Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 93. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der siebenten Wahlperiode und begrüße Sie auf das Herzlichste.
Wir setzen nunmehr die 43. Sitzungsperiode fort und beginnen die heutige Beratung mit der Aktuellen Debatte.
Ich erinnere daran, dass für heute Herr Minister Robra ab 12:30 Uhr und Herr Minister Prof. Dr. Willingmann ganztägig entschuldigt sind.
Die Redezeit je Fraktion beträgt zehn Minuten. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten.
Zunächst hat die Antragstellerin, DIE LINKE, das Wort. Der Abg. Herr Gebhardt steht schon in den Startlöchern. Sie können sofort beginnen. Sie haben jetzt das Wort, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits im vergangenen Jahr kündigte die Kölner DuMont-Gruppe an, ihre Zeitungsaktivitäten auf den Prüfstand zu stellen und sich gegebenenfalls von ihnen zu trennen. Am 15. Januar 2020 wurde nun bekannt, dass eine Entscheidung diesbezüglich gefallen ist und dass die Mediengruppe „Mitteldeutsche Zeitung“ an die Bauer Media Group verkauft werden soll, also an das Verlagshaus, das die zweite von zwei
Damit wird die Bauer Media Group zum größten und quasi auch zum einzigen Zeitungsverleger in Sachsen-Anhalt. Der Kauf muss allerdings noch vom Bundeskartellamt genehmigt werden. - So weit die bekannte Ausgangslage.
Nun sollten zunächst jeder und jede in SachsenAnhalt erleichtert sein, dass es mit der „Mitteldeutschen Zeitung“ weitergeht, dass sich ein Verlagshaus gefunden hat. Es ist kein Geheimnis, dass die wirtschaftlichen Probleme der Tageszeitungen, nicht nur in Sachsen-Anhalt, seit Jahren wachsen - wobei nach meinem Kenntnisstand bei der „Mitteldeutschen Zeitung“ keine roten Zahlen geschrieben wurden. Aber die großen Medienkonzerne müssen sich verändern, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben.
Aufgrund des Drucks der Entwicklungen, unter anderem im Social-Media-Bereich, fügen die Verlagshäuser ihrem Portfolio neue Sparten und Geschäftsfelder hinzu, die nicht ausschließlich etwas mit Journalismus zu tun haben müssen. Ein Personalabbau in den regionalen Zeitungshäusern ist die Folge dieser Entwicklung. Dieser Abbau, meine Damen und Herren, findet eben auch in den Redaktionsstuben statt, also an den Stellen, wo der langjährige Redakteur oder die langjährige Redakteurin mit seiner oder ihrer Lokalkompetenz relevante Themen aus dem Lebensumfeld der Leserschaft generiert.
Bedeutet die Zusammenlegung beider Tageszeitungen unter einem Verlagshaus also den Erhalt des Lokaljournalismus in Sachsen-Anhalt, wäre dies zu begrüßen. Entsprechend positiv lautet auch die Botschaft beider Verlagshäuser. Die Bauer Media Group spricht von Synergieeffekten und einer guten Ausgangslage zum Erhalt des regionalen Journalismus in Mitteldeutschland. Auch der verkaufende DuMont-Verlag unterstreicht die Vorteile eines starken Verbundes mit der Mediengruppe Magdeburg als richtigen und zukunftsfähigen Ansatz. - So weit die offiziellen Verlautbarungen.
Die Redakteure fragen sich allerdings zu Recht, was diese Entwicklung für sie mittel- und langfristig bedeutet. Dass die rund 1 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der gesamten Mediengruppe „Mitteldeutsche Zeitung“ übernommen werden und sämtliche Vereinbarungen bestehen bleiben sollen, ist zunächst eine bloße Ankündigung, deren Umsetzung abzuwarten bleibt. Aber wir haben natürlich die Hoffnung, dass dies Realität wird.
Die Politik sollte sich fragen: Was bedeutet der Verkauf für die publizistische Medienvielfalt in Sachsen-Anhalt? - Fakt ist: Die „MZ“ und die
„Volksstimme“ sind ähnlich groß - die „Mitteldeutsche Zeitung“ bringt derzeit 17 Lokalausgaben mit einer Auflage von mehr als 150 000 Exemplaren täglich heraus und darüber hinaus das Newsportal „mz-web.de“, die Anzeigenblätter „Wochenspiegel“ und „Super Sonntag“ sowie den regionalen TV-Sender TV Halle. Die Auflage der „Volksstimme“ ist mit 18 Lokalausgaben und rund 150 000 Exemplaren täglich ähnlich hoch.
