Protokoll der Sitzung vom 01.03.2019

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

- Herr Striegel, klopfen Sie nicht zu früh.

(Heiterkeit bei der CDU)

Sie sind offensichtlich eine Minderheit in Ihrer Partei. Wie ist denn die Debatte bei Ihnen inzwischen verlaufen? Wie wird es Ende März bei den SPD-Europaabgeordneten ausgehen?

Herr Dr. Grube, bitte.

Nach meinem Kenntnisstand - ich habe nicht alle abgefragt - wird es einen Teil geben, der dem nicht zustimmt. Ich kann Ihnen aber nicht sagen, wie viele nicht zustimmen werden, oder ob es alle sind. Das müsste ich raten; das möchte ich nicht. Aber es gibt diverse Kolleginnen und Kollegen, die nicht zuzustimmen werden. Das würde ich vorbehaltlich unterstützen wollen.

Vielen Dank, Herr Dr. Grube. Es gibt keine weiteren Fragen. - Der nächste Debattenredner wird für die AfD-Fraktion wird der Abg. Herr Tobias Rausch sein. Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit im Internet verteidigen - EU Urheberrechtsreform überarbeiten und Uploadfilter ablehnen - so lautet der Titel der Aktuellen Debatte. Ich danke ausdrücklich der Antragstellerin für die Möglichkeit der Debatte; denn nichts ist uns wichtiger als das Recht der freien Meinung, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Wie Sie sicherlich alle wissen, wird das Europäische Parlament im März über die sogenannte Urheberrechtsrichtlinie abstimmen. Viele Bürger in diesem Land sind wegen dieser Richtlinie in Aufruhr und besorgt und fast alle beziehen sich auf den Artikel 13.

Ich möchte eine Sache vorwegnehmen: Grundsätzlich bin ich für den Schutz von Urheberrechten und nicht dagegen. Urheberrechte sind zu schützen und eine gute Sache. Natürlich sollen Künstler besser geschützt werden. Aber Sie müssen sich das mit der Urheberrechtslinie ein bisschen so vorstellen wie mit Ihrem Leibgericht, welches Sie gern essen. Gibt man zu viel Salz in das Essen, schmeckt es plötzlich nicht mehr und aus rein metaphorischer Sicht versalzt uns der Artikel 13 die Copyrightsuppe. Herr Gallert führte bereits dazu aus, Herr Grube ebenso. Deswegen kann ich mir meine Ausführungen dazu sparen.

Warum schätze ich den Artikel 13 so kritisch ein? - Ganz einfach: Weil die technische Umsetzung der neuen Richtlinie den Einsatz sogenannter Uploadfilter zur Folge haben wird. Bis jetzt ist es so, dass der oder die Uploader persönlich dafür haften müssen, wenn sie illegales Material auf einer Internetplattform hochladen. Das finde ich auch richtig. Denn jeder Mensch sollte für sein eigenes Fehlverhalten geradestehen, meine Damen und Herren; das ist Verantwortungsbewusstsein.

Wenn große Internetplattformen zukünftig für Verstöße von Uploadern haften sollen, bekommen wir in der Praxis ein Problem; denn dann würden die Plattformen jede einzelne Datei eines Uploads mit urheberrechtlich geschütztem Material abgleichen, um nicht haften zu müssen. Das ist durch menschliche Arbeit nicht mehr zu bewerkstelligen. Also kommen - das ist die einzige Konsequenz - diese Uploadfilter zum Einsatz. Wie soll ein Algorithmus, also ein Computerprogramm, Dinge wie Satire, Texte mit Zitaten, Parodien oder auch Ironie erkennen? Ich bezweifle, dass das möglich sein wird, meine Damen und Herren. Deswegen lehnen wir das entschieden ab.

Ein Beispiel dafür möchte ich kurz nennen. Sie alle können sich wahrscheinlich noch an die Geschichte mit Herrn Böhmermann erinnern, der sich im Internet über den türkischen Präsidenten Erdogan satiremäßig lustig gemacht hat. Wie viele Juristen haben sich mit diesem Fall auseinandergesetzt und welche Wellen hat dieser einzige Vorgang geschlagen?

Nun stellen Sie sich einmal vor, wie das in Zukunft laufen soll, wenn nun alle Zitate herausgefiltert werden würden. Wir reden dann nicht nur über die Thematik, was Satire darf und was nicht. Sondern wir reden dann darüber, dass ein Algorithmus Zitate oder auch Satire rechtssicher in legal und illegal unterscheiden muss, und das kann er nun einmal nicht.

Jetzt könnte man argumentieren, dass Startups von der Haftungspflicht bei Urheberrechtsverstößen ausgenommen sind, okay. Aber was machen denn diese Startups, nachdem die Befreiung

von dieser Haftungspflicht drei Jahre nach ihrer Gründung ausläuft? Dann müssen sie haften und Uploadfilter bereitstellen. Und wo kaufen Sie diese ein? - Bei großen US-Plattformen.

