Protokoll der Sitzung vom 07.07.2000

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, verehrte Vertreter auf der Regierungsbank, verehrte Gäste auf der Pressetribüne. Ich begrüße Sie zu unserer 24. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am heutigen 7. Juli 2000. Als Schriftführer haben Platz genommen Frau Abgeordnete Wackernagel und Frau Abgeordnete Dr. Wildauer. Die Rednerliste führt Frau Dr. Wildauer.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt der Abgeordnete Buse, der Abgeordnete Dr. Koch, Frau Abgeordnete Pelke, Herr Abgeordneter Scheringer, Frau Abgeordnete Zitzmann und Frau Abgeordnete Zimmer.

Wir kommen zur Tagesordnung für den heutigen Tag. Herr Abgeordneter Stauch.

Frau Präsidentin...

(Unruhe im Hause)

Wir sollten jetzt mal sehr aufmerksam sein.

Frau Präsidentin, wir beantragen zur Aufnahme in die Tagesordnung die Wahl eines Mitglieds zum Thüringer Verfassungsgerichtshof und bitten um Einordnung nach dem Petitionsbericht, d.h. als Tagesordnungspunkt 2 der heutigen Tagesordnung.

Danke. Dann frage ich, wer diesem Antrag zustimmt Aufnahme des Punkts Wahl eines Richters zum Verfassungsgerichtshof -, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Das ist deutlich die erforderliche Mehrheit. Mit der Einordnung nach der Aussprache zum Petitionsbericht, denke ich, können wir einverstanden sein. Gibt es Widerspruch? Das ist nicht der Fall, dann verfahren wir so. Vielen Dank. Damit ist auch für den heutigen Tag die Tagesordnung festgestellt.

Wir kommen nun vereinbarungsgemäß zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 19

Bericht des Petitionsausschusses gemäß § 103 GO

Ich darf den Berichterstatter bitten, das Wort hierfür zu nehmen, Herr Abgeordneter und Ausschussvorsitzender Kölbel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, verehrte Gäste. Gemäß § 103 der Geschäftsordnung stelle ich Ihnen den 9. Bericht des Petitionsausschusses des Thüringer Landtags für den Berichtszeitraum vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 1999 vor.

Bevor ich zum eigentlichen Ausschussbericht komme, ist es dem Petitionsausschuss ein Bedürfnis, sich bei seiner langjährigen Ausschussvorsitzenden, Frau Johanna Köhler, für ihre so engagierte und erfolgreiche Arbeit zu bedanken.

(Beifall im Hause)

Sie war für die Petenten immer ansprechbar und gab dem Petitionsausschuss auch in den vielen Bürgersprechstunden ein Gesicht. Als erste Vorsitzende des Petitionsausschusses verstand sie es, die Arbeit des Ausschusses bekannt zu machen und den Bürgern damit das Petitionsrecht näher zu bringen. Damit wurde sie für die Bürger gewissermaßen zu der personifizierten Person des Petitionsausschusses.

Nach einigen Zahlen zur Ausschussarbeit werde ich auf die Arbeitsweise des Petitionsausschusses eingehen und anschließend über die Schwerpunkte der Petitionen berichten.

1999 wurden 896 Eingaben an den Petitionsausschuss des Thüringer Landtags gerichtet. Das sind weniger Eingaben als im vorangegangenen Berichtszeitraum. Neben den 896 Neueingaben hatte der Petitionsausschuss 1999 751 Petitionen aus dem Vorjahr und damit insgesamt 1.647 Petitionen zu bearbeiten.

Der Petitionsausschuss hat 1999 in 13 Ausschuss-Sitzungen 1.321 Petitionen behandelt, davon 953 abschließend.

Von den abschließend behandelten Petitionen konnte der Ausschuss in fast 11 Prozent der Fälle tatsächlich abhelfen sowie in einem Drittel der Fälle durch Auskunft zur Erklärung der Sachlage beitragen. 1,5 Prozent der Petitionen erledigten sich dadurch, dass die Petenten ihr Begehren nicht weiterverfolgten, z.B. weil sich ihr Anliegen durch eine Bescheiderteilung in ihrem Sinne erledigt hatte oder sie kein Interesse an der Weiterverfolgung ihres ursprünglichen Anliegens hatten.

