Dann haben Sie Ihre Rede aber verkürzt und haben gesagt, dass das nur den Rechtsextremismus betreffe, den man angehen müsse. Das ist ein gravierender Denkfehler.
Die heutigen Probleme bestehen nämlich darin, dass die Demokraten das Parlament verteidigen müssen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen müssen und die Meinungsfreiheit verteidigen müssen gegen jede Form von Gewaltanwendung, egal gegen wen sie in unserem Land gerichtet ist, egal gegen welche Partei sie gerichtet ist und egal ob sie von rechts oder von links kommt. Ja, es gibt Rechtsextremisten, die gewaltbereit sind. Ja, es gibt auch Linksextremisten, die gewaltbereit sind. Und ja, es gibt auch islamistische gewaltbereite Täter, die die jüdische Gemeinde bedrohen.
Wenn man das nur in Richtung auf „von rechts“ verengt, indem man sagt „Wir sind gegen Antisemitismus“ - dagegen sind wir alle -, dann sparen Sie den größten Teil der antisemitischen Menschen aus. - Das ist das, was ich grundsätzlich zu Ihrer Rede anmerken möchte.
Wir hätten Ihre Resolution unterstützen können, wenn Sie nicht an drei Stellen Ihres Redebeitrages diese Verengung vorgenommen hätten. Deswegen werden wir heute dieser Resolution so nicht zustimmen können. Wir wollen aber, dass diese Resolution im Ausschuss weiter behandelt und in einen vernünftigen Sachzusammenhang gebracht wird, damit sich dann das ganze Haus auf eine vernünftige Resolution gegen Antisemitismus verständigt. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abg. Farle. Das war eine Kurzintervention und keine Frage. - Aber Sie, Herr Ministerpräsident, haben natürlich die Möglichkeit, darauf zu antworten. Bitte.
Herr Farle, erstens, lesen Sie den Text meiner Rede noch einmal ganz genau nach. Ich habe anlassbezogen ganz klar den Schwerpunkt auf
Antisemitismus und Rechtsradikalismus gelegt, habe aber auch auf die anderen Extremismusformen hingewiesen und jegliche Gewalt, egal aus welcher politischen, ideologischen oder sonstigen Richtung sie kommt, klar verurteilt.
Dass wir aufgrund der aktuellen Ereignisse in Sachsen-Anhalt, die uns noch zutiefst berühren und in den Knochen sitzen - das können Sie gerade auch einem Ministerpräsidenten, einem Innenminister sowie allen Mitgliedern der Landesregierung abnehmen, die wir als Exekutive auch die Verantwortung in diesem Land haben -, diesen Schwerpunkt genau auf die Zielfunktion dieses Täters richten, auf das, was er wirklich wollte, ist in meiner Regierungserklärung ganz klar erkennbar geworden und es war auch notwendig, das hervorzuheben.
Der Täter war ein Rechtsextremist. Er hat Menschen, eine Bürgerin und einen Bürger, getötet. Ich habe mit deren Angehörigen gesprochen. Ich habe mit den Verletzten im Universitätsklinikum gesprochen. Ich habe auch mit Personen gesprochen, die durch die Ereignisse sowohl in dem Döner-Imbiss als auch in der jüdischen Gemeinde traumatisiert gewesen sind.
Wenn Sie das alles - die Prozesse laufen ja noch - erlebt haben und in den letzten Tagen auch in Verantwortung standen, dann ist klar, dass diese Position, die ich heute mit dieser absoluten Schwerpunktsetzung vertreten habe, die einzige Antwort des Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt sein kann.
Ich will in Ihre Richtung nur eines sagen: Wenn einen, obwohl man noch nicht einmal weiß, wie viele Opfer es endgültig gibt und wie die Gesamtzusammenhänge sind, Tweets aus Ihrem politischen Bereich erreichen, bei denen man sich fragt, in welcher Welt wir eigentlich leben, dann, muss ich sagen, haben Sie eine große politische Verantwortung, für politische Klarheit zu sorgen, vor allem dann, wenn Sie sich eine demokratische Partei nennen wollen.
Wir stehen mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen dafür, dass wir gemeinsam mit der Landesregierung eine klare Aussage aus dem Landtag von Sachsen-Anhalt in die Weltöffentlichkeit senden wollen. Ich bin froh über die hier anwesenden Gäste, die ich jetzt allerdings nicht offiziell begrüßen darf; das darf nach der Geschäftsordnung nur die Landtagspräsidentin. Diese Gäste sind neben vielen anderen Menschen diejenigen, an die sich diese Botschaft richtet. Ich weiß, dass heute weltweit darauf geachtet wird, wie der Landtag von Sachsen-Anhalt reagiert.
