Aber wenn wir mehr Arbeitsplätze wollen, dann müssen die Tarifvertragsparteien auch die Wirtschaftskraft der Unternehmen berücksichtigen. Wir brauchen einen Flächentarifvertrag, der einen ausreichenden Spielraum für betriebsnahe Lösungen einräumt. Die Lohnpolitik muss beschäftigungsfreundlich sein, das heißt, die Tariflohnerhöhungen dürfen die Produktivitätssteigerungen nicht vollständig aufzehren.
Das muss die Arbeitnehmer nicht unzumutbar belasten, schließlich haben sich die monatlichen Bruttoeinkommen seit 1991 verdoppelt. Da niedrige Einkommen bei progressiver Besteuerung geringer belastet werden als höhere und
die D-Mark in den neuen Ländern über eine höhere Kaufkraft verfügt, ist die Angleichung der realen Nettolöhne an das Westniveau weiter fortgeschritten als die der Bruttolöhne. Häufig werden die niedrigen Löhne in Thüringen beklagt. Zwar gibt es in der gewerblichen Wirtschaft Unternehmen, die nur unterdurchschnittliche Löhne zahlen können, es gibt aber auch Unternehmen, vor allem bei Handel, Banken und Versicherungen, deren Löhne deutlich über dem Durchschnitt der neuen Länder liegen. Insgesamt hat die Lohnstruktur in Thüringen ohne Frage dazu beigetragen, dass mehr Wachstum und Beschäftigung erreicht wurden. Andererseits lässt sich mit Lohnzurückhaltung allein die Arbeitslosigkeit nicht beseitigen. Wir brauchen vielmehr eine erweiterte Lohnspanne, die eine Möglichkeit schafft, Fachkräfte marktgerecht zu entlohnen und Arbeit im Niedriglohnbereich zu schaffen. Die unbefriedigende Arbeitsmarktlage ist hauptsächlich ein Problem der Geringqualifizierten. Beschäftigungen im Niedriglohnbereich müssen gegebenenfalls durch Lohnkostenzuschüsse sozial abgefedert werden.
Andererseits beklagen die Unternehmen, dass Fachkräfte abwandern. Unternehmen mit guten Wachstumsperspektiven haben die Chance, Arbeitskräfte durch Mitarbeiterbeteiligungsmodelle marktgerecht zu entlohnen und zugleich an das Unternehmen zu binden. Darüber hinaus können auch weiche Standortfaktoren wie günstige Bedingungen für den Erwerb von Wohnungseigentum wichtige Anreize setzen. Tarifvertragsparteien und Politik müssen neue Wege gehen. Ich meine, dass sich die wirtschaftliche Bilanz in Thüringen sehen lassen kann.
Unser Ziel ist und bleibt es, in einigen Jahren Thüringen wieder den Platz zu sichern, den es in der Wirtschaftsgeschichte Deutschlands schon einmal innehatte.
Die Wirtschaftspolitik unseres Landes steuert auf erfolgreichem Kurs dieses Ziel an. Aber es geht darum, die Rahmenbedingungen zu verbessern, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland als Ganzes für Investoren wieder interessanter wird. In dem Maße, wie das gelingt, ergeben sich auch für Thüringen Chancen, die wir nutzen werden, um im internationalen Standortwettbewerb als moderne Technologieregion zu bestehen. Vielleicht gibt es in einigen Jahren dann wirklich keinen Osten mehr, also keine signifikanten Strukturdefizite, sondern nur noch mehr oder weniger prosperierende Länder in Deutschland. Thüringen wird dann zu den ersteren gehören, meine Damen und Herren. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Bevor wir im Tagesordnungspunkt fortsetzen, möchte ich die Fraktionen darauf hinweisen, dass die Landesregierung ihre Redezeit um 40 Minuten überzogen hat, entsprechend verlängert sich auch die Grundredezeit der einzelnen Fraktionen. Als Erster hat Herr Abgeordneter Ramelow das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich werde mich bemühen, die Zeit nicht auszuschöpfen, sondern es etwas konzentrierter auf den Punkt zu bringen. Ich möchte zwei Anmerkungen vorweg machen: Ich wundere mich immer über die Art und Weise, wie das 630-DM-Gesetz zu allem Möglichen herhalten muss. Möglicherweise, Herr Minister, hat man Ihnen gestern die Zahlen des Statistischen Landesamts nicht mehr zuarbeiten können. Die Auswirkungen des 630-DM-Gesetzes laut Statistischem Landesamt von gestern kann man nur mit einem Begriff zusammenfassen: Sie haben zu mehr Beschäftigung geführt
