Protokoll der Sitzung vom 31.01.2019

Dennoch ist es notwendig, angesichts dieses Antrages auch noch einmal deutlich zu sagen, dass die Behauptung, die eigentliche Kriminalität liege weitaus höher, als die offizielle Zahlen es darstellen, und die Behörden würden das sozusagen im Auftrag der Regierung bewusst verschleiern, eben eine ist, die eine politische Erzählung ist und die zum Standardrepertoire der AfD gehört.

Schaut man sich derweil an, in wie vielen Fällen tatsächlich kriminelle Betätigungen von AfD-Politikern nachgewiesen wurden, ist das schon reichlich bizarr. Mein Kollege André Hahn hat dazu sehr treffend im Bundestag zusammengefasst: Man kann von Glück sagen, dass die Kriminalitätsrate in der allgemeinen Bevölkerung nicht so hoch ist wie in der AfD.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN - Oliver Kirchner, AfD: Das klingt bei der LINKEN immer komisch!)

Aber schauen wir uns den Antrag konkret fachlich an. Unter dem Strich steht die Forderung, dass

auch die nicht abgeschlossenen Fälle in die Polizeiliche Kriminalstatistik aufgenommen werden sollten, um so zu einem tatsächlichen Bild von Kriminalität zu kommen. Das ist schlichtweg Humbug, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Denn bevor ein Fall abgeschlossen ist, lässt sich überhaupt nicht sagen, um welche Straftat es sich handelt, um wie viele Täter, wie viele Geschädigte usw. es geht. Das würde nichts, aber auch wirklich nichts erhellen, sondern eher zur Unklarheit beitragen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Und ja, natürlich gibt es Dunkelfelder. Sie sind angesprochen worden. Das ist seit Langem bekannt und nicht bestritten. Es gibt sie im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei Hassverbrechen, im Bereich der häuslichen Gewalt, im Übrigen auch bei Straftaten durch Polizisten im Amt.

(Markus Kurze, CDU: Oh Mann!)

Wichtig ist natürlich, Dunkelfeldstudien zu führen. Wichtig ist, sie deliktspezifisch zu führen. Auffällig ist erstens, dass dort, wo versucht wird, mit wissenschaftlichen Mitteln Dunkelfelder zu erhellen, wie beispielsweise bei den Straftaten gegen LSBTTI, die AfD bisher explizit nicht zu denjenigen gehörte, die sich besonders für diese Betroffenengruppe interessiert hätten,

(Zustimmung von Dagmar Zoschke, DIE LINKE, und von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

es sei denn, es ginge darum, sie zu diskreditieren.

Auffällig ist zweitens, dass die Mittel, die die AfDFraktion hier vorschlägt, völlig untauglich sind.

Meine Fraktion wird diesen Antrag ablehnen. Politisch hat er eine einzige Funktion: Er soll Unsicherheit und Angst schüren. Warum? - Weil Sie davon leben, weil Angst Ihr Lebenselixier ist und das Schüren von Angst ein bewährtes Mittel ist.

(André Poggenburg, fraktionslos: Das sa- gen Sie, die überall Nazis sehen! - Ulrich Siegmund, AfD: Können Sie mal was Neu- es erzählen? Immer das Gleiche!)

Wenn die Statistiken die eigene Erzählung nicht stützen, dann kann die Statistik eben auch nicht stimmen. So einfach ist das. Das erleben wir in dieser Debatte. Das erleben wir auch in der Debatte um politisch motivierte Straftaten.

Fachlich ist dieser Antrag überflüssig und untauglich, irgendetwas in Sachsen-Anhalt sicherer zu machen. Das gilt für den Antrag. Das gilt auch für die Antragsteller.

(Beifall bei der LINKEN - Daniel Rausch, AfD: Danke Antifa! - Zuruf von Mario Leh- mann, AfD)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Frau Quade für den Redebeitrag. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel. Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vieles von dem, was die Kollegin Quade hier vorgetragen hat, kann ich unterstützen. Ich sage Ihnen auch: Das, was der Kollege Erben hier gesagt hat, hat meine Unterstützung verdient; denn wirksame Kriminalitätsbekämpfung setzt ein klares Bild der tatsächlichen Lage voraus.

