Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, am 28.04.1999 sowie am 03. und 04.08.1999 ging mit den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundessozialgerichts ein Rechtsstreit zu Ende, an dem ca. 30.000 Kläger aus den neuen Bundesländern und somit auch aus Thüringen unmittelbar beteiligt waren. Darüber hinaus betrifft dies fast eine halbe Million DDRBürger, ehemalige DDR-Bürger, die durch ihre Arbeit in der DDR rechtmäßige Ansprüche auf eine Zusatz- oder Sonderversorgung erhalten oder erworben haben.
Meine Damen und Herren, wie bereits gesagt, fast eine halbe Million Menschen aus folgenden Berufsständen: ehemalige Richter und Anwälte, Mitglieder der NVA, Angestellte in öffentlichen Verwaltungen, Mitglieder der technischen und wissenschaftlichen Intelligenz, Mitarbeiter der Deutschen Reichsbahn, der Post sowie Vertreter von Parteien und Massenorganisationen. Mit Fug und Recht kann man heute sagen, dass es einen derart umfangreichen und sicher auch komplizierten Rechtsstreit in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kaum gegeben hat.
Meine Damen und Herren, der Zeitraum zwischen der juristischen Auseinandersetzung betrug vom ersten Widerspruch gegen die am 01.08.1991 erfolgten Rentenkürzungen bis zum Urteil vom 28.04.1999 mehr als 8 Jahre. Die betroffenen Rentnerinnen und Rentner haben das damalige Urteil mit Erleichterung und Genugtuung aufgenommen. Ihr jahrelanger Kampf gegen das Rentenstrafrecht hat sich gelohnt. Und was ich und die PDS ebenfalls für sehr wichtig finden, ist, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat nicht völlig enttäuscht wurde.
Meine Damen und Herren, die PDS-Fraktion fordert mit dem vorliegenden Antrag in Drucksache 3/917, Änderungen und Ergänzungen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes sowie die Beseitigung der Überführungslücken im Rentensystem, die Landesregierung auf,
auch vor dem Hintergrund, dass in wenigen Tagen 10 Jahre deutsche Einheit begangen wird - und wie erfolgreich Thüringen hierbei ist, konnten wir ja gestern bei der Beantwortung einiger Mündlicher Anfragen von CDU-Abgeordneten schon verfolgen -, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass die immer noch bestehenden Diskriminierungen und Benachteiligungen im Rentenrecht schnellstmöglich beseitigt werden. Die betroffenen Thüringer Rentnerinnen und Rentner, aber auch die rentennahen Jahrgänge aus den neuen Ländern haben keine Zeit mehr zu verlieren. Es geht um ihre Ansprüche jetzt und heute. Ein Hinauszögern der anstehenden Gesetzesnovelle geht zulasten der Betroffenen.
Meine Damen und Herren, die PDS ist der Hoffnung, dass sich weder die Landesregierung noch die Bundesregierung den Vorwurf einhandeln will, dass dieses Problem von der Zeit gelöst wird.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich erspare mir angesichts der noch vor uns liegenden Tagesordnung intensiv auf den Inhalt des Antrags einzugehen, denn der Antrag hat einen entscheidenden Fehler, der Landtag in Thüringen ist nicht zuständig. Und die Urteile, die Sie richtigerweise zitiert haben, beinhalten auch einen ganz konkreten Auftrag, und zwar an den zuständigen Gesetzgeber, den Bundestag bzw. die Bundesregierung, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, und das sogar ganz konkret: Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 30.06.2001 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Wie gesagt, aus diesem Grunde braucht man jetzt eigentlich den Inhalt nicht so tief gehend noch einmal zu diskutieren, vor allem, weil vom Kollegen Nothnagel schon einiges Richtiges zu dem Problem gesagt wurde.
