Protokoll der Sitzung vom 07.06.2000

Danke, Herr Minister Pietzsch, für Ihren Bericht. Mir liegen schon mehrere Wortmeldungen vor, so dass ich davon ausgehe, dass Aussprache verlangt wird. Ich rufe auf den Abgeordneten Schemmel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auch ich kann die Begründung, die die PDS unter ihren Antrag setzt, nicht in dieser Weise nachvollziehen.

(Beifall bei der SPD)

Allerdings halte ich diesen Antrag für nützlich, denn er gibt ja erst einmal der Landesregierung Gelegenheit, über die Unterstützung zu sprechen, das ist doch wichtig, das zu wissen. Er gibt auch den Fraktionen, und ich denke, sie werden das auch nutzen, Gelegenheit, ihren Standpunkt zu dieser Frage darzulegen. So will ich das für unsere Fraktion tun, für die Thüringer Landtagsfraktion.

Vertreibung ist ein Verbrechen. Dass sich ein solches Verbrechen in unserer auf ein gemeinsames Europa ausgerichteten Zeit nicht wiederholt, das hat die SPD-geführte Bundesregierung dazu bewogen, sich auf der Grundlage des Bundestagsbeschlusses an den Einsätzen im Kosovo zu beteiligen, schweren Herzens gewiss, trotz erheblicher Bedenken gewiss, aber dem einen Ziel verpflichtet, Vertreibung zu verhindern. Auch die Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges war ein Verbrechen. Aber jeder weiß, und die Vertriebenen haben dies schon unmittelbar nach dem Krieg noch angesichts ihrer Leiden erkannt und in ihrer Charta formuliert, Vertreibung kann nicht durch neuerliche Vertreibung gesühnt werden. Und jeder weiß auch, dass die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten eine Folge - wenn auch keine zwingende, da gebe ich Ihnen Recht, Herr Dr. Pietzsch des deutschen Angriffskrieges war, der auch bei unseren östlichen Nachbarn Millionen von Opfern forderte. Vertriebene, also Opfer der Vertreibung, waren Männer, Frauen, Kinder, Mitglieder verschiedener Konfessionen, Personen unterschiedlicher politischer Auffassung, auch gerade viele Sozialdemokraten, wenn ich an die ehemaligen sozialdemokratischen Hochburgen Breslau und Danzig denke. Schon aus diesem Grunde kann es keinen prinzipiellen Unterschied zwischen unseren Organisationen geben, solange bestehende Grenzen nicht in Frage gestellt, Gebietsforderungen nicht erhoben werden.

(Beifall bei der SPD)

Etwas Weiteres ist den beiden Organisationen wohl vielleicht zufällig, vielleicht auch weniger zufällig, gemeinsam. Sowohl die SPD als auch der BdV waren in der DDR nicht genehmigt und wurden erst 1989/90 neu gegründet. Die neu gegründete Ost-SPD hat sich danach in Bonn für den zügigen Fortgang beim Vertriebenenzuwendungsgesetz massiv eingesetzt; ich erinnere mich auch an Anträge, die dort zur Terminverschiebung, zur Begünstigung von Vertriebenen gestellt wurden auf Drängen der OstSPD. Die Bewilligung und die Auszahlung der Zuwendung erfolgte in Thüringen reibungslos durch ein in dieser Zeit sozialdemokratisch geführtes Ministerium. Ich sehe insoweit keine prinzipiellen Differenzen zwischen der SPD

Thüringen und dem BdV-Landesverband. Differenzen gibt es aber bezüglich der Schrift "Was jeder Deutsche wissen sollte" des Herrn Dr. Latussek.

