Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst feststellen, dass heute der erste Teil der Aktuellen Stunde von Seiten der Opposition hier im Haus dargestellt wurde, als wenn es sich hier um eine Showveranstaltung handeln würde. Ich habe den Eindruck eher für den zweiten Teil.
Was hier abgezogen und versucht wird, im Bereich der Schule eine Unsicherheit hineinzubringen, ist für mich überhaupt nicht mehr nachvollziehbar. Ich will versuchen, das anhand von ein paar wenigen Zahlen
rüberzubringen. Wir haben gegenwärtig hier in Thüringen ein Schüler-Lehrer-Verhältnis von etwa 13,1 zu 1. Das heißt, ein Lehrer kommt auf ca. 13 Schüler. Deutschlandweit haben wir ein weit höheres Verhältnis. Der Landesrechnungshof hat in seinen Untersuchungen Folgendes gemacht: Er hat das durchschnittliche Schüler-Lehrer-Verhältnis in Deutschland ausgerechnet und hat daraus errechnet, dass wir in Thüringen ca. 13.200 Stellen hätten abbauen müssen.
Richtig, das stand heute auch im "Freien Wort", Sie müssen heute auch mal die Zeitung lesen und müssen das auch mal ernst nehmen, was mitunter in der Zeitung steht.
Lassen Sie uns doch mal weitermachen. Wir haben in Thüringen jetzt effektiv eine Rückführung der Stellen um 7.259 im Personalkonzept der Landesregierung drin. Das ist ca. die Hälfte von dem, was der Landesrechnungshof vom Durchschnitt her gefordert hat. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern, um Ihnen diese Zahl auch noch mal zu nennen, einen Schnitt von etwa 16 Schülern auf einen Lehrer. Das ist also wesentlich höher als in Thüringen. Trotz dieser Rückführung der Lehrerstellen, die wir jetzt vornehmen, ergibt sich im Endeffekt ein noch besseres Schüler-Lehrer-Verhältnis, das auch - das stand auch im "Freien Wort" - auf etwa 11 : 1 sinken wird. Ich traue mich gar nicht, das an dieser Stelle so laut und so oft zu sagen, weil ich in dem Zusammenhang nämlich immer an den Länderfinanzausgleich denken muss. Wenn diese Zahl in den alten Ländern bekannt wird, und wir wissen, dass wir alle nach wie vor von der Unterstützung auch der alten Bundesländer mit leben, kann ich mir vorstellen, dass das bezüglich des Länderfinanzausgleichs zu einem Problem werden könnte. Man kann also keineswegs davon reden, dass die Schule in Thüringen in der Gefahr wäre, im Chaos zu versinken. Wir haben einmalig günstige Voraussetzungen trotz dieses Abbaus. Wir haben die kleinsten Klassen, das beste Lehrer-Schüler-Verhältnis. Das müssen Sie mal zur Kenntnis nehmen. Ich kann Ihnen da auch nur empfehlen, mal auf der Internetseite des Statistischen Bundesamtes in Deutschland nachzuschauen. Leider sind da im Moment noch die Zahlen von 1998/99 aller Bundesländer veröffentlicht. Rechnen Sie mal in allen Bundesländern dieses Lehrer-SchülerVerhältnis aus. Sie werden feststellen, Thüringen ist Spitze in diesem Vergleich.
Es wurde dann von verschiedensten Rednern, u.a. auch in der Zeitung von Herrn Ramelow, aber auch von Frau Dr. Stangner, heute hier behauptet, das Konzept wäre eine Farce, es wäre keine inhaltliche Überlegung dahinter und dergleichen mehr. Dazu muss ich sagen, hat die Landesregierung sehr, sehr früh durch die Studie der Pädagogischen Hochschule reagiert. Sie müssen sich einmal mit dieser Studie beschäftigen, Herr Döring.
