgetragenen Kernpunkten. Ich freue mich auf die zweite Lesung und einen guten ÖPNV in Sachsen-Anhalt.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Bemerkung machen. Vielleicht kommt es irgendwann einmal zu einer dritten Novelle des ÖPNV-Gesetzes. Wir diskutieren nicht nur in der Koalition, aber eben auch dort, das Azubiticket. Vielleicht wird auch dieses noch einmal anders und besser als jetzt gesetzlich verankert. Wir werden es sehen und möglicherweise erleben. - Vielen Dank.

(Siegfried Borgwardt, CDU: „Wünsch dir was“ gehört dazu!)

Vielen Dank, Herr Dr. Grube. Es gibt auch hierzu keine Fragen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Herr Henke. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Grube, das „möglicherweise“ in Ihrem letzten Satz stimmt uns ein bisschen traurig.

(Dr. Falko Grube, SPD: Ich bin dafür, das zu machen!)

Denn wir wollen es noch erleben, vielleicht sogar gemeinsam mit Ihnen. Na, mal sehen. - Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorgesehene Änderung in § 8b findet unsere Zustimmung. Wir haben diese Änderung immer gefordert, um nach dem Wegfall des Entflechtungsgesetzes über eine gesicherte Finanzierung für Investitionen im straßengebundenen ÖPNV zu verfügen. Diesem Anspruch kommt der Entwurf zur Gesetzesänderung bei diesem Teilthema endlich nach.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aber der Mittelbedarf zur Komplementärfinanzierung des GVFG-Bundesprogramms ist hoher Fluktuation unterworfen und hängt vom Umfang und Zeitpunkt der Investitionsprojekte auf kommunaler Ebene ab. Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass im Falle einer Gleichzeitigkeit mehrerer Projekte auch eine darüber hinausgehende Finanzierung aus anderen Quellen möglich sein sollte. Diesbezüglich sollten wir eine Klarstellung in den Gesetzestext einarbeiten.

Über die Verteilung der Mittel ist ebenfalls zu reden. Die Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen benötigen langfristige Planungssicherheit.

(Zustimmung bei der LINKEN)

An dieser Stelle ist über diese schwammige Formulierung im neuen § 8b - ich zitiere - „bis zur Höhe von 20 Millionen €“ zu sprechen. Wovon wird das abhängig gemacht? - Es besteht die Gefahr, mit dieser Unklarheit die soeben von mir erwähnte Planungssicherheit inhaltlich auszuhöhlen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die überfällige Änderung in § 9 Abs. 1 wurde von uns seit Beginn der Wahlperiode angemahnt; denn die Rabattierung der Zeitausweise sollte aus Landesmitteln erfolgen. Jahrelang versprach die Regierung dem Parlament regelmäßig, die Kannibalisierung von Schienenverkehr und Ausbildungsverkehr zu

stoppen. In den Haushaltsverhandlungen fehlte dann immer das Geld.

Nun soll es endlich das Gesetz geben, das den Gesetzgeber für den künftigen Haushalt bindet. Das ist sachgerecht; das sichert den ÖPNV. Das ist ein wichtiges Signal für zahlreiche Pendler und Zugfahrende im ländlichen Raum.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Diesem Ziel diente aber bereits unser Änderungsantrag in der Drs. 7/2222 vom Dezember vergangenen Jahres zur letzten ÖPNV-Gesetzesnovelle. In der Beschlussfassung zur letzten Änderung am 19. April dieses Jahres konnte sich die Koalition noch nicht zu einer gesetzlichen Festschreibung