- wahrscheinlich ist die Schwarzarbeit im Statistischen Landesamt erfasst, möglicherweise wissen Sie mehr als das Statistische Landesamt -, im Handel 1999 2,4 Prozent mehr Beschäftigte im Einzelhandel und die Vollzeitbeschäftigung hat sogar um 4,2 Prozent zugenommen; im Gastgewerbe 2,2 Prozent Anstieg, Vollzeitbeschäftigte sogar um 5,1 Prozent, während die Zahl der Teilzeitbeschäftigungen um 5,4 Prozent zurückgegangen ist. Das sind die nackten Zahlen von gestern. Ich kann für mich feststellen, dass ich die Art der Gesetzesänderung, 630-DM-Regelung, handwerklich überbürokratisiert empfinde und mir eine leichtere Regelung gewünscht hätte, aber der Missbrauch, der mit 630-DM-Beschäftigung betrieben worden ist, war unerträglich und ich denke, Sie sollten an all die Menschen denken,
die in dieser Beschäftigungsart tatsächlich auch in die Armutszone hinabgetrieben worden sind. Und ich weiß, wenn ich im Einzelhandel von Thüringen davon rede, von was ich rede.
Eine zweite Bemerkung, Herr Minister, und die meine ich aus tiefstem Herzen. Ich hoffe, dass die Brandt-Neuansiedlung tatsächlich eine wirkliche Neuansiedlung ist. Ich hoffe, dass wir gute Argumente haben, um den Menschen in Hagen sagen zu können, die von der Kündigung bedroht sind, dass dies eben nicht eine durch Steuergelder subventionierte Abwanderung ist, weil wir als Nehmerland aufpassen sollten, dass wir nicht die Arbeitsplätze de
nen wegnehmen, die das Wirtschaftswachstum in ganz Deutschland aufgebaut haben. So sehr ich weiß, dass man dirigistisch Betriebe nicht daran festbinden kann und so sehr ich jetzt auch regionale Situationen von Hagen hier nicht erläutern oder hinterfragen will, ich denke nur, wir sollten gemeinsam immer dann vorsichtig sein, wenn Subventionen eingesetzt werden. Der üble Beigeschmack bei Adler-Moden in Bayern, in Aschaffenburg, den habe ich noch gut in Erinnerung. Die Situation, die Notsituation der Hagener Beschäftigten und das, was die Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten gestern ausgedrückt hat, das bereitet mir schon Sorge, deswegen meine Hoffnung, Herr Minister, dass Sie Recht behalten, dass tatsächlich kein Geld eingesetzt wird, um die Arbeitsplätze wegzukaufen, dass eine Subventionierung oder ein Dumping in den Regionen dazu führt, Arbeitsplätze wegzunehmen, das würde den Ost-West-Konflikt neu anheizen und daran dürften wir hier in Thüringen kein Interesse haben.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Landesregierung legt innerhalb von nur fünf Monaten eine dritte Regierungserklärung vor. Eigentlich erfreulich, aber neben der Grundsatzerklärung des Ministerpräsidenten vom 13. Oktober 1990, in der er wenigstens die Zusammengehörigkeit von Arbeitsplatzsicherung und Schaffung mit Existenzstabilisierung und Gründung betonte, stehen nun mit der heutigen Erklärung zwei gesonderte Erklärungen zum Arbeitsmarkt und zur Wirtschaftspolitik nebeneinander. Keine Verzahnung, wie sie in der Regierungserklärung vom Juni 1997 mit den Worten - Frau Präsidentin ich zitiere: "Die Landesregierung hat sich zur Aufgabe gemacht, Arbeitsmarkt und Wirtschaftspolitik noch stärker miteinander zu verzahnen." - als Aufgabe gestellt würde. Diese Aussage war damals auch vonnöten, nachdem der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung von Dezember 1994 die Schaffung von 100.