Protokoll der Sitzung vom 28.02.2019

Anteil ostdeutscher Führungskräfte erhöhen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/3592

Beschlussempfehlung Ausschuss für Finanzen - Drs. 7/3922

(Erste Beratung in der 60. Sitzung des Landtages am 22.11.2018)

Berichterstatter ist der Abg. Herr Meister.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Machst du heute alles alleine? - Olaf Meister, GRÜNE: Entschuldigung, ich habe so ein bisschen ein Abo heute hier!)

Herr Meister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Landtag von Sachsen-Anhalt überwies den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 7/3592 mit dem Titel „Anteil ostdeutscher Führungskräfte erhöhen“ in der 60. Sitzung am 22. November 2018 zur Beratung in den Ausschuss für Finanzen.

Die antragstellende Fraktion verfolgt mit ihrem Antrag das Ziel, eine Diskussion darüber anzustoßen, was getan werden könnte, um ostdeutschen Führungskräften langfristig bessere Chancen zu bieten und ihre Unterrepräsentanz auf der Führungsebene aufzulösen.

Sie beantragt, die Landesregierung zu bitten, in allen Fachausschüssen des Landtages zu berichten, mit welchen strukturellen Maßnahmen sie insgesamt und ressortspezifisch der Unterrepräsentanz Ostdeutscher in Führungspositionen der Landesverwaltung begegnen will.

Der Ausschuss für Finanzen befasste sich in der 56. Sitzung am 6. Februar 2019 mit diesem Antrag. Im Verlauf der Sitzung wurde dargelegt, dass die Landesregierung über die beamtenrechtliche Seite und über die Betonung des Vorrangs des Leistungsprinzips ausgiebige Gespräche geführt hat. Es wurde angeführt, dass aus beamtenrechtlicher Zulässigkeitsperspektive vorrangig Artikel 33 des Grundgesetzes gelte, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat und das Prinzip der Bestenauslese in dem Verfahren das größte Gewicht hat.

Der Ausschuss für Finanzen hat mit 9 : 2 : 0 Stimmen empfohlen, den Antrag abzulehnen. Sehr geehrte Damen und Herren, die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Finanzen liegt Ihnen in der Drs. 7/3922 vor. Ich bitte Sie im Namen des Ausschusses für Finanzen um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung.

(Zustimmung)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Meister für die Berichterstattung. - In der Debatte sind drei Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht der Minister Herr Schröder. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Danke schön, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich mache es kurz. Wir haben, was die Einschätzung betrifft, im Ausschuss viel darüber gesprochen, auch dazu, wie wir die Aussagen des Ministerpräsidenten an dieser Stelle bewertet haben. Da gab es große Unterschiede zwischen den Koalitionsfraktionen und den Ausführungen der Antragstellerin.

Wir haben, was das oberste Prinzip der Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern betrifft, natürlich das Leistungsprinzip zur Grundlage genommen. So ist es auch im Grundgesetz verankert. Wir haben von der Antragstellerin gehört, man sollte strukturelle und politische Maßnahmen ergreifen; das müsse aber nicht die Quote sein. Was es denn noch sein könnte, blieb im Ungefähren.

Wir haben uns damit auseinandergesetzt und heute liegt die Beschlussempfehlung vor. Ich bin im Übrigen zuversichtlich - das kann ich auch für mein Haus sagen, wo sich, auch was die Herkunft betrifft, die Zahlen und Prozentsätze durchaus geändert haben -, dass die Anzahl der Ostdeutschen in Führungspositionen in der Verwaltung und der Politik, aber auch in der Wirtschaft weiter ansteigen wird. Aus der Antwort auf die Kleine Anfrage zu diesem Thema ist zumindest hinsichtlich der Landesverwaltung ersichtlich, dass es Tendenzen in die gewünschte Richtung gibt.

Die Fragen der Abgrenzung, was ein „Ossi“ ist, was ein „Wessi“ ist, und wer eigentlich als Ostdeutscher gewertet wird, kann man bis in die eigene Verwaltung hinein sehen. Mein Abteilungsleiter ist gebürtiger Berliner, ist dann als Kleinkind nach Westfalen gezogen. Er ist als bekennender Dortmund-Fan jetzt Abteilungsleiter 2 in meinem Haus. Ja, er müsste nach der Lesart der Antragstellerin als Ostdeutscher gelten, was ihn verwundert hätte. Aber solche Abgrenzungsprobleme hat man natürlich bei diesem Thema.

