Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen kurz vor dem Ende des laufenden Schuljahres, und der Blick richtet sich wieder einmal sorgenvoll auf die Unterrichtsversorgung im kommenden Schuljahr.
Eigentlich sollte zum jetzigen Zeitpunkt die Vorbereitung des kommenden Schuljahres bereits weitgehend abgeschlossen sein. Doch davon sind wir in diesem Jahr weiter entfernt denn je; denn wir müssen feststellen, dass der größten Lehrerstellenausschreibung, die dieses Land je gesehen hat - so unser Bildungsminister -, das größte Desaster bei der Besetzung dieser Stellen folgen wird.
Von den 900 ausgeschriebenen Stellen wird am Ende gerade einmal die Hälfte besetzt werden. Unter den ohnehin viel zu wenigen Neueinstellungen befinden sich dann auch noch mehr denn je sogenannte Seiteneinsteiger ohne pädagogische und didaktische Qualifikation. Von diesen Neulehrern werden nach wenigen Monaten - so unsere Erfahrungen - schon viele nicht mehr vor einer Klasse stehen; denn sie werden nach wie vor einfach ins kalte Wasser geschmissen, ohne die notwendige Vorbereitung und Unterstützung. Es gibt nach wie vor kein Qualifizierungskonzept, um der schnell steigenden Zahl von Seiteneinsteigern das Rüstzeug für eine erfolgreiche Lehrtätigkeit mitzugeben, sodass viele den Anforderungen nicht gerecht werden können.
Minister Tullner bemüht sich zwar, unternimmt aber gegen den fortschreitenden Lehrermangel in unseren Schulen weiterhin nur das, was ihm und seinem Haus möglich erscheint. Das aber ist längst nicht das, was möglich wäre.
Der Unterschied zwischen dem, was der Minister tatsächlich tut, und dem, was möglich wäre, ist viel zu groß, als dass wir uns eine Fortführung dieser Ausschreibungs- und Einstellungspraxis des Ministeriums weiter leisten könnten. Obwohl viele Hundert Stellen unbesetzt sind, werden weiterhin Bewerber weggeschickt oder können nicht
gewonnen werden, weil die Flexibilität fehlt oder die Bearbeitung schlicht viel zu lange dauert oder zu unpersönlich erfolgt.
Damit geht auch im nächsten Schuljahr die Schere zwischen den Schülerzahlen auf der einen Seite und den verfügbaren Lehrkräften auf der anderen Seite wieder ein großes Stück auseinander. Wieder werden mehrere Hundert Lehrkräfte weniger vor den immer voller werdenden Klassen stehen, und der Sinkflug der Unterrichtsversorgung wird ungebremst weitergehen.
Der Minister wird uns vermutlich wieder lange zappeln lassen, bis er uns seine schlechten Botschaften in einer dann allerdings chic aufgemachten Pressemeldung präsentieren wird. Aber es ist auch so absehbar, dass es nicht viel über 95 % sein werden. Dabei werden sich die Unterschiede zwischen den Schulformen weiter drastisch verschärfen.
Massiv wird es neben den Förderschulen vor allem die Sekundar- und Gemeinschaftsschulen treffen. Da sollten die Vertreter von Handwerk und Wirtschaft in der CDU-Fraktion endlich aufwachen und ihrem Bildungsminister die Leviten lesen.
Wenn immer weniger Unterricht stattfindet, muss anschließend auch niemand seine Entrüstung über das schwache Niveau der Auszubildenden bei den Schulen abladen.
Eine weitere Folge aus dieser verfehlten Einstellungspraxis war ebenso vorhersehbar: Unser inzwischen Ex-Finanzminister trat auf den Plan und forderte vom Bildungsminister, Vollzeitäquivalente und Geld zurückzugeben, wenn er nicht in der Lage ist, seine Stellen zu besetzen. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass die Schulbehörden an dieser Aufgabe scheitern. Aber der Ex-Finanzminister wollte den Schulen diese Erweiterung des Personalbestandes ja auch nie zugestehen. Sie ist ihm erst durch die Volksinitiative abgepresst worden. Nun sah er die willkommene Gelegenheit, gleich alles wieder einzukassieren. Ich warne davor, das Bündnis „Den Mangel beenden - unseren Kindern Zukunft geben!“ so leichtfertig zu hintergehen.
