Protokoll der Sitzung vom 22.05.2019

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Schulenburg für die Einbringung des Gesetzentwurfes. - Es ist vorgeschlagen worden, den Antrag in den Ausschuss für Inneres und Sport zu überweisen.

Damit kommen wir auch gleich zum Abstimmungsverfahren. Wer für die Überweisung des Antrages in den Ausschuss für Inneres und Sport ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalition und die AfD-Fraktion sowie zwei fraktionslose Abgeordnete. Wer stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Da sehe ich niemanden. Damit ist der Antrag in den genannten Ausschuss überwiesen worden.

Wir kommen nunmehr zu dem

Tagesordnungspunkt 30

Beratung

Aufnahme des Wolfes in das Landesjagdrecht

Antrag Fraktion AfD - Drs. 7/4331

Einbringer ist der Abg. Herr Loth. Herr Loth, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Das Thema Wolf lässt uns nicht los. Es besteht nun Entscheidungsbedarf dazu, wie es weitergehen soll. Zuerst möchte ich allerdings einen kleinen Abriss geben, warum der Antrag, den Wolf jetzt in das Landesjagdrecht aufzunehmen, vorgelegt worden ist.

Im Jahr 2008 gab es die ersten Nachweise dafür, dass der Wolf nach Sachsen-Anhalt kommt. Im Jahr 2009 gab es das erste sich reproduzierende Rudel. Von da an hatten wir eine zuständige CDU-Ministerin, einen zuständigen CDU-Minister und nun aktuell eine grüne Ministerin.

Für Regelungen zum Umgang mit dem Wolf hatte die CDU

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

ein Jahrzehnt lang viel Zeit zum Studieren und für das Sammeln von Erfahrungen in anderen Ländern, vor allem zu den Vorgängen in Sachsen, dem Begreifen der rechtlichen Vorgaben der FFHRichtlinien, auch zum Erstellen von Konzepten zum Umgang mit dem Wolf und zu den notwendigen Konsequenzen der Entwicklung von Herdenschutzmaßnahmen, möglichen landesspezifischen Anpassungen des Rechtsstatus und vieles mehr. Was ist seitdem erfolgt? - Leider nichts.

Dabei, werte Kollegen von der CDU, haben Sie doch alle Möglichkeiten gehabt. Sie sind im Landtag und im Bundestag jeweils als Regierungspartei vertreten. Laut eigenen Angaben sind Sie auch in der EU die Macherfraktion. Aber was kam bisher von all den Stellen? - Leider nichts - bis heute, Mittwoch; aber dazu kommen wir gleich. Es

gab keine Lösungen, keine Regelungen, keine Ideen.

Getreu den damaligen Vorgaben der früheren Bundesumweltmisterin Merkel, „Natura 2000“ zu boykottieren und damit natürlich auch den notwendigen Artenschutz, ließ man der Entwicklung freien Lauf, bis der grüne Koalitionspartner auf der Regierungsbildfläche erschien und jetzt als Rotkäppchen den Sündenwolf spielen darf. Der Streit nicht nur um den Wolf, sondern um diverse Problemarten nahm Fahrt auf, er eskalierte. Jede neue Sichtung, jeder Wolfsriss, ob im Land oder außerhalb, führte an der schwarz-grünen Wolfsfront zu neuen Aktionen, um für oder gegen den Wolf zu mobilisieren.

Dabei ist beiden Parteien offenbar jede Methode Recht, um Effekte zu haschen und Punkte zu erzielen. In der Landesvertretung in Brüssel werden EU-Kommissar und Bundesnaturschutzamt aufgefahren, um die CDU zu disziplinieren und über die Allmacht des europäischen Rechts zu belehren.

Im Jahr 2019 wird ein Wolfssymposium mit internationalen Experten durchgeführt, um dem grünen Ministerium samt Wolfskompetenzzentrum nachzuweisen, dass ihr Monitoring fehlerhaft und folglich der viel zu hohe Wolfsbestand zu regulieren ist.

Zwischenzeitlich ist jedes Mittel recht, um im Wolfsstreit Recht und die Oberhand zu behalten. Es werden Wolfshybride, Mufflon, Nutztierhalter und mittelalterliches Brauchtum samt Gedankengut aufgeboten, um das Thema Wolf am Köcheln zu halten.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Was macht Ihr, außer zu reden? - Nichts!)

Man kann damit auch herrlich vom defizitären Bildungssystem, von der Rettung der Banken, von Altlasten in unserem Land, von Deponien, von der Endlagerdiskussion, von Müllimporten, vom Genderwahn und auch - im Jahr 2014 - von dem Stendaler Wahlbetrug ablenken. Wenn all das nicht zum Ziel führt, dann endet das gute Benehmen auch schon manchmal und man beschuldigt sich der Manipulation von Bestandsdaten und der Täuschung der Bevölkerung.