Es ist schon seit Jahren belegt, dass der Geburtenrückgang in dieser Art und Weise erfolgen wird und als Information für die Schulträger natürlich auch die Schlussfolgerung herauszuziehen, wie viele Schulstandorte geschlossen werden müssen. An dieser Stelle sage ich auch noch einmal deutlich, die Schulträger haben hier eine große Verantwortung aber auch eine große Chance. Sie können nämlich durch Veränderung der Strukturen auch selbst dazu beitragen, dass das Schüler-Lehrer-Verhältnis in Thüringen sehr, sehr gut bleibt. Wenn aber natürlich aus den Kommunen, selbst aus kreisfreien Städten, nach wie vor Forderungen kommen, sämtliche Regelschulen, sämtliche
Grundschulen im jetzigen Bestand zu erhalten, wird das natürlich nicht möglich sein. Ich kann nur empfehlen, auch die Schulträger in ihre Verantwortung hineinzubringen und nach Möglichkeit diese Modelle "Kleine Regelschule", "Kleine Grundschule" nur dort zu ermöglichen, wo auch auf Perspektive wieder mit steigenden Schülerzahlen zu rechnen ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle natürlich auch deutlich sagen, jeder Stellenabbau ist bedauerlich. Das sehe ich ähnlich in diesem Zusammenhang wie die Opposition. Mir wäre es auch lieber, wir hätten die Schülerzahlen nach wie vor, um alle diese Menschen, diese betroffenen Lehrer, auch weiterhin beschäftigen zu können. Aber wir sind gezwungen, auch einmal Realitäten hier zur Kenntnis zu nehmen. Mit dem vorgesehenen Abbaupfad bleiben wir deutschlandweit Spitze. Ich stehe auch dafür, dass dieses - weil Bildung in Thüringen ein wesentlicher Standortfaktor ist - in Thüringen so bleibt. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Thema der heutigen Debatte in dieser Aktuellen Stunde ist eigentlich ziemlich irreführend. Das Thema ist nicht irreführend, aber so, wie es hier behandelt wird, ist es irreführend. Es heißt: "Auswirkung des Personalentwicklungskonzepts der Landesregierung auf die Entwicklung der Thüringer Schule". Gehört habe ich heute davon nichts, gar nichts. Ich habe etwas von allen möglichen Rechenbeispielen gehört, wie man Schüler-Lehrer-Relationen usw. in Ordnung bringen soll, aber bitte schön, wohin entwickelt sich das Personal? Davon habe ich nichts gehört. Ich erwarte eigentlich, dass man, wenn man schon vom Personalentwicklungskonzept redet, das auch meint, was das Wort beinhaltet und nicht ein Personalreduktionskonzept, denn das ist es, was heute hier dargestellt worden ist.
Meine Damen und Herren, am 25. Juni des Jahres 1997 hat der damalige Kultusminister - Herr Althaus - gemeinsam mit den Gewerkschaften und Verbänden vor versammelter Presse im Brustton der Überzeugung erklärt, das Personalkonzept für die Thüringer Pädagogen steht auf soliden Füßen. Jahrelang gefeilt, ist es nunmehr zukunftsweisend angelegt. Bewusst ist es orientiert auf einen langen Zeitraum bis zum Jahre 20015
2015, Entschuldigung. Nun nach drei Jahren scheint es alles schon wieder ganz anders zu sein, obwohl sich in diesen drei Jahren weder die Schülerzahlen wesentlich verändert haben - meine Kollegin Dr. Stangner hat darauf hingewiesen und andere eigentlich auch -, noch sind die Aufgaben für die Schulen kleiner geworden, so dass ein solch radikaler Stellenabbau, wie er jetzt bis 2005 beabsichtigt wird, in diesem Bereich kaum gerechtfertigt scheint.
Eine zweite Bemerkung: Mit dem Geburtenrückgang hat sich ja bereits die nun vielfach erwähnte Studie hier befasst. Jeder legt die Studie immer so aus oder nimmt die Teile von der Studie, die ihm gerade passt - ich mache es übrigens auch nicht anders.
