Neue medizinische Verfahren sind aber teuer und, jedenfalls anfänglich, nicht besonders rentabel. Dieser Aufgabenverbund von Krankenhausversorgung, also Spitzenmedizin, auf der einen Seite sowie Forschung und Lehre auf der anderen Seite, ist eine große Herausforderung für jeden Jahresabschluss einer jeden Universitätsklinik in Deutschland. Trotzdem investieren andere Bundesländer Milliarden in die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Universitätskliniken, wohl wissend um die Wichtigkeit und Strahlkraft dieser Universitätskliniken und auch wohl wissend um den wirtschaftlichen Faktor einer Universitätsklinik in der jeweiligen Region in Bezug auf Arbeitskräfte und Kaufkraft.
Meine Damen, meine Herren! Politisch haben wir uns in diesem Bundesland vor vielen Jahren zu zwei Standorten entschlossen, für Halle und für Magdeburg. Das war und ist die richtige Entscheidung und an dieser Entscheidung sollten wir auch nicht rütteln.
Denn gemessen an der Gesamtsituation der medizinischen Versorgung in unserem Bundesland, also gemessen an dem Anteil der niedergelassenen Ärzte und der weiteren Krankenhausstrukturen, ist der Bedarf an Spitzenmedizin und nach jungen Medizinerinnen und Medizinern mehr als vorhanden.
Beide Standorte haben einen hohen Anteil an der Patientenversorgung. Beide Standorte haben ca. 40 000 stationäre Patienten im Jahr. Beide Standorte haben über 160 000 ambulante Patientenkontakte im Jahr. Beide Standorte machen einen Jahresumsatz von weit über 360 Millionen € und beschäftigen mehr als 4 000 Mitarbeiter. Dazu bilden beide Standorte eine hohe Zahl an Medizinstudenten aus.
Meine Damen, meine Herren! Wir alle haben - Herr Höppner hat es gerade angeführt - in den vergangenen Tagen die Berichterstattung über die Uniklinik Magdeburg und deren Zustand wahrnehmen müssen. Wenn wir also heute über die Unimedizin in Sachsen-Anhalt sprechen, möchte ich vor allem über den Standort in Magdeburg sprechen, wohl wissend, dass alles, was ich zu Magdeburg sage, natürlich in der gleichen Situation auch für Halle gelten würde.
In der jetzigen Situation, in der die Uniklinik steckt, möchte ich Ihnen, Herr Höppner, ein bisschen widersprechen. Man kann im vierten Jahr einer Legislaturperiode nicht mehr auf die Vorgängerregierung zeigen. Im vierten Jahr einer Legislaturperiode - da gebe ich Ihnen recht - muss man die Probleme erkannt haben. Und man muss bereits Maßnahmen entwickelt haben, um ihnen entgegenzuwirken.
Gelegenheit, meine Damen und Herren, hatten wir genug, auch innerhalb der Koalition. Ich möchte an die schwierigen Verhandlungen zum jetzigen Haushalt erinnern. Nur auf Drängen meiner Fraktion war es möglich,
einen größeren Betrag für Investitionen in kleine Geräte in den Haushalt einzustellen und darüber hinaus auch pro Standort eine Verpflichtungsermächtigung von 10 Millionen € für die Jahre von 2020 bis 2024 in den Haushaltsplan aufzunehmen.
Wie ist also die derzeitige Situation der Uniklinik Magdeburg? - Dazu muss ich mir leider mit einer kleinen Geschichte behelfen; ansonsten fiele es mir nicht so leicht, dabei ruhig zu bleiben. Stellen Sie sich bitte mit mir zusammen vor, die Uniklinik Magdeburg wäre Rennwagen. Dieser Rennwagen ist ein bisschen in die Jahre gekommen, hat einen hohen Verschleiß, der Lack ist ab, die Radlager sind ausgeschlagen, die Lenkung ist ausgeschlagen und die Kolben klappern. Ich weiß nicht, wie es funktioniert, aber irgendwie schaffen die Mitarbeiter der Universitätsklinik Magdeburg es, mit diesem sehr in die Jahre gekommenen und verschlissenen Rennwagen Bestzeiten auf dem Rennparcours hinzulegen.
An dieser Stelle möchte ich mich sehr bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universitätsklinik Magdeburg für ihre Leistung trotz der schwierigen Bedingungen bedanken.