Ich glaube, dass wir alle gut beraten sind, dieses Thema nicht zu instrumentalisieren, sondern dafür zu nutzen, klar und deutlich zu sagen, was wir mit der friedlichen Revolution, mit der Erreichung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in unserem Land Sachsen-Anhalt nicht nur haben erreichen wollen, sondern auch erreicht haben und für die Zukunft sichergestellt sehen wollen.
Dazu gehört eben auch ein vitales jüdisches Leben. Dazu gehören Synagogen, und dazu gehört auch die Aussage, dass sich jede religiöse Minderheit, jede personenbezogene Minderheit, egal welcher Lebensform sie sich öffnet, sicher fühlen muss. Dazu gehört deshalb auch, dass der Staat dafür zu sorgen hat, dass alle Menschen in diesem Land sicher leben können und dieses Land als lebenswert und als echte Heimat verstehen.
Das ist das, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Lesen Sie noch einmal Satz für Satz meiner Regierungserklärung nach; dann werden Sie das wiederfinden.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Haseloff. - Wir steigen nun in die Aussprache zur Regierungserklärung ein. Im Ältestenrat wurde die Redezeitstruktur „G“, also 180 Minuten, vereinbart. Die Reihenfolge und die Redezeiten der einzelnen Fraktionen sind wie folgt: AfD 33 Minuten, SPD 17 Minuten, DIE LINKE 25 Minuten, GRÜNE acht Minuten, CDU 49 Minuten und der fraktionslose Abgeordnete hat zwei Minuten Redezeit.
Wir beginnen nunmehr mit der Aussprache und dem ersten Redner. Das ist der Abg. Herr Kirchner von der AfD-Fraktion. Sie haben das Wort, bitte.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Das, was am 9. Oktober in Halle passierte, ist von Grund auf verachtenswert. Den Hinterbliebenen der Opfer, den Familien und den Freunden gilt unser uneingeschränktes Mitgefühl.
Es kann und darf nicht sein, dass wir in Deutschland im Jahr 2019 auch nur einen Gedanken daran verschwenden müssen, dass wir Opfer eines Anschlages oder Terroraktes sein könnten. Die Bürger unseres Landes - damit meine ich alle, egal welchen Geschlechts, welcher Abstammung,
welcher Rasse, welcher Sprache, welcher Heimat und Herkunft, welchen Glaubens, welcher religiösen und politischen Anschauung - haben das Recht, sich sicher im Land zu fühlen. Und ja, sie müssen sich nur nur sicher fühlen können, sondern sie müssen auch wirklich sicher sein.
Es ist unsere gemeinsame Pflicht als Landtag von Sachsen-Anhalt und die spezielle Pflicht des Innenministers und seines Ministeriums sowie der Geheimdienste, im Land dafür zu sorgen, dass so etwas wie in Halle erst gar nicht passieren kann.
Und doch ist es passiert. Zwei Menschen wurden getötet, zwei Menschen liegen noch immer schwer verletzt im Krankenhaus, und viele, viele andere erfahren ihren Alltag nach dem 9. Oktober nicht mehr so wie noch am Tag zuvor. Ja, die Frage ist an dieser Stelle ausdrücklich erlaubt: Wo war denn Ihr starker Staat in Halle vor zwei Wochen, Herr Innenminister, den Sie uns im August letzten Jahres bei Ihrer Regierungserklärung so vollmundig versprachen? Wie hieß es noch im letzten Jahr? „Wir werden die Sicherheit im Land gewährleisten“; das waren Ihre Worte, Herr Innenminister. Womöglich hatten Sie damals zu erwähnen vergessen, dass Sie das Versöhnungsfest im Jahr 2019 vielleicht doch nicht ganz so ernst genommen haben, wie es hätte ernst genommen werden müssen.
Ich komme später noch einmal darauf zurück, möchte aber zuerst ein paar Dinge ordnen. Beginnen wir mit dem Täter von Halle, Stephan B. Wer oder was war der Attentäter von Halle? - Diese Frage ist wichtig, um die schreckliche Tat einordnen zu können. Leider - das macht mich nach wie vor fassungslos - ist zu sehen, dass man sich diese Frage nicht überall zu stellen scheint bzw. sie gar nicht stellen und beantworten möchte. So wurde diese Frage zum Beispiel durch den Innenminister nicht beantwortet, als meine Fraktion im Innenausschuss nach dem Täter und seiner Motivation fragte.