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen und die Erreichung einer Arbeitslosenquote von unter 10 Prozent als Ziel stellte. Dieses Ziel wurde weder in der 2. Legislaturperiode erreicht, noch ist es gegenwärtig in Sicht, vor allem wenn man zur Kenntnis nimmt, dass mittels Kriterienkatalog der Zugang zu SAM-Projekten erschwert und die zur Finanzierung der Maßnahmen nach dem Haushalt 2000 einsetzbaren Mittel sinkende Tendenz ausweisen. Trotzdem ist es notwendig, mit einigen Worten den erreichten Stand der wirtschaftlichen Entwicklung darzustellen. In den neuen Bundesländern, so auch im Freistaat Thüringen, hat sich im so genannten Transformationsprozess seit 1990 viel getan. Thüringen verfügt über ein modernes Telefonnetz, moderner als in den Altbundesländern. Dass das Schienennetz weit unter dem Niveau liegt, wird immer nur zu Zeitpunkten der Fahrplangestaltung offenbar, aber leider ohne die ausreichende Konsequenz. Thüringen verfügt über eine völlig neu gestaltete industrielle, landwirtschaftliche und Dienstleistungsbasis, die sich aus der Privatisierung 1972 enteigneter Unternehmen, aus Betriebsansiedlungen und Neugründungen entwickelte, so unter anderem beim verarbeitenden Gewerbe 1.674 Betriebe mit
mehr als 20 Beschäftigten, im Baugewerbe 1.284 Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten. In Thüringen gibt es ein gründungsfreundliches Klima. Immerhin sind trotz Rückgang zu den Vorjahren im Jahr 1999 noch fast 1.700 Gewerbe angemeldet worden. Dem stehen aber 1.300 Insolvenzen gegenüber. In Thüringen gibt es, das ist mit den Dokumenten zur verabschiedeten Anmeldung des 29. Rahmenplans der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" nachlesbar, ein über dem ostdeutschen Durchschnitt liegendes Bruttoinlandsprodukt von 2,4 Prozent, das dynamischte Wirtschaftswachstum und für 1998 eine reales Bruttoinlandsprodukt von 45,61 Mrd. DM. Gleichermaßen gibt es eine erfreuliche Belebung des Tourismus mit einem starken Anstieg der Übernachtungen und die höchsten Beiträge zum realen Bruttoinlandsprodukt durch das verarbeitende Gewerbe und die Dienstleistungsunternehmen. Dazu muss man feststellen, dass das Thüringer Wachstum am Bruttoinlandsprodukt jedoch nicht ausreichte, die Beschäftigungssituation zu verbessern, und dass Irland, Portugal und Spanien höhere reale Veränderungsquoten des BIP haben als Thüringen und dass das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf nach Kaufkraftparitäten in den genannten europäischen Ländern deutlich über den Thüringer Werten liegt, ebenso wie übrigens die Werte in Sachsen und Brandenburg (Quelle: IFO-Institut München).
Auch im Tourismus verbergen sich hinter den erfreulichen Wachstumsgrößen eher existenzbedrohende Situationen. Wenn sich auch die Zahl der Übernachtungen gegenüber 1997 fast verdoppelte, ist unter Berücksichtigung der gleichfalls gestiegenen Bettenzahlen in immer mehr Beherbergungsgaststätten eine Auslastung von nur 38,7 Prozent vorhanden und in den kategorisierten Kneipp- und Luftkurorten die Zahl noch dramatisch darunter. So ist es eben mit den Wachstumsbetrachtungen. Eine bessere Ausgangsposition bringt geringere Wachstumsgrößen oder je tiefer der Fall, desto höher die Zuwachsprozentzahl. Nur, an Prozentzahlen allein kann man sich nicht berauschen, solche Vergleiche hinken nämlich.