Der Schlagabtausch erfolgt über Presse, Funk und Fernsehen. Der einzige Sympathieträger in der MDR-Fernsehdiskussion war letztlich der vom Wolf und vom Parteienstreit Betroffene, der Schäfer. Dessen Lage war aber schon vor dem Appetit des Wolfes auf Schafsfleisch bescheiden. Was haben Sie vor der grünen Umweltministerin für die Schäfer getan, liebe CDU?

(Gabriele Brakebusch, CDU: Eine ganze Menge!)

Das wird sich auch nicht verbessern; denn Frau Ministerin verweigert weiterhin die Ratifizierung des Landtagsbeschlusses zur Einführung der Weidetierprämie. Wir haben es Ihnen schon einmal gesagt: Der Wolf ist der Indikator für Ihre ungelösten Probleme

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Am Thema vorbei! - Zuruf von Wolfgang Aldag, GRÜ- NE)

und bleibt damit auf der Tagesordnung.

Werte Frau Ministerin, an der Situation, wie sie sich jetzt darstellt, sind Sie leider nicht unbeteiligt. Alle haben Ihnen immer wieder gesagt, planen Sie bitte mehr Geld ein, entschädigen Sie schnell und vollständig, entschädigen Sie alle Tierhalter. Nein, Sie sind lieber ausdauernd hinter dem Schutzschild der EU in Deckung gegangen, bis der Schild zu klein wurde. Nun wurde es doch gemacht. Der Verdruss ist aber geblieben und die Unzufriedenheit auch.

Die mit dem Wolf verbundenen Kosten steigen nun rapide. Folgerichtig stellt sich ein Großteil der Bevölkerung die Frage nach der Relevanz der Kosten. Die CDU macht daraus eine sozioökonomische Analyse. Kein Wunder, dass sich der Sympathiefaktor des Wolfes bei vielen Bürgern langsam aufbraucht.

Was für ein Glück oder Unglück, dass nun selbst die Bundeskanzlerin den Wolf zur Chefsache gemacht hat, um den Streit zwischen Bundesumweltministerium und Bundeslandwirtschaftsministerium zu kontrollieren.

Wenn man dann die Zeitung vom Montag studiert, dann muss man erstaunt feststellen, dass im Hinblick auf die Entnahme eines Wolfes nun auf einmal doch alles möglich ist; denn es bleibt nicht nur bei einem entnommenen Wolf je Rudel. Es müssen auch keine gesicherten Nachweise und Zuordnungen von Rissen zu Wölfen erfolgen, es müssen keine Annäherungsdistanzen unterschritten und keine Punkte in Form von Verhaltensauffälligkeiten in Mustertabellen gesammelt werden, Herdenschutzeinrichtungen müssen nicht wiederholt überprüft und lästiges Verhalten muss nicht gezeigt werden. Nein, es wird entnommen, sprich: das Rudel reduziert, und zwar - jetzt aufgepasst! - bis zum Ausbleiben der Schäden, also der Nutztierrisse. Es kann also auch bis zum letzten Wolf sein.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Nein! Es ist nicht bis zum letzten!)

Das muss doch für Sie, werte Ministerin, der reinste Schock gewesen sein. Alles, was Sie bisher an Regeln definiert und aufgestellt haben, was bisher nicht machbar war, ist jetzt überhaupt kein Thema mehr. Selbst die Begrifflich

keiten des Bundesnaturschutzgesetzes wurden auf einmal anders definiert und bereits in der EU geregelte Sachstände wie die Verhinderung der Hybridisierung werden neu interpretiert. Auf einmal haben wir Mischlinge zwischen Wolf und Hund.

Frau Ministerin, es sind aber nicht allein Sie betroffen. Auch der Herr Innenminister ist betroffen. Wie viele geländeerfahrene Polizeischarfschützen mit Artenkenntnis können Sie kurzfristig abstellen, um an den Brennpunkten der auftretenden Nutztierschäden die Wolfsrudel zu reduzieren? Oder wie wollen wir die Entnahme jetzt regeln?

Natürlich hat das aber auch Vorteile, Frau Ministerin; denn wir müssen Ihr Ministerium nicht mehr mit Anfragen quälen, nach wie vielen Rissen der GW1080 nun ein Problemwolf ist oder nicht; denn bei der nächsten Attacke wird das Rudel im Hohen Fläming reduziert, egal wer der Täter ist.

Bedauerlich ist, dass das Umweltministerium Ihre Monitoringberichte nicht studiert hat; denn wenn die Rudel Ausflüge unternehmen und im Nachbarterritorium Nutztiere reißen oder wenn Durchzügler dieses tun, dann ist das ortsansässige Rudel betroffen und darf die Taten der anderen quasi ausbaden. Unspezifische Eingriffe in die Rudelstruktur führen, wie man im Emsland erfahren konnte, zu ganzen Problemrudeln.

