Deutlich wird die Kluft auch beim näheren Hinschauen bezüglich der Wohnsituation von Kindern in Mietwohnungen oder in elterlichem Wohneigentum. Kindern, deren Eltern Wohneigentum besitzen, steht durchschnittlich eine Quadratmeterzahl von 10 bis 15,3 zu. Nun können Sie sagen, diese Beispiele sind exemplarisch schlecht und sie sind absichtlich gesucht. Ich glaube aber, sie sind sehr prägnant, zumindest für die Probleme bei den Kindern 27.515 - ein starkes soziales Problem. Und die Veränderung dieser Situation ist tatsächlich nur möglich, wenn durch die Gesellschaft diese Veränderung vorgenommen wird.
Kinder, wenn sie die Zukunft sein sollen, brauchen mehr als Essen und Trinken, sie brauchen Teilhabe an der gesellschaftlichen Entwicklung, sie brauchen mehr an Geld, sie brauchen mehr an Liebe, sie brauchen Einkommen, Wohnungssituation, Gesundheit und Bildung. Und wer dann aus dieser Erkenntnis heraus der Meinung ist, dass alles Existierende reicht, der realisiert eben nicht, dass wir Maßnahmenpakete brauchen, die die Entscheidungen der Thüringer verantwortlichen Politik für die Verbesserung gerade der immer mehr auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich in Thüringen benötigt.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für eines, Frau Bechthum, möchte ich Ihnen dan
ken, dass Sie zum Anfang gleich deutlich gemacht haben, dass die Situation von Kindern nicht ohne die Situation der Familien zu sehen ist, denn die staatlichen Transferund Sozialleistungen richten sich in der Regel an Familien und nicht unmittelbar an Kinder. Bei einer anderen Sache, Frau Bechthum, ich akzeptiere Ihre guten Absichten, aber das, was Sie an fürchterlichen Zuständen hier skizziert haben,
da muss ich Ihnen sagen, das lasse ich nicht zu, dass Sie meiner Vorgängerin nachsagen, sie hätte mir so eine desolate Kinder- und Familienpolitik hinterlassen.
Und wesentliche Absenkungen hat es in meiner Zeit bisher nicht gegeben. Also, wenn Sie so wahnsinnige Kritik daran äußern, dann äußern Sie Kritik an mir, aber auch an meiner Vorgängerin, und das lasse ich nicht zu.
Frau Thierbach, Sie haben gesagt, es kommt darauf an, ob man das Glas halb voll oder halb leer betrachtet. Wissen Sie, Frau Thierbach, Sie bekommen es ja fertig, noch ein fürchterliches Jammertal anzustimmen, wenn das Glas nicht gleich überläuft. Ich denke, die Situation ist so fürchterlich und katastrophal, wie Sie sie hier aufzeichnen, nicht. Und ich möchte auf eines hinweisen, was die Sozialhilfe angeht. Die Sozialhilfe wird ja extra deswegen geleistet, um eben den Familien mit geringem Einkommen zu helfen, damit sie aus Krisensituationen, aus wirtschaftlich schwierigen Situationen herauskommen. Natürlich, da machen wir uns doch nichts vor, dass Kinder auch für die Eltern zusätzliche finanzielle Belastungen bedeuten. Das war für jeden von uns so, der Kinder jemals gehabt hat. Ich würde mich manchmal freuen - das habe ich schon ein paar Mal gesagt, aber weil es richtig ist, sage ich es immer wieder -, ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn mehr über die Lust und Freude gesprochen würde, Kinder zu haben und weniger über die Last geredet würde.
Meine Damen und Herren, Sozialhilfeleistungen an Kinder und deren Eltern sind also die Unterstützung des Staates, um finanziell schlecht gestellte Familien vor dem sozialen Abseits zu bewahren. Ich denke aber, ein Kind zu haben, sollte auch im 21. Jahrhundert noch zuvörderst eine persönliche und private und nicht vordergründig staatliche Angelegenheit sein.