(Beifall bei der SPD)

Völlig zu Recht weist Herr Latussek in seinem Text darauf hin, dass "die sachliche Darstellung der Fakten helfen kann", aber gerade das tut er in seinem Brief nur zu einem Teil. Zum anderen Teil formuliert er den Eigentumsanspruch auf alles private und öffentliche Vermögen in den Vertreibungsgebieten, reklamiert die Oder-Neiße-Grenze und bedient im Übrigen durch sein Vokabular - ich nenne die Worte, die gehen mir eigentlich recht schlecht über die Lippen: "Zwangspolnisierung", "Zwangstschechisierung" und "ostdeutsche Stämme" - eine Klientel, die mit dem BdV nichts, mit rechtsextremistischen Organisationen aber viel gemeinsam hat.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Dass die im Thüringer Landtag vertretenen Parteien sich, und dies insbesondere nach dem Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge, von einem solchen Papier des Dr. Latussek eindeutig distanzierten, liegt auf der Hand. Dies bedeutet aber für uns keine Absage an die Mitglieder des Landesverbandes des BdV. Die Zusammenarbeit auf Kreisebene zwischen SPD und BdV, die sich in einigen Landkreisen - ich darf auch hier das Altenburger Land erwähnen - sehr eng gestaltet, belegt dies und es gibt keinen Anlass, diese Zusammenarbeit aufzukündigen, wohl aber Anlass für uns alle und - ich denke - auch besonders für Mitglieder des BdV, über den Brief des Herrn Dr. Latussek nachzudenken und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Schemmel. Als Nächster hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Dittes.

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Sie kön- nen doch solange rausgehen!)

Meine Damen und Herren, 55 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust, 55 Jahre nach dem millionenfachen Mord, nach Verbrechen, die im Übrigen nicht durch die deutsche Bevölkerung, sondern durch die Alliierten beendet wurden, kann eine Organisation wie der Bund der Vertriebenen nach wie vor diese Verbrechen verschweigen und sich offen gegen Frieden und Völkerverständigung wenden.

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Das macht er doch überhaupt nicht!)

(Unruhe bei der CDU)

Der Bund der Vertriebenen Thüringen hat mit dem am 16. Mai am Thüringer Landtag ausgelegten Positionspapier geschichtsverfälschende, deutschtümelnde und revanchistische Positionen in den Räumen eines demokratisch gewählten Parlaments vertreten. Meine Damen und Herren, ich finde dies nicht nur unerträglich, ich empfinde dies auch als einen Hohn auf die Opfer des Nationalsozialismus, auch insbesondere die Opfer in Polen und Tschechien und als einen deutlichen Affront gegen unsere europäischen Nachbarländer. Die Antwort der Landtagspräsidentin war nicht nur folgerichtig, sie war auch zwingend, ebenso die Unterstützung aller Fraktionen dieses Landtags für diese Entscheidung.

Der Bund der Vertriebenen beschreibt die Opfer des Nationalsozialsmus als Opfer einer "verfehlten europäischen Politik", die "ständig in aller Munde" wären. Demgegenüber würde, so in dem vom Landesvorsitzenden des BdV, Dr. Paul Latussek, unterzeichneten Artikel "Was jeder Deutsche wissen sollte", zu wenig darüber gesprochen, welches Leid Deutschen angetan wurde. Eine solche Rede ebenso wie die fortwährende Bezeichnung der Alliierten, die die nationalsozialistischen Verbrechen beendeten, als "Siegermächte", die obendrein dafür verantwortlich gemacht werden, einen "Völkermord" begangen zu haben oder die Deutschen in "Konzentrationslager" geschickt zu haben, ist historisch nicht nur nicht korrekt, sie bereitet vielmehr das rigorose Einklagen von Entschädigungen und Gebietsrevisionen vor, die der Bund der Vertriebenen propagiert. Forderungen, wie sie der BdV, auch bei Ihnen um Unterstützung bemüht, an die Bundesregierung stellt, wären, wenn die Bundesregierung diesen folgen würde, schlichtweg völkerrechtswidrig, meine Damen und Herren. Der Bund der Vertriebenen macht deutlich, dass er - und ich betone - "die willkürliche Verschiebung der deutschen Ostgrenze" als ein "unverjährbares Verbrechen" ansieht, und begründet hiermit die vehemente Forderung nach Gebietsrevision und Entschädigung. In Konsequenz einer solchen Einschätzung werden die neuen Bundesländer fortwährend als Mitteldeutschland bezeichnet, wie dies auch in der extremen Rechten üblich ist. Und noch heute rechnen sich die Vertriebenenverbände hoch an, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit darstellen sollte, den "Verzicht auf Rache und Vergeltung", wie ihn auch Frau Lieberknecht in ihrem Grußwort zur Schirmherrschaft für die diesjährigen 8. ostdeutschen Kulturtage, in deren Rahmen auch der parlamentarische Abend stattfinden sollte, lobend als "Wille zur Verständigung" herausstellt. Die Charta der Deutschen Heimatvertriebenen von 1950, auf die sich hier Frau Lieberknecht bezieht und auf die sich Herr Pietzsch in seinem Beitrag auch bezogen hat, betont aber auch, dass "die Völker dieser Welt ihre Mitverantwortung am Schicksal der Heimatvertriebenen als der vom Leid dieser Zeit am stärksten