Knapp 7 Prozent der Eingaben wurden an die zuständigen Stellen, sei es an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages oder an den Petitionsausschuss anderer Land

tage, weitergeleitet. Weiter wurden gut 4 Prozent aller abschließend behandelten Petitionen der Landesregierung oder anderen Ausschüssen des Landtags überwiesen oder den Fraktionen des Landtags zur Kenntnis gegeben.

Damit konnte der Ausschuss in nahezu der Hälfte der abschließend behandelten Petitionen den Anliegen entweder tatsächlich abhelfen oder auch durch Informationen oder Weiterleitung an zuständige Stellen wenigstens etwas weiterhelfen oder auf eine Problematik überhaupt aufmerksam machen. Von den 953 Petitionen, die der Ausschuss abschließend bearbeiten konnte, hat er 466-mal die Eingabe für erledigt erklärt. Bei 385 Eingaben musste der Ausschuss feststellen, dass dem vorgebrachten Anliegen nicht abgeholfen werden konnte. 12 Eingaben hat der Ausschuss der Landesregierung überwiesen und 66 an die zuständigen Stellen weitergeleitet. 31mal hat der Ausschuss Eingaben den Fraktionen zur Kenntnis gegeben und 7 Petitionen Fachausschüssen als Material überwiesen. In 56 Fällen hat der Ausschuss von einer sachlichen Prüfung abgesehen.

Der Anteil mündlicher Petitionen an den 1999 eingegangenen Petitionen betrug im Berichtsjahr mit 111 Petitionen gut 12 Prozent. 1996 waren es ebenfalls 12 Prozent, 1997 und 1998 15 bzw. knapp 19 Prozent. Von den 111 eingegangenen mündlichen Petitionen wurden 48 in den Bürgersprechstunden vorgetragen, 63 in den Räumen des Landtags. Mit Blick auf die rückläufige Zahl der in den Bürgersprechstunden vorgetragenen mündlichen Petitionen ist darauf hinzuweisen, dass Bürgersprechstunden nur bis zu den Landtagswahlen im September durchgeführt wurden; weitere müssen entsprechend organisatorisch künftig mit dem Bürgerbeauftragten abgesprochen werden.

Statistisch erfasst sind hierin weder die zahlreichen persönlichen Vorsprachen zu laufenden Petitionsverfahren noch die vielen persönlichen Gespräche und Telefonate, die durch Informationen und Hinweise manche Petition entbehrlich machten. Sie sind dennoch zu erwähnen, da auch diese Arbeit mit viel Zeit verbunden ist.

Im Anschluss an diese Zahlen - weitere Einzelheiten können der vorliegenden Statistik entnommen werden - soll nun näher auf die Arbeitsweise des Petitionsausschusses eingegangen werden.

Damit der Petitionsausschuss über eine Eingabe sachlich entscheiden kann, muss er umfassend über alle Tatsachen, die für seine Entscheidungsfindung relevant sind, informiert sein. Daher fordert er für die meisten der Eingaben von der Landesregierung eine Stellungnahme.

Ausdrücklich, um mit manchem Missverständnis aufzuräumen, möchte ich darauf hinweisen, dass der Petitionsausschuss sich durchaus mit Vorgängen, bei denen ein Widerspruchsverfahren oder gerichtliches Verfahren

anhängig ist, beschäftigen kann. Dies gilt auch, wenn bereits ein bestandskräftiger Bescheid existiert. Denn Behörden sind grundsätzlich nicht gehindert, erkannte Fehler auch zu korrigieren.

Widerspruchsverfahren sind Verwaltungsverfahren und es ist Aufgabe und Recht des Petitionsausschusses, Verwaltungsverfahren zu überprüfen. Eine Überprüfung ist dem Petitionsausschuss aber nur dann möglich, wenn er über das Vorbringen der Petenten hinaus umfassende Sachinformationen zu dem jeweiligen Verwaltungsvorgang besitzt. Das schließt auch die Kenntnis aller Tatsachen und Vorgänge ein, die in einem Widerspruchsverfahren in die Entscheidungsfindung einfließen können. Nur dann kann sich der Petitionsausschuss mit dem Verhalten der Landesregierung bzw. einer Behörde des Landes, die an dem Verfahren beteiligt ist, auseinander setzen, wie dies auch die Geschäftsordnung vorsieht. Insbesondere ist die Kenntnis über die Haltung einer Behörde in einem Widerspruchsverfahren von Bedeutung, um auf Widrigkeiten bzw. fehlerhafte Rechtsauffassungen, unter Einbindung der Vorstellungen des Petenten, hinzuweisen.

