Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

wenn dieses von manchen so herausgestrichen wird. Bisher konnten die Eltern insgesamt bis zur Hälfte der Sachkosten über ihre Beiträge beteiligt werden. Das heißt mit anderen Worten, sie konnten an den Gesamtkosten zu etwa 20 Prozent beteiligt werden. Diese bisherige Beteiligung der Eltern ist übrigens ein Durchschnittswert, der durch die soziale Staffelung, die auch im neuen Gesetz festgeschrieben ist, sowohl erheblich über- als auch unterschritten wird. Bisher wurden diese 20 Prozent der Gesamtkosten oder 50 Prozent der Betriebskosten zu gerade etwa 16 Prozent der Gesamtbetriebskosten durch Elternbeiträge erbracht. Das heißt, die Kommunen sind unter dem geblieben, was sie einnehmen konnten. Ich gehe davon aus, dass die Kommunen auch in Zukunft im Interesse der Eltern und der Kinder unter dem oberen Limit bleiben werden. Und das ist ein wesentlicher Unterschied der alten Regelung zu unserer neuen Regelung, wonach 30 Prozent der Gesamtkosten im Höchstfall von dem Einzelnen herangezogen werden können. Und, meine Damen und Herren, da beginnt der erste große Rechenfehler bei vielen. Es wird gesagt, die Kindergartenbeiträge steigen jetzt auf 30 Prozent und dann wird zurückgerechnet: von 900 DM 30 Prozent sind 270 DM. Und dann wird behauptet, jeder müsse jetzt in Zukunft 270 DM bezahlen. Dass dies der Höchstsatz ist bei so genannten Gutverdienenden mit nur einem Kind und dass von da aus die Staffelung nach unten geht, hat zum Ergebnis, dass davon auszugehen ist, dass die Gesamtbeteiligung der Eltern eben nicht bei 30 Prozent liegt, sondern in der Größenordnung von 20 bis 25 Prozent liegen wird. Wir haben dieses einmal hochgerechnet - übrigens mit dem, was jetzt eingenommen werden könnte im Verhältnis zu dem, was in Zukunft eingenommen werden kann - und wir kommen zu einer Steigerung des Kindergartenplatzes in der Größenordnung von etwa 15 bis 30 DM. Da bin ich einmal vorsichtig, es hat mir jemand ausgerechnet 10 bis 25 DM. Ich sage, dass die Kosten zwischen 15 bis 30 DM ansteigen können.

Meine Damen und Herren, wir dürfen nicht die realen Durchschnittsbeiträge im Augenblick mit Maximalbeiträgen in der Zukunft vergleichen. Das würde ein verheerendes Bild geben und von manch einem wird ja dieses verheerende Bild kräftig geschürt, meine Damen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Pfui!)

sondern wir müssen von dem ausgehen, was Realität ist. Der durchschnittliche Kindergartenbeitrag - und das will ich auch sagen, das hat der Finanzminister angeführt zu den sozialen Leistungen, die wir haben, wir können uns im Konzert der anderen Bundesländer mit unseren Leistungen durchaus sehen lassen, auch in Zukunft - beträgt in Mecklenburg-Vorpommern 189 DM, in Sachsen 160 bis 182 DM, in Sachsen-Anhalt ca. 210 DM,

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Hört, hört!)