Betroffenen empfinden sollten". Meine Damen und Herren, das ist eine Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus, das ist eine Verzerrung der Geschichte und vor dem Hintergrund von Auschwitz, Treblinka, Babi Jar, von Lidice und Oradour, von Millionen von NS-Zwangsarbeitern und -Opfern in ganz Europa ist es ungeheuerlich, dass dieses Dokument nach wie vor ein Grundsatzdokument des Bundes der Vertriebenen ist - ein Grundsatzdokument, in dem die aggressive Vertreibung deutschstämmiger Juden aus Deutschland vor deren systematischer Vernichtung ab dem Jahre 1939 keinerlei Erwähnung findet. Und, Herr Pietzsch, hier geht es nicht um Rechtfertigung, es geht um die Benennung historischer Fakten und vor allem auch historischer Zusammenhänge.

Die PDS-Fraktion hat bereits den parlamentarischen Abend im Jahre 1997 und den in diesem Jahr geplanten scharf kritisiert, weil die o.g. Positionen bei Funktionären des Bundes der Vertriebenen, insbesondere in Thüringen, keine Seltenheit darstellen. Der Thüringer Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen, ein Herr Latussek, hat in der Vergangenheit bei Veranstaltungen der extremen Rechten als Redner zur Verfügung gestanden und in rechten und rechtsextremen Publikationsorganen veröffentlicht. So erklärte er beispielsweise in der Deutschen Wochenzeitung von Gerhard Frey, DVU, ich zitiere: "Die Leistung, die im Zweiten Weltkrieg erbracht wurde, was im zivilen und militärischen Bereich geleistet wurde, die Opfer, die erbracht wurden, stellen eine in der Geschichte einmalige kollektive Leistung unseres Volkes dar." Auf dem Tag der Heimat am 8. September 1996 in Berlin stellte eben dieser Herr Latussek nicht zum ersten und zum letzten Mal die deutsche Ostgrenze in Frage. Zitat: "Die Oder-Neiße-Grenze bleibt ein Unrecht, so lange, bis sie als Grenze überwunden ist." Am 26. März 2000 unterzeichnete der genannte Herr Latussek gemeinsam mit dem durch den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen als rechtsextremistisch charakterisierten Zentralrat der Vertriebenen Deutschen e.V. die so genannte Görlitzer Erklärung, die die Forderung nach sofortiger "Herausgabe ihres völkerrechtswidrig konfiszierten Eigentums und die unverzügliche Entschädigung der bisher entgangenen Nutzungsausfälle" enthält. Und nicht zuletzt ist genau dieser Herr Latussek stellvertretender Bundesvorsitzender des Bundes freier Bürger, damit immerhin einer Partei, die wiederum in Nordrhein-Westfalen als rechtsextrem eingestuft wird.