Seit einiger Zeit spitzt sich aber die Lage der Uniklinik Magdeburg zu. Die Öllampe leuchtet, die Airbags funktionieren nicht, die Gurtstraffer sind defekt, sprich: Langsam besteht für die Insassen Gefahr. In dieser Situation kommen der neue Klinikdirektor und die Kaufmännische Leiterin bzw. der neue Chef des Rennwagens und sagen: So kann es nicht weitergehen. Den bringen wir jetzt in die Werkstatt. Es gibt einen Kostenvoranschlag, in dem minutiös aufgeführt ist, was zu tun ist. Alles klar. Wir können loslegen. Wir können das Auto reparieren, wir können es warten.
Genau jetzt kommen die Vertreter der Eigentümer, sprich unser Aufsichtsrat - sprich auch: die Mitarbeiter im Ministerium -, und sagen: Nee, nee, dieser Kostenvoranschlag ist falsch. Den erkennen wir nicht an. Das Auto ist in einem guten Zustand. Und im Übrigen muss es doch möglich sein, mit weniger Benzin schneller und weiter zu fahren.
Jetzt sagen die GRÜNEN vielleicht: Elektromobilität wäre besser. Aber auch die Elektromobilität kostet Geld in Bezug auf die Investitionen, die so etwas verursachen würde.
Meine Damen, meine Herren! Das hört sich vielleicht alles lustig an, aber für die Mitarbeiter und Patienten in der Uniklinik Magdeburg ist es ernst. Jeden Tag ist das die Situation, die sich ihnen eröffnet.
Krankenhäuser sind logistische Meisterwerke. Wenn ich aber effiziente logistische Prozesse in einer teilweise maroden Infrastruktur nicht etablieren kann, dann kann ich nicht wirtschaftlich arbeiten. Wenn ich Brandwachen für die Hautklinik abstellen muss, dann kann ich nicht wirtschaftlich und personaleffizient sein. Wenn dann teilweise noch Kliniken geschlossen werden müssen, damit dem Patientenwohl Rechnung getragen wird, und man somit Umsatzeinbußen hat, dann rennt einem das positive Jahresergebnis nun einmal davon.
Hätte man diesen Zustand kennen müssen? - Meine Damen, meine Herren! Ich weiß nicht, wie man diesen Zustand nicht hätte kennen müssen. Die Historie der Dokumentation ist lang und beginnt im Jahr 2009, sie reicht über die Zielvereinbarung im Jahr 2014, Gutachten des Rechnungshofs in den Jahren 2015 und 2016 und endet in einer Studie aus dem letzten Jahr, die minutiös den desaströsen baulichen Zustands von Teilen der Universität und die Konsequenzen für den Brandschutz darstellt. Es folgt ein offener Brief, in dem viele Klinikdirektoren den Zustand der Uniklinik schildern, gefolgt von einem weiteren Gutachten am Anfang des Jahres, das die hygienischen
Bedingungen aufgrund der baulichen Situation beschreibt. Und alles endet mit einem Gutachten einer renommierten Beratungsgesellschaft aus diesem Monat, welches in aller Ehrlichkeit die Missstände benennt.
Man hätte im Übrigen gar nicht so lange warten müssen. Anfang des Jahres 2018 lag ein sogenannter Masterplan Bau der Universitätsklinik vor, in dem alle baulichen Elemente der Uniklinik, alle desaströsen Elemente der Uniklinik beschrieben wurden. Sie erinnern sich vielleicht: Das ist dieser Masterplan Bau, den es nach Aussage und Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums gar nicht gibt.
Wo liegt also das Problem? - Ich konnte mir eigentlich nicht so richtig erklären, wie man die Missstände ignorieren kann. Alles hat sich erschlossen, als ich an der Presskonferenz des Aufsichtsrates am Dienstag im Wirtschaftsministerium teilgenommen habe. Ich musste dabei leider feststellen, dass dort die Ergebnisse des Gutachtens seitens des Aufsichtsrates nicht akzeptiert und sogar kleingeredet worden sind. Der Aufsichtsrat versuchte sogar, seinen eigenen Vorstand - das muss man deutlich sagen - mit der Anwesenheit eines Klinikdirektors aus der Uniklinik Magdeburg zu denunzieren, der aussagte, dass eigentlich alles mehr oder weniger in bester Ordnung ist. Die Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration unterstellte dem neuen Ärztlichen Direktor Fehlverhalten und Fahrlässigkeit, und das, obwohl die Aktenlage in Bezug auf die Situation der Uniklinik eindeutig ist.
Aus dem Gutachten geht zum Beispiel in Bezug auf die Hämatologie und Onkologie hervor, dass die Situation patienten- und mitarbeitergefährdend ist. Die räumliche Trennung der Infektionsstation und der Hämatologie ist unbedingt notwendig.
