Protokoll der Sitzung vom 07.07.2000

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?

Ja.

Bitte, Herr Abgeordneter Ramelow.

Sie haben mich ja gefragt und ich antworte, um damit eine Frage zu verbinden. Sie haben mich gefragt, was hätte ich gemacht oder was wäre der Weg gewesen aus meiner Sicht? Ich antworte: Konkurs. Oder halten Sie Konkurs wie bei Simson oder anderen Fällen mit gleichzeitiger Gründung einer Auffanggesellschaft und der entsprechenden Ausstattung, um weiter produzieren zu können, für einen falschen Weg?

Herr Ramelow, was Sie eben vorschlagen, ist ein nicht durchdachter Weg. Damals hätte der Konkurs zu keiner Anschlusslösung geführt, weil es keinen Investor gegeben hat, der bereit gewesen wäre, einzusteigen. Das ist versucht worden. Es hat viele Bemühungen gegeben, einen Investor zu finden, der in Albrechts einsteigt. Es gab damals keinen Investor. Konkurs hätte damals Abwicklung bedeutet. Das muss ich Ihnen leider sagen. Deshalb war das keine Lösung, das haben Sie nicht durchdacht, diesen Vorschlag, Herr Ramelow. Dass man dann hinterher Kritik übt, das ist klar, aber dann hätte ich doch wenigstens erwartet, dass man uns nachweist, dass wir keinen Erfolg gehabt haben mit dieser Wirtschaftspolitik. Aber alle Welt redet davon, wir haben die niedrigste Insolvenzrate, die niedrigste Konkursrate, wir haben das höchste Maß an Stabilisierungs- und Sanierungserfolgen in unserem Land. Der Erfolg hat sich eingestellt, meine Damen und Herren, man kann es an den Wirtschaftsdaten messen.

(Beifall bei der CDU)

Was kritisieren Sie also?

Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Anfrage?

Ja, bitte.

Ich habe nur die Nachfrage, wieso mit der TIB eine Auffanglösung nicht hätte gegründet werden können.

Sie haben gerade von einem Konkursverfahren geredet. Im Rahmen eines Konkursverfahrens wird dann nach privaten Investoren gesucht. Und wenn das Ergebnis gewesen wäre, TIB ist der private Investor, dann hätte sich doch gar nichts geändert, dann wäre doch die Situation unverändert gewesen, Herr Ramelow, das ist doch klar.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Sie gehen von Henneberg aus.)

Jetzt bleiben wir einmal bei der Sache, Herr Ramelow, Sie irren sich mit Ihrem Argument, das ist einfach nicht einschlägig. Also, es ist Erfolg erzielt worden, daran war der Herr Lippmann vielleicht nicht so sehr beteiligt, aber darüber kann auch er nicht hinwegsehen.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Aber jetzt.)

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nun wird Kritik am Verfahren geübt. Herr Ramelow, die Entscheidung der Kommission enthält zwar diesen Pauschalvorwurf, der bei jeder Entscheidung kommt, man sei von deutscher Seite ungenügend informiert worden, aber die Entscheidung richtet sich doch gegen etwas ganz anderes, sie richtet sich gegen diese Förderung der Pilz-Gruppe, sie richtet sich nicht nur gegen diese Nachfolgelösung und sie führt eine neue Praxis ein, die bewirkt, dass solche Rückforderungsansprüche mit den Maschinen auf Nachfolgelösungen übergehen. Das ist doch die neue Qualität. Nicht das formale Argument der nachträglichen Notifizierung steht im Vordergrund der Argumentation, sondern die behauptete Unzulässigkeit der Beihilfen. Das ist das zentrale Argument der Kommission.

Die Kommission wird mit ihrer Entscheidung der Situation der neuen Länder Anfang der 90er Jahre nicht gerecht.

Ich habe lange genug in der BvS im Verwaltungsrat mitgewirkt und Seite an Seite mit Gewerkschaften und anderen neuen Ländern für die Erhaltung von Betrieben und Arbeitsplätzen gekämpft.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben vieles erreicht durch diese gute Zusammenarbeit, einiges auch nicht erreicht, das sei zugegeben. Aber wir waren einig in dem Bemühen, zu retten, was zu retten war und wir waren bereit, neue Wege in der Sanierung, Entwicklung und Erhaltung von Unternehmen zu gehen. Wenn man jetzt nachmisst und fragt, habt Ihr dieses oder jenes Verfahren rechtzeitig durchgeführt - gut, dies soll man tun. Ich stehe zu den Entscheidungen, die wir in der BvS und die wir hier im Lande im Interesse unserer Arbeitnehmer getroffen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben Arbeitsplätze gerettet, wir haben Einkommen gerettet, wir haben den Menschen Zukunftschancen erhalten und eröffnet, meine Damen und Herren. Das war unsere Arbeit.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie jetzt Schreiben zitieren der TAB oder TIB usw., der Banken, dann sollten Sie als Erstes sagen, diese Schreiben bringen zum Ausdruck, dass versucht wurde, praktikable Wege zu finden, um das eigentliche Ziel zu erreichen, Arbeitsplätze und Unternehmen zu erhalten. Das war das Anliegen all jener, die damals gehandelt haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Herr Lippmann, Ihr Beitrag bezog sich überhaupt nicht auf die Sache, aber hatte trotzdem eine neue Qualität. Es ist schon bemerkenswert, in welcher Weise Sie versucht haben, einen Vorgang, der zeitlich klar vor meiner Amtszeit lag, mir in voller Breite zuzuordnen. Wie Sie mit den Fakten umgehen, ist Ausdruck einer neuen politischen Kultur.