Meine Damen und Herren, selbst Vertriebene distanzieren sich vom Thüringer Landesvorsitzenden des Bundes der Vertriebenen. So schreibt etwa der rechtlich eigenständige Verein "Heimatvertriebene und Vertriebene Südthüringen e.V." in einem Brief vom 22.05.2000 an die PDS-Fraktion im Thüringer Landtag, dass deren Mitglieder die politischen Entgleisungen des Herrn Latussek nicht teilen und sich bereits im September 1995 vom BdV-Chef Latussek - Zitat - "wegen seiner revanchistischen Hetze" getrennt haben. Und auch die Sudetendeutsche Landsmannschaft Thüringen distanzierte sich bereits mehrfach

vom Landesvorsitzenden des Bundes der Vertriebenen in Thüringen. Trotzdem, meine Damen und Herren, und trotzdem, Herr Pietzsch, es geht nicht um die Person Latussek, sondern um die von ihm stellvertretend vorgebrachten Inhalte. Das im Thüringer Landtag am 16. Mai 2000 ausgelegte Schreiben ist kein persönliches Papier eines Herrn Latussek, sondern eines des Landesverbandes Thüringen des Bundes der Vertriebenen, für das deren Vorsitzender Latussek lediglich presserechtlich verantwortlich zeichnete. Die später noch erwähnte 4. Silberthaler Erklärung wird in der Presseerklärung des Thüringer Landesvorstandes des Bundes der Vertriebenen vom 18. Mai diesen Jahres als ein gemeinsames Dokument der BdV-Landesvorstände der fünf neuen Bundesländer und der Artikel "Was jeder Deutsche wissen sollte" als Teil der "geschichtlichen Wahrheit" verteidigt und seine inhaltliche Zustimmung zu beiden Papieren bekräftigt. Der hier nur in Kürze politisch charakterisierte Herr Latussek genießt auch als Person seit Jahren den vollen Rückhalt innerhalb des Bundes der Vertriebenen. Im November 1997 wählte die Thüringer Landesdelegiertenkonferenz den genannten Herrn Latussek mit 98,6 Prozent erneut zu ihrem Landesvorsitzenden. Als der zur Debatte stehende Herr Latussek im Mai 1998 bei der Bundesversammlung des Bundes der Vertriebenen als Vizepräsident aus taktischen Erwägungen nicht wieder gewählt wurde, wurde er umgehend durch die Arbeitsgemeinschaft der Landesverbände, eine Art Länderrat, in das BdV-Präsidium entsandt. Diese Arbeitsgemeinschaft nominierte ihn im Juni 1998 mit 44 von 47 Stimmen erneut zu ihrem stellvertretenden Vorsitzenden. Und am 20. Mai, drei Tage nach der Entscheidung der Thüringer Landtagspräsidentin, wurde Herr Latussek auf der Bundesversammlung des Bundes der Vertriebenen nach zweijähriger Unterbrechung wieder zu einem der Vizepräsidenten des Bundes der Vertriebenen gewählt, nachdem er den Delegierten zugesichert hatte, "keineswegs zahmer" geworden zu sein.

All dies, meine Damen und Herren, spricht nicht gerade dafür, dass eben jener Herr Latussek mit seinen Ansichten innerhalb des Bundes der Vertriebenen isoliert sei. Wer die Diskussion über revanchistische Positionen innerhalb des Bundes der Vertriebenen auf die Person Latussek reduziert, der will das Vorhandensein dieser nicht tatsächlich thematisieren, denn die inhaltlichen Unterschiede zwischen denen im BdV, die unverblümt und undiplomatisch Klartext reden, und denen, die aus parteipolitischen und taktisch-strategischen Gründen sehr viel vorsichtiger formulieren, sind nicht sehr groß. So erklärt die ebenfalls am 20. Mai 2000 wieder gewählte Präsidentin und gleichzeitige CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach im niedersächsischen BdV-Organ "BdV aktuell" unter der Überschrift "Schweigen über deutsche Opfer" zur Diskussion um die Entschädigung für einen Teil der Zwangsarbeiterinnen, dass die Debatte einen "faden Beigeschmack" hinterlasse, denn - Zitat - "Insbesondere die Fokussierung dieses Themas auf finanzielle Entschädigung lässt das Leid als Mittel zum Zweck für viele geschäftstüchtige Mitläufer erscheinen." Meine Damen und Herren, ei

