Ich erinnere daran, dass die Botschaft der Vereinigten Staaten in Prag im Namen der vier Siegermächte im Zusammenhang mit der deutsch-tschechischen Erklärung unmissverständlich feststellte: "Die Entscheidung der Regierungen der USA, Großbritanniens und der damaligen Sowjetunion im Juli und August 1945 waren fest verankert im internationalen Recht... Die Ergebnisse der damaligen Konferenzen sind seitdem viele Male bei verschiedenen internationalen und bilateralen Zusammenhängen bestätigt worden. Ergebnisse der Potsdamer Konferenz sind eine historische Tatsache."
Meine Damen und Herren, im Jahre 1953 wurde in der Bundesrepublik Deutschland nach zweijähriger Diskussion das Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge beschlossen. Neben der Charakterisierung der Vertriebenen, Aussiedler und nach der seit 1993 geltenden Fassung auch der Spätaussiedler verpflichtet der § 96 des Bundesvertriebenengesetzes den Bund und die Länder zur finanziellen und auch zur sonstigen Förderung von Vereinigungen der Vertriebenen und der Landsmannschaften.
Aber auch darüber hinaus, Herr Jaschke, erhalten der Bund der Vertriebenen und seine Mitgliedsverbände Unterstützung und Förderung durch die Regierungen des Bundes und der Länder. Vor dem Hintergrund, dass bis in die jüngste Gegenwart Funktionäre des Bundes der Vertriebenen offen mit geschichtsfälschenden, revisionistischen und völkischen Positionen öffentlich in Erscheinung treten und dabei die Unterstützung der Gremien des BdV erhalten, ist es unseres Erachtens notwendig, die finanzielle und ideelle Förderung und Unterstützung des BdV und seiner Mitgliedsverbände wie auch die Förderung von Projekten durch die Thüringer Landesregierung in den letzten Jahren einer kritischen Hinterfragung zu unterziehen. In diesem Sinne betrachten wir den heutigen Bericht als eine logische Fortsetzung der Entscheidung am 17. Mai diesen Jahres, dem Thüringer Landesverband des Bundes des Vertriebenen in diesem Haus kein Podium zu geben. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu der Begründung, Herr Dr. Hahnemann, muss ich eines sagen: Es ist eine traurige Rechtfertigung des Unrechts der Vertreibung gewesen, was Sie hier abgeben wollten,
wenn Sie die Opfer der Vertreibung zu Tätern und Schuldigen machen wollen. Meine Damen und Herren, der Mecklenburger Bauer ist nicht mehr und nicht weniger schuld am Nationalsozialismus wie der ostpreußische Bauer gewesen. Und der schlesische Bergmann ist nicht mehr schuld gewesen als der Kumpel an Ruhr und Saar.
Und es ist wirklich unerträglich, wenn hier versucht wird, den Opfern die Schuld zuzuschieben, dass sie vertrieben worden sind.
Ich nehme gern die Möglichkeit wahr, dem Parlament über die Förderung des Bundes der Vertriebenen und seiner Mitgliedsverbände diesen Bericht zu geben. Es ist ja schließlich das hohe Haus, das durch den von Ihnen beschlossenen Landeshaushalt die erforderlichen Fördermittel bereitstellt. Die unzutreffenden Behauptungen der PDS-Fraktion, die im zweiten Absatz, also der Begründung, zu entnehmen sind, entbehren, und ich habe diese eben dargelegt, der Grundlage. Die Förderung des BdV ist gerechtfertigt und die Landesregierung distanziert sich von den Formulierungen, die in der Begründung Ihres Antrags zu lesen sind.
Der Bund der Vertriebenen, Landesverband Thüringen, sowie die Sudetendeutsche Landsmannschaft, Landesverband Thüringen, erhalten eine jährliche Förderung durch das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit, und zwar auf der Grundlage des § 96 Bundesvertriebenengesetz. Im Haushaltsjahr 2000 stehen zur Pflege des Kulturguts der Vertreibungsgebiete Mittel in Höhe von 475.000 DM zur Verfügung, davon 177.000 DM institutionelle Förderung des BdV. Mit diesem Geld wird die Verbandsarbeit unterstützt. Gefördert werden Ausgaben im Personal- und im Sachbereich. Für die Projektförderung standen im vergangenen Jahr ca. 300.000 DM zur
Verfügung. Die Mittel will ich in ihre Ausgabenstruktur aufgliedern. Für Ausstellungen und Präsentationen 15.000 DM, für Literaturförderung ca. 31.000 DM, für ostdeutsche Kulturtage ca. 20.000 DM, für den Tag der Heimat sowie die landsmannschaftliche Kulturarbeit - d.h. also für jede Landsmannschaft im Einzelnen - ca. 200.000 DM, dann Chorarbeit - unbedeutend -, für grenzüberschreitende Maßnahmen - übrigens sehr wichtig - knapp 24.000 DM und für Vorträge und Seminare ca. 7.000 DM. Nun wird man fragen: Was verbirgt sich hinter grenzüberschreitenden Maßnahmen? Ganz sicher nicht revisionistische Planung und Rückeroberung ehemals deutscher Gebiete, sondern dieses beinhaltet die konkrete Versöhnungsarbeit des Bundes der Vertriebenen, Seminare für junge Menschen aus Deutschland und Tschechien - in Prag zum Beispiel -, veranstaltet gemeinsam mit der tschechischen Studentengruppe Anticomplex. Und gerade - das will ich ganz deutlich sagen - die Heimatvertriebenen waren auch Wegbereiter einer menschlichen Gesellschaft, trotz all des Unrechts, das sie erlebt haben.
