Es wurden vorhin Abschiebehaft, Untersuchungshaft und Strafgefangenenhaft durcheinandergeworfen - auch vonseiten der GRÜNEN, Herr Striegel. Das wurde alles durcheinandergeworfen, ohne die entsprechende Kompetenz zu haben.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Nein, ich ha- be es im Gegenteil fein säuberlich differen- ziert, Herr Kollege!)
Wie gesagt, Volkstedt war schon einmal eine Abschiebehaftanstalt mit Hunderten von Haftplätzen. Dort waren sie untergebracht.
Es gab damals keine Berührungspunkte mit den Strafgefangenen. Jetzt soll das Rad neu erfunden werden. Diese JVA kämpft ums Überleben und soll, wie gesagt, zugemacht werden. Andererseits wird für Millionen von Euro wieder ein Gebäude saniert, das schon jahrelang zu ist. Dann klopft man sich auf die Schultern und sagt: Wir haben 30 Abschiebehaftplätze geschaffen. Da kann man sich nur an den Kopf fassen.
Vielen Dank, Herr Lehmann. Ich sehe keine weiteren Fragen. - Somit können wir in das Abstimmungsverfahren eintreten. Ich habe vernommen, dass dieser Antrag in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen werden soll. Ist das so korrekt? - Ja, okay. Wer damit einverstanden ist, dass die Drs. 7/4473 in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen wird, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die AfD-Fraktion und die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Jetzt habe ich die beiden fraktionslosen Mitglieder vergessen. Helfen Sie mir bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In Schönebeck muss zum Ende des Monats aufgrund mangelnder Förderung ein beliebter und gut besuchter Jugendklub schließen. Mehr als 150 junge Menschen kämpften engagiert um den Erhalt des Kinder- und Jugendfreizeitzentrums Rainbow. Sie haben gegen die Schließung demonstriert, in sozialen Netzwerken ihren Club und dessen Arbeit vorgestellt und
mit Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung diskutiert. Sie haben ein Schild gemalt, auf dem steht: Für euch ist es nur ein Jugendclub - für uns ein zweites Zuhause. Nehmt es uns nicht!
Aber sie haben den Kampf um ihr zweites Zuhause verloren. Am 28. Juni 2019 wird der Jugendklub ein letztes Mal seine Türen öffnen. Und das ist erst der Anfang. Ende 2020 wird ein zweiter Jugendklub in Schönebeck mangels Förderung schließen müssen.
Ein zweites Zuhause war der Jugendklub nicht nur wegen der offenen Türen und weil man dort ein Dach über dem Kopf hatte. Es sind vor allem die Menschen, die Fachkräfte, die den Kindern und Jugendlichen Chancen bieten, Halt und Sicherheit geben und nicht selten auch neue Perspektiven vermitteln.
In vielen Debatten in den letzten Sitzungen hier im Plenum und in den Ausschüssen haben wir uns gegenseitig versichert, wie notwendig Schulsozialarbeit mit den dazugehörigen Fachkräften für Kinder und Jugendliche ist. Aber haben Sie schon einmal ein Schild gesehen, auf dem steht: „Für euch ist es nur eine Schule - für uns ein zweites Zuhause. Nehmt es uns nicht!“? Dabei sind es die gleichen pädagogischen Grundsätze, nach denen außerschulische Jugendarbeit funktioniert. Es ist die gleiche Zielgruppe.
Allerdings: Angebote der Jugendarbeit finden in der Regel am Nachmittag, abends und in den Ferien statt. Sie sind oft selbst organisiert und interessengeleitet. Sie verfolgen keinen Defizitansatz, sondern fördern die Stärken junger Menschen. Sie bieten Kindern und Jugendlichen die Chance, sich mit anderen zu treffen, interkulturelle Erfahrungen zu machen, ihre Pubertät zu überstehen und andere, manchmal sehr schwere Krisen zu meistern.
Bei all dem werden junge Menschen durch engagierte Fachkräfte begleitet. Die Kinder- und Jugendhilfe, geregelt durch das SGB VIII, ist ein sehr komplexer Bereich mit außerordentlich verantwortungsvollen Aufgaben. Um diese Arbeit qualifiziert leisten zu können, schreibt das Gesetz ganz bewusst vor, dass in der Kinder- und Jugendhilfe nur Fachkräfte beschäftigt werden sollen.
Um Fachlichkeit, um Chancengleichheit oder um gleichwertige Lebensbedingungen geht es hier im Land aber meist nicht. Es geht ums Geld, darum, dass es fehlt und dass Geld gespart werden muss. Hierbei spielen die klammen Haushalte der Kreise und Kommunen eine Rolle, aber auch die Kommunalaufsicht, die immer wieder Kommunen dazu zwingt, vermeintlich freiwillige Aufgaben wie die der Kinder- und Jugendhilfe zu streichen.
Da frage ich mich ernsthaft, ob im Innenministerium schon mal jemand ins SGB VIII geschaut hat. Hierin ist die Rede von einer Pflichtaufgabe. Lediglich die Höhe der Finanzierung ist verhandelbar, nicht aber, dass die Finanzierung bei 0 € angelegt wird.