Das Gutachten macht vor allem deutlich, dass die geburtenschwachen Jahrgänge nur eine kürzere Phase darstellen und seit 1995 ein leichtes Ansteigen der Geburtenzahlen zu konstatieren ist; darauf ging allerdings auch Herr Dr. Krapp ein. Allerdings wird in der Studie ausdrücklich empfohlen, keine Entscheidungen zu treffen, die für die weitere Entwicklung hemmend sein könnten. Das Gutachten lässt demzufolge an Deutlichkeit auch nichts vermissen und prognostiziert im Fazit zum Lehrerstellenbedarf sogar einen erhöhten Bedarf. Das steht auch in der Studie. Das ist auf Seite 279 nachzulesen, ich habe es extra aufgeschrieben, damit Sie dann auch schauen können, ob es stimmt. Also ist die von der Regierung abgegebene Begründung, das Gutachten mache die Sparauflagen notwendig, irreführend. Entweder handelt das Kabinett hier aus Unwissenheit - davon gehe ich einmal nicht aus, das würde aber im Übrigen auch nicht vor Strafe schützen - oder man führt die Öffentlichkeit ganz bewusst in die Irre, indem man auf die Unkenntnis des Gutachtens hofft. Beide Varianten wären durch nichts zu entschuldigen. Mit anderen Worten: Ohne gründliche Prüfung von Inhalten und Strukturen wurde Personalumfang festgelegt. Die Klärung einer wirklich aufgabengerechten Personalausstattung für Schulen, die vor allem unter Qualitätsaspekten vorgenommen werden muss, fand ganz offensichtlich nicht statt. Im Mittelpunkt Ihres Abbauplans steht nicht die Qualitätssicherung des Unterrichts, sondern ein ziemlich simples Rechenexempel, das von Minister Dr. Krapp jedoch sehr umfänglich dargestellt worden ist. Es scheint offensichtlich, dass der geplante Stellenabbau im Bildungsbereich ausschließlich dem Diktat des Finanzministers folgt. Ausgehend von einer Kosten-Nutzen-Rechnung, über die man sehr geteilter Auffassung sein kann, aber die überhaupt gar nichts über die Qualität von Bildung aussagt, wird demzufolge unter Federführung des Finanzministers die Basis für ein bildungspolitisches Desaster gelegt. Gefragt wären allerdings Nachdenklichkeit und Progressivität beim Thema "Bildung". Beides habe ich heute in der Debatte, insbesondere in den Reden der CDU-Vertreter, vermisst. Für die Lehrerstudenten an thüringischen Hochschulen ist diese Regierungsentscheidung
ein erneutes Signal, sich in anderen Bundesländern eine berufliche Perspektive zu schaffen. Was, meine Damen und Herren, wird dann aus der Homogenisierung der Altersstruktur an den Schulen und übrigens nicht nur in den Schulen, sondern in Thüringen überhaupt. Wieder gibt es einen Grund mehr für junge, gut qualifizierte Menschen, Thüringen den Rücken zu kehren. Wie viel wollen wir denn an solchen Beispielen noch schaffen? Die Aussagen der Regierung über Bildung als Zukunftsinvestition erweisen sich wiederum als eine bloße Worthülse. Auf die Diskussion über fehlende Fachkräfte will ich jetzt gar nicht erst eingehen. Auf diese Art und Weise verbaut sich ein Land seine Zukunft. Eine solche Politik, denke ich, ist eine Bankrotterklärung. Aber offensichtlich nehmen Sie, meine Damen und Herren von der Thüringer CDU, Ihre eigene Partei nicht mehr ernst, sonst würden Sie entsprechend der plakativen Erklärung auf Ihrem Essener Parteitag von Anfang April dieses Jahres qualifizierte Bildung wirklich zu einer strategischen Frage für eine vorausschauende Sozial- und Wirtschaftspolitik machen, aber davon, meine Damen und Herren, scheinen wir in Thüringen Lichtjahre entfernt.
Letzter Satz: Ich empfehle Ihnen sehr, sich vielleicht einmal mit der doch richtungsweisenden Bildungsrede des ehemaligen - also von Herrn Herzog zu beschäftigen. Danke.