Ebenso verhält es sich mit gerichtlichen und rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren. Auch während oder nach Abschluss eines gerichtlichen Verfahrens kann der Petitionsausschuss das Verhalten der beteiligten Behörden überprüfen. Eine Behörde ist auch nicht gehindert eine Entscheidung zu ändern, wenn hierzu ein gerichtliches Verfahren anhängig ist. Der Petitionsausschuss kann aber keinen Einfluss auf das Gericht nehmen oder Nachprüfungen gerichtlicher Entscheidungen veranlassen, da er anderenfalls den verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Gewaltentrennung verletzen würde.

Insoweit hofft der Petitionsausschuss, dass sich die Landesregierung im Hinblick auf die dem Petitionsausschuss zustehenden Rechte bei der Abgabe von Stellungnahmen in den hier aufgeführten Fällen kooperativ zeigt, damit dem Petitionsausschuss die Möglichkeit gegeben wird, das Petitionsanliegen optimal zu unterstützen.

Anlässlich einiger Petitionen machte sich der Petitionsausschuss ein genaues Bild vor Ort. Zwei Ortstermine sollen hier dargestellt werden. Das eine Mal ging es um Umweltfragen. Bei dieser Petition waren sozusagen mehr die Nase als die Augen der Ausschussmitglieder gefragt, denn Problem war ein offener Graben, der vor allem im Sommer nicht genug Wasser führte, was deshalb problematisch war, weil in ihn auch Abwässer eingeleitet wurden. Da dort völlige Abhilfe nur geschaffen werden kann, wenn für das ganze Dorf eine Kläranlage installiert wird, war natürlich weder dem Petitionsausschuss noch dem am Ortstermin beteiligten Ministerium sofortige Abhilfe möglich. Dennoch gelang es dem Petitionsausschuss zusammen mit den ebenfalls anwesenden Vertretern der Wasserbehörden, das Freischaufeln des Grabens am Rande des Dorfes sowie das Entfernen

von Bewuchs im Grabenverlauf und bei den zuständigen Behörden weitere Maßnahmen anzuregen, um die Fließgeschwindigkeit des Wassers zu erhöhen, so dass auch bei trockener Witterung das Problem zumindest am Rand des Dorfes wesentlich entschärft werden konnte. Der zweite Ortstermin betraf Fragen des Baurechts. Hier versuchte der Petitionsausschuss in einer verfahrenen Situation, wo es um Baugenehmigungen bzw. nicht beantragte Umbauten ging, zu vermitteln. Ich kann Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, versichern, dass es auch Petenten gibt, die sehr individuelle Vorstellungen von der Auslegung des Baurechts haben, so dass es manchmal nicht einfach ist, eine Brücke zu den von der Baubehörde vertretenen Ansichten zu schlagen. Dies stellt manchmal durchaus Herausforderungen an Geduld und Verhandlungsgeschick dar. Dennoch gelang es auch in diesem Fall dem Petitionsausschuss, einen Kompromiss zwischen dem vom Petenten Gewünschten und dem von der Baubehörde als noch Möglichem zu finden, mit denen der Petent auch leben kann.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, bei dieser Gelegenheit noch etwas Grundsätzliches zu den Ortsterminen oder auch zur Arbeit des Petitionsausschusses als solchem sagen: Dem Petitionsausschuss gelang es in vielen Fällen auch vermittelnd tätig zu werden, insbesondere wenn Missverständnisse zwischen Bürgern und den Behörden bestanden. In einer denkmalschutzrechtlichen Angelegenheit nahm der Ausschuss die Gelegenheit wahr, sich vor Ort von den tatsächlichen Gegebenheiten zu überzeugen und mit den anwesenden Vertretern der Behörden und dem Petenten ein klärendes Gespräch zu führen.

