Protokoll der Sitzung vom 16.12.2019

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne hiermit die 88. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der siebenten Wahlperiode und begrüße Sie auf das Herzlichste. Ich hoffe, dass Sie Ihren großen Redebedarf mittlerweile gestillt haben und wir in Ruhe mit unserer Sitzung beginnen können.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Zur Abwesenheit von Mitgliedern der Landesregierung kann ich Ihnen Folgendes mitteilen: Zur Sitzung des Ältestenrates lagen noch keine Entschuldigungen vor. Aber inzwischen hat Herr Minister Webel mitgeteilt, am heutigen Tage bis 13 Uhr wegen seiner langfristig festgelegten Teilnahme an der feierlichen Verkehrsfreigabe der B 91 - Ortsumfahrung Theißen - gemeinsam mit dem BMVI verhindert zu sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Tagesordnung für die 42. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor.

Ich habe mit der Unterrichtung in Drs. 7/5347 zum heutigen Tage auf Verlangen der Landesregierung die zusätzliche Sitzung einberufen, um noch in dieser Sitzungsperiode die abschließende Beratung des Gesetzes zur Umsetzung der Neuordnung der Rechtsverhältnisse der NordLB zu ermöglichen. Daher werden wir uns heute ausschließlich mit der ersten Beratung des Gesetzentwurfes befassen. Die Landesverfassung sieht in Artikel 77 vor, dass bei Gesetzen zwischen erster und zweiter Beratung mindestens zwei Tage liegen müssen. Daher können und wollen wir dann am Donnerstag die zweite Beratung des Gesetzentwurfes durchführen.

Gibt es zur Tagesordnung aus Ihrer Sicht noch Anmerkungen oder Wortmeldungen? - Das sehe ich nicht. Dann werden wir so verfahren.

Zum zeitlichen Ablauf der 42. Sitzungsperiode: Die morgige 89. Sitzung des Landtages beginnt um 11 Uhr, die 90. Sitzung um 9 Uhr und die darauf folgende 91. Sitzung am Donnerstag um 10 Uhr.

Wir steigen nunmehr in die Tagesordnung ein und kommen zu dem heute einzigen Tagesordnungspunkt, dem

Tagesordnungspunkt 1

Erste Beratung

Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Norddeutschen Landesbank - Girozentrale

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 7/5382

Einbringer des Gesetzentwurfs ist Herr Minister Richter. Sie haben das Wort, Herr Minister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich inhaltlich auf den Gesetzentwurf eingehe, möchte ich mich zunächst recht herzlich bei Ihnen für die Terminierung dieser heutigen Sondersitzung des Landtages bedanken. Nur so kann der Vollzug der geplanten Kapitalmaßnahmen noch in diesem Jahr zeitlich sichergestellt werden.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass die zeitlichen Zwänge, die sich für das parlamentarische Verfahren nun ergeben, nicht durch das Agieren der Landesregierung Sachsen-Anhalts zu vertreten sind.

In den letzten sechs Monaten handelten die Vertragsparteien mit der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank intensiv die Details des gesamten Maßnahmenpaketes aus. Diese Verhandlungen zogen sich bis Mitte November hin. Ein früherer Beginn des Gesetzgebungsverfahrens war mithin nicht möglich. Der Finanzausschuss des Landtages wurde meinerseits jedoch fortlaufend über den aktuellen Verfahrensstand informiert.

Neben acht Befassungen im Rahmen der normalen Sitzungen des Ausschusses für Finanzen fanden insgesamt vier Sondersitzungen zum Themenkomplex NordLB in den letzten anderthalb Jahren statt. Im Rahmen dieser Sitzungen wurden die Details der Kapitalmaßnahmen vorgestellt und beraten.

Im Mai 2019 wurde dem Parlament der heute zur Beschlussfassung vorliegende Staatsvertrag gemäß der Landtagsinformationsvereinbarung vorab zur Kenntnis gegeben.

Dieser inhaltlich unveränderte Staatsvertrag wurde nunmehr am 6. Dezember 2019, also einen Tag nach der Genehmigung der Kapitalmaßnahme durch die EU-Kommission, durch den Finanzminister und die Finanzminister der beiden anderen Länder, somit der drei beteiligten Länder, beschlossen.

Meine Damen und Herren! Der Abschluss des Staatsvertrages ist notwendig gewesen, um den Stützungseinrichtungen der Sparkassen und der Landesbanken die Möglichkeit zu eröffnen, Träger der Bank zu werden. Erst mit der Trägerstellung können diese entsprechendes Stützungskapital in die Bank einzahlen.