Aber ich möchte trotzdem den Eindruck, der in der Öffentlichkeit entstanden ist, dass es eine totale Fehlentscheidung war, die im Juni 1990 - die Entscheidung, die Sie beschrieben haben, das war die, die nach der deutschen Einheit zu den Themen getroffen wurde, die Urentscheidung dazu war ja schon im Juni 1990 von der ersten und letzten frei gewählten Volkskammer, die damals mit einem ganz bestimmten Ziel den ehemaligen Staatsdienern oder den Systemtreuen die Vorteile, die man sich in den Jahren der DDR erarbeitet oder erschlichen hatte, in irgendeiner Weise auch wieder zu beschneiden. Nur ging man da weit über das Ziel hinaus. An der Stelle teile ich jetzt wieder Ihre Ansicht, man hat auch leider Berufsgruppen getroffen,
die man eigentlich mit der Entscheidung nicht treffen wollte, und mit dem 3. Oktober ist es in Bundesrecht überführt worden und die Entscheidung damals, die 990 Mark monatlich anzusetzen und von einer Dynamisierung abzusehen und das auf alle Berufsgruppen auszudehnen, ist sicherlich falsch. Wenn die Abgeordneten der Volkskammer die Zeit noch gehabt hätten, hätte vielleicht der eine oder andere das Gesetz noch sicherlich entsprechend differenziert und so bleibt es im geeinten Deutschland die Aufgabe des Bundestages, hier differenzierter zu entscheiden. Ich hoffe, der Bundestag lässt sich aber mit seinen neuen Mehrheiten trotzdem davon leiten, dass es durchaus möglich ist, entsprechend zu berücksichtigen, dass das Anliegen, das damals von Seiten der Volkskammer mit dem Gesetz eingebracht wurde, auch durchaus nachvollzogen wird. Jeder gelernte DDR-Bürger weiß noch, dass es durchaus Regelungen und Systeme gab, die den einen oder anderen doch etwas bevorteilten. Das Urteil des Verfassungsgerichts hat durchaus hinsichtlich der grundsätzlichen Berechtigung des Gesetzgebers, z.B. für ehemalige Angehörige des MfS, AfNS, eine Sonderregelung zu treffen und Umfang und Wert der zu berücksichtigenden Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen grundsätzlich niedriger einzustufen als bei den anderen Versicherten der DDR. Auch das kann man in den Urteilen nachlesen. Durchaus besteht die Möglichkeit des Gesetzgebers, hier an dieser Stelle aktiv zu werden. Und jedem gelernten DDR-Bürger ist auch noch bekannt, dass die große Mehrheit der hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit innerhalb der relativ gleichgeschalteten Einkommensverteilung in der ehemaligen DDR deutlich oberhalb des Durchschnitts angesiedelt waren und von daher ergibt sich schon die Berechtigung, entsprechend einzugreifen. Auch die Art und Weise der Handlungstätigkeit, dass man also Handwerker, Pförtner, selbst Küchenhilfen durchaus auch dadurch in den Genuss von Vergünstigungen gebracht hat, indem man ihnen einen Dienstgrad angetragen hat, auch da kann durchaus der § 7 des Gesetzes entsprechend umgestaltet und durchgesetzt werden.
Ich und auch meine Fraktion empfehlen daher die Ablehnung des vorliegenden Antrags der PDS, weil er an die falsche Adresse gestellt ist. Aber lassen Sie uns trotzdem gemeinsam darauf achten, dass der zuständige Gesetzgeber seine Möglichkeiten im Rahmen des vom Bundesverfassungsgericht vorgezeigten Entscheidungsspielraums auch ausnutzt. Ich zweifele allerdings, ob das wirklich das Anliegen des PDS-Antrags gewesen ist. Danke schön für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, den vorliegenden Antrag der PDS in Drucksache 3/917 be
werten wir in seinen beiden Teilen sehr unterschiedlich. Im ersten Teil wird Bezug genommen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999, in dem Teile des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes für verfassungwidrig erklärt werden. In diesem Gesetz wurde in die Zahlbetragsgarantie, die durch den Einigungsvertrag vorgesehen war, eingegriffen. Dies erklärte das höchste deutsche Gericht für nicht verfassungskonform. Gleichzeitig gab es dem Gesetzgeber den Auftrag, die Gesetzeslage bis zum 30. Juni 2001 neu zu regeln.