Meine Damen und Herren, wer sich mit der sozialen Situation von Familien beschäftigt, der wird auch in Thüringen feststellen können, und das klingt nun erstaun
lich, aber ist positiv, dass mit steigender Haushaltsgröße auch das durchschnittlich verfügbare Haushaltseinkommen steigt. Da wird natürlich jeder sagen: Wieso steigt das Haushaltseinkommen, es sind doch nicht nur die gut Verdienenden, die größere Familien haben? Meine Damen und Herren, wenn das durchschnittliche frei verfügbare Haushaltseinkommen steigt, dann steigt es deshalb, weil Familien staatlicherseits durch Transfermittel unterstützt werden. Hier gehen nämlich Kindergeld und andere Dinge mit ein. Ich denke, auch das darf man ruhig einmal sagen, die Gesamtzahl der Sozialhilfeempfänger in Thüringen ist von Ende 1998 mit damals rund 51.100 zum Jahresende 1999 auf rund 49.400 gesunken und unterschreitet damit das Niveau von 1997. Das betrifft nicht nur allgemeine Sozialhilfeempfänger, sondern das betrifft auch Familien mit Kindern. Die Zahl der Familien mit einem oder zwei Kindern und auch die Zahl der Familien mit drei und mehr Kindern, die in Thüringen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt empfingen, bei Bedarfsgemeinschaften mit einem bis zwei Kindern ist von 9.200 auf rund 9.000 - das ist nicht überwältigend, aber es ist ein Absinken - gesunken, mit drei und mehr Kindern ist die Zahl von rund 1.800 auf etwa 1.700 abgesunken.
Meine Damen und Herren, es wird so oft und so gern allein pauschal die Sache Sozialhilfe und Sozialhilfeempfänger benannt. Sozialhilfe ist eine sehr komplexe und sehr komplizierte Materie. Ich überlege mir, ob wir nicht gerade - auch im Interesse der Familien - eine differenziertere Untersuchung brauchen, um eingehender wirklich zu sehen, wo müssen wir Sozialhilfe noch differenzierter einsetzen, als es im Augenblick relativ pauschal passiert. Das heißt mit anderen Worten, ich sehe durchaus, dass es Probleme für die eine oder andere Familie gibt. Das wollen wir überhaupt nicht unter den Tisch kehren. Es gibt Familien, denen mehr geholfen werden muss, als es vielleicht im Augenblick passiert. Aber in der großen Anzahl kann ich sagen, dass wir Familien auch mit Kindern, mit vielen Kindern haben, die ein gutes und auskömmliches Einkommen haben. Danke sehr.
Weitere Wortmeldungen zu TOP 22 a liegen mir jetzt nicht mehr vor. Dann beenden wir den Punkt und kommen zu
b) auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: "Rechtsextreme Denk- und Verhaltensweisen unter Thüringer Schülern Möglichkeiten schulischer Erziehung" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/924
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, "Rechtsextremismus entsteht im Kontakt von Mensch zu Mensch. Erziehung ist ein Teil dieses Kontakts und kann ihn deshalb entscheidend schwächen", so der Psychologe Rainer Dollhase. Deshalb kommt es darauf an, Erziehung so zu gestalten, dass Werte und Normen entstehen, die rechtsextremistisches Abgleiten verhindern. Das betrifft die Erziehung in der Familie, in der Schule, überall. Rechtsextremismus von Jugendlichen ist diffus, schwimmt unsicher in einem Meer sich widersprechender Argumente. Schulen können hier sinnvoll und konsequent eingreifen, Einstellungsstrukturen zurückdrängen und vor allem die Abwehrpotenziale der Unentschlossenen stärken. Das erfordert allerdings langfristig wirksame Projekte, d.h., wir brauchen dafür Geld, Personal und Strukturveränderungen.
Meine Damen und Herren, wir wollen weder Aktionismus noch Panikmache, sondern vielmehr eine Vernetzung der Aktivitäten auf allen Ebenen in neuer Qualität, d.h. ein verlässliches Programm, das die Kooperation aller Beteiligten gewährleistet. Den Appellen müssen konkrete, koordinierte und breit wirksame Handlungsschritte folgen, hier liegen eindeutig die Defizite der Landesregierung.