Wir brauchen gut ausgebildete Menschen. Deswegen teile ich die Ansicht des Ministerpräsidenten, dass wir mehr Sensibilität bei den Auswahlverantwortlichen einfordern. Wir sollten aber auch dazu ermutigen, dass die Anzahl der Ostdeutschen in Führungspositionen in der Verwaltung und darüber hinaus weiter steigt. Insofern

bitte ich um Zustimmung zur Beschlussempfehlung. - Danke schön.

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Minister Herrn Schröder für die Ausführungen. - Für die AfD spricht der Abg. Herr Daniel Rausch. Herr Rausch, Sie haben das Wort.

Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Heiß, das war ja Ihr Antrag. Wir haben es soeben in der Berichterstattung gehört, Ihr Antrag zum Thema „Anteil ostdeutscher Führungskräfte erhöhen“ wurde im Ausschuss abgelehnt, und das gewiss nicht ohne Grund. Sie, werte Frau Heiß, sehen hier im Land eine angebliche gläserne Decke und eine angebliche Diskriminierung der ostdeutschen Führungskräfte. Das ist einfach nicht der Fall.

Als wir uns im Novemberplenum ausgiebig mit dem Thema befasst haben, waren sich fast alle Redner darin einig, dass die Bestenauswahl das maßgebliche Prinzip sein müsse. Auch der Landesrechnungshof meinte, die Bestenauslese hat auch nach dem Grundgesetz Vorrang vor anderslautenden Artikeln.

Ja, eines ist klar: Auch ich bin der Meinung, dass man bei gleicher Befähigung einheimische Kräfte fördern sollte. Aber im Grunde spielt es für mich überhaupt keine Rolle, ob ein Bewerber eine ostdeutsche oder eine westdeutsche Herkunft oder Sozialisation hat. Ich glaube, das ist hier im Haus allgemeiner Konsens.

(Zuruf von Kristin Heiß, DIE LINKE)

Aber sagen Sie einmal ehrlich: Was wollten Sie mit dem Antrag erreichen? - Fast 30 Jahre nach der Wende fangen Sie eine Ossi-Wessi-Debatte an. Sie sprechen von einer vermeintlichen Diskriminierung und Sie bedienen hier einfachste Klischees und versuchen die Gesellschaft zu spalten.

Eigentlich hätten wir uns im November die Überweisung in den Ausschuss sparen können; denn hier im Plenum wurde alles gesagt. Im Ausschuss hatte auch keiner so richtig Lust, auf diese Pseudodiskussion einzugehen und eventuell sogar ewige Anhörungen über sich ergehen zu lassen.

(Beifall bei der AfD - Kristin Heiß, DIE LIN- KE, lacht)

Werte Frau Heiß, ich glaube, die Zeiten sind vorbei, als es noch staatlich gelenkte Karrieren gab, als in der Kaderabteilung der Parteisekretär mitentschied, welche Genossen in Führungspositionen den Arbeiter-und-Bauern-Staat lenken durften.

(Zuruf von Kristin Heiß, DIE LINKE)

Ich denke, meine Damen und Herren, die Ostdeutschen sind selbst in der Lage, ihr Schicksal und ihr berufliches Fortkommen in die Hand zu nehmen. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Fragen sehe ich nicht - Doch, Herr Rausch. Es gibt von Herrn Gallert eine Frage. Oder eine Intervention?

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Es wäre eine Fra- ge gewesen, aber er kann sie offensichtlich nicht beantworten! - Daniel Rausch, AfD: Nein, es ist alles gesagt, Herr Gallert! - Zu- ruf: Das hätte jetzt eigenständiges Denken vorausgesetzt!)

- Es hat es sich erledigt. - Für die SPD spricht der Abg. Herr Dr. Schmidt. Herr Dr. Schmidt, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Nun hatte ich gedacht, ein bisschen unnötig ist ja diese Wiederholung der Debatte schon, aber man lernt ja immer etwas Neues, zum Beispiel dass man noch eine völlig andere absurde Sicht der Dinge beitragen kann, Herr Rausch.