Drittes Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/333 dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 3/805
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf in der Drucksache 3/333 wurde am 23. Februar in den Thüringer Landtag in der ersten Lesung eingebracht und federführend an den Innenausschuss und begleitend an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik überwiesen. Der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik und der Innenausschuss haben diesen Gesetzentwurf mehrfach beraten. Am 7. April wurde eine Anhörung von Interessenvertretern in öffentlicher Sitzung durchgeführt. In seiner abschließenden Beratung wurde der Gesetzentwurf mit den Ihnen vorliegenden Änderungen mehrheitlich angenommen. Der von der CDU beantragten Streichung und Neufassung der Begründung des § 71 Abs. 4 konnte im Innenausschuss nicht entsprochen werden. Das begründet sich darin, dass das Parlament und natürlich dann auch die Ausschüsse nur über den Gesetzentwurf beraten haben und nicht über die Begründung. Der vorgeschlagene neue Text der CDUFraktion zum § 71 Abs. 4 wurde zu Protokoll genommen. Ich danke Ihnen.
Das ist eine Berichterstattung gewesen. Er hat den Bericht des Ausschusses gegeben. Das ist ja kein Redebeitrag. Herr Abgeordneter Fiedler, Sie hatten sich doch auch noch zu Wort gemeldet. Ich eröffne die Aussprache und es hat sich Frau Abgeordnete Dr. Wildauer von der PDS-Fraktion zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren. Seit über einem Jahr warten die Kommunen und ihre Stadtwerke darauf, dass der Landtag endlich auf die veränderten Marktbedingungen reagiert und durch gesetzliche Änderungen Chancengleichheit im Wettbewerb für kommunale Unternehmen sichert. Durch die so genannte Liberalisierung im Bereich Energie haben sich über Nacht die Wettbewerbsbedingungen für die Stadtwerke drastisch zu deren Ungunsten verändert. Der Bund und das Land hätten mit solchen Auswirkungen der Energierechtsnovelle rechnen müssen. Bereits nach kurzer Zeit war klar: Nur durch gesetzliche Änderungen in der Thüringer Kommunalordnung können die Stadtwerke im Wettbewerb bestehen. Die
Landesregierung von CDU und SPD sowie die jetzige Landesregierung müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie offenbar bewusst die Kommunen unvorbereitet den neuen Wettbewerbsbedingungen ausgesetzt haben. Dieser Verantwortung, meine Damen und Herren vor und links von mir, können Sie sich nicht entziehen.
(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Frau Dr. Wildauer, Sie wissen ganz genau, dass das nicht stimmt, dass das Genehmigungsverfah- ren...)
Zu Recht - das stimmt - forderten die Kommunen und ihre Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen und -chancen ein. Und auch der PDS geht es um diese Chancengleichheit im Wettbewerb. Ich betonte bereits in der ersten Lesung, dass die PDS keinesfalls Wettbewerbsvorteile für die kommunalen Unternehmen will. Im gleichen Maße lehnen wir aber auch Chancennachteile für kommunale Unternehmen ab.
Dass die private Wirtschaft keine Chancengleichheit für die kommunalen Unternehmen will, ist verständlich, sieht sie doch in diesen Unternehmen eine nicht akzeptable Konkurrenz. Die Verfechter von Wettbewerb und Konkurrenz wollen diese Marktmechanismen möglichst verhindern. Konkurrenz durch kommunale Unternehmen soll ausgeschlossen werden und bisher wurde immer wieder der PDS der Vorwurf gemacht, sich gegen Wettbewerb und Konkurrenz auszusprechen. Die Realität widerlegt diesen Vorwurf. Wenn die private Wirtschaft Konkurrenz durch kommunale Unternehmen verhindern will, ist dies aus ihrer Interessenlage noch nachvollziehbar. Wenn aber die CDU-Mehrheit im Landtag und die Landesregierung diese Forderung noch unterstützen, dann verlässt sie eindeutig ein Primat der Politik, nämlich den Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen. Mit dieser Grundauffassung bestätigt die CDU nur ihr Politikkonzept mit der einseitigen Bevorzugung der privaten Wirtschaft und das ausschließliche Setzen auf die Marktmechanismen.