Protokoll der Sitzung vom 02.09.2016

Erste Beratung

Vorgesehene Ausstattung der Schulen mit pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im kommenden Schuljahr gewährleisten

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/266

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/306

Einbringer ist für die Fraktion DIE LINKE Herr Lippmann. Herr Lippmann, Sie haben das Wort. Bitte.

Danke schön. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, dass wir über diese Frage heute eine ebenso intensive und engagierte Debatte führen wie über das vorherige Thema. Einen kleinen Anknüpfungspunkt gibt es am Anfang.

(Unruhe)

- Ich versuche, ein bisschen Aufmerksamkeit zu gewinnen. - Unser Finanzminister wurde im Zusammenhang mit den Problemen bei der Haushaltsaufstellung in den Medien zuletzt mehrfach mit den Worten zitiert, dass der Koalitionsvertrag zwar selbstverständlich gelte, aber die vereinbarten Ziele nicht alle gleich, sondern einige auch erst später umgesetzt würden.

(Minister André Schröder: Das nennt sich Prioritätensetzung!)

Seit dieser verheißungsvollen Ankündigung fragen sich nun natürlich viele im Lande zu Recht, welche Ziele es denn sind, die von der späteren Umsetzung betroffen sein werden, und was das eigentlich bedeutet: nicht gleich, sondern später.

Später - wann ist das, habe ich ihn gefragt. Er hat nur gelacht und hat „später“ gesagt.

(Minister Marco Tullner: Das war Juliane Werding! - Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Dieser Text eines bekannten Schlagers aus den 70er-Jahren - vielleicht erinnern sich einige der Älteren - geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Ich hätte ihn auch singen können; das mache ich aber nicht.

(Zurufe von der SPD)

Bitte kommen Sie wieder zur Ernsthaftigkeit zurück, Herr Lippmann!

Wie die Geschichte in diesem Lied ausgeht, wissen vielleicht einige. Sie verlässt ihn; denn, so die Sängerin, später, da kann es zu spät für mich sein. Wir dürfen also gespannt sein, wie lange die Koalitionspartner diese Hinhaltetaktik des Finanzministers aushalten werden.

In Bezug auf die vereinbarten Neueinstellungen von pädagogischen Mitarbeiterinnen hat der Finanzminister jedenfalls schon einmal klargestellt, dass diese in seiner Agenda zur Kategorie „später oder gar nicht“ gehören sollen.

Auf unserer Besuchertribüne sitzen heute Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrer und Betreuer - sie seien von hier unten ganz herzlich gegrüßt -, die von diesen Entscheidungen unmittelbar betroffen sind. Ich empfehle vor allem den Finanzpolitikern, zu ihnen zu gehen und mit ihnen über ihre Situation zu sprechen. Sie können nicht auf nebulöse Versprechen für eine unbestimmte Zukunft warten.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Kinder und Jugendlichen sind Schutzbefohlene, die heute unserer besonderen Hilfe und Un

terstützung bedürfen und die um ihre Zukunft betrogen werden, wenn sie ihnen verwehrt wird.

Sie haben es aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht leicht, ihren selbstbestimmten und gleichberechtigten Weg ins Leben zu finden. Damit ihnen dies ermöglicht wird, brauchen sie in ihren speziellen Schulen nicht nur ausreichend Lehrkräfte, sondern eben auch pädagogische Mitarbeiterinnen, Therapeuten und Betreuer.

Sonst sind sie den Anforderungen im Schulalltag nicht gewachsen, sie leiden körperlich und können die ihnen möglichen Bildungsziele nicht erreichen.

Diese unverzichtbaren pädagogischen und therapeutischen Hilfen, die ihnen bisher zur Verfügung standen, wurden ihnen jetzt in einer bisher beispiellosen Nacht-und-Nebel-Aktion genommen. Der Grund für diesen Kahlschlag liegt allein darin, dass der allgemeine Mangel an pädagogischen Mitarbeiterinnen, der längst in allen Einsatzbereichen herrscht, nicht etwa schrittweise beseitigt wird. Nein, er wird einfach nur neu verteilt.

Der rigide Personalabbau bei den pädagogischen Mitarbeiterinnen wird ungebremst fortgesetzt, obwohl die Koalition mit ihrem Koalitionsvertrag eigentlich Besserung gelobt und Versprechungen gemacht hat.

