Protokoll der Sitzung vom 19.05.2022

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Daher: Umgekehrt sind die heute ausbleibenden Ausgaben bspw. im Bereich der Bildung, im Bereich der Umwelt, im Sozialen auch für die zukünftigen Generationen verheerend. Daher ist es eben nicht ungerecht, zukünftige Generationen finanziell am aktuellen Gemeinwesen zu beteiligen. Ungerecht wäre es, es nicht zu tun und sie dadurch durch Nichtstun zu belasten.

Die aktuelle Situation zeigt es doch ganz dramatisch. Die Pandemie hat dafür gesorgt, dass sehr schnell sehr viel Geld da sein musste. Da meine ich nicht nur das Geld für Impfstoffe; das war nicht planbar. Aber schauen Sie sich doch einmal die Situation in den Gesundheitsämtern an. Dass die personell nicht gut ausgestattet sind, wussten wir schon vor der Pandemie. Jetzt war aber klar: Wir kommen nicht mehr umhin. Wir mussten von jetzt auf gleich viel Personal einstellen. Und wir mussten oder müssen es selbstverständlich bezahlen.

Damals war immer die Monstranz der schwarzen Null, die vor uns hergetragen worden ist. Das heißt, der politische Wille fehlte, das Personal einzustellen. Was wir davon haben, haben wir jetzt hart zu spüren bekommen.

Im Übrigen steht dieser Ansatz auch für eine transparente Politik. Denn ehrlicherweise muss man doch sagen: Ob Geld in die Schuldentilgung fließt - wie vom Finanzminister gewünscht -, das können Sie mit Ihrer Mehrheit entscheiden, das hängt nicht von einer Schuldenbremse ab. Vielmehr können Sie sich mit Ihrer Mehrheit transparent dafür entscheiden, in einer Zeit des wirtschaftlichen Aufwuchses - wo es im Übrigen an-

gebracht ist - Geld in die Schuldentilgung zu stecken. Allerdings ist es in der Zeit des wirtschaftlichen Abschwunges wichtig, dass eben investiert wird. Dann muss das Geld dafür da sein. Dann sind Sie gefragt und nicht irgendeine Monstranz namens „Schuldenbremse“. Das ist Ihre Verantwortung.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun hoffe ich, dass der Antrag zumindest in die Ausschüsse, wenigstens in den zuständigen Ausschuss überwiesen wird, freue mich selbstverständlich auf die Debatten dazu und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben zwei Fragen. Die erst Frage kommt von Frau Dr. Schneider, die bereits am Mikro steht. Wollen Sie diese beantworten?

Na klar.

Sie können sie stellen.

Sie haben gerade auf die Studie hingewiesen, die ich nicht kenne, die sicher sehr interessant ist und bei der es sich sicherlich lohnt, sie einmal zu lesen. Sie haben ferner auf ein, zwei Aspekte hingewiesen. Aber könnten Sie noch ein, zwei Sätze dazu sagen, warum Sie die direkte Auszahlung von Geldern an die Familien präferieren.

Das folgt der Logik, warum wir uns auch eine bessere Ausstattung der Kommunen wünschen: weil ich grundsätzlich davon ausgehe, dass Eltern am besten wissen, was für die eigenen Kinder gut ist, dass Eltern in der Lage dazu sind, das zu beurteilen. Diesbezüglich haben wir möglicherweise einen Dissens. Deswegen empfehle ich diese Studie ausdrücklich. Auch Herr Krull war dabei, als sie im Rathaus von Magdeburg vorgestellt worden ist.

Ich empfehle wirklich ausdrücklich diese Studie, weil es wichtig ist, dass gerade wir, die wir hier diese Entscheidungen mit unseren eigenen Vorurteilen treffen, die übrigens in unser aller Köpfe sind - selbstverständlich; das mache ich gar keinem zum Vorwurf -, uns mit diesen Zahlen konfrontieren und auch auf diesem Weg Unwissenheit ausräumen.

Es gibt eine weitere Frage. - Herr Kosmehl hat seine Frage offensichtlich zurückgezogen. Dann sind wir mit dem einführenden Beitrag zur Debatte fertig. - Danke.

Bevor wir in die Fünfminutendebatte einsteigen, begrüßen wir als erste Gruppe auf unserer Zuschauertribüne Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule „LebenLernen“ aus Magdeburg. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im ganzen Hause)

Dann können wir in die Debatte einsteigen. Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Grimm-Benne. - Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten!