Meine Damen und Herren, die Größe muss erst einmal jemand haben, 1950 in der Charta der Deutschen Heimatvertriebenen, zu einer Zeit als die Wunden noch sehr frisch waren, als die Erinnerung noch ganz frisch war, z.B. zu zitieren: "Wir Heimatvertriebene verzichten auf Rache und Vergeltung. Dieser Entschluss ist uns ernst und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches im Besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat." Oder zum Zweiten: "Wir werden jedes Beginnen mit allen Kräften unterstützen, das auf die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können."
Meine Damen und Herren, diese Sätze sind für mich immer wieder beeindruckend, wenn man bedenkt, dass die Vertriebenen die Last der Verbrechen des Dritten Reiches in besonderer Weise tragen mussten. Und auch hier, Herr Dr. Hahnemann, haben Sie Wortspielchen betrieben. Vertreibung ist keine logische und zwingende Konsequenz des Zweiten Weltkrieges gewesen.
Die Vertreibung fand zu einem überwiegenden Teil zu Zeiten statt, als der Zweite Weltkrieg beendet war, also keine Kriegshandlung mehr. Und trotzdem haben die Vertriebenen nach dem Krieg, sowohl in der alten Bundesrepublik als auch hier in der ehemaligen DDR, eine großartige Aufbauleistung vollbracht. Sie haben sich integriert und sie haben dieses Land - auch dieses Land Thüringen - mit ihrer Hände Arbeit mit aufgebaut. Sie haben gleichzeitig die Kultur ihrer alten Heimat für die junge Generation erhalten. Und die Menschen aus Ost- und Westpreußen, aus Schlesien oder dem Sudetenland haben der europäischen Kultur einen großen Reichtum hinzugefügt.
Meine Damen und Herren, ostdeutsche Kultur aus den Vertreibungsgebieten ist europäische Kultur. Meine Damen und Herren, ohne Eichendorff, ohne Kant, ohne Kafka, ohne Gerhart Hauptmann wäre unsere deutsche und auch die europäische Kultur ein ganzes Stück ärmer. Das wollen wir nicht einfach unter den Tisch kehren.
Diese Kultur zu erhalten, das ist das Ziel der Förderung des BdV in Thüringen. Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung den Dialog zwischen der jungen Generation der Vertriebenen und den jungen Menschen in den osteuropäischen Staaten. Insbesondere die junge Generation hat den Willen, über diesen schrecklichen Teil europäischer Geschichte nicht einfach den Mantel des Schweigens zu decken, denn dieses muss aufgearbeitet werden. Wir wissen, dass so manche Geschichte in Europa, in Mitteleuropa, in Deutschland aufgearbeitet werden muss. Dieser Teil gehört dazu und den können wir nicht einfach ablegen und sagen, geht uns nichts mehr an. Vergessen wir nicht, wir, die Menschen in den jungen Bundesländern und unsere östlichen Nachbarn, haben seit einem Jahrzehnt die Möglichkeit, uns offen und ohne Furcht vor Repressalien mit der Vertreibung auseinander zu setzen, auch, meine Damen und Herren, die Polen, denn auch dort hat es ja im großen Maße Vertreibung aus den östlichen Gebieten gegeben.
Und warum sollen die Polen dieses unter den Tisch kehren? Sie wollen das auch nicht unter den Tisch kehren, sie wollen darüber reden. Wenn Vaclav Havel am Ende seines ersten offiziellen Deutschlandbesuchs in Regensburg sagte: "Ich verurteile die Vertreibung", dann zeigt das doch, was sich inzwischen zwischen den Völkern geändert hat. Ich möchte an dieser Stelle die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Frau Steinbach, zitieren. Sie sagte vor der Bundesversammlung des BdV am 20. März diesen Jahres: "Es gibt inzwischen viele Freundschaften von Mensch zu Mensch zwischen unseren Völkern. Über die Gräben der Vergangenheit hinweg sind Freundschaften gewachsen, die weiter reichen, als wir es noch vor einigen Jahren für möglich gehalten haben."
