Ich danke Herrn Kirchner für den Redebeitrag. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Frau Lüddemann das Wort. - Frau Lüddemann, Sie haben das Wort.
Vielen Dank. - Schaut man in den aktuellen Schuldneratlas von Creditreform, Wirtschaftsforschung 2019, dann findet sich im Ranking der Überschuldungsquoten der Personen über 18 Jahre in deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten selbst der bestplatzierte Kreis unseres Bundeslandes, nämlich Wittenberg, im unteren Drittel auf Platz 273 von 401.
Die Überschuldungsquote unserer Bevölkerung ist leider - das ist auch wenig überraschend, weil nicht zum ersten Mal - in allen Landkreisen und kreisfreien Städten überdurchschnittlich hoch.
Im Ländervergleich stehen wir mit einer Verschuldungsquote von 12,7 % an vorletzter Stelle. Das ist bereits gesagt worden. Thüringen mit 9,2 % und Sachsen mit 9,8 % liegen deutlich vor uns in der Spitzengruppe.
Darüber, warum unsere Nachbarn in Sachen Verschuldung von Privathaushalten so viel besser dastehen, kann man sicherlich Tage und Abende füllend diskutieren. Für eine nachhaltige Verbesserung in diesem Bereich wird es darum gehen müssen, die eigentlichen Gründe für Verschuldung in unserem Bundesland in den Blick zu nehmen.
Wirft man einen etwas tieferen Blick In den Schuldenatlas, dann begegnen einem zahlreiche mögliche Ansatzpunkte, vom dauerhaften Niedriglohn als Risikofaktor für Überschuldung über rationales, vielmehr irrationales Kaufverhalten - übersteigertes rationales Kaufverhalten mag auch ein Grund sein, aber in der Regel ist es eher irrationales Kaufverhalten - bis hin zum Anstieg von Überschuldungsfällen bei Personen über 50 Jahren, Überschuldung infolge von Krankheit, Unfall oder Sucht.
zu lassen, denn der Lärm in diesem Saal stört doch sehr. Ich selbst höre schon fast gar nichts mehr. In allen Ecken murmelt man.
Allein der letzte Punkt führt zu einer für mich zu einer für mich offenen Frage: Inwieweit kooperieren eigentlich Sucht- und Schuldnerberatung? Welche Netzwerke bestehen? Wird das bei uns im Land zusammengedacht? Das Thema verdient es im Grunde, in aller nötigen Breite diskutiert zu werden.
An dieser Stelle ist für mich aber vor allem eines entscheidend: Wir haben als Land diesen hohen Bedarf an Schuldner- und Insolvenzberatung zu decken. Wir dürfen die Menschen bei uns im Land mit ihren Schulden nicht alleine lassen.
Daher bin ich froh, dass wir im Haushaltsentwurf eine bedarfsgerechte Förderung der Insolvenzberatung verankert haben. Die darin eingestellten, leicht gekürzten Fördermittel ergeben sich aus dem geringeren Mittelabfluss im Jahr 2019. Der Rechtsanspruch auf Erstattung der anfallenden Kosten besteht uneingeschränkt fort.
Noch besser wäre natürlich ein programmatischer und verbindlicher Alternativantrag der KeniaKoalition gewesen. Das hätte ich mir gewünscht; deswegen vorhin auch meine Nachfrage an den Kollegen Krull.
Aber es gab, wie wir eben gehört haben, eine Fraktion, nämlich die Fraktion der CDU, die die Erleichterung für Verbraucher hinsichtlich einer Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre, wie es die entsprechende EU-Richtlinie empfiehlt und das Bundesjustizministerium plant, nicht mittrage wollte.
Hier war eine härtere Linie gegen die Schuldnerinnen und Schuldner im Land gewünscht. Sozialpolitisch ist das aus meiner Sicht eine Bankrotterklärung. Zum Glück entscheiden aber nicht wir über die Verkürzung auf drei Jahre und auf der Bundesebene sieht es ja ganz gut aus; das haben wir gehört.
Das werden wir dann sicherlich im Land umsetzen müssen, wenn es dann nicht nur Brüssel, sondern auch Berlin so will. Deswegen ist es gut, wenn wir jetzt im Ausschuss darüber diskutieren, bis wir dann die Direktiven aus Berlin haben. - Vielen Dank.
(Zurufe: Mikro! Mikro! - Tobias Krull, CDU, schaltet das Mikrofon ein - Frank Scheurell, CDU: Jetzt ist die liebliche Stimme zu hören!)
- Lieblich, das merke ich mir. - Jetzt aber ernsthaft: Sie haben eben davon gesprochen, dass die EU-Richtlinie auch von den Verbrauchern ausgeht. Soweit ich die EU-Richtlinie kenne, geht sie vor von den Unternehmen aus. Wenn wir das also auch für Verbraucher umsetzen, wäre das ein on top auf Bundesebene. Dieses on top wird bei uns noch intern diskutiert, weil es zum einen darum geht, den Schuldnern einen Weg in eine finanzielle Unabhängigkeit zu eröffnen. Aber wir müssen auch an die Gläubiger denken, die berechtigte Forderungen haben. Diese gar nicht zu beachten ist auch nicht angemessen.
Die kriegen das Geld so oder so nicht zurück. - Also, es gibt eine EU-Richtlinie, die das für Unternehmen vorsieht. Das haben Sie mehrfach sehr richtig beschrieben. Es gibt aber auch eine klare Empfehlung der EU, die Frist für Verbraucherinnen und Verbraucher ebenfalls auf drei Jahre zu verkürzen.
