Protokoll der Sitzung vom 31.01.2020

Kollege Striegel, wir diskutieren heute über die soziale Marktwirtschaft. Wenn ein Unternehmer weiß, dass für sein Produkt nicht genügend Fachkräfte auf dem Markt verfügbar sind, dann muss er innovativ sein und seine Arbeiten beispielsweise automatisieren. Was Sie als Mangel beklagen, ist ein Grund für eine Innovation.

Wenn Sie sich anschauen, welche Innovationen in den letzten Jahrzehnten auf den Weg gebracht worden sind, dann muss man deutlich sagen, dass diesbezüglich viel passiert ist.

Wenn wir aber in Betriebe schauen, in denen die Handarbeit noch Vorrang hat - ich rede jetzt nicht über einen Handwerksbetrieb -, dann müssen wir uns die Frage stellen, ob wir in dem Wettbewerb um Arbeitskräfte, im Wettbewerb um Akademiker oder aber auch im Wettbewerb um Fachkräfte, die von ihrer Hände Arbeit in Handwerksbetrieben leben, die richtige Balance in der Chancengleichheit gefunden haben.

Ihre Partei - das können Sie an vielen Dingen ablesen - favorisiert die Akademisierung. Wenn es nach Ihnen geht - das können Sie heute gern dementieren -, dann sollten alle Leute studieren. Wir alle wissen: Nicht alle können studieren,

(Zustimmung bei der CDU)

weil einfach ihre persönlichen Fähigkeiten dafür nicht ausreichend sind. Wir müssen wieder lernen, dass wir diesen Leuten sagen, nicht nur der Studierte hat eine gute Lebensperspektive, sondern auch die Fachkraft mit einem ordentlichen Bildungsabschluss, mit einem ordentlichen Berufsabschluss hat eine genauso gute Perspektive.

Wenn wir es schaffen, diese Balance wieder so herzustellen, dann haben wir, glaube ich, keinen Fachkräftemangel, sondern wir haben eine gerechtere Verteilung. Ich glaube, dann werden wir über andere Probleme nicht in dem Umfang reden müssen, wie wir das im Ergebnis dessen, was in

den letzten zehn bis 15 Jahren in diesem Land passiert ist, heute tun müssen.

Sie haben eine Nachfrage, Herr Striegel.

Ich habe eine Nachfrage. Der Kollege Thomas hat es verstanden, sich in einer ganzen Reihe von Sätzen um die Frage herumzudrücken, die ich ihm gestellt habe.

(Oliver Kirchner, AfD: Er hat klar geantwor- tet!)

Der Punkt, auf den ich hinauswill, hat nichts mit Akademisierung oder Nichtakademisierung zu tun. Ich höre allenthalben von den Kammern - - Ich kann das nachvollziehen, weil ich das auch in den Gesprächen höre, die ich mit kleinen und großen Unternehmen führe. Es gibt eine Sache, die uns immer wieder gesagt wird: Uns fehlen nicht nur Akademiker, sondern uns fehlen in den Unternehmen inzwischen tatsächlich auch Menschen, die einfache Hilfs- und Unterstützungstätigkeiten leisten.

Meine Frage an Sie war - dabei geht es zunächst nicht um Innovationen -: Welche Mechanismen schlagen Sie als CDU auf Bundes- und auf Landesebene vor, damit wir mehr Zuwanderung in den Arbeitsmarkt bekommen, die für unsere Unternehmen im Land überlebenswichtig ist?

Herr Thomas, das war eine Nachfrage. Wir versuchen, die Antwort zeitlich ein wenig einzugrenzen. Ich kann das Anliegen schon verstehen. Darüber könnte man jetzt einen zwanzigminütigen Vortrag halten. Ich will Sie auch nicht frühzeitig abwürgen, aber ich bitte darum, dass wir den Zweiminutenrhythmus bei Antwort und Frage einhalten. Kollege Thomas, Sie haben das Wort.

Kollege Striegel, natürlich wären wir für ein qualifiziertes Zuwanderungsgesetz. Das steht außer Frage und das ist auch in Planung. Ich weiß nicht, mit welchen Leuten Sie so reden. Zum Schluss fordern Sie schon wieder einen staatlichen Eingriff in die Marktwirtschaft.

