Protokoll der Sitzung vom 25.10.2018

Vielen Dank, Herr Striegel. Auch an Sie gibt es keine Fragen. - Der nächste Debattenredner wird für die CDU der Abg. Herr Kolze sein. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Die CDU hat sich die innere Sicherheit auf die Fahnen geschrieben. Wir setzen uns für die dauerhafte Erhöhung der Personalstärke bei der Landespolizei ein, machen uns für die Auflösung des Beförderungsstaus stark und ordnen die Organisationsstruktur der Landespolizei neu, um sie an die bestehenden und künftigen Anforderungen besser anzupassen. Doch all das ist am Ende wirkungslos, wenn dem keine personell stark aufgestellte Justiz gegenübersteht.

Im Antrag der Fraktion DIE LINKE wird unter Punkt 4 gefordert, dass der Bund den Ländern entsprechende finanzielle Mittel für die Schaffung neuer Richterstellen sowie des entsprechenden Folgepersonals zur Verfügung stellen möge. - Sicher, eine Aufstockung des Personals in der Justiz kostet zunächst einmal Geld. Aber viel essenzieller ist die Frage, woher das Personal kommt.

Dieser Frage muss sich das Ministerium bereits bei der Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs hinsichtlich der Umsetzung des Feinkonzepts stellen. Darin steht, dass unsere Justiz in Sachsen-Anhalt einen Bedarf von jährlich 86 Neueinstellungen hat, wenn Altersabgänge ausgeglichen und gleichzeitig ein Altersklassenaufbau vorgenommen werden soll. Dabei haben wir jedoch die unsichere Fluktuation durch Krankheiten und anderweitige Abgänge noch nicht mit einberechnet.

In Sachsen-Anhalt werden aktuell in Summe 17 Punkte in beiden Staatsexamina gefordert, um Richter oder Staatsanwalt werden zu können. Wir bilden jährlich etwa 70 Rechtsreferendare aus, von denen aufgrund der Noten etwa zehn bis

15 geeignet sind. Hinzu kommt, dass auch andere Bundesländer händeringend Juristen für den Justizdienst suchen und ihre Anforderungen schon deutlich gesenkt haben. So liegen die Einstellungsvoraussetzungen in Sachsen und Thüringen bei 16 Punkten, in Berlin gar bei 15 Punkten.

Ich möchte damit nicht sagen, dass wir unsere Voraussetzungen zwingend senken sollen. Wir müssen uns aber dringend damit beschäftigen, wie wir den Justizdienst in Sachsen-Anhalt attraktiver gestalten können. Dazu gehört es, Studenten, die bereits in der Stadt Halle Jura studieren, im Land zu halten, aber auch, Referendare aus anderen Bundesländern nach Sachsen-Anhalt zu holen und diesen Perspektiven aufzuzeigen, damit sie nach dem Abschluss des zweiten Staatsexamens in Sachsen-Anhalt bleiben. Denn nur so können wir langfristig den Bedarf in der Justiz decken.

Wie konkrete Attraktivitätssteigerungen aussehen können, was sich Nachwuchsjuristen wünschen und was sie erwarten, werden wir uns zum Thema machen. So viel möchte ich bereits ankündigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion möchte, dass der deutsche Rechtsstaat ein Erfolgsmodell bleibt.

Sehr geehrter Herr Kolze, Sie haben Ihre Redezeit schon überzogen.

Ich komme zum Ende. - Das ist heute wichtiger denn je. Der Deutsche Anwaltverein und der Deutsche Richterbund haben es in einem gemeinsamen Papier zur Bundestagswahl 2017 auf den Punkt gebracht: Recht und Gerechtigkeit sind elementare und unveräußerliche Menschenrechte.

Bitte formulieren Sie den letzten Satz.

Sie dürfen nicht zu einem Nischenwerk verkommen. Denn ohne Gerechtigkeit gibt es auf Dauer keinen Frieden.