Ich habe die Bundesjustizministerin so verstanden, dass sie dieser Empfehlung Folge leisten wird und dass sie das dann auch den Bundesländern so empfehlen wird. Das möchte ich gern sichergestellt wissen.
(Siegfried Borgwardt, CDU: Liebe Frau Lüd- demann, das steht in der Richtlinie nicht drin! Das möchtest du, aber das steht in der Richtlinie nicht drin!)
Ich habe doch gerade gesagt: In der EU-Richtlinie steht eine Empfehlung und diese Empfehlung hat die Bundesjustizministerin - wie ich finde, dankenswerter- und richtigerweise - aufgenommen. Ich hätte mir gewünscht, dass auch wir das tun. Aber wir können auch gern warten, bis es vom Bundesjustizministerium noch verbindlichere
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Lüddemann für ihren Redebeitrag. Für die SPD spricht die Abg. Frau Dr. Späthe. - Frau
Wir sind uns darin einig, dass jeder, der Hilfe braucht, auch Hilfe bekommen muss. Dazu müssen erstens die Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen angemessen und bedarfsgerecht ausgestattet werden. Zu den finanziellen Fakten und zu der vorgesehenen Novellierung der Finanzierungsrichtlinie hat Ministerin Grimm-Benne bereits ausgeführt; das lasse ich jetzt weg.
Zweitens. Jeder, der aus den hier schon in ihrer vollen Bandbreite genannten Gründen in diese Not gerät, hat eine zweite Chance verdient. Dennoch, meine Damen und Herren: Es wurde schon darauf hingewiesen, dass es zu jedem Schuldner auch einen oder mehrere Gläubiger gibt, eine Institution oder in vielen, vielen Fällen Privatpersonen oder Handwerksbetriebe oder Dienstleister oder Vermieter. Aus diesem Grund empfinde ich auch bei Einhaltung aller in der Verordnung vorgeschriebenen Bedingungen eine Restschuldbefreiung nach bereits drei Jahren als nicht so gut. Ich hoffe, die ausführliche Darstellung des Sachverhalts im Ausschuss trägt dazu bei, meine Bedenken dahin gehend auszuräumen.
Des Weiteren sollten wir alle miteinander eher darüber reden, dass die Prävention im Sinne von Verbraucherbildung verstärkt in alle Lehrpläne und in alle familienpädagogischen Angebote aufgenommen wird und dazu beiträgt, dass es gar nicht erst zu solchen Verschuldungssituationen kommt. - Vielen Dank.
Ich danke Frau Dr. Späthe für den Redebeitrag. Für die Fraktion DIE LINKE hat noch einmal Frau Eisenreich das Wort. - Frau Eisenreich, Sie haben das Wort.
Vielen Dank. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war sehr erfrischend, dem Dialog innerhalb der Regierungskoalition zu folgen. Ich glaube, das ist bei den internen Gesprächen gar nicht viel anders gelaufen. Ich möchte Frau Lüddemann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausdrücklich für ihren Beitrag hier danken; denn dieser hat uns in vielen Teilen genau aus dem Herzen gesprochen.
Beratungsstellen gesagt wurde: Ein Nichtabrufen von Mitteln hat Ursachen. Ich glaube, diese müssen erforscht werden. Wenn man dann einen Haushaltsansatz kürzt mit der nach außen, an Externe gerichteten Ansage: Wenn ihr es dann braucht, dann wird das Geld schon zur Verfügung stehen - ich glaube, dazu sind die Erfahrungen in diesem Land einfach andere. Ich kann richtig gut nachvollziehen, warum die Vertreterinnen der Beratungsstellen dann sagen: Na ja, Nachtigall, ick hör dir trapsen, mit dem Geld wird es dann wohl nichts.
Hinzu kommt natürlich: Wenn ich nicht tarifgerecht entlohne, werde ich auch keine Fachkräfte bekommen. Das Problem der Fachkräfte besteht nicht nur in diesem Bereich, sondern in allen. Deswegen müssen wir uns eingestehen: Wer hier nicht richtig bezahlt, der wird auch keinen kompetenten Menschen an die entsprechende Stelle bekommen.
Frau Dr. Späthe, ich danke Ihnen ausdrücklich dafür, dass Sie das Thema Prävention, das ich in meiner Rede nur kurz ansprechen konnte, noch einmal aufgerufen haben. Verbraucherinnenbildung ist durchaus ein wichtiges Thema, aber ich glaube, wir dürfen einen Punkt nach wie vor nicht vergessen - ich habe ihn in meiner Rede genannt -: Es ist die Problematik Niedriglohn bzw. Niedrigrente, die den Menschen hier die Kehle zuschnürt, sodass sie sich dann überschulden. Denn sie müssen ihr Leben doch irgendwie meistern.
Ungeachtet dessen danke ich dafür - wir stimmen dem auch zu -, dass Sie über diesen Antrag im Ausschuss beraten wollen. Es ist tatsächlich so: Die Verkürzung auf drei Jahre bei privaten Verbraucherinnen ist eine Empfehlung der EU. Dieser sollten wir auch nachkommen.
Dann wollen wir vielleicht auch mit dem Märchen aufräumen, das besagt, dass diese ganzen Schuldnerinnen auch eine Gegenseite, Gläubigerinnen, haben, die dann auf diesem Geld sitzen bleiben. Ich glaube, die Summen, um die es bei privaten Schuldnerinnen geht, sind weitaus geringer als jene, die vielleicht bei Insolvenzen von Unternehmen eine Rolle spielen, doch da sind drei Jahre inzwischen gesetzlich schon möglich.
Also lassen wir doch bitte die Kirche im Dorf, und tun wir nicht so, als ob daran nun die Unternehmen zugrunde gehen.