Diese Widersprüchlichkeit - sorry - werde ich Ihnen nicht durchgehen lassen. Das ist widersprüchlich. Das ist eine Position, zu der ich eine grundsätzlich andere Auffassung von den Dingen in diesem Rechtsstaat habe. Dabei würde ich es jetzt belassen. - Danke.
Ich sehe keine weiteren Fragen, daher können Sie es dabei belassen. - Wir steigen nunmehr in die Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Die erste Debattenrednerin ist Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen von der SPD-Fraktion. Bitte, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden bei den Schulabschlüssen eine Lösung finden. Das lässt mich nicht ruhen. An diesem Parameter will ich mich in dieser Legislaturperiode festmachen lassen. - So die Worte des Ministerpräsidenten im Sommer letzten Jahres. Damals war ich optimistisch, dass wir endlich einen neuen Schwung in die Debatte zu dem Thema Schulerfolg bekommen.
Die Statistik für dieses Jahr zeigt, dass die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die die Schulen ohne Schulabschluss verlassen, wieder gestiegen ist, also ein Rückschlag, so der Bildungsminister. Aus meiner Sicht ist es höchste Zeit umzusteuern.
Auch wenn es bisher an einer tiefer gehenden Analyse, woran der Anstieg der Zahlen liegt, fehlt, wissen wir zwei Dinge sicher: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Schulverweigerung und dem Verlassen der Schule ohne Schulabschluss. Der Anteil der ausländischen Schülerinnen und Schüler, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen, ist mit 42 % besonders hoch.
Ja, wir haben gute Lösungsansätze gefunden, um den „Schulerfolg zu sichern“. Die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sind inzwischen ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil von Schule. Sie sind ein Bindeglied zwischen Schule, Eltern, Schülerinnen und Schülern. Ihnen gelingt es zunächst einmal, die Ursachen für das Fernbleiben vom Unterricht festzustellen und auf dieser Grundlage Lösungsansätze zu finden und gemeinsam mit den Beteiligten dann auch durchzusetzen.
Da sie nicht in der Schule beschäftigt sind, sondern über einen externen Träger, finden sie einen besseren Zugang gerade zu den Elternhäusern, die bildungsferneren Schichten angehören.
Aber wir wissen, wir haben nicht an jeder Schule einen Schulsozialarbeiter, und wir können - das war jedenfalls bei der Elterninitiative, die dem Minister heute Nachmittag zwei Kisten mit Unterschriftenlisten übergeben hat, der Fall - den Kolleginnen und Kollegen auch noch nicht sagen, wie es weitergeht.
Bei dieser gesamten Diskussion stellt sich mir die Frage: Warum trennen wir uns nicht von Instrumenten, von denen wir wissen, dass sie nichts bewirken, und die - der Minister hat es eindrücklich dargestellt - einen Verwaltungsaufwand verursachen, indem in einem wirklich langwierigen, aufwendigen Verfahren Punkte abgehakt werden, aber nicht nach den eigentlichen Ursachen für das Fernbleiben von der Schule gefragt wird?
Das haben wir so eindeutig in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben. Es ist an der Zeit, dass wir die Instrumente auf den Prüfstand stellen, die wirklich helfen.
Herr Minister, was die Sanktionen betrifft: Wir könnten das Ordnungsgeld ohne Schwierigkeiten abschaffen. Die Brandenburger haben das auch nicht. Sie haben ein Zwangsgeld. Auch das ist eine Sanktion, die Sie zur Durchsetzung der Schulpflicht einfordern.
Wir haben dieses Zwangsgeld mit der Novelle zum Schulgesetz nicht deshalb eingeführt, weil wir neue Sanktionen wollten, sondern weil wir uns an dem erfolgreichen Brandenburger Modell orientiert haben. Dieses zeigt seit Jahren, dass durch das Instrument Zwangsgeld, das gar nicht so häufig verhängt wird, erreicht wird, dass man frühzeitiger an die Eltern herankommt, dass man Hilfsangebote unterbreiten kann und dass so eine frühzeitige Rückkehr der Schülerinnen und Schüler in die Schule tatsächlich gelingt.
