Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

Meine Damen und Herren, die PDS hält es nach wie vor mit der Definition der Weltgesundheitsorganisation, nach der Gesundheit körperliches, geistiges, soziales und ökonomisches Wohlbefinden ist. Und ich füge hinzu, Grundvoraussetzung für Gesundheit sind Einkommen, Wohnung, Nahrung. Wie viele Menschen sind alleine in Thüringen obdachlos oder wohnungslos? Wie viele Kinder sind von Sozialhilfe abhängig und wie beeinträchtigt das ihre Ge

sundheit? Wie viele Menschen in Thüringen beziehen ein unterdurchschnittliches Einkommen und wie viele Menschen sind infolge von Arbeitslosigkeit krank oder aus Angst vor Arbeitslosigkeit krank geworden? In den Antworten zu Kleinen Anfragen zu dieser Problematik hier im Thüringer Landtag seit 1990 wird deutlich, dass es zahlreiche Defizite sowohl hinsichtlich einer gut abgesicherten, wissenschaftlich fundierten Gesundheitsberichterstattung gibt und wo es sie gibt wurden in der Regel keine gesundheitspolitischen Schlussfolgerungen daraus gezogen. Aber auch das versteht die PDS unter Landeskompetenz in der Gesundheitspolitik und hier liegt auch eindeutig eine Verantwortung des Herrn Minister.

(Beifall bei der PDS)

Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel. Ich bin auf einer Konferenz, wo Prof. Häubner über Frühgeborene spricht und die Frühgeburtlichkeit in Thüringen. Dort wird ausgeführt, dass die Frühgeburtlichkeit in Thüringen um 2 bis 3 Prozent höher ist. Er sagt, dass es eine besondere Aufgabe der Neonatologen ist, ja gut, da weiß erst mal keiner, was das ist usw. und dann wird er aber gefragt, wo denn die Ursachen dafür liegen. Da sagt Prof. Häubner - und das ist für mich wirklich sehr bemerkenswert -, er müsste da spekulieren. Er müsste da echt spekulieren, weil er es nicht weiß. Daraufhin wurde er gefragt, ob es vielleicht sozioökonomische Maßnahmen sein könnten, das ist auch noch vage, da sagt er dann, wahrscheinlich. Daraus muss man doch Schlussfolgerungen ziehen, um tatsächlich die Ursachen zu erkennen, denn nur eine ist dort benannt worden und die ist mit Sicherheit wichtig, wird aber den geringsten Anteil erfassen, das kann ich Ihnen versprechen.

Meine Damen und Herren, die praktische Politik wurde zumindest in den letzten Jahren sehr stark von ideologischen Fragen berührt - Markt oder Staat. Der Markt im Gesundheitssystem macht nicht unbedingt gesund, wie das der Jesuitenprofessor Hengstbach sehr pointiert in einem Aufsatz dargelegt hat. Die organisierten Interessen der Lobbyisten in dieser Bundesrepublik sind überaus mächtig und das schlägt durchaus auch auf Thüringen durch. Sie beschäftigen weitaus mehr Leute als das Gesundheitsministerium und offensichtlich auch mit mehr Erfolg. Meine Damen und Herren, was einst als Gewerbe begann, das allenfalls Linderung bei Schmerz und Siechtum versprach, hat sich zu einer Industrie entwickelt, die für zweite Herzen, dritte Zähne, künstliche Gelenke, aber auch für viele andere Dinge sorgt. Das Gesundheitswesen in Deutschland ist immer mehr, das behaupte ich hier bestimmt nicht ohne Grund, zu einem Reparaturbetrieb verkommen. Das ist eines der Probleme. Die ökonomische Bedeutung übersteigt im Übrigen, und das sollte man hier an dieser Stelle auch sehr deutlich sagen, wenn man eine gesundheitspolitische Debatte macht, weit die von Automobilbau oder Energiewirtschaft insgesamt. Rund 4,2 Mio. Menschen arbeiten heute im medizinisch-industriellen Komplex, wie der Gesundheitssektor gern von Ökonomen benannt wird

und auch von Ökonomen offensichtlich immer mehr dominiert wird. Das entspricht 12 Prozent aller Erwerbstätigen. Etwa 550 Mrd. DM werden hier jährlich umgesetzt. Da werden schon viele Begehrlichkeiten wach. So hat die Pharmaindustrie längst gelernt, flexibel auf staatliche Preisregulationen zu reagieren. Da werden kurzerhand die Packungsgrößen geändert oder neue Arzneimittel auf den Markt gebracht, die lediglich Variationen längst bekannter Wirkstoffe enthalten, dafür aber den Vorteil haben, als Originalpräparate aus der so genannten Festpreisbindung entlassen zu sein.