Meine Damen und Herren, ich war mit dem Vorgang erstmals beschäftigt, als er schon abgeschlossen war. Mit diesem Hinweis will ich keinesfalls Kritik üben an dem damaligen Bemühen, Arbeitsplätze in unserem Lande zu sichern. Und wenn Sie die Verfahrensmängel angesprochen haben, Herr Lippmann, Sie kennen keinen einzigen Schriftsatz, Sie sind überhaupt nicht informiert darüber, in welcher Weise dieses Verfahren mit der EU gelaufen ist.

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Da irren Sie sich.)

Sie sind überhaupt nicht informiert, Herr Lippmann, das sage ich Ihnen ganz eindeutig und trotzdem erheben Sie solche Vorwürfe, die Sie durch nichts belegen können, durch nichts, aber auch durch gar nichts, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie dann ausholen zu einer Fundamentalkritik, Herr Lippmann, Sie können nicht überzeugen. Sie finden sich offenbar mit Ihrer neuen Rolle schlecht ab.

Meine Damen und Herren, die Frage ist gestellt, von Herrn Ramelow qualifizierter als von Herrn Lippmann, welche Konsequenzen aus dem Vorgang zu ziehen sind. Herr Ramelow, die Frage ist sehr berechtigt. Ich sage Ihnen eines: Fälle dieser Art, Entscheidungen dieser Art, wie damals zu Recht getroffen, sind heute undenkbar. Es gab in den letzten Jahren keinen einzigen Fall mehr, wo solches Handeln notwendig war. Ich erinnere mich nicht, dass wir seit 1995 eine ähnliche Aktion durchgeführt haben bzw. durchführen mussten. Die Wirtschaftspolitik hat sich geändert. Wir sind raus aus der Phase, wo es täglich brannte, wo täglich Sanierungsaktionen notwendig waren, wo täglich die Feststellung getroffen werden musste, mit dem bisherigen Instrumentarium geht es nicht weiter. Die Konsequenz daraus ist, heute müssen wir eine andere Wirtschaftspolitik betreiben, heute sind wir glücklicherweise in einer anderen Situation, die auch eine andere Wirtschaftspolitik notwendig macht. Wissen Sie, wir haben alltäglich Kontakt mit der EU. Ich habe im Rahmen einer Anfrage vor kurzem dargestellt, wie viel Notifizierungsverfahren es in letzter Zeit gegeben hat, die völlig problemlos laufen. Wir haben keine Probleme mit der EU bei aktuellen Vorgängen. Die Auseinandersetzungen beziehen sich auf diese Phase bis

1994/Anfang 1995. Diese Auseinandersetzung wird allerdings nicht nur vom Freistaat Thüringen geführt, sondern von allen anderen Ländern.

Und, Herr Lippmann, wenn Sie von einem Imageverlust reden - wissen Sie, beim Thema Imageverlust fallen mir andere Länder ein, und zwar insbesondere SPD-regierte Länder mit entsprechenden Vorgängen. Meine Damen und Herren, und wenn es einen Imageverlust ausmacht, wenn man für die Erhaltung von Produktionsstätten, von Betrieben und von Einkommen kämpft, dann nehme ich den Imageverlust gern als Vorwurf hin. Ich habe mich stets in den Dienst der Arbeitnehmer und der Unternehmen gestellt, und dabei bleibt es.

(Beifall bei der CDU)

Von Herrn Gerstenberger, PDS-Fraktion, wird noch eine Redemeldung angezeigt.

(Unruhe bei der CDU)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, noch mal zur Sache: Herr Minister Schuster, die Begründung, die Sie hier angeboten haben, und die Darstellung, die Sie hier angeboten haben, die mag ja für Beifallsstürme innerhalb der CDU-Fraktion ausreichend sein. Das Problem, das wir allerdings mit dieser Darstellungsform haben, es glaubt Ihnen die Opposition wenig

(Unruhe bei der CDU)

und es hat die Europäische Kommission mit dieser Darstellung die Schwierigkeiten und deshalb haben wir zurzeit die Probleme. Es hilft nicht, nur auf den eigenen Bauchnabel zu gucken, sondern auch mal zu gucken, was die anderen dazu sagen. Wenn wir von der anderen Seite die Möglichkeit gehabt oder die andere Seite akzeptiert hätte, dass diese Darstellungsform ausreichend ist, hätten wir die Diskussion nicht, aber wir haben sie. Und da hilft es auch nicht - das geht an Herrn Kretschmer und an Herrn Schuster -, wenn man versucht, das Ganze mit ein paar persönlichen Diffamierungen zu würzen und in der Sache ein bisschen vom Thema abzulenken. Das war genau der Fall. Wenn Sie die Protokolle gern noch mal nachlesen wollen - mit persönlichen Diffamierungen ist hier vordergründig gearbeitet worden. Zum Thema selbst und Aufklärung zum Thema selbst, inhaltlich ist kaum ein Beitrag geleistet worden. Deshalb lassen Sie mich noch mal sechs Punkte zusammenfassen.