Es ist ein umfassendes System von Netzwerken. Dabei spielt die Schulkonferenz eine große Rolle. In Sachsen-Anhalt haben wir ähnliche Voraussetzungen. Wir haben auch diese Netzwerke mit den Netzwerkstellen „Schulerfolg sichern“. Wir sehen an den Zahlen, dass sich die Entwicklung der Zahl der Schulverweigerer sehr unterschiedlich gestaltet. Es gibt Kreise, in denen es ganz gut funktioniert hat und die Zahlen wirklich rückläufig sind. Es gibt aber auch Kreise, in denen noch nichts passiert ist.
Deshalb müssen wir jetzt auch schauen, woran das liegt und was die erfolgreich in den Kreisen angewandten Modellprojekte und Instrumente sind, die tatsächlich zu einem Rückgang der Zahl
der Schulverweigerer geführt haben. Diese können wir dann auch im Sinne von Best Practice den anderen Landkreisen anbieten, die diese Ideen noch nicht hatten.
Es gibt also noch viel zu diskutieren in den Ausschüssen für Bildung und Kultur, für Recht, Verfassung und Gleichstellung, für Arbeit, Soziales und Integration sowie für Inneres und Sport. Ich glaube, es ist jetzt wirklich Zeit zu handeln.
Die Entwicklung zeigt uns, dass der Schularrest kein erfolgreiches Instrument ist, um zu erreichen, dass möglichst alle Schülerinnen und Schüler die Schule mit einem Schulabschluss verlassen. Wenn dieses Instrument nicht erfolgreich ist sowie Zeit, Geld und Nerven kostet, dann sollten wir endlich darauf verzichten. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kolb-Janssen. Ich sehe keine Fragen. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Dr. Tillschneider. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! DIE LINKE will mit dem vorliegenden Antrag erreichen, dass Schulschwänzen nicht mehr sanktioniert wird. Ich schlage Ihnen deshalb vor, den Titel zu ändern in: Schulschwänzen unbeschwert und sorgenfrei - DIE LINKE machts möglich.
Sie wollen, dass Schulschwänzen nicht mehr als Ordnungswidrigkeit gilt - das heißt: keine Geldstrafen mehr - und damit natürlich auch keinen Arrest für Schulschwänzer. Stattdessen sollen Sozialarbeiter den renitenten Jugendlichen gut zureden und ihnen - verstehen Sie das jetzt bitte als Metapher - den Hintern pudern. Das ist genau der falsche Weg. Denn Jugendliche, die sich hartnäckig nicht an Regeln halten, brauchen keine Extraportion Aufmerksamkeit, sie brauchen eine klare Ansage.
Der Antrag der LINKEN ist schon insofern überflüssig, als nach aktuellem Stand der Arrest für Schulschwänzer keineswegs leichtfertig verhängt wird, sondern in kuscheligster Kuschelpädagogik nur das letzte Mittel in einer vielstufigen Folge von Maßnahmen darstellt. Diese Stufenfolge hat der
Es dreht sich halt das Stuhlkreiskarussell bis zum Erbrechen. Wenn am Schluss alles nichts fruchtet und ein Ordnungsgeld verhängt wird und wenn dieses Ordnungsgeld nicht bezahlt und auch nicht durch Arbeitsstunden abgeleistet wird, dann wird als allerallerletztes Mittel der Arrest verhängt. Ich finde, es sind wahrlich genug Chancen zur rechtzeitigen Umkehr eingebaut.
Aus diesem Prozedere spricht schon eine solche Engelsgeduld, dass es ein schwerer Fehler wäre, den Schularrest zu streichen, auf den dieser Maßnahmenkatalog zuläuft. Damit würden wir nämlich auch allen anderen vorgeschalteten Maßnahmen ihr immanentes Drohpotenzial und damit ihre Kraft und Wirkung nehmen.
Wir vermitteln jungen Menschen so die Lektion, dass es keine Konsequenzen hat, wenn sie gegen Regeln verstoßen. Wir vermitteln ihnen die Lektion, dass die Schule - wie es schon im Jargon des Establishments heißt - ein Bildungsangebot ist. Angebote kann man annehmen oder ablehnen. Wir erziehen unsere jungen Menschen zu Beliebigkeit und Disziplinlosigkeit. Dazu sagt die AfD-Fraktion ganz klar Nein.