Sehr geehrter Herr Minister Tullner, auch wenn es vermutlich so ist, dass Sie nicht die Hauptverantwortung für diesen Zirkus um die Einstellung von pädagogischen Mitarbeiterinnen tragen - aber so können Sie sich auf gar keinen Fall aus der Affäre ziehen,

(Beifall bei der LINKEN)

dass die Schwachen und Hilfebedürftigen gegeneinander ausgespielt werden. Es sind wirklich Hiobsbotschaften, die in den letzten Tagen aus beinahe allen betroffenen Einrichtungen bei uns angekommen sind. Ich fordere Sie auf, die neuen Bedarfsberechnungen für die Förderschulen zurückzunehmen und die auf dieser Grundlage in Gang gesetzten Personalmaßnahmen unverzüglich außer Vollzug zu setzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Alternative zu diesem unseligen Verschiebebahnhof besteht darin, den Bedarf an den Förderschulen, so wie er sich aus der ursprünglichen Personalbemessung ergab, endlich zur Grundlage für eine Ausschreibung zu machen und endlich neue Mitarbeiterinnen einzustellen. Dies haben wir mit der Ergänzung unseres Ursprungsantrages in der Drs. 7/306 jetzt formuliert.

Die 60 Stellen, die unverzüglich besetzt werden sollen, stehen zur Verfügung; denn etwa in die

sem Umfang wurden pädagogische Mitarbeiterinnen in der letzten Ausschreibung auf Lehrerstellen übernommen.

(Angela Gorr, CDU: 57!)

- Das sind ungefähr 60.

Bei der Neubesetzung dieser Stellen können sich die Koalitionäre also nicht hinter den Haushaltsberatungen verstecken, das ist Vollzug des Haushaltes 2016. Denn ob nun Lehrkräfte von außen eingestellt werden oder auf freigezogenen Stellen neue pädagogische Mitarbeiterinnen, ist fiskalisch und auch mit Blick auf den gesamten Personalbestand egal. Wenn sie es also dennoch nicht tun, dann nicht, weil sie es nicht können, sondern weil sie es nicht wollen.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN und von der SPD, ihr seid in dieser bunten Koalition diejenigen, die wissen, dass das so nicht weitergehen kann.

(Angela Gorr, CDU: Aha!)

Ich brauche mir nur die Beteiligung anzugucken, um zu wissen, wo die Kompetenz liegt. Ihr müsst dafür sorgen, dass die pädagogischen Mitarbeiterinnen nicht immer weiter zur finanzpolitischen Manövriermasse in Haushaltsverhandlungen degradiert werden.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das, was Sie erzählen, ist Unsinn!)

- Das werden wir sehen.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Genau so ist es! Die Mittel sind eingestellt! Das war vor- her nicht der Fall, das wissen Sie doch ganz genau! - Birke Bull, DIE LINKE: Schreibt aus und dann werden wir sehen, wie sie vom Himmel fallen!)

Schreibt die 60 Mitarbeiter aus, die ihr ausschreiben könnt, und dann werden wir sehen, wer sich bewirbt, und dann stecken wir sie genau dorthin, wo sie gebraucht werden, und dann gehen wir die nächsten Schritte.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieses Geld für die 60 Mitarbeiter ist vorhanden. Es sind Stellen, die für Lehrer ausgeschrieben werden. Sie hätten doch, wenn Sie Lehrer bekommen hätten, auch Lehrer von außen eingestellt. Jetzt haben Sie intern pädagogische Mitarbeiter darauf gesetzt. Wenn diese Stellen nicht besetzt werden, dann sparen Sie dieses Geld einfach nur ein. Das ist doch keine Frage der Stellen, verdammt noch mal!

(Beifall bei der LINKEN und bei der AfD)

Damit die Schulen ihre Aufgaben erfüllen und die Schülerinnen und Schüler ihre Bildungsziele erreichen können, müssen auch pädagogische Mitarbeiterinnen in ausreichender Zahl und mit entsprechender Qualifikation zur Verfügung stehen. Ich nehme an dieser Stelle gern eine sprachliche Anleihe bei Herrn Minister Stahlknecht aus der gestrigen Debatte zum Weltfriedenstag mit dem Bezug auf die Finanzierung der Bundeswehr.

Die Ausbildung und der Einsatz einer ausreichenden Anzahl von gut ausgebildeten Lehrkräften, pädagogischen Mitarbeiterinnen und Sozialarbeitern in unseren Schulen, die wir für die Bildung und Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen brauchen, darf nicht unter Finanzierungsvorbehalt gestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das allerdings war in der alten und ist wohl auch in der neuen Landesregierung noch immer nicht angekommen. Denn erwähnt man in den zuständigen Häusern die Zahl von 1 800 Vollzeitstellen oder Vollzeitäquivalenten, die nach dem Koalitionsvertrag für die Beschäftigung von pädagogischen Mitarbeiterinnen dauerhaft bereitgestellt werden sollen, erntet man nur ein mitleidiges Lächeln. Hinter vorgehaltener Hand erfährt man dann, das sei doch nur eine Vision, aber nichts für eine Umsetzung in absehbarer Zeit.