Protokoll der Sitzung vom 15.09.2000

Zu Frage 3: Die genannten aufgeklärten Straftaten wurden an 5 Grundschulen 26 Regelschulen und 5 Gymnasien, 5 Förderschulen, 7 berufsbildenden Schulen und 1 Gesamtschule verübt. Wenn der Fragesteller es wünscht, kann er wegen der konkreten Schulen in die entsprechenden Unterlagen Einsicht nehmen.

Zu Frage 4: Es gibt keine Definition der Landesregierung von "Brennpunktschulen". Dieser Begriff wird gelegentlich umgangssprachlich bei Häufung von Problemen unterschiedlicher Art an bestimmten Schulen benutzt. Vielen Dank.

Es gibt eine Nachfrage. Herr Abgeordneter Dr. Dewes, bitte.

Ich möchte zwei Nachfragen stellen. Die erste Frage: Herr Minister, im Ausschuss ist uns versichert worden, dass es sich bei den genannten Straftaten um Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund, in Schulen begangen, handelt. Sie haben z.B. die Störung der Totenruhe mit genannt und auch darauf hingewiesen, dass es sich um Straftaten handelt, die außerhalb der Schulen begangen worden sind. Ist das richtig und ist diese Information im Ausschuss für Bildung und Medien damit nicht so richtig gewesen?

Die Information im Ausschuss für Bildung und Medien war nicht so differenziert wie jetzt meine Antwort auf Ihre Anfrage.

Dann, Frau Präsidentin, noch eine zweite Frage: Das Stichwort "Brennpunktschulen" ist von der zuständigen Abteilungsleiterin Frau Dr. Meier mit ausdrücklichem Hinweis auf das Thema "Rechtsextremismus", über das wir geredet haben, genannt und benutzt worden. Ist es rich

tig, dass es zum Thema "Rechtsextremismus" in Thüringer Schulen so genannte Brennpunktschulen gibt?

Ich wiederhole noch einmal, es gibt per Definition keine "Brennpunktschulen". Dieser Begriff wird umgangssprachlich bei Schulen benutzt, in denen sich Probleme unterschiedlichster Art häufen. So hat es auch meine Abteilungsleiterin verwendet.

Gibt es weitere Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Die Frage ist damit beantwortet. Wir kommen zur Anfrage in Drucksache 3/920. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Dewes.

Behandlung des Themas "Nationalsozialismus" an den Thüringer Schulen

Das Thema "Nationalsozialismus" wird an allen Thüringer Schulen erst in Klassenstufe 9 behandelt - Alter der Schüler: 15 Jahre ± x. Gleichzeitig gilt als unstreitig, dass die in Thüringen gefassten rechtsextremistischen Straftäter oft 15 oder 16 Jahre alt sind.

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum wird das Thema "Nationalsozialismus" in den Thüringer Schulen systematisch erst in der Klassenstufe 9 behandelt?

2. Wäre es nicht gesellschaftspolitisch wünschenswert, auf pädagogisch geeignete Weise bereits in früheren Klassenstufen das nationalsozialistische Terrorsystem und seine Folgen zu behandeln?

3. Was tut die Landesregierung, um zu erreichen, dass bereits in der Grundschule Schülerinnen und Schüler zu Toleranz und Offenheit gegenüber Menschen anderer Nationalität, Hautfarbe, Religion oder anders Denkenden erzogen werden?