Die Bekämpfung von Armut ist zentrale Aufgabe der gesamten Landesregierung. Ich will mit einem Dank beginnen. Ich bin dankbar dafür, dass wir ein überparteiliches Netzwerk gegen Kinderarmut in Sachsen-Anhalt haben, wo nicht nur die LINKEN ihre Forderungen aufnehmen, sondern auch die Sozialdemokraten, die Christdemokraten und das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihre Punkte einbringen. Die Ergebnisse in diesem Netzwerk waren uns immer Aufgabe. Auch hat es die Zusammenarbeit mit unserem Haus gestärkt.

(Beifall bei der SPD)

Wie sieht die Situation in Sachsen-Anhalt aktuell aus? - Ein Blick in die Landesstatistik zeigt, dass die Armutsgefährdungsquote in Sachsen-Anhalt im Jahr 2019 bei rund 15 % lag. Sie ist damit gegenüber den Vorjahren leicht angestiegen. Überdurchschnittlich stark armutsgefährdet sind allerdings weiterhin - das wissen wir - vor allem Kinder und Jugendliche unter 25 Jahren, Alleinerziehende, Haushalte mit mehr als zwei Kindern, aber auch Erwerbslose, Menschen mit geringem Qualifikationsniveau, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Beeinträchtigungen.

Während bspw. die Maßnahmen zur Unterstützung alleinerziehender Eltern inzwischen Erfolge verbuchen lassen - deren Armutsgefährdungsquote ist leicht rückläufig -, sind insbesondere Kinder und Jugendliche weiterhin auf hohem bis sehr hohem Niveau armutsgefährdet. In der Gruppe der unter 18-Jährigen waren im Jahr 2019 rund 21 % armutsgefährdet, in der Gruppe der 18- bis 25-Jährigen sogar mehr als 32 %.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Diese Zahlen sind uns Auftrag. Uns ist selbstverständlich bewusst, dass die Eindämmung von Armut maßgeblich auf der Sicherung von Einkommen und der Stärkung der Haushalte beruht. Deshalb ergreifen wir eine Vielzahl von Maßnahmen und

Programmen zur Stärkung und Unterstützung von Familien, einige bereits seit Jahren, und dies erfolgreich.

Sie alle kennen unsere Maßnahmen zum Kinderförderungsgesetz. Diese gewährleisten Kindern einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung und entlasten Eltern sowohl strukturell als auch finanziell.

Die Debatten, die wir sonst immer im Landtag geführt haben, gibt es seit fast fünf Jahren nicht mehr; denn all diejenigen, die knapp oberhalb der Hartz-IV-Grenze oder Armutsgrenze sind, genießen aufgrund des Starke-Familien-Gesetzes Beitragsfreiheit. Das sollte man an der Stelle auch einmal sagen. Das ist eine große Errungenschaft gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Frau von Angern, Sie haben schon ange- sprochen, nicht alles liegt in der originären Zuständigkeit des Landes. Sie haben auch selbst von vielen bundespolitischen Initiativen ge- sprochen.

Ich möchte gern ein paar Punkte herausgreifen, wo schon der Bund als Reaktion auf die aktuellen Entwicklungen, nämlich die Energiekrise, den Ukrainekrieg, die Coronapandemie, Maßnahmen ergriffen hat, um der Armut in diesen Bereichen entgegenzuwirken.

Sie kennen alle das Programm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“. Sie haben gerade angesprochen, dass wir die Ferienfreizeiten gestrichen haben. Gerade aus diesem Programm können wir in diesem Jahr ganz vielen Kindern die Möglichkeit geben, wieder Ferienfreizeit in Sachsen-Anhalt wahrzu-

nehmen, und zwar von Arendsee bis Zeitz.

(Beifall bei der SPD)

Das, finde ich, ist ein ganz wichtiger Punkt, um nicht nur Lernrückstände nachzuholen, sondern auch hinsichtlich der seelischen Gesundheit, nämlich über Ausflüge, über außerschulische Angebote hier einiges zu packen.

Dann gibt es Ihre Forderung nach einer An- hebung der Regelbedarfe. Dazu wissen Sie, dass die Anpassung der Regelbedarfe immer den Preisentwicklungen entsprechend rückwirkend erfolgt.

(Unruhe)

Frau Ministerin, warten Sie kurz. - Ich möchte die Kabinettskollegen darum bitten, ihrer Ministerkollegin die Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag so zu halten, dass auch ich ihn verstehe. - Danke.