Meine Damen und Herren, die Gräben der Vergangenheit können nur überwunden werden, wenn die Geschichte ehrlich aufgearbeitet wird. Zu dieser Geschichte gehören auch 15 Millionen aus ihrer Heimat vertriebene Menschen, von denen mehr als 2 Millionen auf der Flucht umkamen oder ermordet wurden. Die Vertreibung der Deutschen aus ihrer Heimat ist doch eine ungelöste Menschenrechtsfrage. Meine Damen und Herren, wir müssen diese Menschenrechtsfrage korrekt angehen und zum Thema machen. Diktatoren in aller Welt haben sich diese Vertreibung zum Vorbild für eigene so genannte ethnische Säuberungen genommen, und wenn dieses nicht weiter passieren soll, müssen wir über diese Themen auch reden.
Ohne die ehrliche Aufarbeitung der Vertreibung der Deutschen ist Versöhnung zwischen den Völkern nur schwerlich möglich. Dies ist das Anliegen des BdV. Die Vertriebenen sind Helfer bei der Versöhnung der europäischen Integration und die Landesregierung würdigt dieses ausdrücklich und dankt den Vertriebenen und ihren Organisationen für ihr Engagement, was sie hier einsetzen. Ich halte auch aus diesem Grunde die von der Bundesregierung geplanten Kürzungen bei der Förderung der Vertriebenenkulturarbeit für unverantwortlich und kurzsichtig.
Willkürliche Zusammenlegung von Kultureinrichtungen und Streichung bei der Zahl der geförderten Kulturinstitutionen, und übrigens ohne vorherige Absprache mit den Betroffenen und den Ländern, sind ein Zeichen für die ideologischen Scheuklappen von Rotgrün. Hier wird die Förderung von politischem Wohlverhalten abhängig gemacht. Ich denke, wir sollten den Bundesbeauftragten, Staatsminister Naumann, auffordern, sich endlich um einen Konsens mit den Ländern bei der Neukonzeption der Vertriebenenkultur zu bemühen und diese Arbeit angemessen anzuerkennen. Die Würdigung des Einsatzes der Vertriebenen in unserer Gesellschaft für Frieden und Versöhnung und auch der Dank für das Engagement des BdV und seiner Mitgliedsorganisationen bedeutet aber auch für uns, und das haben die Abgeordneten deutlich gemacht, keineswegs eine Identifikation mit jeder Äußerung einzelner Funktionäre und mit ihrem Verhalten. Im vorliegenden Fall ist es aber höchst erstaunlich, dass die PDS-Fraktion eine nach Auffassung der Landesregierung unverantwortliche und zu missbilligende Äußerung eines einzelnen Vertriebenenfunktionärs zum Anlass eines Pauschalangriffs auf die Vertriebenen und ihre Organisation, den BdV, nimmt,
Sehr verehrter Herr Ramelow, Sie brauchen nicht na, na zu sagen, Sie haben damals nicht hier gelebt. Deswegen wissen Sie es nicht.
Und dann würde ich Ihnen empfehlen, sprechen Sie mal mit den Heimatvertriebenen, mit den Rentnern, die damals reisen durften, wenn sie mal zu einem Heimattreffen
in den alten Bundesländern gewesen sind und wieder zurückkamen und dieses nur unter zwei vorgehaltenen Händen bekunden durften, weil sie Sorgen hatten, dass sie sonst nie wieder ihre Reise in den Westen bekommen.
Meine Damen und Herren, die Behauptung der PDS und jetzt zitiere ich: "Bis in die jüngste Gegenwart treten Funktionäre des Bundes der Vertriebenen offen mit geschichtsverfälschenden revisionistischen und völkischen Positionen öffentlich in Erscheinung und erhalten dabei die Unterstützung der Strukturen des BdV.", ist eine unerträgliche Verunglimpfung der Vertriebenen und ihrer Schicksale.
Meine Damen und Herren, und die zweite falsche Behauptung der PDS: "Auch in Grundsatzdokumenten des BdV und seiner Mitgliedsverbände finden sich geschichtsverfälschende Darstellungen und aggressive Forderungen wieder." Meine Damen und Herren, das entscheidende Grundsatzdokument des BdV ist die Charta der Heimatvertriebenen.
Ich denke, wir sind es unseren Heimatvertriebenen schuldig, sie vor böswilligen Verleumdungen in Schutz zu nehmen. Diese Menschen haben ein schweres und unverdientes Schicksal erlitten und sich trotzdem in ihrer neuen Heimat - ich habe manchmal gesagt, in ihrem neuen Zuhause, denn ihre Heimat liegt woanders - eingebracht und es sollte eigentlich mehr von uns ein Dank an dieses Einbringen gebracht werden, als sie zu verunglimpfen. Danke sehr.
Danke, Herr Minister Pietzsch, für Ihren Bericht. Mir liegen schon mehrere Wortmeldungen vor, so dass ich davon ausgehe, dass Aussprache verlangt wird. Ich rufe auf den Abgeordneten Schemmel.