Protokoll der Sitzung vom 01.02.2019

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Seit der Übernahme des Dieselnetzes Anfang Dezember 2018 durch die Abellio Rail Mitteldeutschland GmbH kam und kommt es leider zu Zugausfällen. Am 30. November 2018 verkündete ein Firmensprecher, dass Abellio für die Übernahme des Dieselnetzes gerüstet sei. Es stünden genug Triebwagenführer und anderes Personal zur Verfügung.

Doch die ersten Wochen waren ein Desaster und ein Fehlstart, und das ist es teilweise leider immer noch. Es gibt keine Triebwagenführer und keine Schaffner und es fahren Busse statt Zügen. Obwohl Abellio im Jahr 2016 den Zuschlag erhielt, fehlt immer noch Personal. Es gab also drei Jahre Vorlauf. Da muss man doch schon einmal fragen, was soll die Nasa denn noch machen, wenn sie schon so viel Vorlauf schafft?

Es ist schwierig zu verstehen, dass da heute immer noch diese Personalengpässe bestehen. Etwa 100 Angestellte sind von HEX übernommen worden. In dieser Zeit sollten weiterhin etwa 80 Mitarbeiter von der DB übernommen werden. Die auch mit der Nasa geführten Gespräche hatten nur wenig Erfolg. Von den möglichen 80 DBMitarbeitern sind sieben zu Abellio gewechselt; das sind 8,75 %. Durch eine Personalübernahme konnte der Bedarf somit nicht realisiert werden.

Der Fachkräftemangel ist hier natürlich mit eine Hauptursache für das fehlende Personal. Triebfahrzeugführer werden überall gesucht. Aber genau das hätte Abellio wissen müssen und das

hätte Abellio auch mit einplanen müssen. Im Zusammenhang mit der Bausituation auf den Hauptbahnhöfen in Halle und in Magdeburg gab es bei Abellio weitere Fehleinschätzungen, die die Probleme noch verstärkten. Die Rangier- und Abstellplanung war nicht optimal. Dies wurde von Abellio leider zu spät bemerkt und erkannt.

Um das Personalproblem aus eigener Kraft beeinflussen zu können, bildet Abellio bereits seit dem Jahr 2017 Triebfahrzeugführer aus. Aber wenn das wirklich so ist, dann stelle ich mir natürlich die Frage: Wo sind denn heute diese Triebfahrzeugführer?

(Zuruf: Genau!)

Die Ausbildung dauerte zehn Monate. Zwei der vier Lehrgänge zum Triebwagenführer sind abgeschlossen. Weitere Gruppen sollen in etwa im Jahr 2019 fertig werden. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die vertraglich geschuldeten Leistungen zu erbringen, werden die nächsten Wochen zeigen.

In der Vergangenheit hat es nicht in SachsenAnhalt und leider auch nicht in Thüringen ausgereicht. Es sind mehrere Strecken betroffen. Auf der Strecke Dessau - Köthen wird je eine Abendfahrt pro Richtung durch Busse, also mit Schienenersatzverkehr, ersetzt, und auch die Unstrutbahn wird zwischen Naumburg und Wangen mit Bussen bedient. Der Einsatz der Busse erfolgt wahrscheinlich bis zum 3. März 2019.

Abellio steht mittlerweile für viele nur noch für Einschränkungen im Bahnverkehr und hat einen großen Imageverlust zu verzeichnen. Über dieses Problem können auch keine schöneren und besser ausgestatteten Züge mit geräumiger und barrierefreier Toilette, Steckdosen und WLAN hinwegtäuschen; denn wenn die Fahrgäste in einem Bus anstatt in einem Zug sitzen müssen, haben sie von diesen Vorteilen leider nichts. Es kann einfach nicht sein, dass man Schienenverkehr bestellt und dauerhaft Busverkehr bekommt.

An der Stelle kann man nur sagen, dass die Bilanz von Abellio besonders im Süden des Landes bisher verheerend aussieht und die Nachrichten wenig Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation machen. So sind unlängst Engpässe bis Ende 2019 angekündigt worden. Leider hat Abellio auch in Thüringen vorgetäuscht, das Personalproblem im Griff zu haben, nur um kurze Zeit später erneute Einschränkungen anzukündigen.