in Bayern 233 DM. Bei uns wird der durchschnittliche Kindergartenbeitrag - und jetzt bitte ich Sie herzlich, gehen Sie nicht wieder hinaus und erzählen, jeder muss jetzt 180 DM in Zukunft bezahlen, das ist der durchschnittliche Beitrag, den wir hochgerechnet haben. Es gibt keinen Zwang, dass in Thüringen in der nächsten Zeit die Elternbeiträge auf das Niveau unserer Nachbarländer steigen. Ich gehe auch davon aus, dass die Kommunen bei der Erhebung von Elternbeiträgen durchaus maßvoll sein werden. Und, meine Damen und Herren, wenn wir von Elternbeiträgen und Betriebskosten reden, dann müssen wir auch über unsere Kindergärten und die bauliche Substanz unserer Kindergärten reden, beispielsweise was Energieverbrauch und sonstige Sachen angeht. Wer sich in den letzten Wochen, so wie ich vielleicht, in den Kindertagesstätten mal umgesehen hat, der würde den dringenden Sanierungsbedarf in den Kindergärten deutlich erkannt haben. Wir haben Gott sei Dank seit dem Jahre 2000 im Haushalt einen eigenen Ansatz in der Größe von 5,6 Mio. DM und dieser Ansatz wird in den Jahren 2001 und 2002 mit jeweils 10,6 Mio. DM ausgestattet sein.

(Beifall bei der CDU)

Dieses können wir nicht einfach so übersehen, als sei das eine kleine freundliche Morgengabe, sondern das muss dann auch gegengerechnet werden gegen das, was wir bei den Kindergärten an Zuwendungen einsparen. Es bleibt dabei, meine Damen und Herren, unsere Kindertagesstättenförderung im Freistaat Thüringen ist in der Bundesrepublik vorbildlich, daran wird auch diese neue Änderung nichts ändern. Ich bin gern bereit, im parlamentarischen Gang mich über das eine oder andere zu unterhalten, ich bin bereit, über die soziale Staffelung zu reden. Ich bin bereit, auch darüber nachzudenken, inwieweit vielleicht Elternvertretungen oder Jugendhilfeausschüssen mehr Recht eingeräumt wird, bei der Satzungserarbeitung oder Satzungsfeststellung sich zu betätigen und das im Gesetz festzulegen. Aber ich glaube, alles in allem ist das keine unsoziale Maßnahme, die wir hier ergreifen, sondern nach der Aufbauphase unseres Kindertagesstättengesetzes eine sachlich fundierte Änderung des Kindertagesstättengesetzes. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Frau Abgeordnete Arenhövel bitte.

"Wer ein Ziel hat, nimmt auch schlechte Straßen in Kauf." Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit diesem Satz von Cyrilla Spieker möchte ich meine Rede hier beginnen. Als Mutter von vier Kindern, aber auch als Abgeordnete des Landtags, die seit zehn Jahren diesem Par

lament angehört, waren und sind mir Kinder ein Herzensanliegen, so wie vielen von Ihnen hier auch.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir stehen als Regierungsfraktion vor einer wahrhaft schwierigen Aufgabe, denn wir haben einen Haushalt zu konsolidieren, zum einen, damit wir fit sind für den Solidarpakt II, aber auch, und das hat der Sozialminister auch schon ausgeführt, damit wir unseren Kindern und Enkeln nicht nur Schulden hinterlassen. Deswegen müssen beide Aufgaben, nämlich die Kinderbetreuung zu sichern, aber auch den Haushalt zu sanieren, zusammengebracht werden. Gestatten Sie mir deshalb einen kleinen Rückblick.

1990/91 ging es darum, Tausende von Kindereinrichtungen, Kindern und Erziehern solche Rahmenbedingungen zu bieten, damit Kinderbetreuung auch unter diesen neuen Voraussetzungen gelingt. Das so genannte Thüringer Modell mit dem nahtlosen Übergang vom Erziehungsgeld hin zum Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ist erfolgreich und beispielhaft in der Bundesrepublik Deutschland. Die CDU-Fraktion dieses hohen Hauses will, dass es bei diesen familienfreundlichen Bedingungen bleibt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Zeit ist aber weitergegangen und deshalb müssen Fragen gestellt werden, ob das Gesetz mit seiner hohen Regulierungsdichte im gesetzlichen und untergesetzlichen Bereich so noch den heutigen Anforderungen entspricht. Sie alle können davon ausgehen, dass, wenn wir solche Fragen stellen, wir dies mit einem hohen Verantwortungsbewusstsein und mit viel Sensibilität tun werden, und es geht bei weitem nicht um eine einfache Aufgabe. Ich fordere Sie als Opposition - und, Frau Bechthum, was Sie hier vorgetragen haben, muss ich Ihnen ehrlich sagen, war mir ein Stück zu wenig - auf, sich in diesem Prozess durchaus konstruktiv mit einzubringen. Ich fände es auch gut, wenn über eine so wichtige Frage in einem Parlament auch kontrovers mal gestritten wird, ja wenn denn hier auch substanzielle Dinge auf den Tisch des Hauses kämen, denn es geht um unsere Familien und um unsere Kinder und damit um die Zukunft des Freistaats Thüringen.