Nun machen wir in der Geschichte des wieder heimisch gewordenen Wolfes ein weiteres Kapitel auf. Es ist das mit den Folgen des politischen Aktionismus. Dieser führt bekanntlich immer zu Chaos. Daher wird es höchste Zeit, dass die Experten, die ihren Wildbestand kennen, managen und damit umgehen können, das Heft des Handelns in die Hand bekommen, um das durch politisches Versagen entstandene Problem Wolf zurück auf die fachliche Ebene zu führen. Die AfDFraktion meint, diese Experten können ausschließlich die Jäger sein, und diese Entscheidung muss sofort fallen, bevor die Situation vollständig ins Groteske abgleitet.

Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu. Der Wolf muss nun in das Jagdgesetz aufgenommen werden, mit den bekannten Einschränkungen. Das dient nicht vor allem seinem Schutz und führt auch nicht zu seiner erneuten Ausrottung. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich dem Abgeordneten für die Ausführungen. - Für die Debatte ist eine Redezeit von drei Minuten je Fraktion vorgesehen. Zunächst spricht für die Landesregie

rung Ministerin Frau Prof. Dr. Dalbert. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu der Forderung der AfD-Fraktion, den Wolf in das Landesjagdgesetz aufzunehmen, möchte ich Folgendes anmerken. Wölfe haben in Deutschland über internationale Abkommen und Vorschriften einen sehr hohen Schutzstatus. Dazu gehören das Washingtoner Artenschutzabkommen, die Berner Konvention und vor allem natürlich die FFH-Richtlinie, durch die er als prioritäre Art des Anhangs II und als streng geschützte Art nach Anhang IV geschützt ist. Damit ist Deutschland verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Wölfe einen langfristig lebensfähigen Bestand in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet aufbauen können, den sogenannten guten Erhaltungszustand.

Die Umsetzung der europäischen Vorgaben erfolgt in Deutschland über § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes. Bei Verstößen sind Haftstrafen und hohe Geldbußen möglich. Damit besitzen Wölfe in Deutschland den höchstmöglichen Schutzstatus, und dies auch außerhalb von Schutzgebieten.

Mit Ausnahme von Sachsen unterliegen Wölfe in Deutschland nicht dem Jagdrecht. Wie das Beispiel Sachsen zeigt, generiert die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht bei ganzjähriger Schonzeit keinen Mehrwert, da der internationale Schutzstatus nicht aufgehoben wird. Eine ganzjährige Schonzeit bleibt bestehen und problematische Tiere können weiterhin nur auf der Basis des Bundesnaturschutzgesetzes entnommen werden. Eine Entnahme erfordert nach wie vor eine Auswertung des Erhaltungszustands der Population und der biogeografischen Region unter Beachtung aller Vorgaben des Artikels 16e Abs. 1e. Alles andere ist rechtswidrig.

(Zuruf von der AfD: Aha!)

Ebenso ist eine Begrenzung eines Bestandes auf eine Obergrenze nicht richtlinienkonform. Die Ermittlung einer Abschussquote in nur einem Teilgebiet der biogeografischen Region, wie zum Beispiel in einem Bundesland, ist laut Ausführungen des EuGH von vorletzter Woche, nämlich vom 8. Mai 2019, unzulässig. - So weit die Rechtslage.

In der Praxis sprechen die Zahlen für sich. Im Monitoringjahr 2017/2018 konnten in SachsenAnhalt 92 Wölfe anhand von Genetikproben individualisiert werden. Von diesen 92 Wölfen sind 35 Wölfe reproduktionsfähig. Hiervon gehören 28 Tiere zu unserem Land. Alle anderen Tiere sind Welpen oder subadulte Wölfe.

In Sachsen-Anhalt reproduzieren sich neun der vorhandenen elf Rudel mit einer durchschnittlichen Welpenzahl von dreieinhalb Tieren pro Rudel. Die Mortalitätsrate der Welpen liegt bei 70 %. Umgekehrt liegt die Zuwachsrate der Wolfspopulation bei ca. 3 % oder bei einem Tier pro Jahr. So bleiben von den 251 in SachsenAnhalt geborenen Welpen letztendlich nur 28 Sachsen-Anhalt zugerechnete fortpflanzungsfähige Tiere übrig.

In europäischen Ländern, in denen der Wolf bejagt wird, zeigen die Übergriffszahlen und die Summe der entstandenen Schäden, dass Jagd eben kein Mittel zum Herdenschutz ist, wenn man die Tierart nicht komplett ausrotten will. Als bedeutend effektiver und erfolgreicher hat sich in Sachsen-Anhalt die Kombination aus kompetenter Beratung der Landwirte durch Fachleute und Förderung von wirksamen Herdenschutzmaßnahmen erwiesen.

(Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜ- NE, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Das können wir mit Zahlen belegen: Trotz einer langsam wachsenden Wolfspopulation ist damit die Zahl der Risse rückläufig. Wir sind damit auf einem guten Weg, erfüllen die europäischen Vorgaben und etablieren mehr und mehr ein landesweit erfolgreiches Herdenschutzsystem.