Eine Angelegenheit, in der sich die Petenten über die Einleitung von Abwasser in einen öffentlichen Bach und das Ablagern von Schutt durch die Nachbarn beschwert hatten, stellte sich zwar in dem Ortstermin als eine nachbarschaftliche Streitigkeit heraus; hier konnten die zuständigen Ordnungsbehörden jedoch für den Fall sensibilisiert werden, um schnellstmöglich einzugreifen und so den Streit im Vorfeld zu entschärfen.

Bei vielen Gesprächen, besonders bei solchen im Rahmen von Ortsterminen, geht es letztlich nicht nur um die Lösung des Einzelfalls, sondern auch darum, den Petenten, auch wenn man ihm nicht oder nur bedingt helfen kann, dadurch, dass man ihm eine plausible Begründung dafür liefert, vom Sinn einer gesetzlichen Regelung zu überzeugen, auch wenn sie zwar möglicherweise im Einzelfall dem Petenten nicht hilft sein Begehr durchzusetzen, aber der Gemeinschaft insgesamt durch ihre Ordnungsfunktion doch von Nutzen ist. Hierum sich immer wieder zu bemühen und dennoch auch kritisch den Sinn von Gesetzen zu hinterfragen ist bleibende Aufgabe des Petitionsausschusses.

Anhand einiger Schwerpunkte soll nun ein Überblick über die letztjährige Arbeit gegeben werden: Im Bereich

Soziales und Gesundheit bildeten die Petitionen zum Vertriebenenzuwendungsgesetz seit 1996 einen Schwerpunkt. Seit 1994 liegen dem Petitionsausschuss Petitionen vor, die im Zusammenhang mit der Gewährung der einmaligen Zuwendung für Vertriebene nach dem Vertriebenenzuwendungsgesetz stehen. Betrafen die Petitionen zunächst die Dauer der Bearbeitung, so liegt ab 1996 der Schwerpunkt der Petitionen bei den Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Vertriebenenzuwendungsgesetz, nämlich der ununterbrochenen Wohnsitznahme, sowie bei der Antragsfrist. Nach dem Erlass des Ministeriums für Soziales und Gesundheit vom 24. Juni 1998 gab es bezüglich der Fragen des Ausschlusses der Gewährung der einmaligen Zuwendung wegen Bodenreformland praktisch keine Petition mehr. Immer wieder betreffen Petitionen auch die Anerkennung bzw. Nichtanerkennung des Vertriebenenstatus. Im Jahr 1999 lagen die Schwerpunkte weiterhin bei der Anspruchsvoraussetzung der ununterbrochenen Wohnsitznahme und bei der Frage der Antragsfrist - die war 30. September 1995.

Am 6. Mai 1999 wurde im Bundestag der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Vertriebenenzuwendungsgesetzes eingebracht. Mit dem Gesetzentwurf sollte unter anderem im Interesse der Betroffenen auf das Erfordernis des ununterbrochenen Aufenthalts im Beitrittsgebiet verzichtet und die Antragsfrist bis zum Jahresende verlängert werden. Durch Einrichtung eines Härtefonds im Rahmen einer bestehenden Stiftung sollte Betroffenen, die auch noch nach dieser Novellierung von der einmaligen Zuwendung ausgeschlossen blieben und bei denen eine außergewöhnliche Härte vorliegt, die Möglichkeit des Erhalts einer Leistung ohne Rechtsanspruch eingeräumt werden. Der Gesetzentwurf wurde am 16. Dezember 1999 jedoch in zweiter Beratung abgelehnt.

Trotz der Hinweise der Bundesregierung zur Durchführung des Vertriebenenzuwendungsgesetzes und des Erlasses des Ministeriums für Soziales und Gesundheit zum Vollzug dieses Gesetzes gibt es eine Vielzahl von Betroffenen, die nach den derzeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen von einer Leistung ausgeschlossen sind, da sie die Anspruchsvoraussetzung der ununterbrochenen Wohnsitznahme nicht erfüllen oder keinen fristgemäßen Antrag gestellt haben. Diesen Anliegen könnte durch eine Änderung des Gesetzes, wie sie der Entwurf des Ersten Gesetzes zur Änderung des Vertriebenengesetzes vorgesehen hatte, abgeholfen werden. Der Petitionsausschuss des Thüringer Landtags leitet deshalb Petitionen, denen aus vorgenannten Gründen nach der derzeitigen Rechtslage nicht abgeholfen werden kann, in der Regel an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages weiter.