Meine Damen und Herren, es beginnt mit der Tatsache, dass der Ministerpräsident in einer Gesprächsrunde mit den Fraktionsvorsitzenden zwar den Innenminister dazu bittet, der Kultusminister aber bleibt außen vor. Herr Emde lässt verlauten, die CDU-Fraktion sieht keine Gefahr des Rechtsextremismus in Thüringer Schulen und rechtsextremistische Vorkommnisse spielen an Thüringer Schulen kaum eine Rolle.
Herr Kollege Emde, ob es uns nun gefällt oder nicht: Diejenigen, die den Brandanschlag auf die Synagoge in Erfurt durchgeführt haben, waren Jugendliche, die unsere Thüringer Schule absolviert haben. Dass sich jetzt schon abzeichnet, dass sich die rechtsextremistischen Vorkommnisse an Thüringer Schulen in diesem Jahr verdoppeln, sollte uns schon zu denken geben.
Meine Damen und Herren, die juristisch erfassten Vorkommnisse sind nur die Spitze eines Eisbergs; es geht um rechtsextreme - hören Sie zu - es geht um rechtsextreme und fremdenfeindliche Haltungen, Auffassungen einer viel größeren Gruppe von Heranwachsenden, auf die wir reagieren müssen. Wenn es uns schon nicht gelingt, diese Haltung von Anfang an zu verhindern, dieses schleichende rechtsextreme Gift, das ist - denke ich - die eigentliche Gefahr. Deshalb ist die Aussage des Ministerpräsidenten, kein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus aufzulegen, mehr als unbefriedigend.
Meine Damen und Herren, damit hat er nicht nur die zentrale Forderung der SPD-Fraktion abgelehnt, sondern gleichzeitig die Initiative der Arbeitsgruppe "Demokratie braucht Zivilcourage" mit einem Federstrich zu den Akten gelegt. Sie wissen genau, in vielen Bundesländern gibt es entsprechende Landesprogramme und in Thüringen haben sich Persönlichkeiten wie Knigge, Chrestensen, Nossen und Machnik und viele andere dafür ausgesprochen. Warum will die Landesregierung deren guten Rat nicht folgen? Gewiss - und da gebe ich Herrn Böck Recht - ein Landesprogramm ist kein Zauberstab; doch es kann die Abstimmung zwischen all den Beteiligten fördern, die Jugendliche vor rechtsextremen Fehlentwicklungen bewahren wollen. Schule muss dazu einen wichtigen Beitrag leisten und gute Lehrer wollen dies auch, doch sie brauchen dabei unsere Unterstützung. Sie brauchen Abrufangebote durch mobile Beratungsdienste, die Lehrern in konkreten Problemlagen Hilfestellung geben könnten. Sie brauchen didaktisch aufbereitete Handreichungen und nicht zuletzt eine qualifizierte Fortbildung für Lehrer aller Stufen und Fächer. Dabei geht es nicht um folgenlose und kontraproduktive Moralisierung. Es geht immer um eine Verbindung von Aufklärung nicht als autoritäre Belehrung, sondern als gemeinsame Arbeit an den Erfahrungen und Weltverständnissen der jungen Menschen und dem Erleben anderer demokratischer und nicht ausgrenzender sozialer Erfahrungen. Das heißt, wir müssen einen Bezug zum Alltag der Jugendlichen herstellen, ihnen Orientierungswissen für heute vermitteln und bei ihnen eine emotionale Nähe zur Problematik schaffen. Das Thüringer Kultusministerium kann und muss hier mehr tun, Herr Minister Krapp. Denn wenige Pilotprojekte an ausgewählten Schulen genügen nicht, wenn rechtsextreme Gefährdungen an Schulen drohen. Das Kultusministerium sollte sich auch Ideen über eine frühzeitigere, systematische Behandlung des Nationalsozialismus nicht von vornherein verschließen, also vor dem 9. Schuljahr.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion steht klar und deutlich zur gemeinsamen Entschließung des Landtags gegen Rechtsextremismus. Wir müssen aber genauso klar und deutlich feststellen: Was wir bisher erreicht haben, ist noch lange nicht genug. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Kollege Döring, Bildung und Erziehung sind aus meiner Sicht nicht kampagnenfähig, auch nicht mit Sonderprogrammen zu steuern. Bildung und Erziehung sind langfristige, konti
