- Hören Sie zu, liebe Kolleginnen und Kollegen! - Herr Lippmann hat es angesprochen. Um auf plus minus null bei der Lehrerausbildung zu kommen, um die Unterrichtsversorgung zu 100 % abzusichern, müsste aktuell jeder zehnte Abiturient in Deutschland ein Lehramt studieren.
Das ist ja noch schwerer. Und eines sage ich an dieser Stelle bewusst: Die Lehramtsausbildung in Deutschland - ich spreche nicht von Halle, ich spreche von Deutschland - entspricht nicht einmal mehr im Ansatz den Anforderungen unserer Gesellschaft. Ich könnte das jetzt ewig begründen, aber dafür reicht die Zeit nicht. Ich gebe Ihnen ein ganz kleines Beispiel: von August bis Oktober ab in die Schulen und mit den Lehrern mitlaufen, wenn ich mein Abitur habe, im ersten Studienjahr ein Praktikumstag, im zweiten zwei, im dritten drei, im vierten vier. Wenn ich damit fertig bin, bin ich Lehrer und bin fertig. Dafür brauche ich keine Referendarzeit mehr - ich weiß, wovon ich spreche -, dann bin ich Lehrer und das funktioniert.
In den letzten zig Jahren haben so viele Leute wissenschaftliche Sachen geschrieben, festgestellt und festgelegt, dass wir vielleicht noch 20 Jahre studieren müssten, bevor wir einen Lehrer draußen haben. Das ist nicht zeitgemäß und das war falsch.
Da müssen wir ran, und zwar nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern in ganz Deutschland. Darin haben mir viele Kollegen von Universitäten in Deutschland auch schon zugestimmt.
- Lehrer ist eine Berufung, hat gerade jemand gesagt. Ja, Lehrer ist eine Berufung, für mich war es immer eine Berufung und wird es auch immer bleiben. Aber wenn ich als Lehrer zur Uni gehe, um dann Mathematikprofessor zu werden, obwohl in der 1. Klasse klar ist, dass eins plus eins zwei ist und ich dem Studenten beibringen muss, wie er das den Schülern beibringt, das aber nicht gemacht wird, weil wir lieber darauf dringen, dass die in Mathematik als Professor rausgehen, dann ist das ein kleines Beispiel dafür, dass das nicht mehr funktioniert und dass wir das endlich ändern müssen.
Zu den Verbeamtungen von Lehrern möchte ich an dieser Stelle auch einmal etwas sagen dürfen. Jeder Polizist, der verbeamtet wird, entschließt sich dazu, dem Staat zu dienen. Jeder Polizist wird dort eingesetzt, wo der Staat ihn braucht. Ich bin jetzt einmal ganz spitz: Wenn ich einen Lehrer verbeamte, dann muss ich auch das Recht haben, in den ersten Jahren zu sagen, wo er gebraucht wird vom Staat. Dafür wird er Beamter.
Das muss man auch einmal aussprechen dürfen, weil das der einzige Weg ist, der uns vorwärtsbringt. Ich setze jetzt noch einen drauf: Wenn wir die Bildung entwickeln wollen und
nicht bloß die Bildung, dann müssen wir auch ernsthaft dafür sorgen, und zwar kurzfristig - das ist meine persönliche Meinung und auch die Meinung meiner Arbeitsgruppe, mit der ich mich vorher abgestimmt habe -, dass wir kein Freiwilliges Soziales Jahr mehr haben, sondern ein soziales Pflichtjahr für die Schüler, die aus der Schule kommen, einführen.
Das würde nicht bloß der Bildung helfen, sondern das würde auch vielen sozialen Bereichen helfen, damit die Schüler überhaupt erst ein- mal lernen, was es heißt, draußen Verantwortung zu übernehmen, und - das muss man auch ehrlich aussprechen - um in zehn Jahren all die zu versorgen, die jetzt ins Rentenalter gehen und in zehn Jahren vielleicht nicht mehr so beweglich sind wie heute.
