Protokoll der Sitzung vom 24.10.2019

Bevor wir jetzt zum letzten Tagesordnungspunkt für heute kommen, führen wir hier vorne einen kleinen Wechsel durch.

Wie schon erwähnt: Wir kommen zum letzten Tagesordnungspunkt. Ich weiß nicht, ob die parlamentarischen Geschäftsführer noch daran interessiert sind, den einen oder anderen Punkt vorzuziehen, da wir gut im Zeitplan liegen. Das müsste man prüfen.

(Zuruf: Das machen wir!)

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 14

Erste Beratung

Völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beenden, Waffenexporte in die Türkei stoppen, keine deutschen Truppen nach Syrien entsenden

Antrag Fraktion AfD - Drs. 7/5088

Einbringer ist der Abg. Herr Tobias Rausch. Herr Rausch, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! - Sehr geehrte Damen und Herren! Heute Morgen haben wir schon über einen ähnlichen Antrag der Fraktion DIE LINKE diskutiert und debattiert. Ich stelle fest, dass alle Parteien hier im Parlament den völkerrechtswidrigen Angriff auf Syrien abgelehnt und verurteilt haben.

Vieles von dem, was ich sagen wollte, wurde bereits von Herrn Gallert heute Morgen gesagt. Daher erlaube ich mir, kurz und allgemein noch einmal etwas zur Situation in Syrien zu erläutern und auch darauf hinzuweisen, wie es dazu gekommen ist.

Seit sieben Jahren wird in Syrien bekämpft. Es ist ein Krieg, an dem viele verschiedene Länder und

auch beide Großmächte beteiligt sind. Es ist ein Krieg der Deutungen, ein Krieg der Bilder. Kurz: Es ist ein Propaganda-Krieg. Und es ist ein Krieg, bei dem es schwer ist, herauszufinden, was wirklich ist.

Aber nun zu den Fakten:

Fakt 1: Bürgerkrieg war schon immer das falsche Wort. Angefangen hat zwar alles mit Protesten gegen den Machthaber Baschar al-Assad. Aber von Beginn an haben dort ausländische Mächte mitgemischt. Als im Jahr 2011 in der arabischen Welt viele Bürger auf die Straße gingen, sollte der arabische Frühling beginnen. Viele sagen, dass der Westen dort seine Finger im Spiel hatte. Beweisen konnte man das jedoch nicht.

Kern der Proteste war die Spaltung innerhalb des Islam in Syrien. Ein Großteil der Regierung und des Militärs besteht aus schiitischen Alawiten. Ein Großteil der syrischen Landbevölkerung besteht allerdings aus Sunniten. Die Sunniten wollten durch die Proteste mehr Einfluss gewinnen. Bei den Protesten wurden die Sunniten von anderen Ländern unterstützt, zum Beispiel von SaudiArabien. Die syrische Regierung wird von schiitischen Ländern unterstützt, allen voran dem Iran.

Es kommt, wie es kommen muss. Die Ausschreitungen werden heftiger und es entwickelt sich ein Flächenbrand. Im Ausland konnte man von den guten Rebellen und den bösen Regierenden hören. Als aus den Rebellen, die die Guten waren, auf einmal der Islamische Staat wurde, sah das anders aus. Die USA mischten mit; denn in Syrien gibt es seltene Bodenschätze und man wollte die Schutzmacht für Israel sein, weil man befürchtete, dass der Iran mehr Einfluss in Syrien bekommt, und die Iraner sind wiederum der erklärte Erzfeind der Israelis. Die Beweislage ist bisher zwar dünn. Aber einige Experten gehen davon aus, dass die USA durch ihre Unterstützung den IS erst groß gemacht haben.

Fakt 2: Spielball der Großmächte. Auf der einer Seite steht der Iran mit seiner geopolitischen Mission auf der arabischen Halbinsel mit Verbindungen zur libanesischen Hisbollah und Russland; auf der anderen Seite stehen die USA, Israel, Saudi-Arabien und die Anti-IS-Koalition.

Die Türkei als Nachbarland nimmt allerdings eine Sonderrolle ein. Erdoğan wollte den Machthaber Assad lange weghaben und konzentriert sich nun auf einen anderen Gegner, nämlich die YPG. Die Angst der Türkei besteht darin, dass die Kurden zu viel Macht bekommen, einen autonomen Staat einrichten, in der Türkei mehr Macht bekommen und vor allem auf dem syrischen Staatsgebiet einen eigenen Staat rund die Region Afrin bekommen. Deshalb kämpft die Türkei mit ihren Soldaten jetzt gegen die YPG.

Es ist noch wichtig, zu wissen, dass die Länder Russland und Iran sowie die Hisbollah offiziell im Land sind, nämlich auf Einladung von Assad. Und seit dem 9. Oktober 2019 läuft die Operation „Quelle des Friedens“; denn Nordsyrien wurde von der YPG kontrolliert. Dort haben die Kurden in Zusammenarbeit mit den USA den IS eigentlich degradiert und ihren autonomen Staat errichtet.