(Zwischenrufe aus der CDU-Fraktion: Oh, schon wieder, Mann, Mann!)

Es geht relativ schnell. Es ist klar und deutlich rausgekommen, es ist kein überraschender Vorgang, dass die EU plötzlich Rückforderungen geltend macht. Das Ministerium hat über Jahre gewusst, dass es zu diesen Rückforderungen kommt und hat nichts vorbereitend getan, um diesen Rückforderungen entsprechend zu begegnen - Fakt 1.

Fakt 2: Dank dauerhafter Desinformation von Landesregierungsseite hat die EU das entsprechende Verfahren eröffnet. Und, Herr Schuster, ich will ihnen nur eines sagen, Sie wissen selbst, die TIB hat jährlich Berichte geschrieben zu den Unternehmensbeteiligungen. Die haben Sie dann abgezeichnet, anschließend haben Sie die an das Bundeswirtschaftsministerium gegeben, das Bundeswirtschaftsministerium hat die gesammelt und hat sie als Deutschlands Stellungnahme an die EU geliefert. Wenn Sie so ehrlich sind und gucken mal nach, was in diesen Berichten, in dem 10-Zeiler zu Albrechts in der jährlichen Berichterstattung an Brüssel an Halbwahrheiten oder an Unterlassungen mitgeteilt bzw. besser nicht mitgeteilt wurde, wird auch vielleicht für Sie ein bisschen verständlicher, warum es zu dieser Reaktion kam.

Das Dritte: Es gibt nach wie vor, und das haben Sie selber bestätigt, Notifizierungsprobleme mit der Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft und das nach - ich weiß nicht - weit über fünf Jahren ihres Bestehens. Das ist ein unhaltbarer Zustand, den Sie offensichtlich gedenken über weitere Jahre fortzuschreiben, das heißt, es wird ein Risikokandidat für alle Unternehmen, an denen sich die TIB in Zukunft beteiligt bzw. an denen sie beteiligt ist. Das ist unannehmbar.

Das Vierte: Wir haben es mit einer Gefährdung von Arbeitsplätzen im Freistaat zu tun, eben durch eventuelle Rückforderungen, die im Wesentlichen dadurch begründet sind, dass bestimmte Berichterstattungen von Ihrer Seite gegenüber der EU nicht realisiert wurden, dass dauerhafte Desinformation betrieben wurde bzw. mit der TIB die entsprechenden Klärungsprozesse nicht in die Reihe gebracht wurden. Das ist ein Zustand, der betrifft die Bürger dieses Freistaats, und darüber ist ernsthaft nachzudenken.

Ein fünfter Punkt, der die Perspektive betrifft: Es wird mittlerweile, wie aus der TA vom 5. Juli zu entnehmen ist, nicht nur von unserer Seite, sondern ganz offensichtlich auch von einzelnen Regierungsvertretern durchaus ein Zusammenhang zwischen der Problematik Pilz und den europäischen Fondsgenehmigungen gesehen, insbesondere den Fondsgenehmigungen zum ESF. Wir haben uns vorhin genau über dieses Problem unterhalten und Ihre oberflächliche Darstellung zu genau diesem Punkt erhärtet eigentlich die Vermutungen, die an dieser Stelle auch von anderen Regierungsvertretern geäußert werden. Ein Problem, was uns in der Zukunft nachhaltig beschäftigen kann, sowohl bei der Arbeitsplatzproblematik als auch bei der Wirtschaftsförderproblematik.

Herr Schuster, und ein Letztes: Von all diesen Problemen glauben Sie ablenken zu können, indem Sie die Wirtschaftsministerkonferenz in Ihren Rücken ziehen und sagen, das ist überhaupt nicht unser Problem, es ist das Problem aller neuen Bundesländer. Herr Schuster, wer so leichtfertig mit persönlicher Verantwortung umgeht, über dessen Zuständigkeit, über dessen weitere Arbeitsweisen ist tatsächlich nachzudenken. Ich kann Ihnen versprechen, wir werden das in der PDS-Fraktion mit Sicherheit tun. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Es gibt keine weiteren Redemeldungen mehr in der Aussprache zum Bericht. Ein Antrag auf Fortberatung ist nicht gestellt worden. Damit komme ich zum Abschluss und stelle fest, dass das Berichtsersuchen gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung erfüllt ist, wenn es dazu keinen Widerspruch gibt. Diesen Widerspruch gibt es nicht und das Berichtsersuchen ist erfüllt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 11.