Es gibt unterdessen einen Gesetzentwurf vom Bundesarbeitsministerium, der auch Regelungen zu den erzielten Arbeitsverdiensten bei der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post enthält. Eine entsprechende Anhörung von Vereinen und Verbänden fand dazu am 11. April 2000 statt. Für diesen Teil des vorliegenden PDS-Antrags, also Nummer I a) und b) sehen wir nicht, dass durch eine Bundesratsinitiative das Gesetzgebungsverfahren beschleunigt werden kann. Dieses Änderungsgesetz zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz wird ein zustimmungspflichtiges werden, denn die Länder sind hier bei der Finanzierung beteiligt.
Zum Teil II des Antrags: Die dort zuerst genannte bestehende Überführungslücke in das Rentenüberleitungsgesetz wurde schon ausführlich in der 2. Wahlperiode, nämlich in der 53. Sitzung des hohen Hauses und in der 25. Sitzung des Ausschusses für Soziales und Sport erörtert. Außerdem liegt ein Bericht der Landesregierung dazu in der Vorlage 2/1046 vor. Es konnte damals trotz fehlender Anerkennung bei der Rentenüberleitung keine Schlechterstellung der Blinden- und Sonderpflegegeldempfänger nachgewiesen werden. Von der PDS-Fraktion wurde damals im Ausschuss die These aufgestellt, dass für die entsprechenden Personen, die ab 1997 Rente bekommen werden, es zu einer materiellen Schlechterstellung kommt. Wenn es dazu gekommen sein sollte, müsste es belastbares Zahlenmaterial geben, uns liegt ein solches bislang nicht vor. Zu den anderen Punkten sollte die Landesregierung über den wünschenwerten Handlungsbedarf im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit berichten. Unklar ist uns die Formulierung "Fortzahlung der Betriebsrenten" in Anbetracht der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Zahlung der Betriebsrenten. Außerdem hat es in der DDR wohl keine Rücklagenverpflichtung für die Möglichkeit des Konkurses des Betriebes gegeben. Wer soll also als Rechtsnachfolger zahlen?
Abschließend möchte ich noch auf die Randziffer 135 der Begründung des hier schon mehrfach erwähnten Urteils hinweisen, wo es heißt - ich zitiere: "Allerdings kommt dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Rentenansprüche und Anwartschaften weisen zwar einen hohen personalen Bezug auf, zugleich stehen sie jedoch in einem ausgeprägt sozialen Bezug. Deswegen verleiht Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz dem Gesetzgeber
auch die Befugnis, Rentenansprüche und Rentenanwartschaften zu beschränken, Leistungen zu kürzen und Ansprüche und Anwartschaften umzugestalten, sofern dies einem Gemeinwohlzweck dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt." Es muss also ein Weg zwischen dem finanziell Machbaren und den nachvollziehbaren Forderungen der jetzigen und zukünftigen Rentner gefunden werden. Ich bin sicher, dass ein Kompromiss gefunden wird, aber ich bin mir auch sicher, dass auch der beste Kompromiss noch Wünsche offen lassen wird. Wir beantragen die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die PDS-Fraktion ist der Auffassung, dass nicht nur die Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung gestaltet werden muss, sondern bestehende Benachteiligungen wie im Anwartschaftsüberführungsgesetz beseitigt werden müssen. In der Entscheidung vom 28. April 1999 und 3. und 4. August 1999 haben Bundesverfassungsgericht bzw. Bundessozialgericht die Wertneutralität des Rentenrechts bestätigt und die Kürzung der ehemaligen Zusatz- und Sonderversorgten der DDR beanstandet. Mit dem Urteil vom 03. und 04.08.1999 hat das Bundesverfassungsgericht all jenen Recht gegeben, die in einem jahrelangen Engagement vom Widerspruch bis hin zu Klagen beim ständigen Sozialgericht bis hin zum Bundesverfassungsgericht Kraft und Ausdauer bewiesen haben, indem sie gegen die Nichtanerkennung der vollständigen Arbeitsbiographie antraten, ich möchte erinnern, nachdem schon einmal die Klagen beim Bundesverfassungsgericht abgelehnt waren 1994. Durch die Gerichte wurde festgestellt: Es war und ist verfassungswidrig, Rente nur deshalb zu kürzen, weil der Bezieher einem bestimmten Zusatz- oder Sonderversorgungssystem angehört und seine Vergütung die festgesetzte Höchstgrenze überschritt. Es war und es ist verfassungswidrig, das Sonderversorgungssystem des MfS, AfNS bis auf 70 Prozent des Durchschnittsverdienstes aller Versicherten zu kürzen und den Zahlbetrag im Jahre 1991 gleichzeitig auf höchstens 802 DM festzusetzen, weil dadurch vielfach die Sozialhilfesätze unterschritten wurden. Herr Wolf, und genau hier liegt eben der Irrtum vor, die Volkskammer hatte sich geeinigt auf 1,0 des durchschnittlichen, das wären 960 DM gewesen, und genau dieser Kompromiss ist eben nicht durch die Volkskammer aufgehoben worden, sondern im Nachhinein. Dieses Unrecht ist ja schnell zu beseitigen.