nuierliche Aufgaben von Familie, Elternhaus, Schule und gesellschaftlichem Umfeld. Trotzdem kann natürlich die Debatte über Rechtsextremismus und politisch motivierte Gewalt in unserer Gesellschaft über ihre Ursachen und ihre Bekämpfung an den Schulen nicht vorbeigehen. Die Schulen befinden sich nicht im luftleeren Raum, sie sind mitten in unserer Gesellschaft und müssen auf solche öffentlichen Debatten reagieren. Von daher möchte ich zuallererst einmal die Initiative vor Schuljahresbeginn der Vertreter der Schüler und der Eltern, der Landesschülervertretung und der Landeselternvertretung begrüßen, unterstützen und mich dafür bedanken, weil beide mit ihren Aufrufen den richtigen Weg beschritten haben. Sie fordern auf, die Schulkonferenzen zu nutzen zur kritischen Auseinandersetzung mit der Frage, wie es an den jeweiligen Schulen konkret vor Ort um Demokratie und Toleranz bestellt ist. Schüler, Lehrer und Eltern können vor Ort gemeinsam die besten Wege suchen und Demokratieerziehung praktisch gestalten, die Bedeutung von Grundwerten unserer Gesellschaft praktisch erlebbar vermitteln, dafür zumindest Wege bereiten. Dazu gibt es im Rahmen der Lehrpläne, aber auch darüber hinaus an der Schule vielfältige Möglichkeiten. Natürlich kommt es darauf an, bei den Schülern das historische Bewusstsein zu entwickeln und dazu eignen sich auch Gespräche beispielsweise mit Betroffenen, mit Zeitzeugen des nationalsozialistischen Terrorregimes, mit Zeitzeugen des nachfolgenden kommunistischen Terrorregimes. Auch die Empfehlung, Exkursionstage zu nutzen, um etwa in Buchenwald an einem historischen Ort eine beeindruckende Dokumentation eines Stücks deutscher Geschichte zu erleben und das pädagogisch zu untersetzen, das halte ich für wertvoll. Aber es ist sicherlich nicht sinnvoll, so etwas auf dem Anordnungsweg zu erledigen.
Wichtig scheint mir, dass die Initiative von den Beteiligten ausgeht, dass die konkrete Situation an der Schule und dem Umfeld berücksichtigt wird. Die Schulkonferenzen, die mit diesem Thema befasst werden sollen, die finden gerade jetzt in diesen kommenden Wochen statt. Ich bin sicher, dass sie diesem Thema besondere Aufmerksamkeit schenken werden. Dazu bedarf es wiederum keiner Kommandostrukturen vom Ministerium über die Schulämter zu den Schulleitern und wieder zurück. Diese Vorstellung, Herr Kollege Dr. Dewes, die Sie in eine Anfrage gekleidet haben, die passt möglicherweise zu Ihren Erfahrungen als Innenminister im Umgang mit der Polizei, die passt aber nicht in die Schule in unserem demokratischen Gemeinwesen. In der Schule muss vielmehr erreicht werden, durch das paritätische vertrauensvolle Zusammenwirken aller Beteiligten voranzukommen. Das gilt übrigens auch, wenn es um die Frage geht, was am Nachmittag passiert, wenn die Schule vorbei ist, wo und wie die jungen Menschen abgeholt werden für eine sinnvolle Freizeitgestaltung. Auch da müssen Schule, Kommunen und freie Träger vor Ort vernünftig zusammenarbeiten.