ne Frau Steinbach spricht für den gesamten Bund der Vertriebenen, wenn sie die perfide Formulierung wie die zitierte über "geschäftstüchtige Mitläufer" gebraucht, und sie zeigt damit bereits das hohe Maß der Überschneidung mit der Ideologie der extremen Rechten. Wer den Bund der Vertriebenen als einen "europäischen Brückenbauer" lobt, muss auch sehen, was der Verband selbst dazu zu sagen hat.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Eke- lig ist das. So etwas Ekeliges habe ich noch nicht erlebt. Rotzlöffel. Der war nie in Schle- sien gewesen.)

"Den Verzicht auf Rache und Vergeltung sowie die Zustimmung zur Osterweiterung der Europäischen Union knüpft der Bund der Vertriebenen an ein "Bekenntnis zu einem Europa gleichen Rechts und an die Anerkennung der Menschenrechte als Grundlage zur Beseitigung der Unrechtsfolgen der völkerrechtswidrigen Vertreibung der Deutschen" und an die Durchsetzung des "Rechts auf die Heimat und die Pflicht zu einer angemessenen Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts" an den Deutschen. Zitate, meine Damen und Herren, aus der bereits erwähnten 4. Silberthaler Erklärung des - und hier zitiere ich wieder "Rates der Vertriebenen Mitteldeutschlands", dem Zusammenschluss aller Landesvorstände der fünf neuen Bundesländer. Dabei wird das so genannte Recht auf Heimat und auf Eigentum als ein Teil der Menschenrechte ausgegeben.

Meine Damen und Herren, die PDS begreift sich als Gesprächspartner für alle Vertriebenen, nicht jedoch für diejenigen, die rechte Positionen wie Geschichtsrevisionismus, Revanchismus und einen völkischen Nationalismus vertreten, wie es offensichtlich die Funktionäre des Bundes der Vertriebenen tun.

Ihre Ankündigung, Herr Althaus, eben mit jenen Funktionären des BdV Thüringen routinemäßig zusammenzutreffen, bringt Sie vor dem Hintergrund der auch von Ihnen getragenen Entscheidung der Landtagspräsidentin am 17. Mai in den Zwang zu erklären, wer für die CDUFraktion Ansprechpartner und mit welchem Ziel beim Bund der Vertriebenen in Thüringen ist und wie die Fraktion der CDU zu den vom BdV-Landesvorstand vertretenen Positionen steht, zu denen es keine Annäherung geben kann, sondern nur entschiedene Kritik.

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Und wir können davon ausgehen, dass Sie das verste- hen?)

Meine Damen und Herren, der Versuch einer differenzierten politischen Bewertung des Prozesses, der heute als Vertreibung benannt wird, ist immer wieder vor die Schwierigkeit gestellt, an der Politik der konkreten Vertriebenenverbände nicht vorbeizukönnen. Hier kommt insbesondere der Bund der Vertriebenen als maßgebliche Lob

