Protokoll der Sitzung vom 01.02.2019

(Zustimmung bei der CDU)

Selten, wirklich sehr selten stimme ich mit der Fraktion DIE LINKE überein; heute ist das der Fall, aber nur auf ihren Antrag bezogen, nicht auf die kommunistische Weltrevolution auf Kosten des ÖPNV von eben. In Ihrem Antrag zur aktuellen Debatte schreiben Sie, dass es sich beim öffentlichen Nahverkehr um eine wichtige Daseinsvorsorge handelt, die von der Landesregierung verantwortungsvoll gewährleistet werden muss und - es ist Ihnen sicherlich nicht entgangen - gewährleistet wird.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von den LINKEN)

- Ja, Gott sei Dank haben wir da sehr unterschiedliche Ansichten.

Das stimmt, daran gibt es keinen Zweifel, und das wird von unserer Landesregierung stetig mit der Nasa getan. Damit jedoch hört die Übereinstimmung auch schon wieder auf.

Die Situation bei Abellio seit der Dieselnetzübernahme am 9. Dezember 2018 konnten wir alle der Presse entnehmen. Für die Fahrgäste war die Situation unbefriedigend; daran gibt es keinen Zweifel. Insbesondere in der Vorweihnachtszeit war der Frust bei den zahlreichen nicht angekündigten Zugausfällen auf wichtigen Pendlerstrecken entsprechend groß.

Die Geschäftsführerin, die sehr geehrte Frau P., hat für den Konzern Abellio in der vergangenen Sitzung des Ausschusses für Landesentwicklung

und Verkehr die Fehler eingeräumt, und zwar in einer sehr eindrücklichen Art und Weise, meine Damen und Herren.

Es war Abellio, die das Netz Mitteldeutsche S-Bahn II in der Ausschreibung gewonnen hat. In einer Betrachtung der genauen Situation hat Abellio die Größe bewiesen, zugunsten der DB Regio Südost zurückzutreten. Das war eine sehr faire Entscheidung und das vergesse ich der Abellio auch wirklich nicht.

Dass anschließend die DB Regio selbst große Probleme hatte, das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz II mit Leben zu erfüllen, hat dann eigentlich gezeigt, in welchem Dilemma sich alle gemeinsam befinden.

Zurück zu Abellio. Dazu gehörten eben auch Fehler, die bereits vor Abschluss des Vertrages mit der Nasa getätigt wurden. Diese Entschuldigung war sehr ehrlich. Ich habe dabei den Eindruck gewonnen, dass das Unternehmen alles dafür tut, damit eine solche Situation nicht wieder vorkommen wird.

Und worüber reden wir eigentlich? - Insgesamt sind bis Mitte Januar 2019 von 14 110 Fahrten 871 ausgefallen. Für den Betrieb des Netzes fehlen dem Unternehmen 40 Lokführer. Alle haben das hier im Chor gesungen. Diese Lücke könne wohl erst Ende 2019 vollständig geschlossen werden.

(Unruhe)

Jedoch das Problem des Fachkräftemangels ist keines, das sich alleine auf die Abellio-Problematik beschränkt. Ähnliche Probleme - -

Herr Abgeordneter, ich möchte Sie bitten, einen kleinen Moment aussetzen, damit wir uns vielleicht alle wieder runterfahren, denn es ist sehr unruhig hier. Wenn ich an die Kollegin denke, die hier auch noch mitstenografieren muss, wird es sehr schwierig. Deswegen bitte ich Sie einfach, den Geräuschpegel runterzufahren.

Herr Abg. Scheurell, Sie haben jetzt das Wort.

Aber jetzt sind wieder 30 Sekunden weg.

Nein, das wird bei mir registriert. Keine Bange.

Ähnliche Probleme finden sich ebenso im Norden, Westen und Süden unseres Landes. Ich spreche jetzt von ganz Deutschland.

Das Debattenthema unterstellt in gewisser Weise, dass es diese Personalprobleme woanders nicht geben würde; gerade auch wenn ein staatlich gelenktes Unternehmen hier am Ruder säße. Das ist aber vollkommen an der Realität vorbei, meine Damen und Herren.