Die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik liefert dabei eine, aber eben nicht die einzige Perspektive. Das ist wichtig. Es gibt sozusagen helle und dunklere Flecken. Wir wissen um Kontrollkriminalität, dass ich, wenn ich genau irgendwo hinschaue, dort Kriminalität entdecken kann, dass sich das dann auch entsprechend in der Statistik wiederfindet oder eben halt auch nicht.

Es bleibt aber festzustellen: Deutschland ist ein sehr sicheres Land. Das gilt auch für SachsenAnhalt. Schaut man sich die Zahlen zur allgemeinen Kriminalitätsentwicklung an, die Sie ja im Übrigen nicht anzweifeln - - Wenn es um die Kriminalität von den von Ihnen als sogenannte Geflüchtete geschmähten Menschen geht, dann zweifeln Sie das ja nicht an, dann ist es für Sie trotz aller statistischen Unzulänglichkeiten unmittelbar die Wahrheit.

Jedenfalls kann man, wenn man sich die Kriminalitätsstatistik anschaut, feststellen, dass es keinen signifikanten Anstieg der aufgenommenen Straftaten gibt. Ja, im Langfristtrend sehen wir sogar, dass die Zahl der Straftaten abnimmt.

Dennoch ist zu konstatieren, dass es in Teilen der Bevölkerung ein Gefühl gibt, es bestünde eine gesteigerte Bedrohungslage und größere Gefahr, Opfer krimineller Handlungen zu werden.

(Oliver Kirchner, AfD: Stimmt!)

Davon zeugt etwa der besorgniserregende Anstieg der Anzahl sogenannter kleiner Waffenscheine.

(André Poggenburg, fraktionslos: Alles Ein- bildung!)

Diese Sorgen in der Bevölkerung müssen wir zunächst zur Kenntnis nehmen, auch weil die PKS eben nur einen Teil der Entwicklung abbildet.

(Zuruf von André Poggenburg, fraktionslos)

Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, dass wir auf Betreiben des Innenministeriums eine Studie zur Kriminalitätsentwicklung in Auftrag gegeben haben. Auch die Dunkelfeldstudie für den Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die im Übrigen auf eine grüne Initiative während der Koalitionsverhandlungen zurückgeht, ist hier erwähnt worden.

Dies stellt natürlich einen für die Wahrnehmung der Bevölkerung besonders sensiblen Bereich dar. Hier muss also besonders und genau hingeschaut werden, auch um den Opfern gerecht zu werden.

Zudem werden wir die Erfahrungen aus anderen Bundesländern auswerten. Ich denke dabei vor allem an Niedersachsen, wo bereits mehrere Dunkelfeldstudien durchgeführt worden sind.

Auch Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern führten bzw. führen ähnliche Studien durch. Aufbauend auf diesen Erfahrungen und den Ergebnissen in Sachsen-Anhalt kann dann auf solider Basis entschieden werden, wie weiter vorgegangen werden soll.

Ich betone noch einmal, dass es mir ein Anliegen ist, das subjektive Bedrohungsgefühl von Menschen ernst zu nehmen. Aber ich komme auch nicht umhin, alle hier an ihre Verantwortung zu erinnern, diese Gefühlslage nicht für populistische Stimmungsmache zu missbrauchen. Leider ist dies aus den Reihen der AfD alltäglich zu beobachten.

Der Spitzenkandidaten für die letzten Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus sprach im Wahlkampf davon, dass das, was man fühle, auch Realität sei. „Perception is Reality“ - so nannte er das. Dem muss ich klar widersprechen. Das subjektive Bedrohungsgefühl muss ernst genommen werden, aber es kann dort, wo es nicht der Faktenlage entspricht, nicht einfach zur Wahrheit umgedeutet werden und zur Grundlage ressentimentgeladener Politik gemacht werden.