Meine Damen, meine Herren! Ich möchte Sie daran erinnern, dass Ärzte auch einen Eid ablegen müssen. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, möchte ich aus diesem Eid zitieren. Es heißt: „Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientinnen und Patienten werden mein oberstes Anliegen sein.“ Und weiter unten heißt es: „Ich werde den höchsten Respekt vor menschlichem Leben wahren.“
Meine Damen, meine Herren! Ich glaube nicht, dass der Ärztliche Direktor der Uniklinik Magdeburg fahrlässig gehandelt hat. Ich glaube, der neue Direktor der Uniklinik Magdeburg hat genau so gehandelt, wie es sein Gelöbnis ihm auferlegt.
Trotzdem, ein Aufsichtsrat, der die fachliche Meinung seines Vorstands, die vorgelegten Gutachten mit dieser Brisanz nicht beachtet, kleinredet
Frau Ministerin Grimme-Benne, wer die Krankenkassen vor einer laufender Kamera ermutigt - wie geschehen am Dienstag bei der Pressekonferenz -, bereits erbrachte Leistungen der Uniklinik nicht zu bezahlen, und zwar in Millionenhöhe, der ist mitverantwortlich für das schlechte wirtschaftliche Ergebnis der Uniklinik Magdeburg.
Herr Minister Willingmann, wer bereits hart erkämpfte und wichtige Investitionen wie das Herzzentrum Magdeburg infrage stellt und somit den Standort Magdeburg infrage stellt, spielt mit der Zukunft von 4 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und deren Familien und gefährdet darüber hinaus die medizinische Versorgung in unserem Land.
Erstens. Wir wollen diese Situation aufklären. Wir wollen wissen, worin die Probleme im Arbeitsprozess zwischen Klinikum Magdeburg und Ministerium liegen. Dazu wird mein verehrter Kollege Harms gleich etwas sagen.
Zweitens. Wir brauchen tatsächlich einen verlässlichen Investitionsbetrag für beide Standorte. Herr Prof. Moesta, der Ärztliche Direktor der Uniklinik Halle, hat dazu eine gute Ableitung gemacht. Er redete im Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung von einer Investitionsgröße von ca. 35 bis 40 Millionen €, die benötigt wird, um das Anlagevermögen konstant zu halten. Diese Summe halte ich für beide Standorte pro Standort für realistisch.
Drittens. Es braucht eine weitere Investitionsstrategie für beide Standorte. Wie sollen also die Campi in Halle und in Magdeburg zum Beispiel im Jahr 2030 aussehen? Auch hierzu sind bereits große Investitionssummen für beide Standorte genannt worden. Wir müssen uns darüber unterhalten, wie das zu finanzieren ist.
Viertens. Die Universitätsmedizin Magdeburg braucht den kooperativen Schulterschluss mit dem Städtischen Klinikum Magdeburg.
Herr Minister Willingmann, ich möchte Ihnen zum Schluss meiner Rede auch danken. Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie zusammen mit unserem Finanzminister André Schröder den Mut hatten, mit Prof. Heinze einen Reformator sozusagen, einen Reformer zum Ärztlichen Direktor
der Universitätsklinik Magdeburg zu machen. Haben Sie bitte jetzt keine Angst vor Ihrer eigenen Courage. Nehmen Sie das vorgestern gemachte Angebot der Uniklinik Magdeburg an und arbeiten Sie zusammen mit beiden Vorständen der Unikliniken Halle und Magdeburg an einer zukunftsträchtigen Universitätsmedizin Sachsen-Anhalt.
Meine Damen und Herren! Alle wissen mittlerweile, wie der Haushalt aussieht. Sachsen-Anhalt hat kein Einnahmeproblem. Unser Steueraufkommen war noch nie so hoch. Aber Sachsen-Anhalt hat ein Ausgabeproblem. Bevor wir bitte durch dieses Land laufen und allen alles versprechen, von Straßenausbaubeiträgen über Kostenlösungen im ÖPNV, Biberranger - so heißt das jetzt; man will Biberranger einstellen zum Schutz der Biber -:
Das kann man alles machen. Auch Streuobstwiesen kann man machen. Das kann man alles machen. Aber als Allererstes kommt in diesem Land bitte schön die Pflicht. Und Universitätsmedizin in Magdeburg und in Halle ist Pflicht. - Danke.
Vielen Dank, Herr Abg. Philipp. Es gibt mehrere Fragen. - Bevor ich aber jemandem das Wort erteile, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler des Humboldt-Gymnasiums aus Hettstedt recht herzlich hier bei uns im Hohen Hause zu begrüßen. Herzlich willkommen!