Ein weiterer Punkt: Es war und ist verfassungswidrig, dass Rentner in der Zeit des Übergangs höchstens einen Betrag von 2.700 DM ausgezahlt erhielten, wenn ihre
Versorgung während DDR-Zeiten deutlich höher gelegen hätten. Und es war und es ist verfassungswidrig, dass der Gesetzgeber bei der Überleitung der ehemaligen Zusatz- und Sonderversorgung ein anderes System als alle anderen Berechtigten angewandt hat. So wurde die Höhe ihrer Renten aus ihrem gesamten Arbeitsleben errechnet, während er bei sonstigen Bestandsrentnern lediglich auf die letzten 20 Jahre ihres Berufslebens abstellte und hierdurch sind zusätzlich Zusatz- und Sonderversorgungssysteme benachteiligt worden, weil die letzten Berufsjahre in der DDR im Allgemeinen die besser vergüteten waren. Es ist richtig, dass durch die Gerichte ein Termin gesetzt wurde, und zwar bis Mitte 2001. Und manche - und leider ist es tatsächlich gekommen - sagen, es ginge uns nichts an bzw. es ist noch Zeit bzw. die Bundesregierung wird doch schon aktiv werden. Genau hierin liegt aber das Problem. Die Verfassungsrichter haben nicht festgestellt, dass man vor 2001 die Verfassungswidrigkeit nicht etwa nicht beseitigen durfte, sondern die haben festgestellt: spätestens. Und es liegt in dem zuständigen Bundesministerium tatsächlich ein Gesetzentwurf vor, ein Entwurf, der bis heute nicht im parlamentarischen Gang ist, und zu dem es tatsächlich eine Anhörung von Experten und Vereinen gegeben hat, aber wer sich diese Anhörung angesehen hat, der weiß, worin die Kritik besteht, nämlich dass es nur ein Minimalprogramm der Überarbeitung des AAÜG geben wird. Diese Kritik ist es, die uns zusätzlich in die Verantwortung setzt, für unsere Leute hier im Lande Thüringen, die bis jetzt mit gekürzten Renten, die verfassungswidrig sind, leben müssen.
Sehr geehrte Damen und Herren der CDU und auch Mitglieder der Landesregierung, ich bin mir sicher, dass es eigentlich auch in Ihrem Interesse liegt, eine unverzügliche gesetzliche Klärung der hier zur Debatte stehenden Probleme zu erreichen. Vor dem Hintergrund des Doppelhaushalts, den beschließt ja nicht für uns der Bundestag, sondern wir selbst, ist es dringend erforderlich, die finanziellen Mittel, die durch die Veränderung des AAÜG auf das Land zukommen, schnellstens zu wissen. Jetzt glaube ich dem Sozialminister, wenn er sagt, wir kennen die Größen, die entsprechend der minimalen Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils eingestellt sind.
