Wir sind in Zeiten des Lehrermangels angekommen. Nehmen Sie das doch einfach einmal zur Kenntnis. Sie haben das doch nun jahrelang mit Indikatoren unterlegt. Es herrscht Lehrermangel. Man nennt das so, es fühlt sich so an, es gibt ihn. Deswegen ist Ihre Grundthese, dass das Land Sachsen-Anhalt zu doof, zu langsam und auch sonst unfähig sei, Lehrerinnen und Lehrer einzustellen, einfach falsch. Aus diesem Grunde lade ich Sie herzlich ein: Nehmen Sie die Einladung von Frau Gorr wahr, dann können Sie es sich anschauen.
Der nächste Punkt. Wir haben bisher zielgenau Ausschreibungen durchgeführt, wenn Referendare fertig wurden. Das war bisher immer unser Weg. Wir haben das mit Zwischenausschreibungen und Nachausschreibungen untersetzt. Ich nehme zur Kenntnis - auch diese Anregung habe ich aufgenommen; das habe ich im Ausschuss neulich bereits gesagt -, dass es psychologisch komisch wirkt, wenn man auf eine Homepage gelangt, auf der zu lesen ist: Im Moment ist das Verfahren geschlossen, wir nehmen niemanden mehr auf. Deswegen werden wir mit der November-Ausschreibung in den Modus der Dauerausschreibung kommen. Ich erkläre Ihnen jetzt nicht die Technik, weil es kompliziert ist. Es wird also auf dieser Homepage immer, an jedem Tag, ein Angebot geben.
Aber die These, dass hier draußen Hunderte von Bewerbern herumlaufen, die sich nicht bewerben konnten, ist falsch, weil wir uns in Zeiten des Lehrermangels befinden. Wir haben im letzten Jahr mindestens 1 000 Lehrer eingestellt. Wir werden das auch in diesem Jahr wieder machen.
Ich weiß, dass man sich in Thüringen - dort ist in vier Wochen ein politisches Ereignis, das sich Landtagswahl nennt - Statistiken schönrechnet. - Geschenkt. Ich nehme nur wahr: Fünf Jahre rote Regierungs- und Bildungspolitik in Erfurt - und die Bilanz sieht mitnichten besser aus als unsere; sie sieht schlechter aus als unsere.
Es gibt keine weiteren Fragen mehr dazu. Wir kommen jetzt zu der Debatte der Fraktionen. Als Erste spricht für die SPD-Fraktion die Abg. Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gestehe: Bei dem Thema Lehrkräftegewinnung bzw. Unterrichtsversorgung fühle ich mich ein bisschen wie der Hauptdarsteller in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Wir haben hier gefühlt die 20. Debatte zur Unterrichtsversorgung und zu fehlenden Lehrkräften.
(Zustimmung von Angela Gorr, CDU, von Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD, und von Jan Wenzel Schmidt, AfD)
Wie der Hauptdarsteller in dem Film habe ich das Gefühl, in einer Dauerzeitschleife gefangen zu sein. Wie in dem Film verändert sich die Situation nur in winzigen Details. Ich bin optimistisch, deshalb hoffe ich noch immer auf ein Happy End. Nach dem bisherigen Schlagabtausch zwischen dem Abg. Lippmann und dem Minister bin ich allerdings wieder ein bisschen vorsichtiger.
Ich glaube, es geht jetzt nicht darum, sich gegenseitig vorzuwerfen, wer das Recht auf Wahrheit hat. Fakt ist: Sachsen-Anhalt ist, was Lehrereinstellungen betrifft - auch im Hinblick auf die Zahl der Bewerber -, nicht besonders erfolgreich. Sie mögen mich jetzt auch damit kritisieren, dass das nicht die Realität sei. Aber jedes System - sei es noch so gut -, ist nicht so gut, dass es nicht noch verbessert werden kann.
Ja, wir werden das Angebot als Bildungsausschuss sehr gern annehmen und uns im Landesschulamt anschauen, wie dort die Gespräche - ich betone wirklich: Gespräche - mit den Bewerberinnen und Bewerbern geführt werden. Denn, meine Damen und Herren, das ist das Einzige, das tatsächlich hilft. Kein Verweis auf eine Plattform, auf der es vielleicht noch irgendeine abstrakte, theoretisch existierende Stelle gibt, motiviert einen Bewerber, der schon drei Angebote aus anderen Bundesländern hat, noch einmal auf diese Plattform zu gehen.
Deshalb hat dieser Landtag entschieden, dass jeder Referendar schon während des Referendariats eine Einstellungszusage bekommen soll - einfach als ganz konkretes Signal: Wir brauchen euch, ihr seid hier willkommen und wir machen euch ein konkretes Angebot, wenn ihr das Referendariat erfolgreich abgeschlossen habt.