Meine Damen und Herren! Eines muss klar sein: Mit Zustimmung des Bundeskartellamtes wird die Bauer Media Group das Monopol auf dem Zeitungsmarkt in Sachsen-Anhalt haben. Mit dieser Zusammenführung und der damit verbundenen Medienkonzentration verändert sich unweigerlich auch die Struktur des Medienmarktes in SachsenAnhalt insgesamt.
Es ist nicht neu, dass wirtschaftliche Aspekte, wie sie beim Verkauf der „Mitteldeutschen Zeitung“ an den Bauer-Verlag entscheidend sind, auch starken Einfluss auf die inhaltliche Vielfalt der Berichterstattungen haben. Der Trend zu Zentralredaktionen, wie bei den Medienhäusern Funke oder Madsack, hat in den letzten Monaten und Jahren stark zugenommen. Analysen dieses Trends zeigen deutlich, dass die Vielfalt der Berichterstattung unter dieser Konzentration leidet. Die Gefahr von Standardisierungen, Imitationen, Angebotsausdünnung und inhaltlicher Homogenisierung, der Verlust von Alternativen und eine zunehmende Dominanz gehen weit über ökonomische Folgen hinaus.
Im gesellschaftlichen wie im privaten Leben sind Medien als sinnstiftende, meinungsbildende und auch kontrollierende Instanz von besonderer Bedeutung. Eine vielfältige Medienlandschaft ist zwar kein Garant, aber doch eine Grundvoraussetzung für eine Berichterstattung, die den Bürgerinnen und Bürgern ein breites Themenspektrum bietet und eine Vielfalt an Meinungen zur Verfügung stellt.
Sachsen-Anhalt ist mit zwei regionalen Tageszeitungen, die weitgehend getrennte Verbreitungsgebiete aufweisen, im Printmedienmarkt ohnehin nicht besonders breit aufgestellt - um es einmal vorsichtig auszudrücken. Die Übernahme der „Mitteldeutschen Zeitung“ durch die Bauer Media Group und der damit einhergehende Verlust gesunder Konkurrenz bedeutet ganz klar auch eine Gefahr für die vielfältige journalistische Berichterstattung.
Ich gehe davon aus, dass wir uns hier in einem einig sind: Medienvielfalt und damit auch publizistische Vielfalt ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht nur wünschenswert, sondern unbedingt schützenswert.
Unverzichtbar für ein vielfältiges Informationsangebot sind Nachrichten über aktuelle Themen in unserer unmittelbaren Umgebung, und das gerade in einer globalisierten Welt und bei zunehmender Komplexität der Themenfelder.
Wie wichtig Tageszeitungen hierbei nach wie vor sind, zeigt der Vielfaltsbericht der Medienanstalten aus dem Jahr 2018. Er analysiert und beleuchtet die zahlreichen Facetten der Medienvielfalt. Dieser Bericht stellt fest, dass Tageszeitungen unter allen Medien den höchsten informierenden Nutzungsanteil aufweisen. Ein Anteil von 88 % derjenigen, die eine Tageszeitung lesen, nehmen auch Informationen über das Zeitgeschehen wahr. Tageszeitungen sind damit das wichtigste lokale Informationsmedium.
Bei einer Auflage der „Mitteldeutschen Zeitung“ und der „Volksstimme“ von insgesamt ca. 300 000 Exemplaren täglich kann man davon ausgehen, dass mindestens doppelt so viele Menschen diese dann auch wahrnehmen. Das sind also mindestens 600 000 Menschen, die täglich meinungsrelevante Inhalte über die Tageszeitungen in Sachsen-Anhalt wahrnehmen. Diese Menschen erwarten journalistische Qualität.
Die Fraktion DIE LINKE erwartet, dass die Bauer Media Group ihrer Verantwortung für die Medienlandschaft in unserem Bundesland gerecht wird.