Ich bitte um Ihre Zustimmung zu unserem Alternativantrag.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kolze. Es gibt keine Fragen. - Wir kommen zur letzten Rednerin. Frau von Angern darf natürlich noch erwidern. Sie haben das Wort, Frau von Angern.

Danke, Frau Präsidentin. - Insbesondere der Redebeitrag meiner Kollegin Frau Schindler hat mich animiert, noch einmal nach vorn zu kommen.

Möglicherweise haben wir uns falsch verstanden. Aber mich hat tatsächlich irritiert, dass Sie ein Stück weit den Vorwurf in den Raum gestellt haben, ich würde den Rechtsstaat schlechtreden. Weder die, die ich zitiert habe, noch diejenigen, die damals in der Anhörung hierzu gesprochen haben, haben das getan. Sie tun es auch nicht, wenn sie auf Lücken hinweisen.

Was mir nur wichtig ist, weil Sie selbst sagen, dass Sie mit Ihren Bundestagsabgeordneten reden: Reden Sie auch einmal mit der Bundesjustizministerin. Denn diese ist zurzeit gerade nicht diejenige, die hinsichtlich der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung fortschrittlich unterwegs ist, um es einmal so zu sagen, sondern eher auf der Bremse steht.

Auch zu Herrn Kolze noch ein Wort. Unter Punkt 4 ging es uns vor allem darum - natürlich muss es verfassungsrechtlich und auch haushalterisch sicher sein -, dass das Land nicht auf die Idee kommt, das, was wir vor der Sommerpause hart ausgehandelt und in einen Beschluss gefasst haben, zu vermischen, sondern dass wir das, was wir vom Bund noch zusätzlich bekommen sollten - was aber noch in den Sternen steht -, obendrauf setzen. Denn das Personal brauchen wir auf jeden Fall in Sachsen-Anhalt.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau von Angern. Ich sehe auch hierzu keine Fragen. - Somit steigen wir in das Abstimmungsverfahren zu der Drs. 7/3462 ein. Ich habe keinen Wunsch auf Überweisung vernommen. Also stimmen wir direkt ab.

Wer dieser Vorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die antragstellende Fraktion DIE LINKE und die AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen und ein fraktionsloses Mitglied. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.

Wir kommen nunmehr zu dem Alternativantrag in der Drs. 7/3512. Wer diesem Alternativantrag seine Stimme gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion DIE LINKE und ein fraktionsloses Mitglied.

(Olaf Meister, GRÜNE: Das ist falsch! Es sind drei Fraktionen!)

- Entschuldigung. - Zustimmung gibt es von den Koalitionsfraktionen, der AfD-Fraktion und einem

fraktionslosen Mitglied. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion DIE LINKE enthält sich der Stimme. Damit ist dem Alternativantrag zugestimmt worden und der Tagesordnungspunkt 10 ist erledigt.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 11

Erste Beratung

Streichung des Verbots der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche (§ 219a StGB) - Landgericht Gießen: „Verurteilung als Ehrentitel im Kampf um ein besseres Gesetz“

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/3465

Einbringerin wird auch hier die Abg. Frau von Angern sein. - Sie haben das Wort, Frau von Angern.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! In Deutschland wird wieder heftig und emotional über Schwangerschaftsabbrüche gestritten. Schaut man in die Wahlprogramme zu den letzten Bundestagswahlen, lautet der Befund: Keine maßgebliche im Deutschen Bundestag vertretene Kraft betreibt nach meinem Kenntnisstand offen und entschieden eine Reform des § 218a StGB.