Ich sehe bei der ganzen Geschichte noch ein weiteres Problem, und zwar im Hinblick auf die europäischen Grundrechte. Es darf meiner Meinung nach nicht sein, dass legale Inhalte und Positionen durch einen Filter vorsorglich zensiert werden; denn die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, also die EU-Grundrechtecharta, garantiert nämlich in Artikel 11 ganz klar die Meinungsäußerung und Informationsfreiheit. Hören Sie einmal zu, was Artikel 11 Abs. 1 der Grundrechtecharta besagt - ich zitiere -:

„Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.“

In Absatz 2 heißt es - ich zitiere erneut -:

„Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.“

Nun bin ich kein Jurist. Dennoch stelle ich mir die Frage, ob die Freiheit der Medien und die Pluralität durch sogenannte Uploadfilter noch entsprechend geachtet werden können, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir denken, nein.

Auch der Bundesgerichtshof hat sich im letzten Jahr mit der Thematik der Haftung auseinandergesetzt. Der Bundesgerichtshof hat zudem dem Europäischen Gerichtshof die Frage gestellt, ob der Betreiber einer Internetplattform als sogenannter Verletzer gilt, wenn ein Dritter geschütztes Material widerrechtlich auf die Internetplattform hochlädt. Der Fall ist beim Europäischen Gerichtshof unter dem Vorgang Nr. C 682/18 registriert und betrifft die Konzerne Google und YouTube.

Wenn wir Artikel 13 also aus der Richtlinie herausnehmen könnten, hätten wir erst einmal einen fairen Kompromiss gefunden und man könnte gleichzeitig das Urteil des Europäischen Gerichtshofes abwarten.

In dem bestehenden Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD werden Uploadfilter sogar abgelehnt. Herr Grube hat das bereits ausgeführt. An diesem Beispiel sehen wir wieder ganz deutlich, wie Bundesrecht durch europäisches Recht ausgehöhlt werden soll. Was soll man dazu sagen, außer: Es ist von Ihnen gewollt, von Ihnen herbeigeführt und wahrscheinlich auch von Ihnen mitgetragen worden? Das Abstimmungsverhalten Ihrer Kollegen in Brüssel, sehr geehrte Kollegen der CDU und der SPD, werden wir genau beobachten.

Die AfD-Fraktion lehnt Filter sowie alles andere, was die Freiheitsrechte unserer Bürger einschränkt, entschieden ab. Wir sagen ganz klar Nein zur Internetzensur. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abg. Rausch. Es gibt keine Fragen. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Kurze. Sie haben das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren in dieser Aktuellen Debatte heute über ein sehr schwieriges Thema. Ich muss meinem Vorredner Herrn Gallert recht geben - so richtig auf dem Schirm hat man das wirklich nicht tagtäglich gehabt, bis die Thematik des Artikels 13 vor zwei Wochen so richtig aufschwappte. Wir saßen schön bei uns zu Hause in der Wohnstube, auf einmal kamen die Kinder hereingestürmt und sagten: Vati, du bist doch auch nicht für Artikel 13.

Da habe ich gedacht: Was ist denn nun los - Artikel 13, worum geht es denn? Dann hat man sich mit der Sache erst einmal intensiv beschäftigt. Denn an sich hatte man doch eine gewisse Ferne, als es um die Reform des Urheberrechts auf europäischer Ebene ging.

Schaut man sich die Sache nun näher an - da muss ich Herrn Gallert wieder recht geben,

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Was ist denn los? - Heiterkeit bei der CDU und bei den GRÜ- NEN)

das mache ich eigentlich gar nicht so gern, aber wenn es so ist, dann ist es so -, dann stellt man fest, es gibt scheinbar öfter Debatten, bei denen wir die inhaltliche Umsetzung so ein bisschen unter dem Radar erleben. Ich kann mich daran erinnern - es ist noch nicht so lange her -, als wir im Plenum über den UN-Migrationspakt diskutiert haben.

(Oliver Kirchner, AfD: Der war nicht mal im Ausschuss!)

Dieser Pakt ist auch nicht so öffentlich diskutiert worden, wie wir es uns bei dem heutigen Thema gewünscht hätten. Denn auch beim Migrationspakt ging es um Millionen, nicht nur um Millionen Menschen, sondern auch um Millionen Euro, die er uns letztlich kostet.

(Tobias Rausch, AfD: Milliarden!)

So wurde es bereits beschrieben. Daher, so denke ich, ist es wichtig, dass man versucht, eine Balance zwischen Urheberrecht und Vergütung

geistigen Eigentums herzustellen. Das ist richtig. Politik darf, meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade und vor allem die jungen Menschen dabei nicht vergessen, deren Lebenswelt stark vom Digitalen geprägt ist.