Ich sage sehr deutlich: Mit Ressentiments ist keine Politik zu machen. Insofern werden wir dieser Versuchung hier nicht erliegen. Wir werden einen Alternativantrag beschließen und das ist auch gut so. - Vielen herzlichen Dank.

Herr Striegel, Herr Roi hat sich zu Wort gemeldet. Wenn Sie zur Verfügung stehen? - Herr Roi, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Ich versuche einmal, meine Meinung in die Debatte einzubringen.

Sie haben Herrn Erben recht gegeben mit dem, was er gesagt hat. Herr Erben hat aber auch gesagt, dass weniger Polizei dazu führt, dass dann auch in der Statistik weniger Straftaten enthalten sind.

Sie haben es gerade lobend hervorgehoben, dass wir eine sinkende Anzahl an Straftaten haben. Wenn Sie aber jetzt Herrn Erben richtig zugehört hätten, dann müssten Sie jetzt einmal sagen, ob Sie den Teil von Herrn Erben auch so sehen. Denn Sachsen-Anhalt - das dürften Sie als Innenpolitiker wissen - hat wie kein anderes Bundesland Personal bei der Polizei eingespart. Wir hatten vor Kurzem einen historischen Tiefstand.

Das wiederum ist keine Subjektivität oder kein Gefühl, sondern das sind Fakten - Fakten, die nicht nur auf dem Papier stehen, sondern die sich auch in der Polizeipräsenz im Land widerspiegeln. Wenn Sie sich mit Menschen unterhalten, dann werden Sie feststellen, dass immer mehr Menschen dazu übergehen, bei Straftaten gar nicht mehr die Polizei zu rufen, weil sie keine Lust haben, eine Stunde lang zu warten, bis die Polizei da ist, und die Bürokratie abzuwickeln, zum Beispiel als Unternehmer, wenn einem das Gebäude besprüht wird.

Das sind Dinge, die man tagtäglich erfährt, wenn man sich mit den Leuten unterhält.

Wie gesagt, meine Frage: Was sagen Sie denn zu der Aussage von Herrn Erben, dass aufgrund weniger Polizei auch weniger Straftaten in der Statistik registriert werden? - Das müssten Sie jetzt einmal argumentativ in die Reihe bringen.

(Beifall bei der AfD)

Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Herr Roi, ich weiß, mit dem Zuhören ist es immer so eine Sache. Aber wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie das Thema Kontrolldichte auch in meiner Rede finden können. Insofern habe ich alles Notwendige dazu gesagt.

Natürlich gibt es Kriminalitätsbereiche, die in direkter Korrelation zu der Frage stehen, wie hoch die Kontrolldichte ist. Auf die Kontrolldichte wiederum hat das Personal bei der Polizei Einfluss, wobei Sie auch wissen müssten, dass die bloße Anzahl der Polizeibeamtinnen und -beamten noch nicht die Kontrolldichte bestimmt. Das hat vielmehr auch viel mit polizeilichen Maßnahmen und mit Entscheidungen zu tun hat, in welche Deliktbereiche man hingeht und worauf sich die Streifentätigkeit etc. pp. konzentriert.

Sie werden beispielsweise wahrgenommen haben, dass dieser Innenminister die Regionalbereichsbeamten eingeführt hat, die eben tatsächlich auch in der Fläche präsent sind und damit Kriminalitätspunkte, die Sie angesprochen haben, wahrnehmen und damit entsprechende Ermittlungen erfolgen können.

Ich habe Herrn Erben mit Blick auf die Frage recht gegeben, dass ich eine Dunkelfeldstudie durchaus als sinnvoll erachte. Warum tue ich das?

Wir haben als GRÜNE schon in den Koalitionsverhandlungen deutlich gemacht, dass wir es mit Blick auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung für sinnvoll halten, eine Dunkelfeldstudie zu machen und zu schauen, was da noch ist. Denn es gibt Menschen, die Straftaten nicht anzeigen. Die Kollegin Quade hat es mit Blick auf die Hasskriminalität aufgeführt.