Meine Fraktion macht seit drei Jahren Vorschläge, was man verändern kann. Auch ich nehme nicht wahr, dass sich die Dinge wirklich grundlegend ändern und dass es hier den Willen gibt, das System grundsätzlich infrage zu stellen.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie werfen mir immer wieder vor, dass ich zu viel kritisiere. Glauben Sie mir, ich würde Sie in meinen Reden gern loben. Ich will an der Stelle auch nicht noch einmal darauf hinweisen, welche konkreten Regelungen wir als Landtag hier beschlossen haben, nicht zuletzt die Neuregelung der Mehrarbeitszeitvergütung, womit wir auch die Hoffnung verbinden, dass einige Kolleginnen und Kollegen - gerade die jüngeren, die bereit sind, Mehrarbeit zu leisten - diese Mehrarbeit auch leisten würden, wenn es dafür eine attraktive Bezahlung gäbe. Auch dabei sind wir leider noch nicht weitergekommen.
Ja, es hat sich einiges getan. Für den ländlichen Bereich gibt es jetzt Stellenzulagen. Wir haben das Modellprojekt „Schulverwaltungsassistent“, mit dem Lehrerinnen und Lehrer bei Verwaltungsaufgaben entlastet werden sollen. Vielleicht ist das auch ein Ansatz, um die Situation in einigen Schulen zumindest ein bisschen zu entspannen.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir erwarten gar nicht, dass unsere Vorschläge umgesetzt werden. - Herr Minister, wir sind auch bereit, die Vorschläge, die Sie uns unterbreiten, um die Situation zu verbessern, zu unterstützen. Wir brauchen nur konkrete Vorschläge, über die wir diskutieren können und die wir dann gemeinsam umsetzen können.
Ich gebe jetzt meine Wahrnehmung, meine Erfahrungen aus dem Schulentwicklungscamp, das vor zwei Wochen stattgefunden hat, wieder. Dort haben uns die Lehrerinnen und Lehrer - das sind wirklich die Engagierten, die dieses System Schule hier in Sachsen-Anhalt im Moment am Laufen halten -,
ganz deutlich gesagt: „Es ist nicht fünf vor zwölf, es ist fünf nach zwölf. Das System Schule mit den derzeitigen Ressourcen kann so nicht weiter funktionieren.“ Diese Kolleginnen und Kollegen stellen sich aber nicht hin und sagen: Das ist jetzt so, wir leben in Zeiten des Lehrermangels. Vielmehr haben sie, auch gemeinsam mit den Schüle
rinnen und Schülern, ganz konkrete Vorschläge entwickelt, wie Schule angesichts dieser neuen Herausforderungen tatsächlich noch funktionieren kann.
Wir werden uns das im Rahmen des Bildungsausschusses anhören. Wir werden uns die Ergebnisse aus diesem Schulentwicklungscamp - es sind konkrete Vorschläge und Empfehlungen unterbreitet worden - anhören. Wir werden mit den Kolleginnen und Kollegen, die sich in Schulen schon auf den Weg gemacht haben, gemeinsam darüber diskutieren, welche Maßnahmen sinnvoll sind und was hilft.
Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen brauchen dringend Unterstützung. Denen hilft es nicht, wenn sich der Minister hier hinstellt und sagt: „Eine Unterrichtsversorgung von 103 % werden wir nicht erreichen, weil wir die Lehrer nicht finden.“ Wenn man das so sieht, dann muss man tatsächlich auch Vorschläge unterbreiten, wie Schule funktionieren soll, wenn die Ressourcen, die dafür eigentlich notwendig sind, nicht zur Verfügung stehen.
Es gibt Vorschläge. Wir als SPD-Fraktion sind gern bereit, darüber nachzudenken, wie wir den Schulen die Arbeit erleichtern. Man könnte beispielsweise für die Lehrerwochenstunden, die den Schulen nicht zur Verfügung stehen, weil die Stellen nicht besetzt sind oder weil die Kolleginnen und Kollegen krank oder im Erziehungsurlaub sind, eine entsprechende Summe Geld zur Verfügung stellen, damit sich die Schulen eigenständig und eigenverantwortlich die Angebote in die Schule holen können, die sie brauchen, damit in den entsprechen Fächern noch Unterricht stattfinden kann.
Wir reden über Digitalisierung. Das heißt, wir müssen auch noch intensiver darüber diskutieren, welche neuen Möglichkeiten des Lernens wir haben und wie man über bestimmte Plattformen hierbei eine Unterstützung geben kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben keine Zeit mehr, uns gegenseitig zu erklären, dass die Welt nicht so funktioniert, wie wir sie sehen. Es gibt zahlreiche Verbesserungsvorschläge. Wir müssen jetzt anfangen, sie umzusetzen. Wir werden uns im Bildungsausschuss mit den Ergebnissen des Schulentwicklungscamps beschäftigen. Wir werden noch einmal mit den Akteurinnen und Akteuren sprechen; wir werden sie einladen und werden uns ihre Wünsche, Vorstellungen und Erwartungen anhören.