byorganisation in den Blick und um den geht es ja hier heute. Der Bund der Vertriebenen und seine politischen Forderungen beschweren geradezu den notwendigen und von Ihnen, Herr Pietzsch, auch vor dem Hintergrund des Umgangs in der DDR mit dem Thema eingeforderten Versuch einer differenzierten historischen Betrachtung, weil jeder Versuch der Anerkennung individuellen Leids in den Zusammenhang der politischen Prämissen, Forderungen und Zielsetzungen des Bundes der Vertriebenen gestellt wird. Ich möchte hier deutlich sagen: Individuelles Leid aus dieser Zeit rechtfertigt es nicht, heute zu Verbrechen aufzurufen oder die Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren. Vor dem Hintergrund der zum Teil ungeheuerlichen Positionen des Bundes der Vertriebenen halten wir es für nachdenkenswert, welche Unterstützung der Bund der Vertriebenen in diesem Bundesland erfährt. Unterstützt wird der Bund der Vertriebenen nicht nur, wenn man ihm zunächst einen Plenarsaal eines demokratischen Parlaments zusagt oder Schirmherrschaften für Kulturtage übernimmt, sondern auch dann, wenn ihm neben öffentlicher Anerkennung auch materielle Unterstützung durch die ungeprüfte finanzielle Unterstützung einer Vielzahl seiner Aktivitäten zukommt. Eine Bewertung, meine Damen und Herren, der im Bericht aufgeführten Fördergegenstände, in welchem Kontext sie sich bewegen, welches Ziel diese verfolgen, kann hier nicht mit der notwendigen Gründlichkeit erfolgen. Deshalb beantrage ich namens meiner Fraktion die Weiterberatung des Berichts im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Wer aber, meine Damen und Herren, vom Osten der BRD als Mitteldeutschland, den großen deutschen Leistungen im Zweiten Weltkrieg, von Siegerjustiz und Entschädigungsansprüchen redet, wie es der BdV Thüringen tut, stellt seine Förderwürdigkeit höchstselbst infrage. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Primas zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, nach dieser soeben gehörten Rede, die ersten Worte haben mich noch aufgeregt, aber dann habe ich festgestellt, dass sie unwürdig ist,

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Unwürdig, jawohl.)

(Beifall bei der CDU)

sich überhaupt ernsthaft damit auseinander zu setzen. Herr Dittes, ich kann Ihnen bescheinigen, Carl-Eduard von Schnitzler war ein Waisenknabe gegen Sie.

(Beifall bei der CDU)

Zu dem Antrag selbst haben Minister Pietzsch und Herr Schemmel eindeutig Stellung genommen, das kann ich mir eigentlich sparen, darauf noch einmal einzugehen, die Positionen sind voll zu vertreten, die unterstütze ich auch. Aber ich möchte doch die Gelegenheit nehmen für die, die es hören möchten, einige Ausführungen zu den Heimatvertriebenen zu machen. Damit wir es richtig verstehen, es gab den vom Nationalsozialismus angezettelten Zweiten Weltkrieg. Dort geschahen unzählige Verbrechen, aber es gab auch die Vertreibung und beides kann nicht gegeneinander aufgerechnet werden.

(Beifall bei der CDU)

Jedes muss für sich einzeln der Bewertung unterzogen werden. Am 8. Mai 1945, meine sehr verehrten Damen und Herren, endete der Zweite Weltkrieg - ein Grund der Erleichterung, eine Erlösung für alle davon betroffenen Völker. Der Nationalsozialismus war zu Ende. Das Grauen hatte ein Ende. Aber dieses Datum ist nicht nur ein Tag der Befreiung, sondern auch ein Tag des Erinnerns, aber des vollständigen Erinnerns. Wenn auch am 8. Mai 1945 die Waffen schweigen, die Gewalt beendet sein sollte, gab es doch neue Unterdrückung, Verletzung der Menschenrechte und weitere unzählige Opfer. Die Vertreibung der Deutschen aus ihrer seit Jahrhunderten angestammten Heimat ist eine bis heute ungelöste offene Menschenrechtsfrage.

(Beifall bei der CDU)

Das Vertreibungs- und Deputationsverbot von zivilen Bevölkerungen war bereits 1945 Bestandteil des Völkerrechts genauso wie das Verbot, Privatvermögen in besetzten Gebieten entschädigungslos zu konfiszieren. Das Recht, nicht aus der Heimat vertrieben zu werden, ist ein universales Menschenrecht.

(Beifall bei der CDU)

Es durfte auch nicht durch eine Vereinbarung wie das Potsdamer Abkommen 1945 außer Kraft gesetzt werden. Die Folgen der völkerrechtswidrigen Vertreibung der Deutschen sind bis heute nicht aufgearbeitet.

(Beifall bei der CDU)

Es muss doch eindeutig widersprochen werden, wenn die Erinnerung an das Leid der Vertriebenen als Revanchismus betitelt und bezeichnet wird.