Insbesondere bei Petitionen, die sich dagegen richteten, dass die Zahlung der Zuwendung verwehrt wurde, weil die Petenten zum Stichtag 3. Oktober 1990 nicht mehr im so genannten Beitrittsgebiet lebten, kommt zum Aus

druck, dass sich die Betroffenen benachteiligt fühlen. Denn das Ziel des Vertriebenenzuwendungsgesetzes - nämlich die Würdigung des Schicksals der Vertriebenen, die nach ihrer Vertreibung in der ehemaligen DDR gelebt haben, sich dort nicht zu ihrem Vertreibungsschicksal bekennen durften und in der Regel keinerlei Eingliederungshilfen erfahren haben - ist hier gegeben, der Antrag aber wird dennoch abgelehnt. Gerade in diesen Fällen wird die Ablehnung der Vertriebenenzuwendung wegen des Fehlens der Anspruchsvoraussetzung der ununterbrochenen Wohnsitznahme im so genannten Beitrittsgebiet bis zur Wiedervereinigung als besondere Härte empfunden. Hier sind es oftmals nur wenige Tage oder Wochen, die zum Ausschluss von der Vertriebenenzuwendung führen. Da die Betroffenen hier oft tatsächlich einen neuen Wohnsitz begründet haben, sind sie damit nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung von der Vertriebenenzuwendung ausgeschlossen. Ihnen könnte nur eine Änderung der Stichtagsregelung weiterhelfen. So liegt, um ein anderes Beispiel zu nennen, eine noch nicht abgeschlossene Petition vom letzten Jahr vor, die auch aus der Stichtagsregelung resultiert. Der Petent wurde 1943 im Vertreibungsgebiet geboren, im Jahre 1945 vertrieben und war von diesem Zeitpunkt an ununterbrochen im Beitrittsgebiet wohnhaft. Seit dem 24. August 1990 war der Petent als Planungsingenieur für Elektrotechnik in den alten Bundesländern beschäftigt. Aufgrund der großen Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsort hielt er sich werktags in Baden-Württemberg auf und fuhr am Wochenende nach Hause zu seiner Familie in Thüringen. Von seinem Arbeitgeber wurde ihm nahe gelegt, sich in Böblingen polizeilich anzumelden und seinen Pkw umzumelden, da es nicht im Firmeninteresse liege, bei langjährigen Kunden mit einem Pkw mit einem so genannten ostdeutschen Kennzeichen vorzufahren. Der Petent meldete sich daraufhin am 10.09.1990 in Böblingen an. Das Versorgungsamt Gera und die Landesregierung vertreten die Auffassung, dass der Petent mit der polizeilichen Anmeldung in Baden-Württemberg seinen Wohnsitz in Thüringen aufgegeben habe. Damit gehöre er nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis. Vorliegend geht es aber um die Frage, ob überhaupt der Wohnsitz verlegt wurde.

Die Gewährung der Vertriebenenzuwendung hängt davon ab, ob der Petent zum Stichtag, also der 3. Oktober 1990, seinen ständigen Wohnsitz im so genannten Beitrittsgebiet hatte. Der Begriff des Wohnsitzes ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Danach wird der Wohnsitz begründet durch tatsächliche Niederlassung an einem Ort, verbunden mit dem Willen, diesen Ort zum ständigen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen. Dieser Wille (so genannter Domizilwille) war beim Petenten in Baden-Württemberg nicht gegeben. Sein Aufenthalt in Baden-Württemberg war ausschließlich berufsbedingt. Einen dauernden Wohnsitz wollte er dort gerade nicht begründen. Dafür spricht vor allem, dass seine Familie weiterhin in Thüringen blieb und er am Wochenende pendelte.

Da sich der Wohnsitz auch an mehreren Orten gleichzeitig befinden kann, hatte der Petent nach Auffassung des Petitionsausschusses bis zum Stichtag seinen ständigen Wohnsitz durchaus im Beitrittsgebiet und ist demnach dem Grunde nach doch anspruchsberechtigt. Deshalb beschloss der Petitionsausschuss in seiner letzten Sitzung, diese Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen.

