Protokoll der Sitzung vom 02.04.2019

(Beifall bei der AfD)

Herr Abg. Gallert, Sie haben natürlich das Recht, darauf etwas zu erwidern. Bitte.

Na ja, ich werde jetzt nicht direkt auf den Redebeitrag des Kollegen Farle eingehen. Ich habe vorhin gesagt: Der Redebeitrag von Herrn Tillschneider hat klargemacht, dass es sich nicht lohnt, mit der AfD über diese Themen zu diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Das war an die Kollegen der CDU gerichtet. Wir haben jetzt noch einmal genau dasselbe vorgeführt bekommen.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Wer leugnet, dass der CO2-Ausstoß - - Wer leugnet, dass wir überhaupt irgendeine menschengemachte Klimaveränderung haben, mit

dem brauche ich über diese Dinge nicht zu diskutieren. Denn Sie leugnen es. Es fehlt jegliche Grundlage für eine inhaltliche Debatte.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Übrigens fehlt damit zum Beispiel auch jegliche Grundlage für das Stark-III-Programm, mit dem wir hier unsere Schulen saniert haben. Das ist nämlich eigentlich nur ein Programm zur CO2Reduzierung. Das dürften wir hier alles nicht haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es danach ginge.

(Matthias Büttner, AfD: Das ist totaler Quatsch!)

Deswegen will ich jetzt auf die andere Geschichte eingehen.

(Zuruf von der AfD)

- Na klar, wenn Sie „Sozialstandards“ hören, dann sagen Sie, die Deutschen sollen das bezahlen. Dann haben Sie auch bei der CDU eine ganze Reihe von Fans dieser Argumentation; das ist schon so. Nur, das Problem, das Sie nicht verstehen, ist, dass Sozialdumping in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum dazu führt, dass Sie, wenn Sie in einem Land Dinge unter sozial schlechten Voraussetzungen herstellen können, dann auch das Land unter Druck setzen, in dem es höhere Sozialstandards gibt.

Wissen Sie, wir haben in Frankreich jetzt die Debatte um die Gelbwestenproteste. Das ist übrigens das große Glaubwürdigkeitsproblem von Macron: Er schlägt eine Sozialunion vor und macht zu Hause zurzeit genau das Gegenteil. Es gibt eine ganze Reihe von Ökonomen, die sagen, ihm blieb gar nichts anderes übrig, und zwar aus folgendem Grunde: Das, was er jetzt macht, ist nichts anderes, als die Agenda 2010 nachzuholen.

(Zustimmung von Guido Henke, DIE LIN- KE)

Weil die Arbeitskosten in Deutschland so gedrückt worden sind, ist die Exportrentabilität von Deutschland innerhalb der Europäischen Union so gestiegen - -

(Robert Farle, AfD: Und Sie haben sie noch weiter gedrückt über die Zuwanderung! Sie sind die Lohndrücker in Deutschland! - Se- bastian Striegel, GRÜNE: Das ist doch ab- surd!)

- Herr Farle, nun lassen Sie mich doch einmal ausreden; das habe ich bei Ihnen doch auch gemacht.

Lange Rede, kurzer Sinn. Das sind sozusagen die Kreisläufe und Konsequenzen: Wenn man in

einem Land die Sozialstandards heruntersetzt, dann wird man innerhalb dieses Wirtschaftsraums zur Gefahr für die Sozialstandards in anderen Ländern. Das ist das, was wir gemacht haben. Die Agenda 2010 ist das, was die derzeitigen Gelbwestenproteste in Frankreich mit hervorgerufen hat. Das muss man aber verstehen. Das verlange ich von den Kollegen der AfD nicht, aber Ihnen von der CDU habe ich das noch einmal darzulegen versucht. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. Herr Borgwardt hat sich zu Wort gemeldet. - Herr Borgwardt, bitte.

Ich lasse mich jetzt nicht über rhetorische Fähigkeiten aus,

(Zuruf von der LINKEN: Das ist auch bes- ser so!)

sondern vielmehr darüber, dass man aufpassen muss, lieber Kollege Gallert, wenn man undifferenziert verallgemeinert. Sie haben uns jetzt in Mithaftung genommen. Sie haben die Vorschläge von Macron vorhin als Beispiel dargestellt und haben dann Merkel-Zitate angeführt. Und jetzt, wo es Ihnen in einem Punkt nicht passt - das ist die Sozialstrategie von Macron, diesbezüglich gebe ich Ihnen übrigens recht -, stellen Sie das so dar.

Ich will noch einmal ganz klar sagen, wie unsere Position dazu ist: Unsere Position ist, dass wir aufpassen müssen, nicht das Ganze aus dem Blick zu verlieren. Macron lässt sich zum Beispiel als Klimafreund feiern, obwohl jeder weiß, dass Frankreich zu 100 % Atomstrom hat. Wir bei uns haben eine andere Auffassung. Die Entscheidung ist klar, darüber will ich auch gar nicht reden, aber das muss man mit betrachten.