Wer es auf einen Konflikt mit den Behörden anlegt, der kann einen Konflikt haben. Bildung ist keine Ware und kein Angebot. Bildung ist eine Pflicht des Staates und des Einzelnen.
Der Antrag der LINKEN ist Gift für die Bildung. Die permissive Haltung, die die Linksfraktion immer wieder an den Tag legt, ist eines der Grundübel unserer Zeit. Es muss auf Schritt und Tritt bekämpft werden. Wir müssen Jugendliche ohne Respekt vor Recht und Gesetz Mores lehren.
Ich sehe keine Fragen. Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Aldag. Sie haben das Wort, Herr Aldag.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Ich wünschte, der vorgelegte Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE würde nicht in einem engen Zusammenhang mit dem tragischen Tod eines 15-jährigen Mädchens in Halle stehen,
eines Mädchens, das in letzter Konsequenz des Ordnungswidrigkeitsverfahrens in den Jugendarrest überführt werden sollte, weil es nicht zur Schule gegangen war.
Meine Damen und Herren! Ich bedauere den viel zu frühen Tod eines jungen Menschen zutiefst und möchte allem voran mein Mitgefühl gegenüber den Angehörigen aussprechen.
Es ist kein Geheimnis, dass auch wir GRÜNEN uns gegen die Ahndung von Schulabsentismus als Ordnungswidrigkeit stellen. Nicht erst seit heute, sondern seit vielen Jahren ist dies auch für uns ein wichtiges Thema. Das haben wir auch bei der Novellierung des Schulgesetzes deutlich gemacht, leider ohne Erfolg.
Nach wie vor ist für uns GRÜNE klar, dass Knast keine angemessene Antwort auf Schulverweigerung ist. Wenn Schülerinnen und Schüler nicht zur Schule gehen, dann gibt es dafür meist viele Gründe. An diesen Gründen ändert sich nichts, wenn wir Schülerinnen und Schüler in den Jugendarrest überführen.
Meine Damen und Herren! Jugendarrest hilft Schülerinnen und Schülern sowie ihren Familien kein Stück weiter. Es ist das bloße Durchsetzen der Staatsgewalt. Es ist das Durchsetzen einer Strafe an einer Stelle, an der Hilfe benötigt wird - Hilfe dabei, wieder Mut und Vertrauen in sich selbst und das individuelle Können zu fassen, einen neuen Anfang zu machen und selbstbestimmt Verantwortung für sich zu übernehmen.
Wie wir das bestmöglich unterstützen können, ist längst beschrieben worden. Denn es gibt bereits sinnvolle pädagogische Handlungsschritte gegen Schulverweigerung. An vorderster Stelle steht dabei auch die Prävention; denn dort, wo ein gutes Schulklima herrscht, tritt Schulverweigerung seltener auf. Dort, wo trotzdem Schulverweigerung auftritt, ist es wichtig, dass alle Akteure schnell und in Absprache miteinander handeln. Die Netzwerkstelle „Schulerfolg sichern“ im Bördekreis hat dazu einen Handlungsleitfaden entwickelt und einen Qualitätszirkel gegründet.
Meine Damen und Herren! Leider konnte ich mich mit meinen Kolleginnen Frau Gorr und Frau KolbJanssen bislang nur auf eine stärkere Verpflichtung der Eltern einigen. Das Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Schülerinnen und Schüler hat nach wie vor Bestand.
Ich denke, es ist wichtig, dass wir hierzu erneut ins Gespräch kommen. Ich wünsche mir, dass wir uns als bildungspolitische Sprecherinnen und Sprecher im Ausschuss fraktionsübergreifend erneut zu diesem Thema verständigen. Denn wir
brauchen Lösungen, die nicht abstrafen, sondern Chancen geben, Lösungen, die Kindern und Jugendlichen in Problemlagen helfen, damit sie Schieflagen in ihrem Leben bewältigen können und nicht an diesen scheitern.