Protokoll der Sitzung vom 20.06.2019

Raum stehender Eindruck entsteht: Sollte das Heimatland die Haftstrafe, aus welchen Gründen auch immer, nicht vollstrecken, bleibt sie für den Fall der Rückkehr nach Deutschland erhalten.

Ich sage es aber auch ganz deutlich: Die LINKE lehnt eine Überstellung in das Heimatland gegen den Willen der Gefangenen ab.

(André Poggenburg, fraktionslos: Klar!)

Grundsätzlich ist das Einverständnis der verurteilten Person einzuholen. Dabei geht es uns nicht um den Schutz von Tätern, aber Menschenrechte sowie das Recht, einen Asylantrag zu stellen, gelten auch für straffällig gewordene Flüchtlinge. Das ist ein wesentliches Merkmal unseres Rechtsstaates.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein wesentlicher Grundsatz ist und bleibt, dass derjenige, der in unserem Land eine Straftat begeht, auch unserem Strafrecht und unserem Strafprozessrecht unterliegt. Selbstverständlich gilt auch die Genfer Flüchtlingskonvention.

Ich sage ganz deutlich:

Frau von Angern, kommen Sie zum Schluss.

Wir sind nicht bereit dazu, alle straffällig gewordenen Flüchtlinge automatisch in ihre Heimatländer und damit teilweise in Folterhöllen oder Todeszellen bestimmter Länder zu schicken. - Wir lehnen den Antrag und auch eine Überweisung ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau von Angern für den Redebeitrag. - Für DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel. Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht sollte sich die AfD einmal entscheiden, ob sie die Gefängnisse, die angeblich schon überlastet sind, nutzen möchte, um dort zusätzlich noch Abschiebehäftlinge unterzubringen, oder ob sie sie entlasten will. Beides gleichzeitig wird jedenfalls nicht funktionieren. Herr Kohl, vielleicht reden Sie einmal mit Ihrem Kollegen Herrn Lehmann und stimmen sich ein bisschen besser ab.

Auch sonst muss man bei diesem Antrag feststellen: Das ist wohl maximale Unausgegorenheit. Die Justizministerin hat auch schon ein paar Dinge dazu gesagt.

Es wird suggeriert, dass die Justizministerin im Wege einer Richtlinie den Strafvollzug im Land Sachsen-Anhalt signifikant entlasten könnte, indem sie es ermöglicht, dass Straftäter nach der Verbüßung der Hälfte ihrer Haftzeit regelmäßig in ihr Heimatland überstellt werden. Allein, so einfach ist das nicht.

In der Begründung verweisen Sie auf das Abkommen über die Überstellung verurteilter Personen, wonach - ich zitiere - „eine rechtskräftig verurteilte ausländische Person zur Vollstreckung der verhängten Sanktion in denjenigen Staat überstellt wird, dessen Staatsangehöriger sie ist“. Was Sie hier ganz nebenbei zur mehr oder weniger gebundenen Rechtsfolge erklären, ist bei genauerem Hinsehen an eine ganze Reihe von Voraussetzungen gebunden.

Unter anderem sieht der von Ihnen in der Fußnote 3 angegebene Artikel 3 der Übereinkunft vor, dass sich der Urteils- und der Vollstreckungsstaat auf die Überstellung geeinigt haben. Eine Richtlinie einer Landesjustizministerin wird in diese Zuständigkeitsregelung nur schwerlich eingreifen können. Die Außenpolitik gehört nun einmal nicht zu den Befugnissen von Sachsen-Anhalt.

Die weitere von Ihnen herangezogene Rechtsgrundlage ist § 71 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen. In Absatz 4 dieser Norm wird bestimmt, dass die Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Sanktion nur dann auf einen anderen Staat übertragen werden darf, wenn das Gericht die Vollstreckung in dem ausländischen Staat für zulässig erklärt. Diese Kompetenz kann ebenfalls durch eine Landesjustizministerin nicht einfach ausgehebelt werden.

Hinzu kommt, dass beide Regelungswerke nur zur Anwendung kommen, wenn kein Auslieferungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Herkunftsland des Strafgefangenen besteht. Solche Abkommen bestehen mittlerweile mit einer Vielzahl von Staaten. Diese Ebene blendet Ihr Antrag vollständig aus.

Hinzu kommt auch, dass es der Schutz der Menschenwürde gebietet - die Kollegin von Angern hat darauf verwiesen -, in bestimmte Staaten eben nicht auszuliefern, da dort keine akzeptablen Haftbedingungen garantiert werden können. Auch diesen Aspekt blenden Sie aus.

Meine Damen und Herren! Man kann darüber reden, ob in manchen Fällen eine Haftvollstreckung im Heimatland die bessere Alternative ist, und das werden wir bei der Beratung Ihres Antrags im Rechtsausschuss auch tun. Bei diesem Antrag in seiner bisherigen Form handelt es sich offensichtlich nur um plakative Schaufensterei ohne Substanz. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Striegel für seinen Redebeitrag. - Für die CDUFraktion spricht der Abg. Herr Diederichs. Herr Diederichs, Sie haben das Wort.

Danke. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine durch eine hiesiges Gericht rechtskräftig festgestellte Freiheitsstrafe wird vollstreckt. Das ist die Aufgabe des Strafvollzuges. Ziel des Strafvollzuges gemäß § 2 des Strafvollzugsgesetzes sind die gesellschaftliche Wiedereingliederung, kurzum die Resozialisierung, und der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.