Na, wenn Sie sie nicht kennen, ist es ja noch umso wichtiger, dass wir sie endlich kennen lernen, die Größen. Denn wir wissen, dass für die Renten, z.B. der Volkspolizei, der Feuerwehr, aber auch der Renten aus den Zusatzversorgten, außer den Parteien, die Bundesländer nur mit einem Prozentsatz beteiligt sein werden und eigentlich die Länder in der finanziellen Verantwortung stehen. Und nun komme ich zu dem, warum unser Antrag eben nicht überflüssig ist, sondern warum wir eigentlich tatsächlich von der Landesregierung erwarten, dass sie zusätzlich noch mal aktiv wird, weil es nämlich nach wie vor durch
die Gerichtsurteile nicht betroffene und nicht geregelte Probleme gibt, die aber, sollten sie nicht geregelt werden, genau denselben Prozess, den bisher die Rentner gehen mussten, wieder heraufbeschwört, also wieder Sozialgericht, Landessozialgericht bzw. Ruhenlassen der Sozialklage, Sammeln der Sozialklagen, bis wieder die Möglichkeit des Bundesverfassungsgerichtes besteht. Ich glaube, das ist auch nicht ganz einsehbar. Wer die Probleme in der Anhörung im Bundestag gehört hat, weiß, dass die Überführungslücken seit 1991 bestehen und bisher keine Regelungen gefunden wurden, die diese mindern. Es ist schon ein Unterschied, ob man als Bürger merkt, eine Landesregierung ist bemüht, diese Lücken zu schließen, oder ob man merkt, eine Landesregierung ist bereit, einen Minimalkompromiss, eine Minimalumsetzung eines Bundesverfassungsgerichtsurteils in Bonn zu akzeptieren. Sie sagen, Sie kritisieren die Fortführung der Betriebsrentenzahlung. Für manchen, der nämlich schon Bestandsrentner aus DDRZeiten war, ist es eine Fortführung der Betriebsrentenzahlung und es ist tatsächlich so, dass es erreicht worden ist, dass die Zeitrenten als Betriebsrenten geregelt worden sind. Die Post und die Eisenbahn ist bisher in dem Umfang, wie es notwendig wäre, nicht in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung beachtet.
Ja. Wir reden über den Referentenentwurf, den Frau Heß hier angekündigt hatte. Ich habe nicht gesagt, dass ich Sie auffordere, zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung aktiv zu werden, sondern ich habe Sie aufgefordert, zu konkreten Problemen, die in einem Bundesverfassungsgerichtsurteil und die in Rentenlücken in dieser Gesellschaft bestehen. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Bei dem einen warten Sie, dass ein anderer aktiv wird, und bei dem, wie unser Antrag gestrickt ist, erwarten wir von Ihnen, dass Sie die Probleme, auch Thüringer, aufnehmen.
(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Das ist nicht Ihr Antrag, Frau Thierbach!)
Die PDS fordert seit 1990 ein Gesetz zur Fortzahlung dieser Betriebsrenten. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts bestätigte bereits 1996, dass diese Ansprüche nach den Anordnungen von 1954 weiterhin bestehen. Es tut sich nichts. Ich habe Ihnen den Mechanismus eben beschrieben, wenn wieder viele Rentner - wenn wir jetzt nicht versuchen, gleichzeitig diese Lücken zu bereinigen - den Weg über Verfassungsgerichte gehen müssen, um im Durchschnitt 100 DM Rente mehr zu erhalten. Ich glaube, das sollte man den Rentnern ersparen. Und unbefriedigt, obwohl Sie sagen, Frau Heß, Sie kennen die Zahlen nicht, es gibt bereits fünf Anträge von Sonderblindengeldempfängern und für uns ist es nicht erst ein Regelungsbedarf bei der Anerkennung von Anwartschaften bei Blinden- und Sonderpflegegeldempfängern, wenn es viele sind, sondern wir ge
hen davon aus, dass jede Anwartschaft, und wenn es eine Anwartschaft ist, verfassungskonform im Gesetz geregelt werden muss. Alle erworbenen Anwartschaften müssen rentenrechtlich anerkannt werden. Dasselbe, und da bin ich bei Rentenlücken, die uns in der sozialen Situation in Thüringen doch betreffen, gilt für die Anerkennung der rentenrechtlichen Zeiten für Frauensonderstudien, postgraduale Studien, Aspiranturen, Auslandsaufenthalten zu Studien- und Arbeitszwecken, die Tätigkeit von mithelfenden Ehefrauen in Land- und Forstwirtschaft, Handwerkern und anderen Selbstständigen, aber auch, und dies betrifft wiederum eine Vielzahl Thüringer Frauen, geht es uns um die Berücksichtigung aller freiwilligen Beitragszahlungen z.B. - haben wir schon oft gesagt - der so genannten 3-Mark-Kleberenten.
