Protokoll der Sitzung vom 26.02.2020

gelegenheiten. Ich nenne weiter Herbert Kröger, NSDAP-Mitglied, seit Oktober 1933 bei der SA, danach SS-Oberscharführer, Volkskammerabgeordneter. Dann gab es Kurt Nier, Mitglied der NSDAP in Sudetenland, danach SED-Mitglied, stellvertretender DDR-Außenminister.

Ich könnte diese Liste unendlich weiterführen. Deswegen kann ich das schon verstehen. Aber Sie haben eben auch nicht nur die kommunistische Vergangenheit mit Stasi-Bespitzelung und Mauertoten in Ihrer politischen DNA verankert, sondern auch den NS-Hintergrund mit Judenmord und Rassismus.

(Lebhafter Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl! So ist es!)

Deswegen kann ich das verstehen. Aber das ist leider die Wahrheit.

Herr Gallert, Sie haben sich zu Wort gemeldet. - Herr Kirchner, sind Sie bereit, eine Frage zu beantworten?

Immer bereit, die Frage zu beantworten.

(Heiterkeit bei der AfD - Unruhe)

Herr Gallert, Sie haben jetzt die Möglichkeit, Ihre Frage zu stellen, wenn die Abgeordneten ihren Geräuschpegel etwas senken. - Bitte.

Herr Kirchner, mich hat einfach Ihre Intervention gewundert. Denn alle Argumente, von denen Sie meinen, dass es meine Argumente sind, sind in meinen Augen überhaupt kein Argument, das gegen eine Antifaschismusklausel in dieser Verfassung steht.

(Oliver Kirchner, AfD: Vollkommen richtig!)

Deswegen frage ich mich, warum Sie sie vorgetragen haben. Es gibt sehr, sehr viele belastete Biografien mit einer NS-Vergangenheit, die Sie wahrscheinlich in allen Parteien finden werden.

(Zuruf von der AfD - Oliver Kirchner, AfD: Außer bei uns, ja!)

Das ist doch gerade ein Grund, eine solche Antifaschismusklausel in unsere Verfassung hineinzuschreiben.

Insofern finde ich Ihren Einwand völlig falsch. Nein, eine solche Antifaschismusklausel ist das Ergebnis unserer jetzigen Debatte und unserer

jetzigen politischen Situation, die Sie maßgeblich mit herbeigeführt haben. Das ist der Grund dafür, dass Sie sich ärgern.

(Lachen bei der AfD - Zuruf von der AfD: Die wir herbeigeführt haben?)

Ich habe zwar keine Frage vernommen, aber auch auf eine Kurzintervention können Sie natürlich gern antworten. - Bitte, Herr Kirchner.

Sehr geehrter Herr Gallert! Es ist richtig, was Sie sagen. Das habe ich eben auch gesagt. Darum ist es auch richtig, dass Sie das beantragt haben.

Nur, was Sie zu beantragen vergessen haben, ist, dass man diese Mauermörder, die Ihre Mutterpartei ans Tageslicht gebracht hat, mit erwähnt. Darum haben wir den Antrag gestellt: „Der Verbreitung totalitären und diskriminierenden Gedankenguts entgegenzutreten ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Damit ist alle Gewalt gemeint. Damit sind alle totalitären Regime gemeint. So wäre es richtig gewesen. Das aber haben Sie leider nicht beantragt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel. Sie haben jetzt das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute kommt ein langer und komplexer Verhandlungs- und Gesetzgebungsprozess auf die Zielgerade. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass die demokratischen Fraktionen dieses Hohen Hauses einen gemeinsamen Erfolg erzielt haben.

Trotz teilweise sehr verschiedener Ausgangspunkte - ich glaube, die will niemand verschweigen -

(Zuruf von der AfD)

haben wir ein Reformpaket geschnürt, das sich sehen lassen kann. Wir haben Sachsen-Anhalt moderner und zukunftsfester gemacht. Darauf können wir stolz sein.

Noch einmal ausdrücklich danken möchte ich dafür allen Beteiligten und unserer Landtagspräsidentin für die Moderation dieses Prozesses.

Heute liegt der Gesetzentwurf in seiner endgültigen Fassung vor. In den vergangenen Wochen gab es noch kleinere Anpassungen.