Wenn Sie, Herr Minister, namens der Landesregierung feststellen, dass vom privaten Verbrauch keine konjunkturellen Impulse ausgegangen sind, insbesondere für den Thüringer Handel, dann bleiben Sie an der Oberfläche stehen. Sie verkennen völlig, dass die Sparsumme der Bevölkerung insgesamt geschrumpft ist. Die Zusammenhänge zwischen Erwerbslohnentwicklung und Kostenentwicklung klammern Sie völlig aus. Ich will keinesfalls wie der Abgeordnete Kretschmer - von Ihnen rede ich gerade - in der 19. Sitzung der 2. Legislatur zu unserem Antrag zur Veränderung der Wirtschaftsförderung argwöhnte, die erfolgreiche Entwicklung verunglimpfen, aber nicht Wachstum allein, auch in Umsatz und Erlös, sondern reale Betrachtungen und Entwicklungen müssen Grundlage für die Bewertung der Situation und der Erarbeitung von Schlussfolgerungen sein. So besteht eine entscheidende Wirkung auf die Wirtschaftspolitik darin, wie es gelingt, eine industrielle Mischstruktur
von in ihrer Funktionalstruktur ausdifferenzierten Großund Mittelbetrieben sowie Kleinunternehmen zu erreichen. Klein und Groß müssen sich ergänzen im Sinne einer Clusterbildung. In den Regionen vorhandene Betriebe müssen sich wechselseitig befruchten im Sinne von Produktions- und zusammenhängenden Dienstleistungsketten. Die vorhandene Basis in ihren Größenklassen und ihre Wechselbeziehungen ist in Thüringen zu dünn. Die Leuchttürme - wie Opel in Eisenach - reichen allein nicht aus.
Die PDS-Fraktion hat bereits im Sommer 1997 unter den damals aktuellen Bedingungen festgestellt und sich im Plenum dazu geäußert, dass volkswirtschaftliche Untersuchungen unter Berücksichtigung von Auftrags- und Lieferbeziehungen der Unternehmen untereinander für eine ausgewogene wirtschaftliche Struktur und für eine Mehrfachwirkung eines Branchenaufschwungs von ganz anderen Verhältnissen ausgehen. Die PDS hat im Ergebnis gefordert, eine Veränderung der Förderprogramme einschließlich der Erhöhung ihrer Übersichtlichkeit und Vereinfachung zur zielgerichteteren Entwicklung der industriellen Basis vorzunehmen. Wenn Sie, Herr Minister, heute erklären, es gebe kein Förderwirrwarr und sich als Beweis einen kleinen Bereich dafür auswählen, dann lügen Sie zwar nicht, aber Sie sagen nicht die ganze Wahrheit.
Nach dem Thüringer Förderhandbuch gibt es 17 Programme im Energiebereich, 20 wirtschaftsrelevante Landesprogramme und 13 innovationsorientierte Programme. All diese Programme sind für Unternehmen relevant. Deswegen habe ich Ihnen vorhin zugestimmt, als Sie - ein Lapsus Linguae - sagten, es sei unübersichtlich. Ich muss Ihnen Recht geben, das finde ich unübersichtlich. Unser entsprechender Vorschlag wurde nicht nur von der Mehrheit der damaligen Abgeordneten abgelehnt, sondern das Wirtschaftsministerium ließ durch eine IFO-Studie die Richtigkeit der Thüringer Förderung bestätigen. Das liest sich in der Presseinformation des Wirtschaftsministers so, dass nach mikro- und makroökonomischer Betrachtung die Thüringer Förderung effektiv war und keiner Korrektur bedarf. Dabei weist der Forschungsbericht Nr. 9 der Struktur- und Technologieberatungsagentur in Thüringen START e.V. bereits gegen Ende 1997 in einem Ländervergleich für Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt nach, dass Sachsen in der Konkurrenz der neuen Bundesländer der Gewinner ist. Dies wird durch die erfolgreiche Stabilisierung von Großbetrieben, energischen Aktionen zur Rettung des Maschinenbaus sowie zur Entwicklung des Mittelstandes und durch die neuerliche Ansiedlung von Großbetrieben der Elektronikindustrie und des Automobilbaus dokumentiert. Unsere damaligen Hinweise und die unabhängigen Untersuchungen finden wir jetzt wenigstens in dem Bemühen zur erhöhten Förderung von Betriebserweiterungen wieder. Fazit: Wegen Ablehnung oppositioneller Vorschläge eine Verzögerung von mehr als zwei Jahren bei ministeriellen wirtschaftspolitischen Überlegungen. Aber, Herr Minister, es ist nie zu spät.