Der Unternehmer, der Arbeitskräfte braucht, geht nach Spanien, geht ins europäische Ausland und versucht, dort zu werben. Ob das alles funktioniert, ist immer eine persönliche Entscheidung. Aber ganz konkret brauchen wir ein qualifiziertes Zuwanderungsgesetz, damit die Leute, bevor sie zu uns kommen, also bereits in ihrer Heimat wissen, dass sie hier einen sicheren Arbeitsplatz und

einen Wohnplatz haben. Umgekehrt ist es schwierig: Hoppla, wir sind da, macht mal etwas mit uns. Das funktioniert nicht. Wir müssen das vorher regeln. Es gibt Gesetzesinitiativen, die Sie sicherlich auch kennen, wenn Sie sich mit den Unternehmen unterhalten haben.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Nun spricht Herr Raue. Bitte. Herr Raue, immer daran denken, stellen Sie Ihre Frage an den Redner und nicht an den vorhergehenden Redner.

Na klar. - Herr Thomas, können Sie mir vielleicht bestätigen, dass aus heutiger Sicht, wenn wir nach Asien schauen, nicht nur China, sondern insbesondere auch Japan und Korea, die beide wie Deutschland unter dem Geburtenknick, unter der demografischen Entwicklung leiden, die im Prinzip auch dort zu Fachkräftemangel geführt hat, dass sich genau diese beiden Länder, die aber über kaum Zuwanderung verfügen und ausländischen Fachkräften kaum die Möglichkeit geben, sich dort zu verwurzeln oder dort tätig zu werden, eben unter dem Druck, trotzdem eine hohe Produktivität sicherzustellen - nur diese sichert den Absatz der Produkte über Preis und Leistung -, bei geringem eigenen Fachkräftenachwuchs, starken Investitionen in Robotik, in Automatisierung der Wirtschaft, teilweise in künstliche Intelligenz, starken Entwicklungsleistung, hohen Ausgaben für Forschung und Technologie eben auch so gut entwickeln konnten, wie sie sich eben entwickelt haben, ohne auf eine so starke Zuwanderung, die bei uns auch noch falsch gesteuert ist, zurückgreifen zu müssen?

Herr Raue, das kann ich Ihnen ausdrücklich nicht bestätigen. Wenn Sie sich die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Ländern anschauen, von denen Sie gerade gesprochen haben, und sie mit dem Lebensstandard in Deutschland vergleichen, dann werden Sie einen großen Unterschied feststellen.

Was ich Ihnen aber bestätigen kann: Wir Deutschen waren noch nie Weltmeister darin, etwas zu produzieren, weil unsere Produktionskosten zu hoch sind. Genau das war ein Grund für viele Innovationen. Wir haben die besseren Produkte und deswegen werden sie gekauft.

Bevor wir anfangen, solche Vergleiche anzustellen, schauen Sie auf den individuellen Lebensstandard. Ich glaube, die Menschen dort würden gern all das haben, was wir in Deutschland jeden

Tag genießen dürfen, und das gilt es zu verteidigen oder fortzuentwickeln.

Zur Wahrheit gehört, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen dort wesentlich schlechter sind als bei uns. Das fängt bei den Löhnen an und geht über die arbeitsfreien Tage bis zu Urlaubsregelungen und Krankensystemen. Das ist weltweit einzigartig und dafür werden wir zu Recht vom Rest der Welt bewundert. Das ist gut so und dies gilt es zu verteidigen. Ich habe versucht, das in meiner Rede deutlich zu machen.

Jetzt hat sich Herr Rausch gemeldet.

Herr Thomas, wie stehen Sie zu der Aussage des ehemaligen Ministerpräsidenten Böhmer? Er hat gesagt: Solange die Leute in Sachsen-Anhalt nicht ordentlich bezahlt werden, muss mir niemand etwas vom Fachkräftemangel erzählen.

Dazu kann ich Ihnen sagen, Herr Rausch, dass die Äußerung schon etwas länger her ist.