So gilt ein Antrag auf Durchführung eines Volksbegehrens bisher als angenommen, wenn die Landesregierung nicht binnen eines Monats darüber entscheidet - ein Schlupfloch, das es der Landesregierung ermöglichte, durch Nichtentscheidung zulasten des Parlaments zu agieren. Wir haben diese Lücke geschlossen.

Ich kann nicht noch einmal auf alle Punkte eingehen, die mir wichtig sind. Aber ich möchte betonen, dass wir es hier in seltener Einmütigkeit geschafft haben, Sachsen-Anhalt ein gutes Stück weit zu modernisieren. Tier- und Klimaschutz sowie die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse, auf diese neuen Staatsziele haben wir uns verständigt.

Die Angehörigen sexueller Minderheiten bekommen nun endlich den vollständigen verfassungsrechtlichen Schutz vor Diskriminierung und gesellschaftliche Anerkennung.

Und wir haben uns alle gemeinsam in der Verfassung dazu verpflichtet, gegen das Wiedererstarken des nationalsozialistischen Ungeistes vorzugehen.

Es gehört zu den traurigen Befunden dieser Zeit, dass genau dieser Aspekt besonders dringlich erscheint. Das rassistische Hassverbrechen von Hanau in der vergangenen Woche hat es uns wieder grausam vor Augen geführt. Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin, dass Sie hier so klare, so deutliche Worte dazu gefunden haben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die genannten und andere Punkte der Reform sind keine Kleinigkeiten oder bloße Verfassungsfolklore. Es ist nur ein Hauch, ein Hauch von Aggiornamento, der den Geist dieses Gesetzes ausmacht. Ich will unsere bescheidenen Bemühungen natürlich nicht mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil vergleichen. Aber auch wir hatten uns das Ziel gesetzt, die Verfassung und den Parlamentarismus SachsenAnhalts an die Zeit anzupassen. Dazu gehört beispielsweise auch das Thema Öffentlichkeit von Ausschüssen. Ich glaube, das ist etwas, was uns auch gesellschaftlich auf den neusten Stand bringt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Gemeinsam haben wir diesbezüglich geliefert. Fast hätte ich gesagt: alle zusammen. Die Fraktion der AfD hat sich an diesem Projekt nicht beteiligt. In den Wochen seit der ersten Lesung hat sie sich einmal mehr auf eines ihrer Kerngeschäfte beschränkt, das Verbreiten von Propaganda.

Herr Farle, Sie sind hausieren gegangen mit der Lüge, das Oppositionsrecht auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses

würde geschleift.

(Robert Farle, AfD: Das ist so!)

Das sei eine der finstersten Stunden des Parlamentarismus überhaupt, hieß es von Ihnen hier in der ersten Lesung.

Meine Damen und Herren! Das ist Unsinn, blanker Unsinn!

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der SPD)

Wie alles in diesem Rechtsstaat muss auch ein Oppositionsantrag auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Dazu muss es eine Möglichkeit geben, dies zu überprüfen, wenn denn der Landtag auch darüber befinden soll, ob diese Vorgaben eingehalten worden sind.

(Robert Farle, AfD: Das ist Gerichtsangele- genheit und nicht Ihre! Sie entscheiden das nicht!)

- Nein, es ist keine Gerichtsangelegenheit. Herr Farle, das Verfahren ist bereits heute in der Verfassung angelegt. Wir haben es einfach noch einmal gesetzlich auf den Weg gebracht.

(Robert Farle, AfD: Wir lassen das gericht- lich überprüfen! Ich gehe zum Landesver- fassungsgericht!)

- Sie können das Gesetz ja auch gerichtlich überprüfen lassen. Es ist übrigens der Vorteil eines Rechtsstaats, den Sie ja immer wieder angreifen, dass Sie das gerichtlich überprüfen lassen können.

(Oliver Kirchner, AfD: Wir greifen den Rechtsstaat nicht an! - Weitere Zurufe von der AfD)

Selbst wenn ein Antrag - ich betone das - nach rechtlicher Prüfung im Rechtsausschuss durch die Mehrheit des Plenums abgelehnt werden sollte, steht die Opposition nicht wehrlos da. - Genug also davon. Man soll sich ja auf das Positive konzentrieren.

Hinter allen Beteiligten liegt ein ambitionierter und sicherlich an manchen Stellen auch anstrengender Prozess. Ich denke, wir sind alle ein Stück weit erleichtert, dass es nunmehr geschafft ist.