Auch die YouTube-Blogger, IT-Experten und Unternehmer sollten nicht vergessen werden; denn gerade sie sagen eine gewisse Zensur der Freiheit im Internet durch den Einsatz der Uploadfilter voraus. Das haben die Vorredner zum größten Teil auch so beschrieben.

Vor dem Hintergrund der geplanten Reform des EU-Urheberrechts ist wahrscheinlich nicht das Thema an sich in Kritik geraten, sondern die Umsetzung, also die Frage, wie man es letztlich umsetzt. Das konnten wir in den vergangenen Wochen auch in der Presse verstärkt nachlesen. Die Kritik kommt ja vor allem aus der IT-Welt. Aber auch außerhalb der IT-Welt gibt es unter den Parteien und zwischen den Medien- und Digitalpolitikern einen Streit darüber, wie die Umsetzung am besten erfolgen soll.

Der digitale Urheberrechtsschutz beendet das Chaos im Internet, bei dem die Rechteinhaber in der Vergangenheit oft hintergangen wurden. Große Onlineplattformen, wie YouTube, Google oder Facebook, haben bisher keine rechtliche Verantwortung für die Nutzung und das Hochladen urheberrechtlich geschützter Inhalte auf ihrer Webseite übernehmen müssen. Damit ist nun Schluss. Die Plattformen haften künftig für die Urheberrechtsverletzungen, die auf ihren Seiten stattfinden.

Mit Artikel 11 der Richtlinie wird es ein Leistungsschutzrecht wie in Deutschland geben. Davon profitieren Verlage und Nachrichtenagenturen, Autoren und Künstler. Ich denke, das ist zu begrüßen. Von der Reform des Urheberrechts ausgenommen sind Unternehmen, die seit weniger als drei Jahren bestehen, deren Nutzerzahl unter 5 Millionen pro Jahr liegt und deren Jahresumsatz weniger als 10 Millionen € beträgt.

Damit - das können wir nur befürworten - werden digitale Startups unterstützt.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Aber nur für drei Jahre! Der Kollege hat es doch ausge- führt!)

- Ja, aber auch drei Jahre, denke ich, sind erst einmal ein vernünftiger Zeitraum.

Beim Streit um die Reform geht es letztlich um die Umsetzung, wie schon beschrieben. Eine Beschränkung hochgeladener Inhalte darf nachher nicht dazu führen, dass Plattformbetreiber aus Sicherheitsgründen bereits lizensiertes Material blockieren. Das wäre dann tatsächlich eine Beschränkung der Meinungsfreiheit. Wir haben auch

schon gehört, wer Beschränkungen in welcher Richtung voraussehen will. Wir als Union zumindest auf unserer Landesebene wollen keine Beschränkung und keine Blockierung von all dem, was bereits enthalten ist.

Gegner der Reform haben mittlerweile eine Petition ins Leben gerufen, mit der 5 Millionen Unterschriften an die Bundesjustizministerin Katarina Barley überreicht wurden, in der sie unter anderem die Verwendung dieser Uploadfilter anprangern. 5 Millionen Unterschriften, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir nicht einfach ignorieren. Zudem sind am 23. März zahlreiche Demonstrationen in Europa geplant; auch das darf nicht ignoriert werden.

Die Kritik richtet sich dabei vor allem auf diesen besagten Artikel 13. Zwar ist in der Richtlinie kein Wort von Uploadfiltern zu finden, jedoch lässt sich das Filtern durch die Plattformbetreiber wegen der Datenmengen nur mit diesen erreichen, die vielfach als Mittel für Zensur kritisiert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe es zu Beginn meiner Rede gesagt: Wir wollen auch weiterhin eine Freiheit im Internet. Eine Zensur ist ein Relikt aus anderen Gesellschaftsformen, ein Relikt aus der Vergangenheit, und das wollen wir nicht. Wir stehen für die Freiheit des Menschen. Dazu zählen für uns natürlich die Jüngsten, aber auch die Ältesten, die sich im Internet bewegen.

Wir alle wissen, dass sich die Medienwelt rasant ändert. Durch die Möglichkeiten des Internets werden immer mehr Inhalte von Privatpersonen generiert, die wiederum von anderen Personen konsumiert werden. So erreichen YouTubeKanäle, Instagram-Seiten oder der Streamingdienst Twitch Millionen an Zuschauern. Mit der Reform müssen nun die Personen, die den Plattformen Leben einhauchen, gegenüber den Plattformbetreibern nachweisen, dass sie für jedes Bild, jeden Musiktitel, jeden Soundeffekt, den sie verwenden, eine Lizenz haben. Im schlimmsten Fall müssen die Lizenzen beim Plattformbetreiber hochgeladen werden. Nicht nur, dass das mit erheblichem Aufwand verbunden ist, die Kosten für die Lizenzen sind auch extrem hoch.