(Beifall bei der CDU)

Eines möchte ich hier auch klarstellen: Die CDU-Fraktion trägt alle, aber auch wirklich alle Einsparpotenziale in diesem Haushalt mit, denn das, was hier getan wurde, war sehr verantwortungsbewusst und wir stehen auch dazu.

(Beifall bei der CDU)

Diese Frage der Elternbeiträge aber bleibt auf der Tagesordnung während der parlamentarischen Beratungen, denn es ist unser erklärtes Ziel, dass die Elternbeiträge für alle er

schwinglich bleiben müssen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend betonen, wobei es bei allem Mut auch zur Veränderung und im Kern geht und wobei es auch bleiben wird: Oberstes Ziel sind bezahlbare Betreuungsangebote für unsere Familien. Es bleibt beim Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab zweieinhalb Jahren; es bleibt bei guter pädagogischer Qualität und durchgängigen Öffnungszeiten für die Mütter. Wir müssen aber dringend dafür Sorge tragen, dass unser Modell auch für das Land, die Kommunen und die freien Träger und, Herr Finanzminister, das möchte ich hier auch noch mal ganz deutlich sagen, auch über das Jahr 2006 hinaus alles bezahlbar bleibt. Ich bin sicher, dass uns allen gemeinsam diese Aufgabe auch gelingen wird.

Meine Damen und Herren, dieser Weg ist der unbequemere. Er ist schwierig und steinig, aber er lohnt sich für das Ziel, das wir im Auge haben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Frau Abgeordnete Thierbach, Sie haben als Nächste das Wort.

Ja, Herr Trautvetter, wenn es Sie schmerzt, dann haben meine Auswirkungen Sie wenigstens getroffen und ich hoffe, sie kommen an und es ist nicht so viel Arroganz schon da, dass man noch nicht mal mehr bereit ist, hinzuhören. Werte Damen und Herren, liebe Beschäftigte bei Trägern auf der Tribüne, der Minister hat uns aufgefordert, Unruhe sein zu lassen oder er findet Unruhe unverschämt. Ich finde Unruhe gut, zeigt sie doch, dass es ein tatsächliches Interesse gibt und dass sich niemand damit abfinden will, ein Gesetz vorgelegt zu bekommen und es dann nur abzusegnen.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS)

Zweitens behaupten Sie, wir wollen unseren Kindern eine Zukunft garantieren ohne Schuldenberg. Das wollen wir alle, auch diejenigen, die dafür kämpfen, dass die Elternbeiträge nicht verändert werden. Aber machen Sie doch Ihre Schulden nicht als allererstes mit zu Lasten von Kindern, erstmal wollen die in einem Kindergarten soziale Kommunikation, spielen miteinander, Bildung, Erziehung.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Kön- nen sie ja alles.)

Können Sie ja alles haben, sagen Sie, aber dann machen Sie es doch nicht abhängig vom Geldbeutel der Eltern.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Quatsch.)