Aber, meine Damen und Herren, Demokratieerziehung ist natürlich jenseits der aktuellen Debatten immer eine grundlegende Aufgabe der Schule. Das kommt aber in den aktuellen Thüringer Lehrplänen zum Ausdruck und zieht sich altersgerecht durch alle Schularten. Demokratieerziehung, dazu gehört beispielsweise Erziehung zur Selbständigkeit, zur Urteilsfähigkeit, zu Rechtsbewusstsein, zu Selbstbewusstsein, aber eben auch die Vermittlung grundlegender Werte, Toleranz, Solidarität, die Achtung des anderen, auch Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Verlässlichkeit. Hier setzt Schule an, hier setzt die Schule in Thüringen an mit der Entwicklung von zentralen Kompetenzen im Rahmen der neuen Lehrpläne. Ich denke, das ist der richtige Weg, langfristig das Problem auch in den Griff zu bekommen, noch mehr im Rahmen der Demokratieerziehung zu tun. Dazu gehört natürlich auch im Rahmen der Lehrpläne die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte, mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts insgesamt.
Meine Damen und Herren, der deutsche Nationalsozialismus hat ja in besonders perfider Weise Anteil an einer breiten Blutspur, die totalitäre Regime von geschätzten gut 120 Mio. Opfern quer über den Globus gezogen haben, im 20. Jahrhundert geht fast ein Viertel auf seine Rechnung, gerade deshalb ist die Vermittlung deutscher Geschichte, dieses düsteren Kapitels natürlich von hoher Bedeutung. Und sie geschieht, Sie geschieht altersgerecht in allen Schularten, fächerübergreifend, in Projekten und in einzelnen Schulfächern.
Die Wertevermittlung in der Schule reicht nicht aus. Es gibt nicht die totale Schule. Schule ersetzt nicht das Umfeld. Werte müssen eingeübt werden, müssen in der Familie, im gesellschaftlichen Umfeld vorgelebt werden. Da ist es leichtsinnig, anzunehmen, Schule könne alle Jugend- und Gesellschaftsprobleme auffangen. Auch in der Erziehung gilt das Prinzip der Subsidiarität. Natürlich, Schule muss erziehen und beraten,
aber sie kann nicht als gesellschaftliche Feuerwehr dienen, sie muss Hilfestellung geben. In dem Zusammenhang möchte ich vielleicht als Letztes noch erwähnen: Es gibt seit dem letzten Jahr einen Kooperationsvertrag zwischen Kultusministerium und Landesjugendring, um gerade die Scharnierfunktion zwischen Schule und Umfeld besser in den Griff zu bekommen und all die, die daran mitarbeiten, das sind ja auch gerade in den Schulen viele Lehrer, die muss man in ihren Bemühungen unterstützen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in dieser Aktuellen Stunde greifen wir nicht ein spezielles Problem von Schule und Jugend auf, sondern einen Aspekt eines gesamtgesellschaftlichen Problems, denn rechtsextremistische Denk- und Verhaltensweisen von Schülerinnen und Schülern, so es sie gibt, sind nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Festzustellen ist eine Zunahme, eine Verdoppelung an Straftaten in Thüringer Schulen, die rechtsextremistischen Hintergrund haben. Dabei geht es nur um die zur Anzeige gebrachten Straftaten, die eine Dunkelziffer gar nicht berücksichtigen, und diese Dunkelziffer wird auch aus dem Kultusministerium eingeräumt. Die Bewertung dieser Entwicklungen sind sehr unterschiedlich. Herr Döring hat Beispiele dafür angeführt. Sie bringen berechtigte Sorge zum Ausdruck aber auch Bestrebungen, rechtsextremistische Vorfälle in Schulen zu verharmlosen. Das, meine Damen und Herren, nenne ich fahrlässig, denn aus deutscher Geschichte ist hinreichend bekannt, dass Rassismus und Rechtsextremismus Demokratie und Republik gefährden. Deshalb ist Abwehr erforderlich.