Auf Antrag der PDS-Fraktion wurde in diesem hohen Hause zu Beginn des Jahres 1999 eine Beratung zur Veränderung der Wirtschaftsförderung für den Zeitraum ab 2001 mit den Schwerpunkten der Förderung 1. Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze sowie 2. der Verbesserung der Auslastung der Gewerbegebiete durchgeführt.
Unsere Grundgedanken, die Anzahl betrieblicher Beschäftigter für die Bereiche Forschung und Entwicklung sowie Technologie zu erhöhen, ist unter dem Aspekt notwendiger Innovation und Absatzausweitung und damit verbesserter Auslastung bereits geschaffener Kapazitäten und Arbeitskraftnachfrage noch ebenso aktuell wie die Notwendigkeit von Maßnahmen, um den zwischen 37,4 Prozent und 71 Prozent schwankenden Besiedlungsgrad in Gewerbegebieten und Industriegebieten in Thüringen deutlich zu erhöhen. Auf diese Flächen gehören Betriebe. Schluss mit den beleuchteten Schafswiesen.
Ich kann Ihnen das gern erklären. Ich kann Ihnen einige Beispiele nennen, eins heißt Güterverkehrszentrum. Damit werden über Unternehmenserweiterung und Ansiedlung die Schaffung von Arbeitsplätzen ermöglicht. Gleichermaßen fließen aber auch die Verkaufserlöse in die kommunalen Haushalte - die Stadt Erfurt würde sich darüber freuen -, die teilweise schon seit 1993 in Vorleistung für die Erschließung getreten sind, zurück. Dass im Land an attraktiver Stelle Gewerbeflächen vorhanden sein müssen, um schnell und gesichert für Ansiedlungsvorhaben gesprächsund handlungsbereit zu sein, siehe gegebenenfalls Elektronikunternehmen aus Fernost, darüber besteht allerdings Konsens.
Meine Damen und Herren, zu den Vorschlägen, die wir 1999 eingebracht haben, wiederum Fehlanzeige; auch aus der heutigen Regierungserklärung hierzu nichts. Fazit: Weil solche Vorschläge von der Opposition kommen, Ablehnung und damit Verzögerung und Versäumen von Chancen.
Ein dritter Komplex zur Notwendigkeit wirtschaftspolitischer Einflussnahme: Die überwiegende Zahl der mittelständischen Unternehmen ist erst nach 1990 gegründet worden. Die Zahl der Insolvenzen im Zeitraum der 2. Legislaturperiode im produzierenden Gewerbe Thüringens immerhin in 2.438 Fällen macht deutlich, dass ein großer Teil der Betriebe das vielfach ohnehin knappe Eigenkapital selbst verbraucht. Bemerkenswert ist dabei auch bei den Betriebsgrößen die deutliche Differenz der durchschnittlichen Betriebsgrößen in den neuen Bundesländern zu denen der alten Bundesländer, die nach Untersuchung dem relativen Kapitalmangel des neuen Mittelstandes auch hier in Thüringen geschuldet ist. Andererseits werden Existenzgründungen, vor allem auf innovativem Gebiet, man
gels Eigenkapital behindert. Hier sind Überlegungen zu Fragen der Konsolidierung und zum Risikokapital notwendig.
An der Stelle erlaube ich mir einen weiteren Einschub. Die Auseinandersetzung der Europäischen Kommission, Referat Monti, mit der Frage der Gewährsträgerhaftung der Landesbanken und die Auswirkungen auf die Sparkassen sehe ich an dieser Stelle mit großer Besorgnis und die Eigenkapitaldecke oder Kapitaldecke der Finanzgenossenschaften in unserer Region sehe ich mit einer ebenso großen Besorgnis. Deswegen macht es mich betroffen, wenn die deutschen Privatbanken zu Globalplayers werden, aber sich um den Mittelstand und um Existenzgründungen in der Region nicht mehr kümmern, nachdem sie an der deutschen Einheit kräftig verdient haben, meine Damen und Herren.