Nach dem Rückzug der kriegsmüden USA werden die Karten in Syrien nun neu gemischt, nämlich zwischen den Kurden, der Türkei, der AssadRegierung und Russland. Die Türkei will entlang der gesamten syrischen Grenze auf einer Breite von 35 km eine Schutzzone einrichten. Das heißt im Grunde, es soll eine Besatzungszone ausgewiesen werden. Da befinden sich aber alle wichtigen Städte, die die Kurden haben. Auch Teile von Öl- und Gasfeldern liegen dort. Und es ist ein strategisch sehr wichtiges Gebiet. Die Türkei will eigentlich verhindern, dass sich in Syrien ein kurdisches autonomes Gebiet etabliert und entwickelt, meine Damen und Herren, ähnlich wie es im Nordirak schon der Fall ist.

Die Türkei spricht deswegen auch von einer Antiterroraktion, die sie durchführt; denn dieses Gebiet wurde von einer Organisation, wie gesagt, der YPG, die der PKK nahesteht, besiedelt. Und diese Organisation ist bereits seit über 40 Jahren in Kriegshandlungen mit der Türkei verwickelt.

Das neueste Ereignis, das es nun gab - ich meine, das habe ich schon einmal ausgeführt; aber das gehört zur Sache dazu, damit der Faden stimmt -, ist das Treffen in Sotschi. Nach sechseinhalbstündiger Verhandlung zwischen Putin und Erdoğan hat man sich auf eine Feuerpause geeinigt. Am Längsten hat man aber um die Frage gerungen, wie groß nun die Sicherheitszone sein soll.

Putin sagte nun, in sehr langen und angespannten Gesprächen sei es gelungen, eine Lösung zu finden, die seiner Meinung nach wichtig und schicksalsträchtig sei. Die russische Militärpolizei soll nun mit der syrischen Armee zuerst dafür Sorge tragen, dass sich die kurdische YPG aus der Sicherheitszone zurückzieht. Danach soll die türkisch-russische Patrouille auf eine 10 km breite Pufferzone gehen.

Erdoğan hat dazu gesagt, in die Gebiete, die von Terroristen gesäubert werden sollen, sollen Flüchtlinge ziehen, die aus Syrien stammen. Es geht also um ein sogenanntes Umsiedlungsprogramm, das Millionen Menschen betrifft.

Was hat Erdoğan politisch erreicht? Mit seinem Instinkt, die Situation auszunutzen und die Schwächen der Amerikaner zu nutzen, hat er fast alle seine politischen Ziele erreicht. Er hat nämlich erstens die Opposition im eigenen Land, die ihn

wegen des Angriffs angreifen wollte, gespalten. Zweitens konnte er die nationalistischen Lager hinter sich vereinen. Drittens hat er vor allem dafür gesorgt, dass Russland und die syrische Regierung in den Norden vorrücken, um bis zur Grenze ein Gebiet zu kontrollieren, das sie vorher nicht kontrolliert haben und das vorher - allgemein gesagt - die Kurden in Form der YPG kontrolliert haben.

Erdoğan hat es also mit seinem Instinkt und Timing, vor allem aber auf dem Rücken der zivilen Bevölkerung erreicht, einen Zustand herzustellen oder herstellen zu lassen, den er als Sieg verkaufen kann. Ob das für ihn sicher ist und wie lange das anhält und Bestand haben wird, wird sich im Laufe der Zeit zeigen. Aber erst einmal steht der strategische Erfolg für Erdoğan. Und der Verlierer dieses Konfliktes ist die zumeist kurdische Zivilbevölkerung.

Aus meiner Sicht hätte man in Syrien mit den USA, Russland, der Türkei und Syrien selbst über eine Schutzzone sprechen müssen, aber nicht unter der Aufsicht der Türkei und Russlands, sondern unter der Aufsicht der UN-Blauhelme. Dann hätte man sichergehen können, dass die Humanität für die Zivilbevölkerung nicht gefährdet wird. Wir können nur hoffen, dass der vereinbarte Waffenstillstand anhält und die Zivilbevölkerung nicht weiter zu Schaden kommt.

Ich möchte hier jedoch noch einmal den GRÜNEN widersprechen, die hier heute davon sprachen, dass man auch IS-Kämpfer zurück nach Deutschland holen müsse. Ich sehe es nicht so. Jeder, der sich radikalisiert hat und aus freien Stücken dort ist oder war, soll auch gefälligst dort bleiben; denn diese Leute tragen den Krieg hier als Stellvertreterkriege auf unsere Straßen. Wir konnten in Deutschland schon unzählige Demos und gewalttätige Ausschreitungen, wie zum Beispiel in Herne, wahrnehmen. Wir in Deutschland sollten erst einmal dafür Sorge tragen, dass solche Ausschreitungen hier bei uns mit aller Konsequenz unterbunden werden.