4. Wie werden alle Thüringer Lehrerinnen und Lehrer für diese fächer- und stufenübergreifende Aufgabe qualifiziert?

Herr Minister Dr. Krapp, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich beantworte die Frage des Abgeordneten Dr. Dewes namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Der systematischen Behandlung des Themas "Nationalsozialismus" in Klassenstufe 9 geht die altersgemäße und fächerübergreifende Behandlung von Stoffeinheiten voraus, die dazu einen personalen und inhaltlichen Bezug herstellen. Beispiele in der Grundschule sind im Heimat- und Sachkundeunterricht die Leitthemen "Sich in Raum und Zeit orientieren" oder "Sich selbst finden - in Gemeinschaft leben" sowie in Ethik unter anderem der Lernbereich "Das Kind im eigenen Kulturkreis und in der Begegnung mit anderen". Der Ethikunterricht in den Klassenstufen 6 und 7 behandelt Themen wie "Menschen brauchen Menschen", "Grundzüge der jüdischen und christlichen Religion", "Konflikte und Konfliktregelungen und Gewissen". Anknüpfungspunkte ergeben sich auch in den Fächern "Evangelische und Katholische Religionslehre" schon vor der Klassenstufe 9. Der Geschichtsunterricht in Klassenstufe 9 greift diese und andere Impulse auf und systematisiert fachspezifisch.

Zu Frage 2 verweise ich auf meine Antwort zu Frage 1.

Zu Frage 3: Die Arbeit am Leitthema "Sich selbst finden - in Gemeinschaft leben" verfolgt unter anderem das Ziel, ich zitiere: "Jedes Kind zu unterstützen, Vertrauen in sich selbst zu setzen, zunehmend selbstständiger zu arbeiten und seine Meinung sachlich zu vertreten bzw. zu begründen. Gleichzeitig muss es die Normen des Zusammenlebens anerkennen und bereit sein, Rechte der anderen zu wahren. In Konfliktsituationen muss gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten gesucht werden. Dies ist Voraussetzung für Offenheit und Toleranz gegenüber anderen, auch Andersartigem und Fremdem." Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.

Zu Frage 4: Die Thüringer Lehrerinnen und Lehrer sind grundsätzlich für die Vermittlung der genannten Lernbereiche und Stoffeinheiten qualifiziert, notwendige Fortbildung wird laufend angeboten und auch wahrgenommen. Vielen Dank.

Gibt es Nachfragen? Ja, es gibt Nachfragen.

Herr Minister, meine Frage sehe ich in dem zentralen Punkt nicht beantwortet, nämlich die Frage, ob Sie es für notwendig erachten, dass systematisch das Thema "Nationalsozialismus" auch schon früher behandelt werden sollte. Habe ich Sie recht verstanden, dass Sie der Auffassung sind, dass alles so unverändert bleiben kann, auch angesichts der dramatischen Situation, in der wir uns augenblicklich befinden.

Unsere Lehrpläne sind systematisch aufgebaut, auch vor der 9. Klasse und insofern erübrigt sich die Frage bzw.

ist die Frage beantwortet.

Könnten Sie das Thema Fortbildung oder Qualifizierung etwas präzisieren und sagen, an welchen Einrichtungen die Qualifizierung der Lehrerinnen und Lehrer bzw. die Fortbildung - nicht die Weiterbildung - durchgeführt wird?

Ich kann das hier nicht an Ort und Stelle tun, aber ich bin natürlich gern bereit, Ihnen das noch einmal im Einzelnen aufzulisten und zuzusenden.

Sie sind mit dem Verfahren einverstanden, Herr Abgeordneter Dewes? Gut, dann ist die Frage beantwortet für heute. Ich rufe die Mündliche Anfrage in Drucksache 3/921 auf. Herr Abgeordneter Dewes, bitte.

Das Thema "Rechtsextremismus" auf Schulkonferenzen

Die Landeselternvertretung hat angeregt, auf allen Schulkonferenzen zum Schuljahresbeginn das Thema "Rechtsextremismus" zu behandeln.

Ich frage die Landesregierung:

1. Hat die Landesregierung und gegebenenfalls auf welche Weise und mit welcher Verbindlichkeit die Anregung der Landeselternvertretung an die Schulen weitergegeben?

2. Hat die Landesregierung den Schulleitungen abverlangt, dass zu diesem Themenschwerpunkt der Schulbehörde berichtet wird und wenn nein, warum wurde dies nicht abverlangt?

3. Wie viele Thüringer Lehrerinnen und Lehrer haben sich 1999 und bisher im Jahr 2000 Weiterbildungs- oder Fortbildungsmaßnahmen mit durchschnittlich welcher Stundendauer unterzogen, gegliedert nach inhaltlichen Schwerpunkten?