Wir verlangen vom neuen Finanzmister unmissverständlich, dass das Geld beim Bildungsministerium verbleibt. Wir verlangen auch, dass der Bildungsminister endlich die Tore der Schulen weit genug öffnet, damit alle Bewerber mit einer Lehrerqualifikation zum Einsatz kommen. Sollten dann noch immer Personalmittel nicht vollständig in Lehrereinstellungen investiert werden können, dann ergibt sich hieraus durchaus ein Topf, aus dem unter anderem mehr Schulsozialarbeit in den Schulen finanziert werden kann; denn es müssen
schlichtweg genügend Pädagogen in die Schulen gebracht werden, die die Gewähr dafür bieten, dass die Schulpflicht auch mit schulischen Angeboten ausgefüllt wird.
Statt sich diesen Herausforderungen endlich konsequent zu stellen, werden die Fehler der Vergangenheit durch immer neue Fehler weiter verstärkt. Denn weiterhin werden die schon mehrfach gefassten Beschlüsse des Hohen Hauses nach einer deutlichen Flexibilisierung der Ausschreibungen durch die Schulbehörden ignoriert. Geradezu dramatisch verläuft die Auseinandersetzung um die weitere Erhöhung der Zahl der Studienplätze im Lehramtsstudium, und zwar an den beiden Universitäten.
In vielen der entscheidenden Fächer - in allen Kernfächern, aber auch in den Naturwissenschaften - wird nach wie vor nur etwa die Hälfte der Studenten immatrikuliert, die die Expertenkommission als Bedarf ermittelt hat. Wir stehen wirklich fassungslos vor diesem unverantwortlichen Handeln dieser Landesregierung. Es ist ein Versagen auf ganzer Linie.
Dann noch das unbesetzte und seit mehr als zwei Jahren praktisch führungslose Landesschulamt als zentrale Umsetzungsbehörde. Ich fordere den Ministerpräsidenten - auch wenn er heute nicht anwesend ist - von hier aus auf, nach dem Urteil des Landesverwaltungsgerichts diesen Zustand und das unwürdige Theater um die rechtswidrige Entfernung von Schulamtsdirektor K. aus seinem Amt so schnell wie möglich zu beenden.
Das Landesschulamt muss spätestens zum Schuljahresbeginn wieder vollständig arbeitsfähig sein, und zwar mit einem Behördenleiter K., der sich in seiner bisherigen Tätigkeit große Anerkennung erworben hat.
Um dem ganzen Missmanagement dieser Landesregierung noch die Krone aufzusetzen, sollen jetzt offenbar in einer Nacht- und Nebelaktion die alten Pläne von Ex-Finanzminister Bullerjahn zur Erhöhung der Lehrerarbeitszeit wieder aus der Schublade geholt werden. Was für eine absurde und was für eine hilflose Idee!
Der Minister und die Obleute aus dem Bildungsausschuss waren am Mittwochnachmittag bei der GEW-Kundgebung mit mehr als 1 000 empörten Lehrerinnen und Lehrern auf dem Domplatz. Ich kann nur wiederholen, was dort deutlich ausgesprochen wurde: Hände weg von der Arbeitszeit
Es gibt dabei nichts zu gewinnen, es wird nur Verlierer geben; denn die Stunden, die man hofft, kurzzeitig zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung zu gewinnen, werden nicht bei den Schülerinnen und Schülern ankommen. Sie bleiben bei den Kolleginnen und Kollegen durch noch mehr vorzeitige Renteneintritte, durch noch mehr Langzeiterkrankungen oder durch noch mehr individuelle Teilzeit. Das, was von einer solchen Maßnahme übrigbleibt, sind Tausende frustrierte und belastete Lehrkräfte vor den Klassen. Es sind die Kolleginnen und Kollegen, die 35 und mehr Dienstjahre hinter sich und alle massiven Umbrüche seit der Wende gemeistert haben. Es ist instinktlos und rücksichtslos, gerade diesen Kolleginnen und Kollegen jetzt die Altersermäßigungen streichen zu wollen.