Keinesfalls dürfen die „Volksstimme“ und die „Mitteldeutsche Zeitung“ unter einer gemeinsamen Mantelredaktion zusammengefasst werden. Die publizistische Unabhängigkeit sowohl der „Mitteldeutschen Zeitung“ als auch der „Volksstimme“ muss aus unserer Sicht strikt gewahrt bleiben.
Meine Damen und Herren! Wir haben uns bewusst für eine Aktuelle Debatte und gegen einen Antrag zu diesem Thema entschieden. Die Entscheidung darüber, ob der Verkauf rechtskräftig wird und, wenn ja, zu welchen Bedingungen, liegt beim Bundeskartellamt. Ein Beschluss aus dem politischen Raum wäre hierbei wenig hilfreich.
Notwendig ist aus unserer Sicht aber ein Signal aus der Politik, ein Signal für die Bedeutung der publizistischen Meinungsvielfalt für eine demokratische Gesellschaft und ein Signal für die Bedeutung einer objektiven und neutralen Berichterstattung, eines unabhängigen Journalismus, der auf der Basis von solider journalistischer Sorgfalt arbeitet.
Meine Damen und Herren! Nicht selten ärgern wir uns über die eine oder andere Berichterstattung. Wir freuen uns aber auch und wissen es wertzuschätzen, wenn wir mit unseren Themen in den Tageszeitungen Platz finden und die Bürgerinnen und Bürger darüber informiert werden, was wir
hier tun und was wir hier beschließen. Manche Dinge weiß man eben erst dann richtig zu schätzen, wenn es sie nicht mehr gibt. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank für die Einbringung, Herr Abg. Gebhardt. Ich sehe keine Fragen. - Ach doch, Herr Dr. Tillschneider, Entschuldigung. Ich habe Sie nicht vergessen. Ich habe Sie sogar aufgeschrieben. Sie dürfen jetzt Ihre Frage stellen. Bitte.
Ja, Herr Gebhardt, die Konzentration von „Mitteldeutscher Zeitung“ und „Volksstimme“ in einer Hand wäre doch nur dann ein Problem, wenn sich diese beiden Blätter irgendwie unterscheiden würden. Ich meine jetzt in der politischen Ausrichtung, in der Tendenz, also wenn das eine Blatt eher liberal und das andere irgendwie konservativ wäre
oder wenn man irgendwie einen Unterschied wahrnehmen würde. Also, das eine ist ein linksliberales Käsblatt genauso wie das andere.
Aber jetzt richte ich die Frage an Sie: Worin unterscheiden sich denn diese Blätter, sodass es wirklich ein Verlust wäre, wenn sie in einer Hand zusammengefasst würden?
Herr Tillschneider, diesbezüglich habe ich eine komplett andere Wahrnehmung. Bei der „Mitteldeutschen Zeitung“ und bei der „Volksstimme“ arbeiten erst einmal verschiedene Menschen. Sie arbeiten nicht in einer Redaktion zusammen. Deswegen hat man es sehr häufig, dass man in der einen Zeitung den Kommentar und in der anderen Zeitung einen anderen Kommentar liest. Ich verstehe unter publizistischer Vielfalt, dass auch Meinungsvielfalt stattfindet. Das geht nur mit getrennt arbeitenden Redaktionen. Darauf habe ich hingewiesen.
Im Übrigen gibt es häufig Berichte über Veranstaltungen oder Landtagssitzungen, über die ich in der „Volksstimme“ die eine Aussage und in der „Mitteldeutschen Zeitung“ eine konträre Aussage finde. Ich denke, das müssen unterschiedliche Veranstaltungen gewesen sein. Auch das erlebe ich sehr häufig. Darüber schmunzelt man dann. Darüber ärgert man sich vielleicht auch. Vielleicht ist man auch hier und da verwundert. Aber es ist
Vielen Dank. Jetzt sehe ich tatsächlich keine Wortmeldungen mehr. - Für die Landesregierung spricht jetzt der Staatsminister Herr Robra. Bitte, Sie haben das Wort.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Artikel 5 des Grundgesetzes verpflichtet uns, für Medienvielfalt zu sorgen, weil Medienvielfalt Meinungsfreiheit gewährleistet und transportiert. Das ist die Grundlage des demokratischen Prozesses.