Eine Frage der Ehrlichkeit wäre gewesen, wenn man erst mit den Betroffenen gesprochen hätte und dann etwas geändert hätte und nicht jetzt Briefe durch die Welt schickt, die jetzt schon eine Rechtfertigung darstellen, wie dieser Brief, die da beinhalten, dass man etwas geraderücken will. Ja, was wollen Sie denn geraderücken? Wollen Sie das geraderücken, was aus Ihrem Ministerium gekommen ist? Aus Ihrem Ministerium ist gekommen, dass ein Platz durchschnittlich 900 DM kostet und aus Ihrem Ministerium ist gekommen, dass Eltern einen maximalen Elternbetrag von 270 DM zu zahlen haben, der bisher, aus Ihrem Ministerium gekommen, 180 DM betragen hat. Ist das etwa keine Erhöhung um 90 DM. Da sagen Sie, nein; ich sage, es ist richtig.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für Sozi- ales, Familie und Gesundheit: Was Sie ver- schoben haben.)

Der nächste Punkt.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für Sozi- ales, Familie und Gesundheit: Sie verwech- seln schon wieder Äpfel mit Birnen.)

Herr Minister, wenn Sie der Meinung sind, wir verwechseln Äpfel mit Birnen, dann sage ich ganz einfach, wir sind bei Kindern und nicht bei der Sanierung eines Haushalts.

(Beifall bei der PDS)

Sie behaupten, es wäre eine falsche Rechnung. Ich mache Ihnen die Rechnung auf. Sie verlangen auf demselben Blatt Papier, dass das Land anbietet, Empfehlungen für soziale Staffelungen mit der Liga und den Trägern zu errbeiten. Das ist in Ordnung, aber wo ist Ihre soziale Verantwortung für eine soziale Staffelung? Denn jedes, was über der maximalen Grenze von 30 Prozent der Gesamtkosten liegt, diese Differenz nehme man an sozialen Leistungen dann denjenigen, die sie brauchen, zur Verfügung stellen will, die trägt die Kommune oder der Träger, also wieder eine ungedeckte Mehrbelastung. Da sagen Sie, es gibt keine Probleme bei Trägern und Kommunen.

Sie behaupten, die Kommunen würden besser gestellt. Die Kommunen bezahlen demnächst mehr - nach Ihren Prozenten. Sie behaupten in Ihrem Brief, dass die freien Träger in der Lage wären, dieses Gesetz nach Ihrem Papier gegenwärtig mitzutragen. Wo ist ein Träger, der in der Lage ist, die jetzt schon nach dem jetzigen Gesetz geringeren Prozente aufzubringen? Sie vergessen einfach, dass wir eine Situation haben, die dem eben nicht entspricht. Die Ehrlichkeit muss aus dem Thüringer Sozial

ministerium kommen und nicht von den Eltern. Die sind ehrlich, die haben nur einen Elterngeldbeutel.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für Sozi- ales, Familie und Gesundheit: Die Eltern sind ehrlich, ja, bloß Sie nicht.)

Zusammengefasst für dieses Gesetz untragbar. Sie, Frau Arenhövel, fordern jetzt hier, wir möchten gern diskutieren, wir möchten gern mit allen reden. Ich frage mich, wo. Nur im Haushaltsausschuss?

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Ja, sicher.)

Sie sind noch nicht einmal bereit, es in Fachausschüssen zu diskutieren.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Sie sagen, solange wie Sie im Landtag sind, haben Sie sich immer dafür eingesetzt, dass das Kindertagesstättengesetz in seiner Qualität so gut bleibt, wie es ist. Und Sie haben gesagt, das haben Sie schon immer getan.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Ja, das stimmt auch.)

Sie sind, seitdem Sie allein regieren, jeder Scham entbunden, genau das nun zu machen, was Sie eigentlich in der letzten Legislatur schon vorhatten, wo Sie nämlich schon längst Ihre Begehrlichkeiten in der CDU-Fraktion auf das Kindertagesstättengesetz gerichtet hatten und es schon längst novellieren wollten. Jetzt machen Sie es tatsächlich Kraft Ihrer Wassersuppe ganz allein. Diese Ehrlichkeit muss auch hinzugesetzt werden.