Welche Rolle dabei auch Ditib spielt, ist die zweite Frage. Daher fordern wir weiter, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen, die NATO-Mitgliedschaft der Türkei zu hinterfragen und gegebenenfalls Sanktionen zu erwägen.

Weiterhin fordern wir, wie es in unserem Antrag steht, den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg von Erdoğans Regime auf Syrien scharf zu verurteilen und sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass deutsche Soldaten auch im Fall einer Ausrufung des NATO-Bündnisfalls durch die Türkei nicht nach Syrien entsendet werden.

Schließlich fordern wir, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, die Waffenexporte, die bereits gebilligt worden sind, nicht zu tätigen.

Kurzum: Da das Meiste schon heute Morgen gesagt worden ist, aber jetzt noch einmal eine Diskussion über dieses Thema stattfindet, bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag oder um Überweisung des Antrags in den zuständigen Ausschuss.

(Zustimmung bei der AfD)

Herr Rausch, es gibt zwei Fragen, und zwar zuerst eine von Herrn Dr. Grube. - Herr Dr. Grube, Sie haben das Wort.

Herr Rausch, Sie haben gesagt, es sollen keine deutschen Soldaten nach Syrien entsandt werden. Das ist in Ihrem Antrag ein bisschen eingeschränkt. Da geht es um völkerrechtswidrige Kampfhandlungen und um den NATO-Bündnisfall. Sie haben eben gleichzeitig gesagt, dass Sie sich ein UN-Mandat, also eine Blauhelm-Mission, wünschen. Würden Sie im Rahmen dieser Mission deutsche Truppen nach Syrien entsenden?

Herr Rausch, Sie haben das Wort.

Vielen Dank für die Frage. Ich habe gesagt, ich hätte mir gewünscht, dass man das im Vorfeld gemacht hätte. Aber ich bin auch Realist genug, um zu erkennen, dass das jetzt nicht mehr infrage kommen wird, weil die Türkei das mit Russland schon gemacht hat.

Ich hätte mir auch vorstellen können, wenn es eine Blauhelm-Mission gewesen wäre und keine kriegerischen Handlungen, dass man sich daran in finanzieller Hinsicht beteiligt hätte; man muss ja keine Soldaten schicken. Das hätte man durchaus machen können. Aber bei dem jetzigen Sachstand bin ich dagegen, Soldaten dahin zu schicken.

Herr Dr. Grube hat noch eine Nachfrage.

Jetzt haben Sie sich ein bisschen um die Antwort herumgemogelt.

(Robert Farle, AfD: Nee, nee!)

Wir haben in der Bundesregierung jetzt zumindest eine Diskussion. Jedenfalls nach dem, was ich aus der Presse kenne, bemüht sich die Verteidigungsministerin - sehr viel näher bin ich da auch nicht dran - im Moment darum, eine solche Blauhelm-Mission zu initiieren. Anders kann man das,

was sie im Moment dargestellt hat, nicht interpretieren.

Zur finanziellen Unterstützung sagten Sie ja. Jetzt nehmen wir einmal den Fall an, dass Frau KrampKarrenbauer mit Kanzlerin und Außenminister insoweit erfolgreich ist. Würden Sie, wenn ein solches Mandat vom Sicherheitsrat erteilt werden würde - die Voraussetzung wäre natürlich, dass Russland zustimmt, anders wäre es im Sicherheitsrat ohnehin nicht möglich -, tatsächlich deutsche Soldaten entsenden?

Herr Rausch, Sie haben noch einmal das Wort.

Vielen Dank. - Ich habe, denke ich, gerade schon gesagt, dass das bei dem Stand, wie er jetzt ist, nicht mehr infrage kommt. Russland wird dem ohnehin nicht zustimmen und wir werden jetzt keine Soldaten mehr entsenden. Wir könnten uns finanziell beteiligen, wenn es eine UN-BlauhelmMission geworden wäre. Das ist es nun nicht, und deswegen ergibt sich auf die Frage ein klares Nein.

Jetzt erteile ich Herrn Gallert das Wort.

Herr Rausch, ich habe Ihrer Rede eine Position entnommen, die ich auch vorher schon kannte. Und zwar geht es darum, dass man IS-Kämpfer oder überhaupt Leute mit deutscher Staatsbürgerschaft, bei denen man vermutet, dass sie dort in der Region vielleicht IS-Kämpfer waren, auf keinen Fall nach Deutschland zurücklassen sollte. Ich habe jetzt bei Ihnen noch einmal gehört, dass man definitiv verhindern müsse, dass diese Leute nach Deutschland zurückkommen.