Es wirkt so, dass die Kommunikationsstrategie des Unternehmens auf Zeit spielt und nicht ehrlich ist. Die betroffenen Fahrgäste haben aber Ehrlichkeit verdient, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Der Blick auf die kommende Urlaubszeit wirft umso mehr Fragezeichen auf. Kann es Abellio überhaupt schaffen, diese Zeit problemfrei zu überstehen? - Mittlerweile ist es ganz klar, dass sich Abellio mit Leistungen beworben hat, die sie gar nicht erbringen können. Alle die, die auf den Schienenverkehr angewiesen sind und bis vor der Übernahme durch Abellio problemlos fahren konnten, fragen sich jetzt, ob es rechtens ist, dass Abellio funktionierende Anbieter unterbietet und anschließend die Leistungen nicht liefert.

Fakt ist, dass die Nasa genau prüfen muss, wie viel Geld wegen nicht erbrachter Leistungen nicht ausgezahlt wird. Zusätzlich muss sie prüfen, ob weitere Vertragsstrafen zu verhängen sind, um den Druck auf Abellio zu erhöhen. Weiterhin muss sich die Nasa auf den eventuell eintretenden Ernstfall einstellen, nämlich die Kündigung des Vertrages, zumindest für die betroffenen Linien.

Das muss nicht von heute auf morgen passieren. Abellio muss natürlich Zeit zum Nachbessern bekommen, und diese Zeit muss eingeräumt werden. Aber wir lehnen es auf jeden Fall ab, eine solche Lösung mit Schienenersatzverkehr dauerhaft zu akzeptieren. Darum sollte die Nasa schon einmal im Hintergrund mit anderen Anbietern in Gespräche gehen und vorfühlen, um am Ende keine weiteren bösen Überraschungen erleben zu müssen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abg. Büttner. Ich sehe auch hierzu keine Fragen. - Wir kommen zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Sie haben das Wort. Bitte.

Entschuldigung. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Im Winter auf zugigen Bahnsteigen vergeblich auf Züge zu warten ist ein Ärgernis, unbestritten. Völlig verständlich haben die Zugausfälle bei Abellio eine große Welle erzeugt, medial und auch in Form von Bürgerbriefen, die meine Fraktion erhalten hat und die auch ich persönlich erhalten habe.

Es kam auch, wie ich finde, zu vorschnellen politischen Forderungen, die einen Vertrag mit 15 Jahren Laufzeit und einem Volumen von etwa

1 Milliarde € wegen Anlaufschwierigkeiten sofort kündigen wollten. Als solche muss man, finde ich, die Ereignisse einordnen.

(Zustimmung von Frank Scheurell, CDU)

Ich denke, zur Ultima Ratio sollte man erst dann greifen, wenn alle anderen Optionen versucht wurden. So weit war es damals nicht, so weit ist es nicht und so weit wird es auch nicht kommen. Das hat auch die letzte Sitzung des Verkehrsausschusses gezeigt. Wir hatten dort die Gelegenheit, mit Abellio direkt über die Versäumnisse und die Fehler, die unbestritten sind und die ich auch nicht kleinreden will, zu sprechen.

Zu Beginn wurde anscheinend die Personalgewinnung viel zu optimistisch eingeschätzt. Das muss man sehr klar sagen. Das muss bei künftigen Ausschreibungen auch noch einmal deutlich hinterfragt werden. So wurde die Möglichkeit, Personal des ehemaligen Betreibers HEX anzuwerben, genauso zu optimistisch dargestellt wie die Möglichkeit, Personal bei der DB abzuwerben. Es gibt gute Gründe dafür, dass Menschen, die schon lange bei der DB AG oder bei HEX arbeiten, nicht wechseln, weil sie dann weniger verdienen. Das ist mir völlig klar. Es wurde auch sehr deutlich, dass es Abellio völlig falsch eingeschätzt hat, was es bedeutet, Urlaub oder Krankheit zu kompensieren.