Meine Damen und Herren, wenn unsere Debatte nicht den Wert einer symbolischen Inszenierung, sondern nachhaltige Wirkung haben soll, dann ist Handeln angesagt und dafür ist zumindest zu bedenken:
Weil Schule ganz allgemein Teil der Gesellschaft ist, wirken die vielfältigen und sehr komplexen Ursachen für Rechtsextremismus in die Schule hinein und dann auch in der Schule. In der Mitte der Gesellschaft haben sich geistige Wegbereiter sammeln können, die in der Lage sind, alte Vorurteile gegenüber anders Aussehenden, anders Denkenden, anders Handelnden, anders Lebenden zu reaktivieren. Es gibt latente Zustimmungen aus der Mitte dieser Gesellschaft, die in ihrem Ausmaß Besorgnis erregend sind. Auch damit wird Schule konfrontiert. Schülerinnen und Schüler sind als Persönlichkeiten noch weniger gefestigt. Sie suchen nach Wertmaßstäben - da stimme ich ja mit Ihnen überein -, deshalb können sie aber auch gefährdeter sein. Auch zeigen sich Wirkungen, wenn Fragen der Schülerinnen und Schüler an die Geschichte, an die Gesellschaft nicht, oberflächlich, falsch oder politisch einseitig beantwortet werden. Je mehr Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, sich aktiv und wirksam in Lösungen von ihnen selbst erkannter Probleme einbringen zu können, desto größer ist die Ablehnung von Rechtsextremismus. Das schließt aber ein, dass sie eine klare und zutreffende Vorstellung von Demokratie entwickeln und auch lernen können, Gefahren für den Bestand von Demokratie zu erkennen.
Meine Damen und Herren, heute ist schon mehrfach gefragt worden, was brauchen wir denn? Entschlossenheit, Herr Innenminister, ja, aber dazu gehört nach unserer Meinung eine klare Sprache der politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen auch aus diesem Hause, die Jugendliche erkennen lässt, wofür oder wogegen diese Verantwortlichen stehen. Dazu gehört das Ernstnehmen und das Analysieren - ich betone das - das Analysieren auch der konkreten Probleme der Jugendlichen ohne Tabus, sonst bleiben wir nämlich an der Oberfläche. Ebenso gehört dazu das Gestalten von Maßnahmen, die Schülerinnen und Schüler auch annehmen. Untauglich dagegen sind politischpopulistische Verharmlosungen, Vereinfachungen. Das Beispiel "links ist gleich rechts" ist eine dieser Vereinfachungen. Untauglich sind auch unhaltbare Deutungsmuster und ein unkritischer Umgang mit der Geschichte. In der Schule sind eine ganze Reihe von Maßnahmen angelaufen, das wird von uns auch anerkannt. Ich sehe es aber wie die Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Fraktion, Schule ist auch kritisch zu prüfen. Lehrpläne, Unterricht, Projekte, Schulsozialarbeit, Fortbildung - ich könnte die Reihe fortsetzen, ich tue das jetzt nicht. Offen und ehrlich ist zu analysieren, was ist ausreichend und wirksam zur Ächtung von Rechtsextremismus, was nicht. Wo sind Veränderungen dringend angezeigt? Gibt es Umsetzungsprobleme? Werden gute Erfahrungen hinreichend verallgemeinert? Geld und Personal ist bereits angesprochen worden.
Ein letzter Satz. Meine Damen und Herren, ich habe große Hochachtung vor der engagierten Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern. Sie dürfen aber wie die Schule insgesamt nicht überfordert werden, weil Rechtsextremismus kein schulspezifisches, sondern ein gesellschaftliches Problem ist, an dessen Überwindung die demokratischen Kräfte gemeinsam - Frau Pelke sprach von einem Netzwerk engagiert, offen und ehrlich arbeiten müssen, und da konnte ich heute Morgen doch Gleichgesinnte erkennen, das stimmt mich ein bisschen optimistisch.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Wortlaut des Themas dieser Aktuellen Stunde "Rechtsextreme Denk- und Verhaltensweisen