Als weiterer Schwerpunkt sind hier die zahlreichen Petitionen von Psychotherapeuten zu nennen. Die Betroffenen beklagen, dass das für die Psychotherapeuten in der gesetzlichen Krankenversicherung für 1999 festgelegte Budget den tatsächlichen Bedarf nicht decke und damit zum einen die psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung nicht gesichert sei und zum anderen die wirtschaftliche Existenz der Gruppe der psychologischen und ärztlichen Psychotherapeuten gefährdet sei. Die Bearbeitung dieser Petitionen konnte bisher noch nicht abgeschlossen werden. Die Mitglieder des Petitionsausschusses hoffen auf eine Lösung im Sinne der Psychotherapeuten.

Einige Petitionen betrafen auch die Regelungen des Unterhaltsvorschussgesetzes. Es wurde unter anderem die Anhebung der Altersgrenze über zwölf Jahre hinaus bei der Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für Alleinerziehende gefordert. In einem anderen Fall ist die Petentin allein erziehende Mutter einer 9-jährigen Tochter, für die ab dem 1. Oktober 1999 kein Unterhaltsvorschuss mehr geleistet wird, da Unterhaltsvorschuss gemäß § 3 Unterhaltsvorschussgesetz für längstens insgesamt 72 Monate gezahlt wird. Die Petentin empfindet die jetzige Fassung dieses Unterhaltsvorschussgesetzes als Zumutung für in ähnlicher Weise Betroffene. Sie sieht hier einen Handlungsbedarf der Politik, Änderungen am Gesetz vorzunehmen bzw. nach Möglichkeiten zu suchen, Alleinstehende unbürokratisch und kurzfristig zu unterstützen.

Hauptanliegen des Unterhaltsvorschussgesetzes besteht darin, Alleinerziehenden vor allem in der Phase der Trennung und Neuorientierung dann zu helfen, wenn zu der Alleinzuständigkeit für die Erziehung des Kindes auch noch Unterhaltsprobleme kommen. Es ist nicht vorgesehen, damit den Lebensunterhalt der Kinder zu sichern. Diesen Zweck erfüllt das Bundessozialhilfegesetz. Die Bezugsdauer von Unterhaltsvorschuss betrug früher zunächst 36 Monate und wurde, wie wir wissen, 1992 auf 72 Monate verlängert. Die dennoch verständlichen Sorgen der Betroffenen wurden zum Anlass genommen, die Petitionen zur Prüfung, ob eine weitergehende Ausdehnung der Leistungen oder andere Unterstützung durch das Land möglich sind, den Fraktionen zur Kenntnis zu geben bzw. an den Deutschen Bundestag weiterzuleiten, da das Unterhaltsvorschussgesetz ein Bundesgesetz ist.

Im Innenbereich hatten die Eingaben zu kommunalen Angelegenheiten mit knapp 16 Prozent - wie schon in den Vorjahren - einen erheblichen Anteil an der Gesamtzahl der Petitionen. Den Schwerpunkt bildeten hierbei unverändert Eingaben zu kommunalen Abgaben, wobei die Anzahl, der durch Bürgerinitiativen eingelegten Petitionen im Vergleich zum Vorjahr, gemeint 1998, erheblich abgenommen hatte.

Die Petenten beanstanden auch in diesem Jahr hauptsächlich die fehlende bzw. mangelhafte Information durch die kommunalen Aufgabenträger vor Beitragserhebungen. Zum anderen wurde wiederholt kritisiert, dass die zu zahlenden Abgaben unangemessen hoch seien und diesen keine gleichwertigen Gegenleistungen gegenüberstünden. Viele Bürger verstehen auch heute noch nicht, warum ausschließlich Grundstückseigentümer und die ihnen durch Gesetz Gleichgestellten beispielsweise zur Zahlung von Straßenausbaubeiträgen herangezogen werden, obwohl auch die Allgemeinheit einen nicht unerheblichen Nutzen daraus zieht. Ursache für derartige Petitionen ist die mancherorts noch schlechte Zusammenarbeit zwischen kommunalen Aufgabenträgern und den betroffenen Bürgern.

(Beifall bei der CDU)

Die Bürger fühlen sich übergangen, da sie hohe Beitragsforderungen begleichen müssen, ohne zu wissen wofür. Gerade im Bereich der Kommunalabgaben versuchte der Ausschuss daher durch ausführliche Informationen die Akzeptanz bei den betroffenen Bürgern für die Erhebung von Beiträgen und Gebühren zu erhöhen.