Lassen Sie mich noch einmal kurz die Grundzüge der Kapitalmaßnahmen vorstellen: Die Alt- und Neuträger der Bank beabsichtigen, Maßnahmen zur Kapitalstärkung mit einem Gesamtvolumen von insgesamt rund 3,6 Milliarden € umzusetzen.

Einerseits sollen von den Alt- und Neuträgern der Bank Barkapitalbeiträge mit einem Volumen von rund 2,8 Milliarden € geleistet werden. SachsenAnhalt wird davon rund 200 Millionen € übernehmen. Das Land Niedersachsen übernimmt rund 1,5 Milliarden €, die Sparkassenverbände Niedersachsens, Mecklenburg-Vorpommerns und Sachsen-Anhalts sowie der Stützungsfonds der Sparkassen und Landesbanken zusammen rund 1,1 Milliarden €.

Andererseits übernimmt das Land Niedersachsen über die Barkapitaleinzahlung hinaus drei Finanzgarantien im Bereich der Schiffs- und Flugzeugfinanzierung sowie im Bereich der Gesundheitsbeihilfeverpflichtungen der Bank. Zudem nimmt das Land Niedersachsen Beteiligungsankäufe vor, nämlich die Lotto-Toto-GmbH Niedersachsen und die Porzellanmanufaktur Fürstenberg.

Die Kapitalauswirkung für diese genannten Maßnahmen beträgt rund 800 Millionen €. Die NordLB selbst wird im Zuge der Umsetzung der Kapitalmaßnahmen stark umstrukturiert. So reduziert sich die Bilanzsumme von heute rund 150 Milliarden € auf zukünftig rund 100 Milliarden €, also um ca. ein Drittel.

Das Geschäftsmodell wird angepasst, die Schiffsportfolien, die ursächlich für die Krise der Bank waren, werden vollumfänglich abgebaut. Ein Großteil des Abbaus ist bereits vollzogen bzw. wird nach der Kapitalzufuhr vollzogen.

Diese wesentlichen Eckpunkte der Kapitalmaßnahmen wurden mit der Bankenaufsicht und der EU-Kommission, wie bereits dargestellt, in den letzten Monaten im Detail abgestimmt. Am 5. Dezember 2019 entschied die EU-Kommission, dass das Maßnahmenpaket marktüblichen Bedingungen entspricht. Diese Maßnahmen stellen mithin keine staatliche Beihilfe im Sinne der EU-Vorschriften dar. Mit dieser Genehmigung durch die EU-Kommission war eine große Hürde zur Umsetzung der Maßnahmen genommen.

Meine Damen und Herren! Bevor ich auf die weiteren zeitlichen Schritte eingehe, möchte ich Ihnen nochmals die entscheidenden Beweggründe

darlegen, warum die Landesregierung sich letztlich für eine Beteiligung an den Kapitalmaßnahmen ausgesprochen hat.

Würden wir nicht helfen, sähe das Alternativszenario wie folgt aus: Bei einer Ablehnung der Beteiligung des Landes an den Kapitalmaßnahmen wäre das gesamte Rettungspaket mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zustande gekommen, da insbesondere die Stützungsfonds der Sparkassen und Landesbanken eine aktive Beteiligung aller Altträger der Bank, also auch des Landes Sachsen-Anhalt, in ihrem Satzungswerk als Grundbedingung für ein helfendes Einschreiten vorgesehen haben.

Bei einem Scheitern der Rekapitalisierung müsste die Bank aufgrund der bereits bestehenden Unterkapitalisierung abgewickelt werden. Die Bankenaufsicht würde ein sogenanntes BaFin-Verfahren durchführen. Dies bedeutet, dass ein Großteil der Gläubiger der NordLB ihre Forderungen gegen die Bank hätten abschreiben müssen.

Aufgrund der bundesweit verbreiteten Verbundgeschäfte, die Sparkassen und Landesbanken miteinander tätigen, wären bei diesem Verfahren bundesweit Sparkassen - so natürlich auch die Sparkassen in Sachsen-Anhalt - und Landesbanken massiv betroffen gewesen. Durch eine Abwicklung der NordLB wären weitere Banken aus dem Sparkassen- und Landesbankenlager in bilanzielle Schieflage geraten. Eine nicht steuerbare Abwärtsspirale mit signifikant negativen Folgen für Kunden von Sparkassen und Landesbanken wäre die Folge gewesen.

Dies galt und gilt es auch mit Blick auf Hunderttausende Menschen in Sachsen-Anhalt zu verhindern, die über ihre Konten bei den Sparkassen verfügen, ganz davon abgesehen, welche wichtige gesellschaftsrechtliche Rolle die Sparkassen in den Landkreisen über das reine Finanzgeschäft hinaus haben.