Einhellige Meinung ist, dass die Inhaftierung ausländischer Häftlinge mit größeren Problemen belastet ist, allein schon aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse. Unter ihnen befinden sich auch nicht wenige, die ausgewiesen oder abgeschoben werden.

Entsprechend § 53 des Aufenthaltsgesetzes sind zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr rechtskräftig verurteilte Ausländer auszuweisen. Sie haben damit ihr Bleiberecht verwirkt. Den Zweck des Strafvollzugs können sie zu keinem Zeitpunkt erfüllen und führen ihn quasi ad absurdum. Meine Damen und Herren! Wer absehbar in sein Heimatland zurückkehren muss, der bedarf nicht der Wiedereingliederung in unsere Gesellschaft.

(Zustimmung von André Poggenburg, frak- tionslos)

Vor diesem Hintergrund ist es mehr als fraglich, die Haftstrafen der verurteilten Ausländer in unseren Gefängnissen in voller Länge zu vollstrecken - allerdings mit einer kleinen Einschränkung. Ich muss dazu sagen: Wir können nicht jeden ausländischen Straftäter abschieben; denn würden wir das tun, dann wäre das in manchen Fällen ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Wenn ausländische Straftäter abgeschoben werden, um ihre Strafe in ihrem Heimatland zu verbüßen, dann müssen wir teilweise damit rechnen, dass sie dort, in ihrem Heimatland, freigelassen werden.

Ein Beispiel: Sie verüben hier einen terroristischen Anschlag und werden zu mehreren Jahren verurteilt. Schieben wir sie nach der Hälfte der Haftzeit ab, kann es sein, dass sie in ihrem Heimatland wie Helden gefeiert werden und eben nicht den Rest ihrer Freiheitsstrafe verbüßen. Deswegen müssen wir ein bisschen differenzieren.

Meine Fraktion beantragt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Diederichs für den Redebeitrag. - Für die AfDFraktion hat noch einmal der Abg. Herr Kohl das Wort. Herr Kohl, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Vizepräsident. - Zuerst zu den Ausführungen von Frau Justizministerin Keding. Ich lese die Zahlen so, dass sich die bisherige Verfahrensweise zumindest nicht bewährt hat. Wenn man einmal den bundesweiten Vergleich sieht, dann kommen wir auf noch nicht einmal zwei Personen im Jahr, die überstellt werden. Das halte ich für zu wenig.

Wenn wir schon dabei sind, dann würde mich einmal interessieren, was der Generalstaatsanwalt bislang unternommen hat, um den italienischen Strafgefangenen, der in Uchtspringe quasi vor sich hin vegetiert, in sein Heimatland zu überführen. Wenn wir das im Rechtsausschuss noch einmal besprechen sollten, dann würde mich eine rechtliche Einschätzung interessieren, die wir vielleicht vor der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses von Ihrem Haus zugespielt bekommen, damit wir uns alle ein Bild davon machen können.

Dann zu der Aussage von Frau Schindler. Ich weiß nicht, warum Sie so aggro sind. Sie sagen einfach, wir forderten: Ausländer raus! Das ist - Sie kennen mich - eine böswillige Unterstellung und eine gezielte Provokation. Ich glaube, das kommentiert sich selbst. Das steht Ihnen eigentlich nicht. Ich weiß nicht, warum Sie jetzt hier so aufgedreht haben - keine Ahnung.

Frau von Angern, ich teile Ihre Kritik, die Zustände in unseren Justizvollzugsanstalten sind in der Tat unbefriedigend. Aber nehmen Sie doch einfach einmal die Zahlen zur Kenntnis. Im Bereich der Ausländer steigen sie einfach. Wir sollten daraus, wie es in anderen Bundesländern scheinbar üblich ist, entsprechende Konsequenzen ziehen.

Und Herr Striegel - - Wo ist er denn? - Er ist nicht da. Dann nehme ich ersatzweise Herrn Meister.

(Olaf Meister, GRÜNE: Ja!)

- Sie sind ein dankbarer Zuhörer. - Die Anträge von Herrn Lehmann und von mir widersprechen sich nicht. Man kann es so sehen, dass wir quasi eine Kompensationsmaßnahme für die Abschiebehaft anbieten. Zudem meine ich, dass die Abschiebehaft hauptsächlich dazu dient sicherzustel

len, dass die Personen zum Abschiebungstermin vor Ort sind, und nicht dazu, sie wie normale Strafgefangene zu inhaftieren und wegzuschließen. Das ist auch nicht Ziel der Abschiebehaft.

Zum Schluss möchte ich mich noch bedanken. Vielleicht kann das die Justizministerin den betroffenen Personen mitteilen, die an der Beantwortung der Kleinen Anfrage mitgewirkt haben. Das war mit Sicherheit ein riesiger personeller Aufwand. Ich bitte darum, den Kollegen meinen Dank auszusprechen. - Das wäre es.

(Zustimmung von Thomas Höse, AfD)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Kohl für den eben erfolgten Redebeitrag.

Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren. Es wurde der Vorschlag unterbreitet, den Antrag in der Drs. 7/4324 in den Rechtsausschuss zu überweisen. Wer für die Überweisung des Antrages ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die AfD-Fraktion sowie zwei fraktionslose Abgeordnete. Wer

stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Stimmenthaltungen? - Diese sehe ich nicht. Damit ist dieser Antrag in den entsprechenden Ausschuss überwiesen worden.

Wir kommen zu dem

Tagesordnungspunkt 23

Beratung

a) Pflegesituation verbessern - Pfleger pfle

gen! Arbeitsbedingungen in der Pflege optimieren

Antrag Fraktion AfD - Drs. 7/4327

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 7/4542