Mittlerweile ist einiges über Stephan B. bekannt. Ich möchte dies kurz ordnen. Der Attentäter von Halle ist 27 Jahre alt, wohnhaft in Sachsen-Anhalt, und er war bereit, am höchsten jüdischen Feiertag, dem Versöhnungsfest, ein Blutbad in einer Synagoge anrichten zu wollen. Nachdem ihm das nicht gelang, tötete er wahllos zwei Passanten in den Straßen von Halle, versuchte es in neun weiteren Fällen, flüchtete dabei vor der Polizei und konnte schlussendlich gestellt werden. Hier gilt mein Dank insbesondere den Polizeikräften und den Beamten, die diesen Täter schlussendlich festsetzten. Mein besonderer Dank gilt auch dem beherzten Taxifahrer, der mit seinem
Während seiner bestialischen Tat war er ausgerüstet mit einer Fantasieuniform, einem Helm und selbstgebastelten Waffen. Die Tat übertrug er live im Internet auf einer Gaming-Plattform. Stephan B. war sozial vollkommen isoliert, er war ein isolierter Einzelgänger, war in Bezug auf die schreckliche Tat von Halle ein Einzeltäter.
Er bezeichnete sich selbst als NEET; was im Englischen eine Bezeichnung für Jugendliche oder junge Erwachsene ist, die keine Schule besuchen, keiner Arbeit nachgehen und sich nicht in beruflicher Ausbildung befinden und dies auch nicht unmittelbar anstreben. Er hatte keine Freundin. Auch der Kontakt zu seinen Eltern war kaum gegeben. Ein soziales Umfeld war faktisch nicht vorhanden. In seinem Heimatort war Stephan B. kaum bekannt.
Seine Lebenswelt war das Internet, dort vornehmlich die dunkelste Nische. Dort radikalisierte sich der Täter von Halle und kopierte mit seiner schrecklichen Tat ein amerikanisches Phänomen. Ein Vorbild hatte Stephan B. dabei in dem Attentäter von Christchurch, welcher am 15. März dieses Jahres insgesamt 51 Menschen tötete und 50 weitere Menschen teils schwer verletzte. Ebenso wie der Christchurch-Schütze inszenierte Stephan B. sein schreckliches Attentat als eine Art Computerspiel und ebenso wurde mit der Tat ein sogenanntes Manifest veröffentlicht.
Im Fall von Halle soll dies kurz nach der Tat durch zwei Männer aus Mönchengladbach verbreitet worden sein. Wie „Zeit Online“ am 16. Oktober 2019 berichtete, war der Hauptverdächtige weder der Polizei noch dem Verfassungsschutz als Extremist bekannt. Der junge Mann selbst bezeichnete sich als politisch eher links und gab vor, Stephan B. nicht persönlich zu kennen. Auch dadurch zeigte sich, dass es sich bei dem Amoklauf in Halle um ein Internetphänomen handelt, ein Internetphänomen jedoch mit einem tragischen Ende in der realen Welt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies soll an dieser Stelle ausreichen, um ein grobes Bild des Attentäters von Halle zu zeichnen. Die Beschäftigung mit Stephan B. und seiner Tat von Halle zeigt, dass man hierbei nicht mit den üblichen hergebrachten Kategorien arbeiten kann und darf.
um Antisemit zu sein. Fakt ist: Stephan B. handelte aus einer antisemitischen Motivation heraus, stellte sich selbst über Recht und Gesetz und machte sich selbst zum Richter und Henker zugleich - etwas, was mit unserem Verständnis von Rechtstaatlichkeit überhaupt nichts zu tun hat, eine schreckliche, verachtenswerte Tat und ein Täter, den hoffentlich die ganze Härte unseres Gesetzes trifft.
Nachdem wir jetzt auf den Attentäter selbst schauten, stellt sich die Frage: Was hat das nun mit der AfD zu tun? - Ich könnte es kurz machen und sagen: gar nichts. Der Täter von Halle war ein sozial Ausgegrenzter, der sich in der dunklen Nische des Internets vornehmlich amerikanischer Internetseiten und -foren radikalisierte. Mir persönlich ist nicht bekannt, dass die AfD in solcherlei Netznischen auch nur irgendwie agiert.
Stephan B. setzte sich über Recht und Gesetz hinweg. Das genaue Gegenteil ist aber Programm meiner Partei und meiner Fraktion. Insbesondere die AfD ist Träger und Hüter der Rechtsstaatlichkeit im Land. Das ist so. Der Attentäter von Halle ist bekennender Antisemit, Judenhasser. Derartiges werden Sie in der AfD nicht finden. Bei uns ist für solcherlei Unfug kein Platz;
- Ich brauche auch gar nicht zu Herrn Höcke zu schauen, denn es reicht, wenn ich zu Ihnen schaue; dann weiß ich genau, was antidemokratisches Verhalten ist. Stephan B. leugnet den Holocaust. Auch das werden Sie bei uns nicht finden,