Wir glauben, dass sich Bildung konsequent an die Zeit anpassen muss und dass wir nicht länger so tun dürfen, als ob wir einen großen Öltanker hätten, der zwar viel transportieren, sich aber nicht bewegen kann und unflexibel ist.
Ich bin überzeugt davon, dass wir das hinbekommen. Aber wir bekommen es nur dann hin, wenn wir endlich die Realität sehen. Wir bekommen es nur dann hin, wenn wir aufhören, alles immer nur schlechtzureden. Die Bildung in Deutschland ist nicht schlecht.
(Zustimmung bei der CDU - Cornelia Lüdde- mann, GRÜNE: Haben Sie nicht eben noch gesagt: 160 Milliarden?)
Aber wir sind aktuell nicht in der Lage, sie so umzusetzen und so zu beeinflussen, dass es allen Nutzen bringt.
Es ist auch wichtig, einmal zu sagen, dass es in meinen Augen zu viele Wissenschaftler gibt, die zwar selbst zur Schule gegangen sind, vielleicht auch studiert haben, aber vielleicht nicht einmal einen Abschluss haben und von Schule keine Ahnung haben, uns aber trotzdem erklären wollen, wie Schule funktionieren soll.
Wir haben die Aufgabe - Berlin hat sie noch viel mehr -, das Bildungsschiff wieder in die richtige Richtung zu bringen. Das kann man hinkriegen, wenn man sich einig ist und nicht immer nur über alles meckert und alles schlechtredet. - Danke.
Vielen Dank, Herr Borchert. Es gibt zwei Fragen, und zwar einmal von Frau Dr. Hüskens und dann von Herrn Kosmehl.
Herr Borchert, eine kurze Frage, weil es bei mir vielleicht einfach nicht richtig angekommen ist. Sie wollen den Bildungsföderalismus
Ich möchte, dass wir uns in der Mitte treffen und dass nicht in Berlin gesagt wird: Wir können nichts machen, weil das für die 16 Bundesländer laut Grundgesetz so festgelegt wurde. Ja, es muss in Berlin mehr zentral entschieden werden, damit so etwas nicht mehr passieren kann, dass ich in Niedersachsen mit einer 3,0 meinen erweiterten Realschulabschluss bekomme und in Sachsen-Anhalt mit 2,4. Das ist ein konkretes Beispiel. Das ist für mich absolut indiskutabel. Dafür gibt es eine KMK, die hat solche Dinge zu klären, und vielleicht macht sie es in Zukunft auch.
Herr Borchert, nun hat sich ja schon einmal eine Bundesregierung aufgemacht, nämlich die von CDU/CSU und SPD, einen Nationalen Bildungsrat zu etablieren. Der Erste, der ausgestiegen ist, war der bayerische Ministerpräsident von der CSU, also von der Unionsfamilie.
Sie einen gemeinsamen Nationalen Bildungsrat, also eine Ebene, die der Bundesebene verfassungsrechtlich mehr Mitsprache in der Bildungspolitik, also Schulpolitik, ermöglicht? Würden Sie sich dann auch für eine Bundesratsinitiative des Landes stark machen?
Wenn wir finanzielle Hilfen brauchen, damit wir in Deutschland für jedes Kind und jeden Schüler die gleichen Voraussetzungen und Bedingungen haben, dann müssen wir Mittel und Wege finden, um das gemeinsam durchzusetzen. Ob das nun ein Rat ist oder wie auch immer das gewesen sein sollte, das spielt hier, glaube ich, auch gar keine Rolle. Aber genau das ist ja unser Problem.
Wir gehen wieder in die Vergangenheit. Das war ja schon mal so. Da ging es nicht. Alle waren dagegen. Wir leben heute, an diesem Tag, an dieser Stelle.
Unser Ministerpräsident macht es vor. Der hat gesagt, es wird Chefsache, und der wird sich schon kümmern und dafür entsprechend seine Kraft einsetzen und den richtigen Weg zu finden, damit wir vorwärtskommen.
Herr Borchert, Sie werden sicherlich von mir erwarten können, dass auch ich großes Zutrauen in den Ministerpräsidenten habe.