Selbst die mitunter im Völkischen nach Brosamen suchende AfD betreibt dies nicht, auch wenn sie sich bemüht, einen Pappkameraden aufzurichten, indem sie betont, sie lehne - ich zitiere - „alle Bestrebungen ab, die Tötung Ungeborener zu einem Menschenrecht zu erklären“. - Als betriebe irgendjemand, der gesellschaftspolitisch ernst genommen werden will, diese zynische Zuspitzung, die nicht nur juristisch Nonsens ist, sondern vor allem in ethischer Hinsicht in ihrer schlichten Einseitigkeit dem Problem des Ausgleichs zwischen zwei konkurrierenden Menschenrechten überhaupt

nicht gerecht wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Dennoch, meine Damen und Herren, bricht der alte Konflikt zwischen Liberalisierung und Restriktion gegenwärtig wieder auf. Es wird schrill vor verhärteten Fronten über den Kompromiss gestritten.

Auch die Äußerungen des Papstes Franziskus, der Abtreibung mit einem Auftragsmord verglich, aber ansonsten für ein Mehr an Barmherzigkeit angetreten ist, tragen dazu bei - leider.

Der in den 90er-Jahren nicht zuletzt infolge des Beitritts erstrittene Kompromiss zwischen dem

Recht der alten Bundesrepublik und dem der ehemaligen DDR hat in § 218a StGB rechtliche Gestalt angenommen.

Ich gehöre einer Partei an, der dieser politische Kompromiss nicht weit genug geht, die ihn aber respektiert und ihn vor allem gegen Angriffe verteidigt.

Ich selbst finde den gefundenen Kompromiss als Juristin zwar nicht überzeugend, als Frau und Mutter aber eben bisher als angemessen. Ich bin weder eine Anhängerin der alten bundesdeutschen noch der DDR-Regelung. Für mich fühlt sich § 218a StGB wie ein vielleicht gelungener Ausgleich von Interessen und Rechtsgütern an, die in letzter Konsequenz eben nicht wirklich auszugleichen sind. Denn wenn man nicht zu dem Zustand zurückkehren will - das will meine Fraktion ausdrücklich nicht -, dass ein Kind wirklich um jeden Preis auszutragen ist, dann ist es folgerichtig, diese Abwägung in die Hände, letztendlich in den Kopf und in das Herz der Mutter zu legen.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn, ja, ihr Bauch gehört ihr; auf Zeit betrachtet aber auch ihrem ungeborenen Kind, das sich in ihrer körperlichen Obhut befindet. Warum also zu dieser Zeit diese Kontroverse?

Oberflächlich betrachtet geht es dabei um § 219a StGB. Durch diese Norm des deutschen Strafrechts wird bestimmt, dass bestraft wird - ich zitiere -, „wer öffentlich in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekannt gibt.“

Darüber, wie viele Ermittlungen wegen des Verstoßes gegen das Werbeverbot in Sachsen-Anhalt eingeleitet worden sind, kenne ich keine öffentlich zugängliche Statistik. Es gibt eine Anfrage meines Kollegen Klaus Barthels in Sachsen. Hierbei geht es um drei Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts auf einen Verstoß gegen § 219a StGB ermittelt. Ich denke, Ihnen ist auch bekannt, dass die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zuweilen sehr kreativ sind, um eine Einstellung dieser Verfahren herbeizuführen.

Nach meiner Kenntnis sind auf der Grundlage des § 219a bislang zwei Ärztinnen in der Bundesrepublik verurteilt worden. Zum einen handelt es sich um einen Frauenarzt in Bayern. Zum anderen handelt es sich um die Verurteilung der Gießener

Ärztin Dr. Kristina Hänel, die durch das Amtsgericht Gießen für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe in Höhe von 6 000 € verurteilt worden ist, weil sie für den Abbruch von Schwangerschaften geworben haben soll.

Nach Überzeugung des Gerichts hat sie den Tatbestand des § 219a dadurch erfüllt, dass sie auf der Internetseite ihrer Praxis darüber informierte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.

Inzwischen hat sie auf ihrer Homepage unter der Rubrik „Spektrum“ und unter der Kategorie „Frauengesundheit“ den Begriff „Schwangerschaftsabbruch“ angeführt, der, klickt man ihn an, mit einem Kontaktformular verlinkt ist, mit dem man um die Zusendung von Informationen bittet.