Denn auch der Staatskonzern Deutsche Bahn hat mit Personalproblemen zu kämpfen. Der Deutschen Bahn fehlen momentan der Presse zufolge - „Spiegel Online“ vom November des vorigen Jahres - 5 800 Mitarbeiter im sogenannten betriebskritischen Bereich, der direkt für den Zugverkehr zuständig ist. Dazu zählen neben Lokführern Instandhaltungskräfte und IT-Spezialisten.

Und vor allem ist es der Fachkräftemangel, der dieses Problem wirklich nicht nur auf Eisenbahnunternehmen beschränkt. Ob Lehrer, Pflegekräfte, Handwerker - Fachkräfte werden derzeit in allen Bereichen händeringend gesucht. Das, sehr geehrte Fraktion DIE LINKE, sollte auch Ihnen bereits aufgefallen sein.

Vor diesem Hintergrund sind Forderungen nach Vertragskündigung oder nach einer Rückkehr zur Verstaatlichung einfach nur Populismus.

Meine Damen und Herren! Auch die Deutsche Bahn könnte nicht ohne Weiteres das Dieselnetz in Sachsen-Anhalt übernehmen. Derartige Schreiben liegen uns vor. Und alle, die im Ausschuss waren, haben das auch von der Nasa deutlich gesagt bekommen.

Die Folgen einer Vertragskündigung - da spiele ich jetzt mal ganz kurz auf unseren Universalgelehrten, meinen lieben Kollegen Erben, an - sind kein Mittel. Wir sollten alle gemeinsam den Kommunalwahlkampf, in dem sich einzelne Akteure im Saal befinden, herauslassen. Auf Kosten der Verkehrsunternehmen und auf Kosten des öffentlichen Nahverkehrs können wir nicht wirklich in der Gunst der Wähler punkten. Davor möchte ich wirklich abraten.

Und der sehr geehrter Herr Erben, nicht nur als Universalgelehrter, hat das begriffen. Dafür danke ich Ihnen.

(Zustimmung von Uwe Harms, CDU)

Die Folgen wären für die Fahrgäste und für unser Land absehbar. Das will keiner hier in diesem Parlament, auch Herr Erben nicht.

Was sich Abellio vorwerfen lassen muss, ist die falsche Einschätzung der Situation vor der Übernahme. Dafür hat die Nasa dem Verkehrsunternehmen auch eine formale Rüge ausgesprochen. Ein richtiges Zeichen zur richtigen Zeit.

Inhaltliche Gründe, selbst für eine Abmahnung, gebe es laut Nasa schlicht und einfach nicht. Es

gibt nämlich keinen Zweifel daran, dass Abellio fachlich in der Lage ist, das Dieselnetz zu betreiben. Das haben sie in anderen Netzbereichen bereits bewiesen.

Denn bereits seit 2015 betreibt das Unternehmen das Saale-Thüringen-Südharz-Netz. Deshalb ist auch zweifelhaft, die Vergabepraxis jetzt infrage stellen zu wollen. Abellio hat sich bei einer europaweiten Ausschreibung durchgesetzt. Dabei waren nicht nur der Preis, sondern auch qualitative Faktoren ausschlaggebend. Zudem sind die Verträge mit Minderungs- und Vertragsstrafenregelungen versehen.

Kein Unternehmen hat ein Interesse daran, zustehende Gelder zurückzahlen zu müssen. Und eben jenes ist Abellio aufgrund der Situation im Dezember bereits passiert. Dieser Konzern hat bisher noch keinen Euro verdient mit diesem Dieselnetz, welches sie übernommen haben.

Mittlerweile scheint die Situation bei Abellio vorerst wieder im Griff zu sein. Die Nahverkehrsgesellschaft versicherte uns in einem Gespräch, dass der Verkehr seit einem Krisengespräch am 4. Januar seitens Abellio wieder laufen wird. Ja, mit den Einschränkungen des Schienenersatzverkehrs auf der Unstrut-Talbahn und mit den genannten Einschränkungen von Köthen nach Dessau im Tagesrandverkehr.