Deshalb lautet unser Angebot: Lassen Sie uns gemeinsam mit allen, die tagtäglich dafür sorgen, dass Schule unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen überhaupt noch funktioniert, zu einer
Art Bildungsgipfel zusammenkommen. Lassen Sie uns über die besten Ideen diskutieren und dann auch sofort an die Umsetzung gehen. - Vielen Dank.
Ich habe keine Wortmeldungen gesehen. Deswegen spricht jetzt für die AfD-Fraktion der Abg. Herr Dr. Tillschneider.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben gerade die erneute Inszenierung eines Schauspiels, das in dieser illustren Arena, die sich Landtag von Sachsen-Anhalt nennt, schon häufiger aufgeführt wurde. Der Ex-GEWFunktionär Lippmann kritisiert Bildungsminister Tullner für Dinge, für die er gar nicht kritisiert werden muss. Für Dinge aber, für die Bildungsminister Tullner durchaus kritisiert werden müsste, wird er von Lippmann nicht kritisiert. So stürzen sich die beiden Helden tollkühn in groteske Spiegelfechtereien, ergehen sich in ritualisierten, fürchterlich ermüdenden Scheindebatten,
umkreisen die wahren Probleme unseres Bildungswesens, streifen sie allenfalls, verfehlen aber immer den Kern der Sache.
Anlass ist der empörende, unerhörte, nicht zu duldende, unter allen Umständen öffentlich anzuprangernde Umstand, dass die Regierung von 895 ausgeschriebenen Stellen bislang lediglich 317 besetzen konnte. Dass dies vielleicht damit zu tun hat, dass es gar nicht genügend qualifizierte Bewerber gibt, kommt den LINKEN nicht in den Sinn. Denn sage und schreibe 130 Lehrer wurden ja abgewiesen, wie Lippmann weiß. Aber weshalb wurden sie abgewiesen? - Weil ihre Qualifikation nicht zu der ausgeschriebenen Stelle passte, auf die sie sich beworben hatten. Das will den LINKEN partout nicht in den Kopf hinein. Was die Themen Qualifikation und Leistung betrifft, liegt bei den Kollegen zu meiner Linken nämlich schon
eine Art Berufsblindheit vor. Anders gesagt: LINKE haben keinen Sinn für fehlende Qualifikation, weil sie als LINKE mit der Qualifikation überhaupt auf Kriegsfuß stehen.
Das führt dann zu dem Paradoxon, dass man sich zum Berufslinken gerade dadurch qualifiziert, keine Qualifikation zu bekommen. Siehe zum Beispiel Frau Quade: Wie viele Jahrzehnte laborieren Sie eigentlich schon erfolglos an Ihrem Studienabschluss in einer wenig anspruchsvollen Disziplin, wenn ich fragen darf?
Dass man bei solchen Ausgangslagen nachsichtig ist, was die Maßstäbe bei der Einstellung von Lehrern angeht, leuchtet natürlich ein.
Doch damit nicht genug. In Ihrem Antrag ist außerdem nicht von Bewerbern die Rede, sondern von „Bewerber*innen“. So etwas sollte man in der Landtagsverwaltung gar nicht erst annehmen, sondern mit einer Aufforderung zur Überarbeitung stehenden Fußes zurückweisen. Untereinander können Sie Ihre Marotten pflegen und wetteifern, wer politisch korrekter und idiotischer zu schreiben weiß. Aber im Schriftverkehr mit dem Landtag sollte eine ordentliche deutsche Orthografie - man sagt dazu übrigens auch Rechtschreibung - verpflichtend sein.
Kurz und gut: Man hätte Ihnen diesen Antrag um die Ohren hauen sollen. Sie zetteln hier wieder für nichts eine Debatte an. Es gibt nun einmal weniger Lehrer und auch Seiteneinsteiger auf dem Markt als offene Stellen. Das ist so. Das hat zwar Ursachen, tiefere Ursachsen, über die ich hier schon in extenso gesprochen habe, aber gerade diese Ursachen wollen Sie erklärtermaßen nicht bekämpfen, ja, nicht einmal erkennen. Stattdessen produzieren Sie hier wieder einmal Ihr unnützes Geschwätz.
Die Regierung verdient aus vielen Gründen Kritik. Sie kann aber nicht mehr Lehrer einstellen, wenn es diese nicht gibt. Würden wir nun, wie es die LINKEN wollen, ausnahmslos alle Bewerber einstellen, dann würden wir uns damit keinen Gefallen tun, weil wir dann langfristig minderqualifizierte Lehrer in der Schule hätten.