Wir fordern das Parlament auf, der Landesregierung in den Arm zu fallen und nicht zuzulassen, dass diese zweieinhalbtausend Lehrkräfte jetzt für die politischen Fehler der Vergangenheit und der Gegenwart und den dadurch verschuldeten Lehrermangel zur Kasse gebeten werden.
Wir fordern unseren neuen Finanzminister auf, diese Pläne aufzugeben und darüber nicht weiter mit dem Bildungsminister zu verhandeln. Unsere Lehrkräfte brauchen heute von dieser Stelle aus ein Signal, dass die Streichung der Altersermäßigungen und der Entlastungsstunden für die Arbeit in der gymnasialen Oberstufe vom Tisch ist und sie in Ruhe in die wohlverdienten Ferien gehen können.
Vielen Dank, Herr Abg. Lippmann. Es gibt keine Fragen. - Bevor wir in die Dreiminutendebatte eintreten, wird Minister Tullner für die Landesregierung sprechen. Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein lieber Herr Lippmann, ich habe Ihnen wie immer sehr aufmerksam zugehört. Ich muss sagen, man kann in vielen Beschreibungen von Indizien hier und da sicher unterschiedliche Nuancen betonen. Aber im Kern der Problembeschreibung sind wir gar nicht so weit auseinander.
Was ich allerdings überhaupt nicht nachvollziehen kann, ist die Tatsache, dass Sie ein bisschen ein Bild beschreiben - zumindest habe ich es so verstanden -, das lautet: Wenn eine unfähige Bürokratie und eine mäßig begabte Landesregierung das machen würden, was auf der Hand liegt, gäbe es das Problem des Lehrermangels nicht. Da muss ich Ihnen sagen, wenn ich einen Blick nach Mecklenburg-Vorpommern, nach Brandenburg, nach Berlin, nach Thüringen, nach Sachsen und auch in andere Bundesländer werfe, dann wissen wir doch alle miteinander, dass wir in allen Ländern - im Osten sowieso, aber auch partiell in den westlichen Bundesländern - im Moment mit dem Problem des Lehrermangels - jetzt einmal sehr plastisch umschrieben - zu tun haben.
Es geht ein wenig an der Sache vorbei, wenn Sie jetzt ein Bild wie dieses zeichnen: Wenn ein Schulamt besser geführt werden würde, wenn wir die Tore weit aufmachen würden - so haben Sie gesagt -, dann würde sich das Problem quasi von selbst lösen und irgendwoher würden die Lehrer kommen. - Liebe Leute, so ist es doch nun wirklich nicht. Die Politik - das wissen wir alle, das haben wir auch schon mehrmals gesagt - hat in den letzten Jahren einen harten Sparkurs gefahren. Er war aus damaliger Sicht sicher notwendig, aber er hat jetzt Folgen. Diese Folgen sehen wir heute: Wir sind in Zeiten des Lehrermangels angekommen.
- Darf ich bitte erst zu Ende reden, Kollege Lange? Sie können sicher nachher noch eine Frage stellen, die ich dann auch gern beantworte.
Deshalb hat die Landesregierung seit 2016 eine ganze Menge gemacht. Sie hat auf der einen Seite angefangen, die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen. Aber wenn es in dieser jungen Generation nur noch ein mäßiges Interesse für MintFächer gibt, kann man sie doch nicht zwangsverpflichten. Deshalb müssen wir gemeinsam mit den Hochschulen und dem Wissenschaftsministerium für attraktive Rahmenbedingungen, auch für Werbemaßnahmen und was wir uns immer einfallen lassen, sorgen, damit mehr Studienanfänger in diese Bereiche gehen.
Die Kapazitäten sind hochgefahren worden. Wir haben im Bereich der Einstellungspraxis doch nun wirklich eine ganze Menge gemacht. Das fängt beim Onlineverfahren an. Nun lasse ich mir gern vorschreiben, dass die größte Ausschreibung dieses Landes - - Aber es war mit Sicherheit auch eine der größten Einstellungswellen, die wir gemacht haben. 500 junge Lehrerinnen und Lehrer haben wir eingestellt. Das könnte man gelegentlich auch als einen Erfolg bezeichnen.