Als dann die ersten Züge aufgrund fehlender Lokführer oder Triebfahrzeugführer, wie man es heute auf Neudeutsch sagt, ausfielen und Strecken nicht bedient wurden, erfolgte die Informationspolitik völlig verfehlt. Im Grunde ist dies der größte Fehler von Abellio gewesen. Dass erst ab Januar oder Februar für Kunden Gutscheine und Bonusprämien, was ja wohl das Mindeste ist, ausgereicht werden, kommt aus meiner Sicht viel zu spät.

Die Kommunikation ist heute das A und O. Derartige Fehlplanungen wie bei Abellio dürfen nicht passieren, aber wenn sie passieren, muss man offen und transparent damit umgehen.

Zur Wahrheit gehört aber auch - das hat Kollege Grube in Zahlen dargestellt -, dass 96 % der vereinbarten Leistungen von Abellio erbracht worden sind. Es herrscht also keine katastrophale Situation. Ich gehe davon aus, dass das Unternehmen die Zusage einhält, wenigstens ab dem 4. März 2019 den Betrieb auf allen Strecken - damit meine ich auch auf der Schiene - tatsächlich vertragsgemäß durchzuführen.

Und ich baue darauf, dass das Unternehmen aus der Situation lernt, zukünftig ein besseres Krisenmanagement an den Tag legt und sowohl die Politik als auch die Kunden vom ersten Tag an transparent und vollumfänglich informiert.

Ich finde es gut, dass das Unternehmen Abellio - das will ich hier im Unterschied zu einigen Kollegen sagen - auf ein Quereinsteigerprogramm setzt, um nach einem zehnmonatigen Fortbildungsprogramm Lokführerinnen und Lokführer auf die Schiene bringen zu können.

Denn zusätzlich zu dem, dass damit eine zusätzliche Personalgewinnung und Personalengpassabstellung erfolgen kann, muss man ja - das ist auch ein Teil des Grundsätzlichen dieser Debatte - einmal ganz klar sagen, Lokführer ist heute kein Beruf mit Zukunft mehr. Denn wenn wir uns die Mobilität der Zukunft angucken - das hat auch die Personalvorständin der DB AG in einem Vortrag, den ich neulich hören durfte, gesagt -, dann stellen wir fest, dass wir in zehn bis 15 Jahren im schienengebundenen Verkehr keine Lokführer im klassischen Sinne mehr haben werden.

Insofern finde ich dieses Quereinsteigerprogramm gut, und es ist auch für Laien nachvollziehbar, dass wir hierbei noch die technischen Voraussetzungen deutlich nachbessern müssen.

Beim Zukunftsthema generell, also hinsichtlich der Frage, wie wir diese Umstellung meistern können, haben wir uns als Fraktion an einem Gutachten mehrerer grüner Landtagsfraktionen beteiligt, weil wir meinen, dass das ein Thema ist, bei dem wir in Deutschland noch sehr viel nachzuholen haben. Diese Zukunftstechnologie muss auch in Deutschland noch stärker an den Markt gebracht werden.

In dem Zusammenhang habe ich auch kein Verständnis dafür, dass die Bundesregierung bis heute kein verlässliches WLAN an Zugstrecken anbietet. Der sogenannte 5G-Standard soll im Bundesfernstraßennetz praktisch flächendeckend eingeführt werden, während sich das Bahnnetz weiterhin mit der 4G-Technologie begnügen muss. Den in Berlin Regierenden ist ein guter Mobilfunk- und Internetempfang entlang der Straßen deutlich wichtiger als an den Schienenwegen, obwohl die Bahn prädestiniert dafür ist, unterwegs zu arbeiten oder etwa Filme zu schauen. Aber das ist auch nichts, was nur „nice to have“ ist, wie man jetzt vielleicht denken könnte, sondern dieser 5G-Standard ist die Voraussetzung, um automatisiert fahren zu können.