Darf ich einmal darum bitten, den Lärmpegel etwas zu senken, damit man zumindest die Rednerin noch versteht.
Meine Damen und Herren, es gibt weitere Probleme, die uns im Land betreffen werden, und zwar ein mit zu regelndes Problem, um über einen bisherigen Rahmen des Referentenentwurfs hinauszukommen, ist die Frage nach der Rückwirkung des Verfassungsgerichtsurteils. Der gesamte Spielraum der Rückwirkungsmöglichkeit sollte nämlich ausgenutzt werden, so wie es beim Korrekturgesetz zum Rentenüberleitungsgesetz schon möglich war, schon allein deshalb, weil Rentenansprüche mit den existenziellen Rechtsansprüchen eigentlich einhergehen, und das sind eigentlich die existenziellsten Rechtsansprüche, die es in einem Rechtssystem gibt. Ohne angemessene Lebensstandardsicherung ist ein menschenwürdiges Leben nicht möglich. Auch die Achtung vor den Arbeitsbiographien der Betroffenen gebietet es, die Rückwirkungsmöglichkeit voll auszuschöpfen. Uns als PDS-Fraktion ist bewusst, dass es eine Rückwirkung, die bis zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Gesetzes zurückreicht, nicht geben kann. Aus diesem Grund und aus dem Grundsatz des Rechtsfriedens, der Rechtssicherheit und der Rechtseinheit gilt im Sozialrecht die vierjährige Verjährungsfrist des § 45 Abs. 1 SGB I als absolute Rückwirkungsgrenze. Also egal, ob es um rückwirkende Leistungen nach einem erfolgreichen Überprüfungsantrag, nach § 44 Sozialgesetzbuch X geht, gegen einen Altbescheid oder um rückwirkende Leistungen eines Herstellungsanspruchs geht: Wenn ein Betroffener dadurch finanziellen Schaden erlitten hat, dass sein Sozialversicherungsträger seinen Auskunfts- oder Beratungspflichten nach den Paragraphen nicht nachgekommen ist, also ist bei Rückwirkung aufgrund von Gesetzesänderungen nicht anders zu verfahren. Die Begrenzung der Rückwirkung auf vier Jahre, also zu gut deutsch, wenn das Urteil umgesetzt wird, demjenigen, den das Urteil betrifft, wenigstens für vier Jahre rückwirkend die Nach
zahlungen auch zu gewähren, ist eine Art Vertrauensschutz in die Sozialversicherungsträger. Und auch dieses sollten wir diesen Menschen garantieren. Mit weiterreichenden Zurückzahlungen brauchen die Sozialkassen nicht zu rechnen. Nach Ablauf der Verjährung wird dem Grundsatz des Rechtsfriedens mehr Gewicht eingeräumt als der Pflicht zum rechtmäßigen Handeln. Um es aber nochmals zu betonen: Die überragende Bedeutung von Rentenansprüchen für die Betroffenen gebietet es, die vierjährige Frist vollständig auszuschöpfen.
Davon geht übrigens auch der Rentenentwurf aus, der derzeit im Sozialministerium in Berlin vorliegt, da wird ausdrücklich von einer Ausdehnung des Vertrauensschutzes für Versicherte bis rückwirkend 30.06.1995 ausgegangen. Das Urteil erging bereits im April 1999. Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen höheren Anspruch, warten bereits vier Jahre, dass Ihnen der höhere Anspruch ausgezahlt wird, und Sie können es nicht erleben. Genau dieses Problem ist auch ein menschliches Problem.
