Vielen Dank, Herr Vizepräsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Am 1. Januar 2019 waren in den Justizvollzugsanstalten des Landes insgesamt 1 935 Haftplätze vorhanden, wovon 1 605 Haftplätze belegt waren. Das entspricht einem Auslastungsgrad in Höhe von ca. 83 %.
Da die Gefängnisse aus verschiedenen Gründen nicht bis auf den letzten Platz belegt werden können, muss eine Belegungsreserve von ca. 10 % vorgehalten werden. Die Landesregierung plant, die Anzahl der Haftplätze auf 1 650 zu reduzieren. Das bedeutet, dass für die heutige Anzahl von Gefängnisinsassen nicht mehr genügend Haftplätze vorhanden sein würden. Das sollte Ihnen, Frau Justizministerin, doch sehr zu denken geben.
Hinzu kommt, dass mit dem mittelfristig aufwachsenden Personal im Bereich der Polizei, der Staatsanwaltschaften und Gerichte zwangsläufig mehr Straftaten erfasst, Ermittlungsverfahren geführt sowie Verurteilungen vorgenommen und offene Haftbefehle vollstreckt werden.
Selbst bei Beibehaltung der jetzigen Kapazitäten steht mittelfristig ein Mangel an Haftplätzen zu befürchten. Im Hinblick auf die sich abzeichnende Entwicklung verbietet es sich eigentlich, Haftplätze abzubauen, wenn man nicht Belegungsengpässe wie in den Gefängnissen der Stadt Hamburg haben möchte.
Vielmehr sollte jetzt intensiv darüber nachgedacht werden, welche Maßnahmen zur Entlastung der Justizvollzugsanstalten ergriffen werden können. Eine Maßnahme wäre unserer Auffassung nach, die Haftvollstreckung bei ausländischen Strafgefangenen in deren Heimatländern zu ermöglichen bzw. zu fördern.
Gefangenen 152 ausländische Häftlinge, was einem Ausländeranteil in Höhe von 8,7 % entspricht. Zum 1. Januar 2019 befanden sich 230 ausländische Personen in Straf- und Untersuchungshaft, was einem Ausländeranteil in Höhe von 14,3 % entspricht.
Das heißt, innerhalb von nicht einmal vier Jahren hat sich die Anzahl der ausländischen Häftlinge um 50 % erhöht bzw. ist der prozentuale Anteil von 8,7 % auf 14,3 % gestiegen. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, in welche Richtung sich die Zahlen bewegen werden. Diesbezüglich reicht ein Blick in die Tagespresse.
Es ist absehbar, dass sich der Ausländeranteil in den Gefängnissen des Landes nach oben bewegen wird. Nebenbei bemerkt liegt der Durchschnitt bundesweit bei ca. 40 %. An dieser Stelle gilt es, frühzeitig dem bestehenden Trend mit geeigneten Maßnahmen entgegenzuwirken, zum Beispiel mit der Strafvollstreckung in den Heimatländern.
Die zunehmend inhomogene Zusammensetzung der Gefängnisinsassen stellt eine besondere Arbeitsbelastung und Herausforderung für die ohnehin personell unterbesetzten Justizvollzugsbediensteten dar. Das liegt einfach in der Natur der Sache, beginnend bei der Sprachbarriere bis hin zur Gewährleistung der Religionsausübung und kultureller Eigenarten. Dies spricht ebenfalls für die Strafvollstreckung bei ausländischen Strafgefangenen in den Heimatländern.
Hinzu kommt, dass für einen straffällig gewordenen Ausländer eine Verurteilung auch aufenthaltsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Ein Ausländer wird nach § 53 des Aufenthaltsgesetzes ausgewiesen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse überwiegt. Das betrifft auch EU-Bürger, deren Freizügigkeit nach dem EUVertrag eingeschränkt werden kann, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Gesundheit gerechtfertigt ist.
In diesen Fällen ist das Ziel der Resozialisierung unter anderem mittels Vollzugslockerungen nicht erreichbar, weshalb kein verurteilter Ausländer eine Haftstrafe in einer deutschen Justizvollzuganstalt verbüßen sollte, wenn er nach Haftvollstreckung in sein Heimatland zurückkehren muss.
Auch aus diesem Grund ist eine Haftvollstreckung von ausländischen Strafgefangenen in ihren Heimatländern unserer Meinung nach, sofern die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, eine bessere Alternative zu einem Strafvollzug in hiesigen Haftanstalten.
Soweit es die rechtlichen Voraussetzungen anbelangt, verweisen wir auf das Übereinkommen zur Überstellung verurteilter Person von 1983, das die Handhabe für eine Vollstreckung im Heimatland
des Verurteilten bietet, und zwar laut Zusatzprotokoll von 2007 auch ohne Zustimmung des Betroffenen.