Ein weiteres Beispiel: In Thüringen muss man diese Fragen alle ansprechen, tut mir Leid. Das Unternehmen Essex Schering hat einen wirksames Medikament gegen Hepatitis C entwickelt und Sie wissen, wovon ich rede, da gab es ja auch sehr viel Protest. Damit könnten in Deutschland alle an Hepatitis C Erkrankten erfolgreich behandelt werden. Die Kassen würde diese Behandlung allerdings 30 Mrd. DM kosten, pro Patient also 23.000 DM. Eine kleine deutsche Firma reimportiert in kleinen Mengen dieses Medikament, denn nur kleine Mengen sind erlaubt. Das gleiche Medikament kostet hier die Kassen pro Patient 4.000 DM. Einen Kommentar dazu, glaube ich, erspare ich mir.

Ganze Bataillone von Pharmareferenten sind damit beschäftigt, dem Absatz vor Ort aufzuhelfen und nicht immer belassen es die Außendienstmitarbeiter bei guten Worten. Mal werden den Medizinern Reisen spendiert, wenn sie ein neues Produkt an den Patienten bringen, mal locken Prämien für so genannte Qualitätsstudien und wen wundert es dann, wenn es auch Betrug über die Krankenkassen gibt. Mich wundert es nicht, denn es ist systemimmanent.

Wo ist Ihre Forderung der Abschaffung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel, Herr Minister, oder zumindest deren Halbierung, wie in Europa üblich? Sie könnten so die gesetzlichen Krankenversicherungen auch in Thüringen stärken, Patienten entlasten, Anträge dazu liegen vor, aber es will ja offensichtlich keiner.

Meine Damen und Herren, seit Jahren wird über eine Kostenexplosion im Gesundheitswesen gesprochen. Mit den wenigen Beispielen wollte ich deutlich machen, wohin das Geld der Beitragszahler auch fließt. Dabei habe ich die medizinische Großgeräteindustrie noch gar nicht erwähnt. Und wer, Herr Minister, hat denn still und leise den § 119 SGB V wieder abgeschafft? Das war Herr Seehofer, soweit ich mich erinnere. Herr Seehofer hat übrigens aus unserer Sicht gar nicht schlecht begonnen und es löste bei mir große Betroffenheit aus, als ich mit ansehen musste, wie ihm von bestimmten lobbyistischen Kreisen das Rückgrat gebrochen wurde. Das zeigt mir, wer in der BRD eigentlich das Sagen hat und wo sich das entwickelt.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, gern wird auch ausgeblendet das Einnahmeproblem der Krankenkassen. Etwa 90 Prozent der Bevölkerung sind gesetzlich krankenversichert. Durch den ständigen Rückgang der Lohnquote seit der Hälfte der 70iger Jahre erhielt die gesetzliche Krankenversicherung immer weniger Beiträge. Während die Bruttogrundlohnsumme sinkt, steigt die Arbeitslosigkeit und die Einnahmen der Krankenkassen werden weniger. Für Arbeitslose sind die Beiträge abgesenkt worden, bei Konkursen erhalten die Krankenkassen überhaupt kein Geld. Unter den 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union belegte Deutschland bei einem Vergleich der Abgabenquote den 5. Platz von unten, bei der Steuerquote den allerletzten Platz. Das Bruttoinlandsprodukt stieg von 1980 bis 1997 um 147,4 Prozent, die tatsächliche Abgabenquote um 138,7 Prozent, die Lohn- und Gehaltssumme netto um 93,8 Prozent, die Einnahmen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen, meine Damen und Herren von der CDU, hören Sie gut zu, stiegen netto um 257,8 Prozent und das private Geldvermögen um 257,5 Prozent. Ja, meine Damen und Herren, meinen Sie nicht angesichts dieser Entwicklung für den Standort Deutschland, dass wir auch ein sehr gravierendes Verteilungsproblem in Deutschland und auch in Thüringen nach wie vor haben?