Die Abellio hat uns bestätigt, dass die Unterstützung der Nasa Gold wert ist. Daran möchte ich an der Stelle einfach noch einmal erinnern. Erinnern möchte ich jetzt an weitere Imponderabilien des Lebens mit anderen Verkehrsunternehmen, zum Beispiel im Norden des Landes, denn auch da hatten wir Zugausfälle. Auch das haben wir wieder geregelt. Denn Sie wissen alle, die Strecke der HANS und die Hanseatische Eisenbahngesellschaft haben ähnliche Probleme beim Start gehabt.

Wir befinden uns hier in einem Markt, der sehr eng ist. Wir haben nirgendwo irgendwelche Züge stehen, irgendwelche Triebwagen, die wir von heute auf morgen akquirieren und einsetzen könnten. Das war auch der Grund dafür, dass es auf der Strecke Stendal - Tangermünde und auf der Strecke Stendal - Rathenow nicht entsprechend lief. 80 Fahrten sind dort ausgefallen.

Also, die CDU-Fraktion rät vor vorschnellen Entschlüssen ab. Eine Kündigung von Verträgen, wie einmal zu hören war, macht die Situation keinesfalls besser. Uns ist aber auch bewusst, dass die Daseinsvorsorge mit ÖPNV-Leistungen langfristig und zuverlässig nur dann gesichert wird, wenn sich die Beteiligten Gedanken machen, das strukturelle Personalproblem zukünftig in den Griff zu bekommen. Denn dieses wird sich mittelfristig wahrscheinlich noch verstärken.

Meine Damen und Herren! Ich will die Zeit nicht überziehen. Es ist alles gesagt, nur aus unterschiedlichen Perspektiven. Wir raten davon ab, irgendwelche vorschnellen Entschlüsse zu tätigen. Abellio ist in der Lage, Abellio ist leistungsfähig, und ich sehe da einer baldigen Lösung dieser temporären Probleme entgegen. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abg. Scheurell. Sie haben die Redezeit nicht überzogen, denn Sie haben ja noch 30 Sekunden dazubekommen. Wir haben aber zwei Nachfragen, einmal vom Abg. Herrn Gallert und dann vom Abg. Herrn Erben. - Herr Gallert, Sie haben das Wort.

Herr Scheurell, die Nachfrage ist von Ihnen provoziert worden, weil Sie meinem Kollegen - ich glaube - eine prokommunistische Rede unterstellt haben. Deswegen will ich nur kurz sagen, Herr Scheurell, dass Missverständnisse, die unnötig sind, nicht hängen bleiben.

Das Problem ist tatsächlich bei Abellio oder DB AG nicht der Eigentümer. Abellio gehört übrigens auch einem Staatskonzern, nur halt den Niederländern. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist aber, dass dieser Wettbewerb darauf orientiert ist, Unternehmen, die als Aktiengesellschaften eine Gewinnorientierung und eben keine Orientierung auf Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge haben, miteinander in den Wettbewerb geschickt werden. Da ist es am Ende völlig egal, ob der Staat Eigentümer oder irgendein privater Hedgefonds ist.

Wenn die Spielregeln so sind, dass ich die in einem Wettbewerb, der gewinnorientiert ist, gegeneinander aufstelle, habe ich die Situation, dass ich eine öffentliche Dienstleistung nicht langfristig absichere, sondern immer nur kurzfristigen Gewinnerwartungen entspreche. Das führt in dieser Situation übrigens bei der DB AG genau zu dem gleichen Ergebnis wie bei Abellio.

Wenn Sie dann sagen, wenn wir das kritisieren, sind wir Kommunisten, dann fordern wir in etwa den Kommunismus von Frankreich und der Schweiz hier ein. Das stände uns ganz gut zu Gesicht. Damit könnten auch Sie leben, Herr Scheurell; glauben Sie es mir.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Scheurell.

Sehr geehrter Herr Gallert, ich finde den Kommunismus in jeder Form als nicht erstrebenswert.

(Beifall bei der CDU)

Da weiß ich mich mit der Mehrheit meiner Fraktion im Einklang und mit der Mehrheit der Bevölkerung unseres Bundeslandes auch.

(Zurufe von Sebastian Striegel, GRÜNE, und von Olaf Meister, GRÜNE)

Nein, den Kommunismus, den Herr Henke hier vorhin angekündigt hat, also das war ja - - Also, Herr Henke, ich habe Sie immer für sehr kultiviert gehalten.