Für die EU-Staaten gilt darüber hinaus der Rahmenbeschluss des Rates über die Anwendung des Grundsatzes gegenseitiger Anerkennung von Urteilen in Strafsachen. Dieser Rahmenbeschluss erweitert die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, im Rahmen dessen die EU-Länder zustimmen, die Vorschriften oder Beschlüsse der jeweils anderen Länder auf Urteile in Strafsachen anzuerkennen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird.
Bei Anwendung des Rahmenbeschlusses vereinfacht sich die Überstellung, weil die rechtsstaatlichen Mindeststandards im Strafvollzug für den betroffenen Häftling als gegeben angenommen werden und vor der Überstellung auch keine wechselseitige Strafbarkeit geprüft werden muss. Der Bedarf und die Notwendigkeit an der Haftvollstreckung im Heimatland sind aus unserer Sicht gegeben.
Ausweislich einer Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine Kleine Anfrage zur Strafvollstreckung von Ausländern wurden zwischen 2010 und 2016 zwischen 55 % und 70 % aller Überstellungsgesuche von den ausländischen Behörden bundesweit bewilligt, in absoluten Zahlen zwischen 167 im Jahr 2013 und 312 im Jahr 2010. Dagegen nimmt sich die Überstellungsquote in Sachsen-Anhalt mit insgesamt zehn Personen in sechs Jahren doch sehr bescheiden aus; das sind noch nicht einmal zwei Personen pro Jahr.
Zusammenfassend soll unser Antrag dazu dienen, erstens Belegungsengpässen in den Gefängnissen des Landes vorzubeugen, zweitens den Justizvollzugsdienst zu entlasten und drittens die Resozialisierung eines Strafgefangenen zu fördern.
Darum soll die Ministerin für Justiz und Gleichstellung eine Richtlinie erlassen, wonach die Staatsanwaltschaften des Landes regelmäßig nach einheitlichen Vorgaben prüfen, ob die Strafvollstreckung bei einem ausländischen Gefangenen in seinem Heimatland rechtlich möglich und zudem geeignet ist, um eine Resozialisierung zu fördern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Kohl für die Einbringung des Antrages. - In der Debatte ist eine Redezeit von drei Minuten je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Keding. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Richtlinie, die von der AfD in vorsorglicher Vorausschau für die Justizvollzugsanstalten und die Arbeitsfähigkeit und die Belegung mit Gefangenen gefordert wird, bedarf es nicht, da der Generalstaatsanwalt schon jetzt regelmäßig in Dienstbesprechungen und durch Anordnungen seine Staatsanwaltschaften anhält, das Vollstreckungshilfeverfahren in Gang zu setzen, sobald ein ausländischer Strafgefangener seine Strafe antritt und das Vollstreckungshilfeersuchen mindestens noch sechs Monate vor Ablauf der Frist der Strafhaft bei der Behörde des Heimatlandes eintrifft, um dort einen geordneten Ablauf zu sichern.
Das ist in Bezug auf § 456a StPO ganz anders; das haben Sie in Ihrem Antrag selbst erwähnt. Danach kann die Staatsanwaltschaft bei einer Ausweisung und bei einer Auslieferung von der weiteren Vollstreckung der Strafe absehen, wenn mindestens die halbe Strafe verbüßt worden ist.
Das ist aber ein anderer Rechtskreis. Hierbei geht es um Vollstreckungshilfe. Darum wird sofort ersucht, sobald der Strafantritt erfolgt ist und sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen.
Es ist in der Tat - Herr Kohl hat es schon durchblicken lassen; man sieht es auch an dem Antrag - eine recht differenzierte Rechtslage. Wir haben das Gesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen, die Richtlinie über den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten, den Rahmenbeschluss Freiheitsstrafe, der in §§ 85 ff. IRG umgesetzt ist, für EU-Mitgliedstaaten, das Überstellungsabkommen mit Zusatzprotokoll für Europaratsstaaten und schließlich die Vollstreckungsübernahme im Einzelfall nach § 71 IRG.
Wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, dann bemühen wir uns sehr schnell darum, eine Vollstreckung im Heimatland des Gefangenen abzusichern. - Vielen Dank.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Ministerin Keding für die Stellungnahme der Landesregierung. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Schindler. Frau Schindler, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag könnte die Überschrift tragen „Der Wolf im Schafspelz“;
denn Sie erzählen hier etwas von Resozialisierung fördern und deshalb Resozialisierung im Ausland und von Justizvollzug entlasten. Eigentlich möchten Sie es auf die kurze Formel bringen: Ausländer raus.