Noch ein paar andere Zahlen, wo man mit Sicherheit, wenn man über Gesundheitspolitik insgesamt redet, wirklich etwas sagen muss und etwas tun muss: Der Volkswirtschaft entstehen infolge von Frühinvalidität jährlich rund 410 Mrd. DM Kosten. Sie übersteigen übrigens die Kosten der Lohnfortzahlung um mehr als das Sechsfache. Ein interessanter Fakt, nicht wahr? Natürlich können Ursachen von Frühinvalidität verschieden sein. Unsere Frage in dieser Beziehung an Sie, Herr Minister, auf Thüringen bezogen ist: Wie sieht es in Thüringen aus, z.B. mit dem Arbeitsschutz? Wie viele Beanstandungen gab es in den letzten Jahren in Thüringen durch die Arbeitsschutzbehörden des Landes? Wie viele Arbeitsunfälle wurden gezählt, wie viel davon mit tödlichem Ausgang? Welche Auflagen wurden den Verantwortlichen dafür erteilt und welche Schlussfolgerungen sind daraus gezogen worden? Sind aus Ihrer Sicht überhaupt ausreichend Mitarbeiter noch in den vier Ämtern für Arbeitsschutz in Thüringen tätig? Auch Arbeitsschutz ist Teil von Gesundheitspolitik. Das Land kann sehr wohl Einfluss auf die Einhaltung des Arbeitsschutzes nehmen.

Meine Damen und Herren, Gesundheitspolitik muss als politische Querschnittsaufgabe verstanden werden. Das Gesundheitswesen darf nicht der Markt für Geschäftemachen und Profitmaximierung werden.

(Beifall bei der PDS)

Die modernen Volkskrankheiten, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, die Zunahme chronischer Erkrankungen weisen in Entstehung und Verlauf einen deutlichen Bezug zu den Lebens-, Umwelt- und Arbeitsbedingungen und den Lebensstilen der verschiedenen

Gruppen der Bevölkerung auf. Da muss man auch Einfluss nehmen. Gerade das sollte ein Land tun. Das Krankheitspanorama hat sich verändert, ebenso Bewältigungsstrategien von Krankheiten, aber auch Patientenprobleme und Erwartungen. Die demographische Entwicklung - Sie sprachen sie an - und sozioökonomischen Turbulenzen oder Verwerfungen haben durchaus Wirkungen auf ein Gesundheitssystem, aber natürlich auch die technische Entwicklung und einen Wertewandel in der Bevölkerung. Bei all diesen Veränderungen darf der Mensch nicht auf der Strecke bleiben, darf der Patient nicht auf der Strecke bleiben. Wenn Sie, Herr Minister, von mehr Mitverantwortung oder Selbstverantwortung sprechen, dann frage ich mich ernsthaft, wie soll die Stärkung der Mitverantwortung für jeden Einzelnen aussehen? Was heißt denn medizinisch Notwendiges - eine Grundversorgung für den Bürger und eine Leistungsversorgung je nach Brieftasche ganz im Sinne einer Zwei- oder Mehrklassenmedizin? Wenn von der Eigenverantwortung des Einzelnen gesprochen wird, wird da nicht noch nach ganz anderen Kriterien selektiert? Eigenverantwortung kann nur der übernehmen, wenn ein bestimmtes Maß an gesundheitlicher Bildung vorhanden ist. Wo nimmt der von der Gesellschaft an den Rand Getriebene, der Ausgegrenzte seine Bildung her? Meine Tätigkeit im Ausland, in einem Entwicklungsland hat mir sehr deutlich gezeigt, was Bildungsdefizite und Krankheiten miteinander zu tun haben.

Meine Damen und Herren, im deutschen Gesundheitssystem haben Technikeinsatz und Akutmedizin einen deutlich höheren Stellenwert als Prävention, Rehabilitation, Psychosomatik und Pflege. Das Bild der Medizin als Reparaturbetrieb habe ich bereits weiter oben beschrieben. Deutschland hat auch ein bisschen ein anderes Bild als es andere Länder haben. Hier erwartet der Patient - das muss man auch einmal sagen -, wenn er zum Arzt geht, dass er mindestens mit einem Rezept wieder herauskommt. Leider, muss ich sagen, entsprechen dem Ärzte auch öfter. Dabei besagen Studien, dass bis zu 50 Prozent der Patienten das persönliche Gespräch, den sozialen Kontakt suchen. Die Frage ist für uns auch, ob es sich hier manchmal nicht schlichtweg um unterlassene Hilfeleistung durch ein Gesundheitssystem handelt.

Meine Damen und Herren, es gibt in diesem Land eine zunehmende Tendenz, ältere Menschen, chronisch kranke Menschen in das Krankenhaus abzuschieben. Und das, obwohl wir aus der Gerontologie, der Altersforschung, wissen, dass jeder Krankenhausaufenthalt zu einem - man kann sagen - dramatischen Kompetenzverlust bei diesen Menschen führt und außerdem sehr teuer ist.

Herr Minister, werden Sie gemeinsam mit Ihrer Ministerkollegin, Frau Schipanski, für einen Lehrstuhl für Geriatrie in Thüringen sorgen? Die Frage, jedenfalls der PDS, ob es einen Geriatrieplan in dieser Legislatur geben wird, beantworten Sie bisher mit Nein.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Warten Sie einmal ab.)