4. In welchem Umfang wurden Fortbildungsangebote außerschulischer Institutionen, z.B. des Landesamts für Verfassungsschutz oder der Landeszentrale für politische Bildung, genutzt?

Herr Minister Krapp, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich beantworte die Anfrage des Abgeordneten Dr. Dewes namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Anregung der Landeselternvertretung ist in Schulen über die Schulämter zugänglich gemacht worden und richtet sich an die drei dort vertretenen Gruppen der Lehrer, Eltern und Schüler. Die Landesregierung erwartet, dass die Schulkonferenzen in Wahrnehmung ihrer eigenen Verantwortung diese Thematik aufgreifen.

Zu Frage 2: Eine formale Berichtspflicht der Schulleitungen über die Schulkonferenzen hält die Landesregierung nicht für vertrauensfördernd. Ein Informations- und Erfahrungsaustausch erfolgt selbstverständlich, und zwar bei den Schulleiterkonferenzen in den Schulamtsbereichen und bei den Besprechungen der Schulamtsleiter im Thüringer Kultusministerium.

Zu Frage 3: Die schulinterne Fortbildung, die in der Regel halb- bis ganztägig ist, wird statistisch nicht erfasst. Die regionale Fortbildung, ebenfalls in der Regel halb- bis ganztägig, wird teilweise erfasst, wenn so genannte Abrufangebote des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien in Anspruch genommen werden. Im oben genannten Zeitraum waren dies 17 mit hier einschlägiger Thematik mit ca. 290 Teilnehmern. Vom Februar 1999 bis September 2000 wurden zum Themenbereich Gewalt, Aggression und Rechtsextremismus insgesamt 46 in der Regel eintägige zentrale Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt, an denen 1.080 Thüringer Pädagogen teilnahmen. Für das Jahr 2000 sind noch 14 derartige Veranstaltungen vorgesehen. Diese Angaben beziehen sich nur auf die Fortbildungsangebote des ThILLM. Besondere Bedeutung ist dem Projekt "Konzept zur Gewaltprävention" beizumessen. Dabei werden über einen Zeitraum von einem Jahr ca. 30 Lehrer und ca. 20 Polizisten und Sozialarbeiter in einem Fernstudium zur Problematik Gewaltprävention fortgebildet.

Zu Frage 4: Die Teilnahme von Lehrerinnen und Lehrern an Fortbildungsangeboten, die außerschulische Institutionen und freie Träger in eigener inhaltlicher Verantwortung durchführen, wird durch das ThILLM und das Kultusministerium nicht erfasst. Dies ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht vorgesehen. Vielen Dank.

Ich sehe keine Nachfragen, damit ist die Frage beantwortet und Frau Abgeordnete Heß, Sie haben die nächste Anfrage in Drucksache 3/928.

Bereitstellung und Finanzierung von Ausbildungsplätzen für Strafgefangene in der Jugendstrafanstalt Ichtershausen zum Herbst 2000

Gemäß § 37 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes soll geeigneten Gefangenen die Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden. Die Aus- und Weiterbildung jugendlicher Strafgefangener ist gerade im Hinblick auf die aktuellen rechtsextremistischen Gewalttaten von arbeitslosen Jugendlichen in den vergangenen Monaten in Thüringen besonders wichtig. In diesem Herbst beginnen daher in der Thüringer Jugendstrafanstalt Ichtershausen neue Ausbildungsgänge für straffällig gewordene Jugendliche.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Ausbildungsmöglichkeiten werden in der Jugendstrafanstalt Ichtershausen den Strafgefangenen angeboten?

2. Wie viele Strafgefangene befinden sich bereits in den Ausbildungsgängen oder werden zum Herbst 2000 ein Ausbildungsangebot wahrnehmen?

3. Wer trägt in welcher Höhe die Kosten für die angebotenen Ausbildungsgänge?

4. Wer ist der Maßnahmeträger für die theoretischen und praktischen Ausbildungsgänge?