Darüber hinaus wäre auch das Land selbst im Falle einer Abwicklung negativ betroffen, da ein Teil der Verbindlichkeiten der Banken landesseitig über die Regelungen der Gewährträgerhaftung hätte übernommen werden müssen.

In einer Worst-Case-Betrachtung wären auf das Land Zahlungsverpflichtungen in Höhe von mindestens 100 Millionen € für bestehende Altverbindlichkeiten und Personenverpflichtungen der Bank zugekommen.

Neben diesen direkten Zahlungsverpflichtungen des Landes hätte eine Abwicklung der Bank auch signifikante Auswirkungen auf das Fördergeschäft des Landes gehabt, da die Investitionsbank des Landes nicht über eine eigene Banklizenz verfügt, sondern die Lizenz der NordLB nutzt. Die Hand

lungsfähigkeit der Investitionsbank wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Abwicklung massiv eingeschränkt gewesen. Auch dies hat die Landesregierung bei der Entscheidung, ob sich das Land an einer Kapitalstärkungsmaßnahme beteiligen wird, berücksichtigt.

Ich bitte Sie alle, auch diejenigen, die sich mit einer Bankenrettung schwertun, das eben Gesagte nicht zu verschweigen; denn natürlich kann man mal schnell sagen: Für eine Bank ist Geld da, für andere Maßnahmen nicht.

(Beifall bei der AfD)

Selbst dann, wenn man diese Bankenrettung nicht will, müssen unseren Bürgern die von mir beschriebenen Gründe, warum wir die NordLB jetzt finanziell unterstützen, mit allen Konsequenzen deutlich gemacht werden. Wir tun dies nämlich nicht aus Nächstenliebe zu Banken, wir tun dies aus Verantwortung für die öffentlich-rechtliche Bankenlandschaft mit unseren Sparkassen.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Auch da geht es um Menschen, die ihr Geld bei den Sparkassen gut geschützt wissen wollen.

Meine Damen und Herren! Um zu große Abhängigkeiten von der NordLB in Zukunft zu vermeiden, hat sich das Land nunmehr vertraglich eine Option zum Herauslösen der Investitionsbank und eine Option zugunsten des Landes für die Veräußerung der Kapitalanteile an der NordLB zu marktgerechten Konditionen nach dem Ende der Stützungsmaßnahme an einen oder mehrere andere Träger der NordLB zusichern lassen.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Richtig!)

Zudem wurde vertraglich vereinbart, dass nach dem Ende der Stützungsmaßnahmen und dem dann möglichen Ausscheiden der Stützungsfonds für die Altträger der Bank und damit auch für das Land Sachsen-Anhalt keine zusätzlichen finanziellen Verpflichtungen entstehen werden. Ich denke, mit diesem Verhandlungsergebnis können wir zufrieden sein.

Meine Damen und Herren! Inhaltlich schafft der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf die haushaltsrechtliche Grundlage für die Zahlung des vom Land Sachsen-Anhalt zu leistenden Kapitalbeitrages.

Der weitere zeitliche Ablauf sieht wie folgt aus: Direkt im Anschluss an diese Sondersitzung des Landtages wird der Gesetzentwurf im Finanzausschuss beraten. Dort wird eine Beschlussempfehlung erarbeitet und an die Mitglieder des Landtages verteilt werden.

Am 19. Dezember sollen die zweite Lesung des Landtages und die finale Beschlussfassung erfol

gen. Taggleich werden die Gegenzeichnung der Urschrift des Zustimmungsgesetzes durch den Ministerpräsidenten und durch mich selbst sowie die Ausfertigung durch die Landtagspräsidentin erfolgen. Am 20. Dezember würde das Zustimmungsgesetz dann verkündigt werden. Am Samstag, den 21. Dezember, würden das Gesetz in Kraft treten und die Ratifizierungsurkunde zum Staatsvertrag durch den Ministerpräsidenten unterschrieben und bei der Staatskanzlei des Landes Niedersachsen hinterlegt werden. Damit würde der Staatsvertrag offiziell in Kraft treten.

Das Inkrafttreten des Staatsvertrages ist eine entscheidende Vollzugsbedingung für die Umsetzung der gesamten Kapitalmaßnahme. Erst wenn dies geschehen ist, können alle am Verfahren beteiligten Vertragsparteien ihre Kapitalbeiträge leisten. Die Zahlung des Kapitalbeitrages ist derzeit für den 23. Dezember vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Soweit Sie Fragen zum Verfahren haben sollten, bin ich gern bereit, diese entweder im Rahmen der Lesung oder der folgenden Ausschussberatungen zu beantworten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)