Wenn man sich die Lohnentwicklung der letzten Jahre ansieht, dann wissen wir, dass wir in Sachsen-Anhalt gerade auch im Lohnsektor eine phänomenale Entwicklung genommen haben. Viele Unternehmen wissen momentan ganz genau, dass sie keine Arbeitskräfte mehr bekommen, wenn sie nicht ordentlich bezahlen. Diese Entwicklung wird so weiterlaufen. Ich habe an dieser Stelle im Prinzip keine Sorgen, sondern ich glaube, es wird sich eher wieder lohnen, nach Sachsen-Anhalt zurückzukommen, weil die Löhne hier weiter steigen werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist auch ein Erfolg der Wirtschaft hier in Sachsen-Anhalt; verbunden mit einer klugen Landespolitik.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Thomas. Damit sind wir durch. - Herr Lange steht schon bereit. Er ist der nächste Debattenredner, und zwar für die Fraktion DIE LINKE. Herr Lange, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als gestern die Rede von einer fragwürdigen Klimapolitik war, konnte ich kaum glauben, dass diesen AfD-Sprech der Kollege Zimmer von der CDU an den Tag legte.

(Matthias Büttner, AfD, lacht)

Dass die Notwendigkeit des Umbaus der Wirtschaft infrage gestellt wird, hat natürlich die Ursache darin, dass manche so weitermachen wollen wie bisher. Ressourcenverschwendung, Luftverschmutzung, Kriege um Rohstoffe und die globale Verteilung von Armut und Reichtum, all das wird von rechtskonservativer Seite nicht kritisch hinterfragt - im Gegenteil: ihre Politik forciert genau diese Prozesse.

Als Argumentationsgrundlage nutzen Sie eine eiskalte Lüge, nämlich die, dass der Klimawandel nicht durch den Menschen verursacht wird.

(Zuruf von Daniel Rausch, AfD)

Das ist unwissenschaftlich und folgt nur einer Ideologie, nämlich Geld zu machen, koste es, was es wolle.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich halte es leider für notwendig, Ihnen erneut den Zusammenhang zwischen CO2 und Erdtemperatur darzustellen, nicht weil ich hoffe, dass bei Ihnen von der AfD der Groschen fällt, sondern weil ich einfach die Kollegen von der CDU nicht aufgebe.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass CO2 ein Treibhausgas ist, das trotz einer geringen Menge in der Luft hoch aktiv wirkt, habe ich schon in der Schule gelernt. Wir können froh sein, dass das so ist, weil wir sonst auf einem Eisball leben würden oder wir einfach gar nicht leben würden, weil es kein Leben auf der Erde gäbe. Das ist schon einmal so. Wir brauchen diesen Treibhauseffekt; denn sonst wird es kalt auf der Erde.

Derzeit besteht unsere Luft zu ca. 20,95 % aus Sauerstoff und zu 0,4 % aus CO2. Vor 360 Millionen Jahren im Karbon war der CO2-Gehalt anfangs doppelt so hoch. In dieser Zeit gab es ein üppiges Wachstum von Flora und Fauna und der Luft wurde CO2 entzogen, nämlich dadurch, dass pflanzliche Reste nicht einfach abgebaut wurden und wieder zu CO2 wurden, sondern sie wurden luftdicht eingelagert und es fand ein Inkohlungsprozess statt. Das CO2 blieb also im Pflanzenmaterial gespeichert und es entstand? - Steinkohle.

(Alexander Raue; AfD: Braunkohle!)

- Steinkohle - Karbon!

(Hendrik Lange, DIE LINKE, stöhnt - Hei- terkeit bei der LINKEN und bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN)

Am Ende dieses Prozesses hatte die Erde nur noch 0,01 % CO2 in der Luft. Es drohte, eine Schneeballerde gebildet zu werden. Das sind

neuere Erkenntnisse. Es wurde also viel CO2 gespeichert.

Wir springen lockere 240 Millionen Jahre weiter ins Tertiär, also vor 65 Millionen Jahren. Kurz nachdem die Dinos ausgestorben sind, wird es warm, weil die CO2-Konzentration stark ansteigt. Es bilden sich wieder Kohlelager - diesmal die Braunkohle. Das Einlagern von CO2 lässt die Temperatur auf das heutige Niveau sinken.

Das war ein bisschen grob dargestellt, stimmt aber wissenschaftlich.