Meine Damen und Herren, das ist für mich übrigens ein gewisser Widerspruch zu dem, was Sie zur demographischen Entwicklung usw. sagen. Es wird eine Menge getan, aber man muss natürlich integriert sehr viel mehr tun.

Sehr verehrte Damen und Herren, wir haben im Gesundheitswesen eine Menge von Zielkonflikten. Einige habe ich benannt, weitere wären hinzuzufügen, so die ganzheitliche medizinische Diagnostik und Therapie und die damit auch zusammenhängende ambulante und stationäre Verzahnung. Da gibt es Ansätze, die sind mit Sicherheit nicht optimal. Aber was diesem Gesundheitswesen vor allem fehlt, und das betone ich noch einmal, sind Gesundheitsziele sowohl auf Bundesebene als auch auf der Landesebene in Thüringen. Mit der Formulierung von Gesundheitszielen wäre es auch leichter, öffentliche und individuelle Interessen miteinander zu verknüpfen, weil sie nämlich dann auch öffentlich benannt werden müssen. Die Zielbildung ist ein Politikprozess. An diesem Prozess sollten natürlich Versicherte - der Bürger - und damit auch Wählerinnen und Wähler teilhaben. Das würde dann auch wahrscheinlich dem Demokratieverständnis der Wählerinnen und Wähler eher entsprechen.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen am Schluss etwas aus der Financial-Times Deutschland vom 3. März 2000 zitieren. Wir haben ja in diesen Debatten jetzt noch mehr auf der Tagesordnung, das will ich zunächst erst einmal weglassen. Aber das ist hoch interessant, und das sollten wir uns vielleicht einmal alle anschauen. Die Überschrift lautet: "600 Kliniken droht laut Studie die Schließung. Wirtschaftsberater sagen das Ende der gesetzlichen Krankenversicherung voraus." Ich habe sehr wohl sehr gut zugehört, Herr Minister Dr. Pietzsch. Sie wollen die gesetzliche Krankenversicherung. Ich denke auch, das bleibt dabei. Sie wollen sicher auch nicht nur eine sehr eingeschränkte Grundversorgung, trotzdem, denke ich, man sollte das einmal zum Abschluss zitieren. "Geht es nach einer Prognose der Wirtschaftsberater von Arthur Andersen, bleibt im deutschen Gesundheitswesen innerhalb von 15 Jahren kein Stein auf dem anderen. In einer noch unveröffentlichten Studie 'Krankenhaus 2015' sagen sie voraus, dass knapp ein Viertel der heute rund 2.300 Krankenhäuser bis dahin schließt. Vor allem öffentliche Häuser" (und das zeichnet sich in Thüringen als Pilotprojekt ab) "machen dicht oder werden von privaten Trägern gekauft. Die noch mächtigen gesetzlichen Kassen gibt es praktisch nicht mehr. Bei den Krankenkassen könnte der Wandel noch drastischer ausfallen. Die Wirtschaftsberater halten die solidarische Krankenversicherung für nicht weiter finanzierbar. Ein Umdenken würde ähnlich wie bei der Rente einsetzen. Das wird das Vorbild für eine private Finanzierung der Krankenversicherung sein, sagte Böhlke. Der Staat werde künftig nur noch für eine reduzierte Grundversorgung aufkommen" (und ich hoffe nicht,

dass es das ist, was der Minister gemeint hat). "In dem Szenario wird unterstellt, dass der Staat sich weitgehend auf einige Kernbereiche zurückzieht, und das ist sichtbar. Das bedeutet auch, dass es zu einer offenen Rationierung komme."

Herr Minister, um dieses Szenario nicht Wirklichkeit werden zu lassen, bedarf es aller in der Gesundheit dafür Betroffener, entschiedenen Widerstand zu leisten. Da denke ich, das geht nur mit Konsens. Da muss man sich an einen Tisch setzen. Eine Landesgesundheitskonferenz z.B. könnte sicher dazu beitragen, parteiübergreifende Vorschläge zu erarbeiten, die dann gemeinsam zum Wohle der Patienten getragen werden könnten. Gerade, meine Damen und Herren, in der Gesundheitspolitik auch hier in Thüringen gibt es viel zu tun. Die PDS als größte Oppositionspartei im Thüringer Landtag wird zu solchen Lösungen gern beitragen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Es ist kurz nach 13.00 Uhr. Ich unterbreche die Aussprache zu diesem Bericht zu Tagesordnungspunkt 3 für die Mittagspause und weise darauf hin, dass im Moment schon die Eröffnung der Ausstellung "Wohllaut der Farben durch Harmonie" angefangen haben dürfte.