Ich hoffe, dass das „Verstehen“ nicht nur auf die Akustik zielt, sondern dass Sie mir auch inhaltlich folgen.

(Beifall bei der SPD - Lachen und Unruhe)

Ich wollte zumindest noch einmal darüber sprechen, dass die Anhebung der Regelbedarfe, die von Ihnen gefordert wird, immer nur rück- wirkend erfolgen kann entsprechend den jeweiligen Preisentwicklungen. Deswegen werden sich die hohen Preissteigerungen voraussichtlich erst im kommenden Jahr abbilden.

Dann möchte ich die Sofortmaßnahmen wenigstens einmal ansprechen, weil sie nämlich in dem Tempo der einzelnen Pakete, die die Bundesregierung jetzt auf den Weg gebracht hat, oftmals untergehen.

Es gibt die einmalige Energiepreispauschale. Es wird einen Einmalbonus in Höhe von 100 € für Familien mit Kindern geben. Es gibt die befristete Senkung der Kraftstoffsteuer. Es wird - wir haben darüber gestern lange geredet - das bundesweite 9-€-Monatsticket im ÖPNV geben. Es gibt den Heizkostenzuschuss für Haushalte im Wohngeldbezug. Und es gibt einen einmaligen pauschalen Zuschuss für Empfängerinnen und Empfänger von Bafög. Das gibt es auch in der Berufsausbildungshilfe und im Ausbildungsgeld. Es gibt auch die Coronaeinmalzahlung für alle erwachsenen Leistungsberechtigten von Mindestsicherungsleistungen. Da hat sich die Bundesregierung aufgemacht, genau in den Bereichen, die Sie vorhin erwähnt haben, etwas zu tun.

Mit Blick auf die im Antrag angesprochene Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen möchte ich insbesondere den Kindersofortzuschlag hervorheben. Diesen Sofortzuschlag in Höhe von 20 € pro Monat werden ab dem 1. Juli 2022 alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einem Anspruch auf Mindestsicherungsleistungen erhalten. Das soll nämlich die Zeit bis zur geplanten Einführung einer Kindergrundsicherung überbrücken.

Ich bin mir ganz sicher, dass das mit der neuen Bundesfamilienministerin, die als Finanzpoli- tikerin genau dieses Modell der Kindergrund- sicherung sowohl geplant als auch durchgerechnet hat, tatsächlich das erste große Vorhaben sein wird, das das Bundesfamilienministerium auf den Weg bringt. Ich denke, das sind schon Sachen, für die wir lange gekämpft haben. - Herzlichen Dank dafür, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keine Fragen an die Ministerin. - Dann können wir sofort in die Debatte der Fraktionen

eintreten. Wir beginnen mit der CDU-Fraktion. Es ist bereits der angesprochene Herr Krull auf dem Weg. - Herr Krull, Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Jeder und jede von uns spürt, dass das Leben deutlich teurer geworden ist. Statistische Zahlen der gestiegenen Inflation sind das eine. Aber wer zum Tanken fährt oder Einkaufen geht, wie ich es als Familienvater regelmäßig tue, schaut mit einer Mischung aus unterschiedlichen Gefühlen auf die Preisschilder. Diejenigen, die im Saal, in den Reihen der Abgeordneten und auf der Regierungsbank, sitzen, werden sich über die Zahlen zwar wundern, werden sie sich aber leisten können. Bei vielen Menschen in diesem Land - diese vertreten wir schließlich in diesem Parlament - sieht es anders auch. Bei denen geht es darum, ob das tägliche Leben noch finanzierbar ist.

Der Bund hat erste Schritte unternommen, um Entlastungen zu schaffen. Nicht zu Unrecht wird deutlich kritisiert, dass erhebliche Teile der Bevölkerung davon nicht profitieren, z. B. diejenigen, die als Rentnerinnen und Rentner nicht einkommensteuerpflichtig sind. Auch andere Personengruppen trifft es leider. In diesem Sinne brauchen diejenigen Menschen Unterstützung, die diese tatsächlich benötigen. Damit kommen wir schon zu einem grundsätzlichen Unterschied zwischen den in diesem Hohen Hause vertretenen Fraktionen. Als Union setzen wir auf eine zielgerichtete Hilfe und nicht auf ein Füllhorn sozialer Wohltaten, deren dauerhafte Finanzierung nicht nur noch ungeklärt ist, sondern die auch nicht dauerhaft aus dem öffentlichen Haushalt zu finanzieren wären.

(Beifall bei der CDU)