(Unruhe)

- Schön, dass Kollegen sich darüber so freuen können.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Bernhard Daldrup, CDU)

DIE LINKE verweist in ihrem Titel auf eine weitere grundsätzliche Frage. Wollen wir Mobilitätsangebote und generell die öffentliche Daseinsvorsorge

privatisieren, also an Unternehmen vergeben, die zuallererst Unternehmen sind und daher gewinnorientiert arbeiten? - Grundsätzlich ist für mich die Leitschnur, öffentliche Daseinsvorsorge gehört in die öffentliche Hand.

Beim Thema Schienenverkehr ist es aber differenzierter zu betrachten. Unverhandelbar für uns GRÜNE ist es, dass das Schienennetz in öffentliche Hand gehört. So, wie wir GRÜNEN keine Privatautobahnen wollen und PPP-Projekten deutlich skeptisch gegenüberstehen,

(Zustimmung von Eva von Angern, DIE LINKE)

so wollen wir auch kein privates Schienennetz. Wir gehen da sogar über den aktuellen Status quo hinaus. Ich weiß es nicht, aber das werden vielleicht nicht alle Kollegen hier im Raum wissen. Wir denken in Richtung einer Infrastrukturgesellschaft für das Netz und die Bahnhöfe; denn das Netz ist die Grundlage des Schienenverkehrs. Seine Entwicklung und Instandhaltung darf nicht in der Hand eines Unternehmens liegen, sondern muss auf Allgemeinwohlinteressen ausgerichtet sein und von neutraler staatlicher Stelle verantwortet werden, damit die Infrastruktur ohne Gewinnerzielungsabsicht instand gehalten wird

(Beifall bei den GRÜNEN)

und auch der Ausbau auf Zuwachs ausgerichtet ist. Es soll nicht so sein wie in den letzten 20 Jahren, in denen sich der Umfang des Schienennetzes um 17 % verringert hat. Es sollte also auch nicht in einem staatlichen Unternehmen mit Aktienorientierung angesiedelt sein.

Bei der Frage des Betriebs sieht es hingegen anders aus. Gerade im Bereich der Sachlogistik, des Güterverkehrs, sind privatwirtschaftliche Akteure als gleichberechtigte Marktakteure zu betrachten.

Im Bereich der Personenbeförderung bewerten wir es vergleichbar. Von einem klug gemanagten Wettbewerb profitieren die Fahrgäste. Im Bereich des Regionalverkehrs können wir im Zuge der Bahnreform von 1994 prinzipiell einen gelungenen Wettbewerb mit Steigerungen in Service und Angebot konstatieren. Einen gesunden Wettbewerb kann es daher unseres Erachtens auch ruhig im Fernverkehr geben.

Grundsätzlich wichtig für eine weitere Entwicklung ist dabei, Netz und Betrieb klar zu trennen: auf der einen Seite eine öffentliche Infrastrukturgesellschaft für das Netz, auf der anderen Seite die Bahn AG und private Betreiber, die um den Betrieb konkurrieren. Nur so kommen wir zu einem diskriminierungsfreien und fairen Wettbewerb. Da

für braucht es dann aber auch ein kluges Ausschreibungsverfahren, das nicht nur auf den niedrigsten Preis schaut; auch da werden wir mit der Nasa noch einmal ins Gespräch gehen müssen.

Wir verteufeln also beileibe nicht Wettbewerb und Marktmechanismen. Aber sie sind klug einzusetzen, und es braucht eine klare Benennung der Bereiche, die im Allgemeinwohlinteresse liegen und, wie es so oft richtig heißt, keine reine Ware sind: Gesundheit, Bildung und eben auch Schienen- und Straßennetz.

Die großen Strukturdebatten zur Zukunft der Deutschen Bahn laufen ja zum Glück aktuell. Der DB-Konzern ist vor allem aufgrund seiner bisherigen Ausrichtung als internationaler Logistikkonzern in der Kritik. So agiert er. Meines Erachtens ist sehr klar geworden, dass das eigentliche Kerngeschäft, nämlich Personen- und Güterverkehr, eben auch zwischen kleinen Gemeinden und Städten, vernachlässigt wird.