Auch wenn der Plenarsaal ein bisschen zu leer zu sein scheint, ich will das einmal so vorsichtig ausdrücken, wir fangen mit der Fragestunde an und ich hoffe, dass sich noch ein paar Abgeordnete hinzugesellen werden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16

Fragestunde

auf und bitte Frau Abgeordnete Dr. Wildauer, ihre Frage zu stellen.

Aus für Svedex in Gotha?

In der Stadt Gotha gibt es den Betrieb Svedex, der Türen herstellt und zum gleichnamigen Unternehmen in Monheim (Bayern) gehört. Im Gothaer Betrieb gibt es 97 Beschäftigte, die rund um die Uhr arbeiten, weil die Auftragsbücher voll sind und der Absatz gesichert ist. Das Gothaer Unternehmen soll zum 30. September 2000 geschlossen werden. Die ersten Kündigungen wurden ausgesprochen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist der Landesregierung bekannt, dass ein mit Landesmitteln gefördertes Unternehmen in Gotha die Geschäftstätigkeit einstellt?

2. Was wurde seitens der Landesregierung unternommen, um die Existenz des Unternehmens am Standort Gotha zu sichern?

3. Ist es legitim, wenn mit Hilfe von Landesfördermitteln wertvolle Maschinen z.B. zur Türenherstellung gekauft wurden, diese Maschinen nach zwei Jahren an einen Zweigbetrieb in Ungarn gingen, womit u.a. dessen Privatisierung ermöglicht wurde; wenn nein, welche Wege wird die Landesregierung zur Rückforderung der Fördermittel gehen?

Herr Minister Schuster antwortet für die Landesregierung.

Namens der Landesregierung beantworte ich die Fragen von Frau Dr. Wildauer wie folgt:

Zu Frage 1: Durch eine Presseveröffentlichung am 25.02.2000 bzw. durch ein Schreiben des Landrats vom 29.02. dieses Jahres erhielt das Wirtschaftsministerium Kenntnis von der bevorstehenden Schließung des Unternehmens.

Zu Frage 2: Aufgrund der Veröffentlichung wurde die Geschäftsführung des Unternehmens Svedex umgehend durch das Wirtschaftsministerium mit dem Ziel kontaktiert, Gespräche über den Erhalt der Firma in Gotha zu führen. Seitens der Geschäftsführung wurde allerdings keine Bereitschaft hierzu signalisiert und weitere Gespräche wurden abgelehnt.

Zu Frage 3: Es ist nicht zulässig, wenn geförderte Wirtschaftsgüter innerhalb der Zweckbindungsfrist aus einer geförderten Betriebsstätte ausgelagert und in anderen Unternehmen eingesetzt werden. In solchen Fällen läge ein gravierender Verstoß gegen die Förderbestimmungen vor, der unweigerlich zu einem Widerruf des ausgereichten Zuwendungsbescheides und damit zu einer Rückforderung der bereits ausgezahlten Fördergelder führen würde. In Bezug auf das Unternehmen Svedex konnte allerdings im Rahmen der von der Thüringer Aufbaubank durchgeführten Verwendungsnachweisprüfung der Vorwurf der Verlagerung geförderter Maschinen innerhalb der Zweckbindungsfrist nicht bestätigt werden. Da sämtliche Zweckbindungsfristen inzwischen abgelaufen sind und zwischenzeitlich keine weiteren Förderungen durch den Freistaat erfolgten, hat das Land keine Handhabe, Fördergelder zurückzufordern.

Vielen Dank. Gibt es Nachfragen?

Danke, Herr Minister. Können Sie bitte sagen, wie lange die Zweckbindungsfrist ist, zwei Jahre oder?

Die ist üblicherweise drei Jahre, meines Wissens, aber ich werde Ihnen das noch genauer schriftlich mitteilen, weil man immer beachten muss, zu welchem Zeitpunkt Förderbescheide ergangen sind.

Haben Sie noch eine?

Ja, darf ich noch eine?

Ja, selbstverständlich.

Wenn die Frist drei Jahre sein sollte - die Maschine war nur zwei Jahre in Gotha -, dann wäre die Zeit nicht eingehalten worden und die Mittel könnten dann wohl zurückgefordert werden?

Ich prüfe das noch einmal nach und gebe Ihnen Bescheid.

Gibt es weitere Nachfragen? Das sehe ich nicht. Dann ist die Frage damit beantwortet und wir kommen zur Frage in Drucksache 3/446, wieder Frau Dr. Wildauer.