Ich würde mich freuen, wenn die Rentner selbst ihre Ansprüche regeln können. Sie haben vollkommen Recht, selbst Rentenansprüche, die man selber nicht erlebt, die können die Nächsten erben, aber Rente sollte eine tatsächliche Altersabsicherung sein und nicht irgendein Erbgut.
Was ich erwartet hätte als Einwurf und nicht diesen um die Erbschaft, wäre die Frage: Wer soll das bezahlen? Zumal ja das Urteil die Nachzahlung nicht auslöst, aber auch nicht zwingend vorschreibt. Hier möchte ich Ihnen zumuten, einen kurzen Blick über den Tellerrand des Sozialversicherungsrechts zu wagen, denn es stimmt, die Rentenkassen befinden sich nicht in der besten finanziellen Situation, aber etwas umfassender betrachtet: Geld ist in dieser Republik immer noch genug da, in dieser Gesellschaft. Das Problem ist nur, wie es unter den Mitgliedern dieser Gesellschaft verteilt wird und wie weit wagt es der Staat, den Wohlhabenden dieser Gesellschaft eine finanzielle Verantwortung, z.B. in Form von Steuerzahlungen, abzufordern. Immerhin gilt immer noch: Eigentum verpflichtet. Das ist zuerst einmal eine politische Entscheidung, so wie ja Recht, provokant gesagt, vor allem auch Gesellschaftspolitik ist, die eine besonders strukturierte Form letztendlich beinhaltet. Deshalb an dieser Stelle ein kurzer Abstecher.
Noch 1998 findet sich in § 34 Einkommenssteuergesetz die Regelung, dass außerordentliche Einkünfte bis zu einer Höhe von 15 Mio. DM vom jeweiligen Steuerpflichtigen lediglich nur mit der Hälfte des persönlichen Steuersatzes zu versteuern sind, was bedeutet, dass die Steuerbelastung nach Berücksichtigung aller im konkreten Fall zu berücksichtigenden Steuersparmöglichkeiten heranzuziehen sind, was im praktischen Fall dazu führen kann, dass ein Privatmann aus der Veräußerung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft 2,5 Mio. DM einnimmt und diese Summe mit einem persönlichen Steuersatz von 14 Prozent versteuern darf. Ein Steuersatz, der für die allermeisten ganz normalen Arbeitnehmer ein absoluter Traum wäre. Wenn aber in unserer Gesellschaft, unserer Politik, unserem Rechtssystem solche Regelungen tatsächlich möglich sind, wenn an solchen Punkten keine Diskussion über die Finanznot der öffentlichen Kassen entsteht, warum dann ausgerechnet bei den Rentenkassen bzw. bei Nachtragszahlungspflichten? Ist das Recht von Rentenbeziehern und -anwärtern auf ein menschenwürdiges und möglichst aus eigenen Ansprüchen finanziell abgesichertes Alter politisch und rechtlich geringer zu schätzen als die Interessen von Leuten, die Millionen einnehmen? Ich glaube, in einem Sozialstaat sollte dies sicherlich nicht Normalität sein.
Und deshalb möchte ich Sie, werte Abgeordnete, nochmals dringend auffordern: Treten Sie der Landesregierung gegenüber dafür ein, dass die Verfassungsgerichtsurteile nicht nur im Minimum erfüllt werden, sondern die Überführungslücken aufgenommen werden und die Nachzahlungsregelungen, die die Gerichtsurteile zulassen, auch tatsächlich mit geregelt werden. Und wer das am Ende erst gemerkt hat, Herr Minister, der hat am Anfang vielleicht nicht zugehört.
(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für Sozi- ales, Familie und Gesundheit: Am Anfang haben Sie das auch schon mal gesagt.)
Ausgehend von der Wichtigkeit dieses Themas für viele Menschen in Thüringen, und nicht nur in Thüringen, beantragt die PDS-Fraktion namentliche Abstimmung über diesen Antrag.