Der andere Punkt, der mich wirklich ärgert, ist: Wenn alle die Klimaziele, die Deutschland jetzt schon hat - einmal ganz abgesehen von SachsenAnhalt; wir sind Vorreiter innerhalb der 16 Bundesländer in Deutschland - -

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Was sind wir? - Zuruf von der LINKEN: Oho!)

- Wir in Sachsen-Anhalt sind Vorreiter; wer das wirklich bestreitet - -

(Hendrik Lange, DIE LINKE, lacht)

- Aber selbstverständlich! Schauen Sie sich doch einmal die Parameter an.

(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Wenn man dann darstellt, wo das Problem liegt, und das natürlich mit Afrika verknüpft, dann muss man klipp und klar sagen: Wenn alle Anrainerstaaten die Klimapolitik und die Ziele Deutschlands verfolgten und den CO2-Ausstoß aufwiesen, den Deutschland hat, einschließlich der großen, wenn man so will, Ökoschleudern Russland, China und andere - - Das muss man im Kontext betrachten und kann nicht Deutschland allein in Haftung nehmen.

Ich wollte nur sagen: Wenn man über das große Ganze schwadroniert - das kann man machen -, dann muss man aber auch erwähnen, dass Deutschland hierbei ein sehr großer Vorreiter ist und eben nicht der Bremser. Das wollte ich zumindest anmerken.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Borgwardt. Ich sehe das nicht als Frage an, sondern als eine Kurzintervention. - Herr Gallert, Sie haben natürlich auch in dem Fall die Möglichkeit, etwas zu erwidern.

Ich habe das Wort „schwadronieren“ jetzt einmal überhört, Kollege Borgwardt.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das habe ich bewusst gesagt!)

Lange Rede, kurzer Sinn. Erstens: Schaut man sich die CO2-Bilanz des durchschnittlichen Bundesbürgers an, dann wird deutlich, dass sie in etwa um das Zweieinhalbfache besser ist als die des US-Amerikaners, aber sie ist noch immer um das 1,2-fache höher als die des Chinesen. Wenn wir also diese Schuldzuweisungen machen, dann müssen wir sehr genau aufpassen. Natürlich ist der Energieverbrauch bei uns so immens und so viel höher als in den meisten Ländern der Welt, dass wir trotz alledem noch erhebliche CO2Produktionen aufweisen.

Trotzdem will ich auf Ihren Punkt eingehen. Genau das ist es ja: Im Bösen wie im Guten - es ist an der Stelle doch alles eines. Auch die Klimaveränderung - das war mein Petitum -, auch eine vernünftige, gute Klimapolitik kann man nicht im nationalen Alleingang realisieren. Deswegen

brauchen wir für diese Dinge in der Europäischen Union verbindliche Regeln. An einigen Stellen funktioniert das übrigens schon so. Wenn wir keine europäische Begrenzung für Stickoxide hätten, dann hätte der Kollege Scheuer wahrscheinlich längst gesagt: Die 40 lasse ich stehen, nur das „Mikro…“ streiche ich weg.

Es ist nicht so, dass wir überall Vorreiter sind. In der Europäischen Union ist man übrigens, etwa

im Klimabereich, im Ökobereich, durchaus häufig weiter als in Deutschland. Wir müssen das nur weiter verbindlich machen. Jedem, der bei uns sagt, wir könnten in diesem Bereich nationale Alleingänge unternehmen, dem sage ich: Die werden weltweit relativ wenig bewirken, wenn es uns nicht gelingt, das auf die europäische Politik zu übertragen.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Da sind wir uns ja einig!)

Nur, Siggi Borgwardt, eines darf man nicht machen: Man darf nicht sagen: Weil es in Europa sowieso nicht funktioniert, lassen wir es lieber gleich. Das ist der Fehschluss.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das habe ich nicht gesagt!)

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. Herr Abg. Gallert, es gibt noch eine Anfrage oder eine Kurzintervention von dem Abg. Herrn Raue.

Herr Gallert, ich habe eine Frage an Sie. Sie sprachen das Lohndumping an, das Deutschland betreibt und wodurch es sich extreme Wettbewerbsvorteile im Handel mit den anderen europäischen Ländern erkauft hat. Ich habe mir gerade einmal eine Statistik angeschaut; denn ich wollte es selbst nicht glauben, aber ich hatte es etwa so im Kopf: Spanien zum Beispiel hat im Jahr 2019 einen Mindestlohn von etwa 5 €, Griechenland hat einen noch geringeren, von etwa 3 €, in Portugal liegt er auch bei etwa 3 €. Die Mindestlöhne in diesen Staaten liegen also deutlich unter denen in Deutschland. Die Sozialleistungen, die die Regierungen oder im Prinzip die Volkswirtschaften für ihre Bürger erwirtschaften, liegen auch weit unter denen Deutschlands.