Das ist doch überhaupt keine Frage. Sie können einfach zählen, dass in diesem Land im öffentlichen Dienst, auch im Landesdienst, da vor allem, Ostdeutsche in Führungspositionen unterproportional vertreten sind. Nicht im Dienst im Allgemeinen, da sind sie natürlich die große Masse. Dass das passiert ist und dass das gefühlt für viele Leute ein Problem ist, das ist doch gar keine Frage. Darüber wissen Sie ja offensichtlich gar nichts.

(Kristin Heiß, DIE LINKE: Ja!)

Die Frage, die wir uns hier gestellt haben - auch in der letzten Debatte - ist: Wie kann man dieser Sache Herr werden und wie weit geht das noch? - Dazu hatten wir unterschiedliche Vorschläge. Frau Heiß hatte so ein bisschen ostdeutsche Sozialisierung bis ins dritte Glied vorgeschlagen. Das halte ich jetzt nicht für eine wirklich zielführende Idee.

Wir haben darüber geredet, was man denn nur reell personalrechtlich machen kann und wie viel sozusagen im Spirit des Beförderns und Förderns und auch des Sich-Bewerbens in den vergangenen Jahren falsch gelaufen ist, was dazu geführt hat, dass wir einfach vor dieser Situation stehen.

Ich will meine Zeit nutzen, um darauf hinzuweisen, dass wir doch in Wirklichkeit eigentlich auf

einer anderen Baustelle stehen müssten. Das Prinzip von Eignung, Leistung und Befähigung hat, ganz korrekt durchgeführt, in der Landesverwaltung zu dieser Situation geführt.

Sehr geehrte Damen und Herren von der LINKEN, wissen Sie, ich hielte es für eine wirklich revolutionäre Leistung zu sagen, wir greifen dieses Prinzip mal an. Denn Eignung heißt ja in unserem System, Eignung durch langes Sitzen in einer bestimmten Stufe, weil man nur von der auf die nächste Beförderungsstufe kommen kann. Leistung heißt: Leistung, bewertet durch die direkten Vorgesetzten.

(Kristin Heiß, DIE LINKE: Ja!)

Eine völlig absurde Methode, um zur Klärung von Leistungen zu kommen, die niemand außerhalb des öffentlichen Dienstes anwendet.

(Kristin Heiß, DIE LINKE: Ja!)

Und Befähigung heißt, Jurist sein. Jedenfalls für die meisten Personalabteilungsleiter auch hier in den Ministerien und nachgeordneten Behörden. Auch dazu muss man sagen: Das ist eine Religion, der kann man anhängen - ich tue das nicht. Ich glaube nicht daran, dass eine juristenlastige Verwaltung eine wirklich gute Verwaltung ist. Das ist, nebenbei gesagt, auch ein Privileg des deutschen Staates, diesen Glauben zu haben. In vielen anderen Ländern Europas wird mit sehr viel mehr Sozialwissenschaftlern auch sehr gute Verwaltung abgeliefert, weil die angebliche allumfassende Einsetzbarkeit des Juristenberufs überhaupt nicht den Tatsachen entspricht.

Lassen Sie uns doch an dieser Stelle - da ist nämlich ein großes Potenzial, auch um das Problem mit den ostdeutschen Führungskräften zu begraben - etwas machen. Da haben wir ein richtiges Feld zu beackern. Lassen Sie uns nicht so sehr die Frage rauf und runter deklinieren, wie Sie das getan haben, ob jetzt die Ministerien in der Lage sind, Berichte oder Pläne dafür abzuliefern, wie sie den einen oder anderen Ostdeutschen mehr in eine Führungsposition befördern. - Vielen Dank.

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Dr. Schmidt für die Ausführungen. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Heiß. Frau Heiß, Sie haben das Wort.

Danke. - Ich möchte die Debatte einmal etwas anders zusammenfassen. Herr Meister sagte: Um Gottes willen, eine Ostquote, ich bitte Sie! Herr Szarata: Ostdeutschland gibt es nicht mehr. Und Herr Farle sagte: Dieser Antrag ist diskriminie

rend, weil es um die Herkunft von Menschen geht. Alles klar.