Auf den rechtlichen Rahmen und auf die Rahmenbedingungen hat die Justizministerin gerade ausführlich hingewiesen. Im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen stellt sich natürlich auch die Frage nach dem Sinn und Zweck des Strafvollzuges. Sie stellen hier die Resozialisierung in den Vordergrund; doch in anderen Fällen bezweifeln Sie immer den Anspruch auf Resozialisierung in der Justiz und heben vor allen Dingen auf den zweiten Zweck des Strafvollzuges ab, nämlich auf die Sühnefunktion. Diese vergessen Sie auf einmal ganz schnell. Es muss deshalb auch immer sichergestellt werden, dass die restliche Haftstrafe tatsächlich vor Ort verbüßt werden kann.
Wir sind an internationales Recht und an deutsches Recht gebunden. Die Ministerin hat den Rechtsrahmen deutlich beschrieben. Es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob eine Überstellung nach den rechtlichen Bedingungen möglich ist, was derzeit auch so geschieht.
All das ist Ihnen auch in der Antwort auf eine Kleine Anfrage - KA 7/4163 - mitgeteilt worden. Wir haben uns auch im Rechts- und Verfassungsausschuss schon mehrmals mit dieser Rechtsproblematik auseinandergesetzt. Sie lassen bei dem Thema aber nicht locker. Wir werden uns über diesen Gesamtkomplex nochmals im Detail unterhalten können, weil wir seitens der Koalitionsfraktionen beantragen, diesen Antrag an den Rechtsausschuss zu überweisen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Frau Schindler für den Redebeitrag. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau von Angern. Frau von Angern, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin nach der Rede der Ministerin ein bisschen irritiert, Frau Schindler, warum wir im Rechtsausschuss darüber reden sollen. Ich teile zwar nicht alles, was sie gesagt hat, aber ich gehe davon aus, dass es korrekt ist. Insofern brauchen wir über den Antrag nicht zu reden. Aber gut.
sungsgericht verbessert Rechtsschutz für Gefangene, die ihre Strafe im Heimatland absitzen wollen. Darüber entscheiden künftig Gerichte und nicht Staatsanwaltschaften. Das war eine Klarstellung der Entscheidungshoheit des Bundesverfassungsgerichtes sowie eine Stärkung der Gefangenen, die in ihrem angestammten sozialen Umfeld weitaus bessere Resozialisierungsbedingungen vorfinden. Und das war - das muss man klar sagen - eine gänzlich andere Zeit mit einem anderen politischen Klima.
Lesen wir den Antrag aus der AfD-Fraktion, wird schnell deutlich, dass es nicht um die Stärkung der Rechte von Gefangenen geht. Es geht auch nicht wirklich um die Entlastung des hiesigen Strafvollzuges, wie uns die Begründung glauben lassen will. Im Gegenteil: Es geht Ihnen ausschließlich darum, mithilfe einer parlamentarischen Initiative eine falsche Fährte zu legen.
Sie sagen erstens, wir haben ein Problem im Vollzug - das stimmt; dazu komme ich später noch -, und zweitens, das Problem ist durch Ausländer verursacht. Das stimmt ausdrücklich nicht.
Ja, wir haben erhebliche - ich sage, hausgemachte - personelle Probleme in unseren Vollzugseinrichtungen. Verantwortlich sind Vorgängerregierungen, die es verabsäumt haben, eine kluge Personalpolitik zu verfolgen. Wir erinnern uns: Die bisherigen Regierungen in Sachsen-Anhalt rannten der sogenannten schwarzen Null als oberstem Staatsziel hinterher, und es gab ein Personalentwicklungskonzept, das seinen Namen nicht verdiente. Zudem trauten sie sich nicht, parallel dazu die erforderlichen Standortschließungen und Neueinstellungen beim Personal vorzunehmen.
Im Ergebnis dessen haben wir einen seit Jahren das gesamte Justizpersonal in erheblichem Maße belastenden Krankenstand bei den Bediensteten, das zudem eher als im Durchschnitt überaltert einzuschätzen ist. Zudem entfernen wir uns nach und nach vom verfassungsrechtlich verlangten Ziel der Einzelhaftraumbelegung. Beides halte ich für eklatant und grob fahrlässig, also für einen Verstoß gegenüber den Bediensteten und den Gefangenen und vor allem gegenüber unserer Gesellschaft. Denn eines darf man niemals vergessen: Im Regelfall folgt dem Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt ein Leben in Freiheit. Die Gesellschaft erwartet nicht ganz zu Unrecht, dass wir als Staat alles dafür tun, dass dieses auch straffrei erfolgt.
Schon jetzt besteht die rechtliche Möglichkeit - die Ministerin hat es ausgeführt -, dass Gefangene zur Verbüßung ihrer Haftstrafe in ihr Heimatland überstellt werden. Nur damit kein falscher, durch die Begründung des Antrages möglicherweise im
Raum stehender Eindruck entsteht: Sollte das Heimatland die Haftstrafe, aus welchen Gründen auch immer, nicht vollstrecken, bleibt sie für den Fall der Rückkehr nach Deutschland erhalten.