Wenn man sich das Gutachten von Prof. Dr. Ulrich Hilpert zur Wirtschafts- und Innovationsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft, teilweise veröffentlicht im Brenner-Brief von September 1999, unter diesem Blickwinkel ansieht, dann wird deutlich, dass die Förderpolitik der Erfurter Landesregierung auch hier Haken hat. Zwar wurde bisher dem KMU in Konsolidierungsfragen und bei Liquiditätsschwierigkeiten theoretisch mit vorhandenem Instrumentarium geholfen, die Gründung kleiner technologie- und forschungsorientierter Unternehmen oder die Ausgründung aus Forschungseinrichtungen wird, auch wenn nur ein geringes Risiko erkennbar ist, nicht unterstützt. Von der Rolle der Banken habe ich gerade gesprochen in diesem Prozess. Damit bleibt die Standortentwicklung mehr oder weniger auf die bestehenden industriellen Sektoren und Unternehmen beschränkt, von Förderung attraktiver Netzwerke und Verbindungen mit Kompetenzträgern außerhalb der Region, siehe die Anträge zum Haushalt 2000 zur Förderung der InnoRegio-Vorhaben in Thüringen, ganz zu schweigen. Ein reduzierter Innovationsbegriff, der Mangel etwa, patentträchtige Entwicklungen zu ermöglichen oder die Finanzierung von Innovationsassistenten in den Unternehmen abzusichern, ist aber das vielleicht größte Handicap in der Wirtschaftspolitik der Thüringer Landesregierung. Die Jenoptik Risikokapitaltochter macht es deutlich, mit Unterstützung beim Management und in der Finanzierung hat sie bereits drei wachstumsstarke Unternehmen entwickelt und an der Börse platziert. Gestern begann die Zeichnungsfrist für ein weiteres Unternehmen der Lasersystembranche und am 22. März 2000 soll die Aktie erstmals gehandelt werden. Ich frage Sie, Herr Ministerpräsident, wie ist die im Jahr 1999 gegründete Wagniskapitalgesellschaft VCT bisher wirksam geworden? Und wie sind im Zusammenhang mit den Beschlüssen des Parlaments in der 2. Legislaturperiode zur Aufnahme eines Gesellschafters für die Thüringer Aufbaubank als Grundlage der Erschließung weiterer Geschäftsbereiche auch hier Weichen gestellt worden? Aber hier ist es wie auf Nebenstrecken und der MitteDeutschland-Schienenverbindung - Weichen sind gestellt,
Meine Damen und Herren, ich will mich auf einen vierten Komplex konzentrieren. Bereits anlässlich des 1. Thüringer Symposiums "Transformationsprozesse lösbar" vom Mai 1994 in Erfurt wurde von Prof. Dr. Günther Nötzold vom Institut für Wirtschaft und Gesellschaft Bonn dargestellt, dass die Industrieregionen die Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung sein müssen und gleichzeitig durch Entwicklung eines hohen Grades der Verflechtung mit Bildung und Erziehung, Wissenschaft und Forschung, von Produzenten, Zulieferern und Dienstleistern, von Handel und Kultur, Sport- und Sozialeinrichtungen, Synergieeffekte über die industriestarken Regionen hinaus gewonnen und Kreativität, Innovationskraft und Qualitätsfortschritte erreicht werden können. Dass diese Entwicklungen bedeuten, dass der Staat in Vorleistung gehen muss, machen die Entwicklungen im Jenaer Raum deutlich. Für die Privatisierung des Zeiss-Kombinats sind 3,6 Mrd. DM als Umstrukturierungskosten eingesetzt worden. Die diversen Firmenausgründungen und Institutsansiedlungen wurden mit vielfältigen Bundes- und Landesförderprogrammen subventioniert. In und um Jena ist ein wirtschaftlich starker Raum entwickelt worden. Solch eine Entwicklung hätte sich Artern und Altenburg auch gewünscht.
Zwar hat Thüringen - naja, vielleicht gab es da keinen Ministerpräsidenten a.D., der Arbeit brauchte