Gleichzeitig verpflichtet § 3 SGB VIII den öffentlichen Träger zu bedarfsgerechten und pluralen Leistungen und hebt die besondere Bedeutung der freien Träger für die Erfüllung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe hervor.
Das heißt aber auch, wo kein freier Träger Angebote unterbreiten kann, muss der öffentliche Träger einspringen. Die Kommunen müssen in diesem Fall selbst Einrichtungen betreiben und Fachkräfte anstellen.
Und hier kommen wir zu einem ganz wichtigen Punkt. Keine Kommune würde oder dürfte ihre Beschäftigten, egal in welchem Bereich, dauerhaft mit Einjahresverträgen abspeisen und unter dem vereinbarten Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlen. Außerdem würde unter solch schlechten Bedingungen ja auch keiner bei ihnen anfangen wollen.
Zu sehen ist dies gut in Magdeburg im Bereich der Kinderförderung. Die eilends neu gebauten Kitas sind in kommunaler, also öffentlicher Hand. Daher werden die dort eingesetzten Erzieherinnen und Erzieher auch ganz selbstverständlich nach dem TVöD bezahlt und nicht nach den meist deutlich schlechteren Haustarifverträgen der freien Träger.
Wir möchten, dass sich das Land bei der Bezahlung von Fachkräften in der Jugendarbeit mehr engagiert und vorschreibt, dass die Fachkräfte nach dem öffentlichen Tarifvertrag bezahlt werden müssen, und dass dieses Geld auch zur Verfügung gestellt wird.
Verehrte Koalition, Sie haben strukturelle und finanzielle Standards im Bereich der Kinderförderung und im Bereich der Schulsozialarbeit geschaffen. Sie haben festgelegt, dass im Bereich der Schulsozialarbeit der öffentliche Tarif gezahlt werden muss. Sie wollen mit dem Vergabegesetz öffentliche Aufträge künftig nur noch an die Betriebe geben, die nach Tarif zahlen. Und in Branchen, wo es keine Tarifverträge gibt, wollen Sie einen Vergabe-Mindestlohn durchsetzen.
Alle reden über Kitas, Lehrer und Schulsozialarbeit. Sie initiieren sogar eine eigene landesweite Erzieherausbildung zur Nachwuchsgewinnung. Sie organisieren so einige krumme Dinger, um den riesigen Lehrerbedarf im Land irgendwie zu decken. Sie wollen die Schulsozialarbeit fortführen.
Was passiert aber mit den Kindern, nachdem sie Kita, Grundschule und Hort durchlaufen haben? - Sie kommen in eine weiterführende Schule und haben plötzlich andere Interessen und Probleme. Die Pflicht des Staates, Leistungen der Jugendarbeit anzubieten, endet nicht an der Schultür, sondern beginnt erst dort.
Kinder und Jugendliche verfallen nach dem letzten Klingeln nicht plötzlich in einen Ruhezustand, in dem sie mit halb geschlossenen Augen stumm in der Ecke ihres Zimmers stehen. Es ist genau das Gegenteil der Fall. Nach der Schule fängt das richtige Leben an. Man trifft sich mit Freunden,
Aber hier kann unter den aktuellen Bedingungen nicht mehr viel passieren; denn es gibt keine Mindeststandards, keine Forderungen nach tariflicher Entlohnung und kein Programm zur Nachwuchsgewinnung. Was in den vergangenen Jahren passiert ist, waren Kürzungen auf Landes- und kommunaler Ebene, Schließungen von Einrichtungen und Lohndumping bei den Beschäftigten.
Ich möchte Ihnen ein anschauliches und für Sie wahrscheinlich verständliches Beispiel für die finanzielle Situation der Fachkräfte geben. Sie alle haben vor Kurzem einen Brief von der Landtagsverwaltung bekommen, in dem uns mitgeteilt wurde, dass unsere Wahlkreismitarbeiterinnen rückwirkend ab 1. Januar 2019 monatlich bis zu 4 000 € brutto erhalten können; das ganz unabhängig von der konkreten Tätigkeit und der fachlichen Ausbildung.
Die ausgebildete Fachkraft, die noch bis Ende Juni den bald geschlossenen Jugendklub in Schönebeck betreut, erhält monatlich 2 680 € brutto. Diese beiden Zahlen verdeutlichen das krasse Ungleichgewicht in unserem Land.
Damit hört es aber nicht auf. Eine Fachkraft im ländlichen Raum muss in der Woche mitunter vier bis fünf Jugendklubs betreuen. Meist passiert das auch noch mit einem Privatauto. Und die Träger haben sehr unterschiedliche Kilometerpauschalen, die die Kosten der Fachkräfte kaum decken.
Wir müssen strukturelle Mindeststandards für die Jugendarbeiter schaffen. Wir müssen auch hierfür eine Art Betreuungsschlüssel einführen; denn wie soll eine Fachkraft täglich bis zu 90 Kinder und Jugendliche verantwortungsvoll betreuen?
Einjahresverträge, schlechte und zum Teil untertarifliche Bezahlung und Abhängigkeit von Jahreshaushalten der Kommunen machen diese Arbeit nicht nur unattraktiv für die Fachkräfte, sondern auch unzuverlässig und weniger vertrauenswürdig für jungen Menschen.