Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

Ich habe hier wirklich ganz bewusst die Evaluierung dieser Pädagogischen Hochschule miterlebt.

(Zwischenruf Abg. Dr. Stangner, PDS: Lesen Sie bitte nicht im Kaffeesatz!)

Sie sind doch kein Mitglied gewesen, Sie können es gar nicht wissen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte auch ganz kritisch das sagen, was hier erfolgt ist. Ich habe auch die Kontakte - es gibt natürlich auch Negatives -, aber ich möchte nur sagen, es gab schon immer diesen Beschluss, dass die Zusammenführung kommen wird. Wie gut das gelingt, das ist eine andere Sache. Aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind darauf vorbereitet, dass diese Integration kommen wird und dass es auch eine ganz logische Folge ist. Das war so beschlossen, das haben wir auch hier so miterlebt. Welche Ängste unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Pädagogischen Hochschule bestehen, das haben Sie mich gebeten weiterzugeben. Ich bin froh, dass hier in dem Ausschuss noch beraten wird, dass die Angst besteht, dass sie als ehemalige Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter dieser Hochschule im Rahmen der Integration doch als zweite Klasse betrachtet werden. Die Angst besteht. Sie haben das auch bestätigt. Im Grunde war es ein klein wenig Schadenfreude -, die westlichen Professoren haben jetzt erstmals miterlebt, wie das nämlich ist, wenn man dann gewissermaßen evaluiert und übernommen wird.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben mich auch gebeten, dass man damit sensibel umgeht und dass auch das Ministerium hier ein wenig die Hand drauflegt und das beobachtet, dass es ein ganz vernünftiges Zusammenführen gibt, dass man dann wirk

lich auch von einer Universität sprechen darf und nicht immer wieder sagt, das ist die Pädagogische Hochschule, das ist jetzt die Universität. Das darf nicht geschehen. Da kann ich Sie alle nur bitten, dass Sie damit sehr sensibel umgehen und das mit fördern, dass das eine wirklich echte Universität wird. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin, bitte schön.

Drei ganz kurze Bemerkungen: Wenn eine Lehrerbildung universitär wird, weiß ich nicht, was an Qualitätsverlust auftreten soll.

(Beifall bei der CDU)

Diese Lehrerbildung ist ordentlich integriert und ist ordentlich in ihrer Konzeption aufgestellt worden. Sie scheinen auch noch nichts davon gehört zu haben, dass wir eine Selbstverwaltung der Hochschulen haben, dass nämlich von der Selbstverwaltung der Hochschulen ausgehend die Vorschläge kommen. Das ist Freiheit von Forschung und Lehre, das ist uns vorgeschlagen worden und es wird vom Ministerium rechtlich begutachtet und rechtlich begründet. Und das Gesetz, das wir hier eingebracht haben, ist das Gesetz, das die Durchführung festlegt, und ist nicht das Gesetz über den Inhalt; der Inhalt ist schon vorher in diesem Hause beschlossen worden.

(Beifall bei der CDU)

Nun liegen keine weiteren Redemeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Es ist beantragt worden, das an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst zu überweisen. Wer der Überweisung dieser Drucksache an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Keine. Stimmenthaltungen? Auch keine, damit ist das einstimmig geschehen und ich kann den Tagesordnungspunkt 2 schließen.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 3

a) Sechstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drucksache 3/1010 ERSTE BERATUNG

b) Sechstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 3/1016 ERSTE BERATUNG

c) Sechstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 3/1025 ERSTE BERATUNG

Durch die einreichenden Fraktionen ist keine Begründung beantragt worden, aber die Aussprache. In der Aussprache hat sich zu Wort gemeldet Frau Lieberknecht. Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, wir behandeln heute in erster Beratung die von den drei Fraktionen eingebrachten Entwürfe des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes, mit denen die Konsequenzen aus dem am 21. Juli diesen Jahres verkündeten Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 des Thüringer Abgeordnetengesetzes gezogen werden sollen. Konkret geht es dabei darum, dass das Bundesverfassungsgericht mit dem genannten Urteil festgestellt hat, dass der Erlass von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 des Thüringer Abgeordnetengesetzes gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 der damaligen Vorläufigen Landessatzung für das Land Thüringen in Verbindung mit Artikel 38 Abs. 1 und Artikel 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes verstoßen, soweit danach parlamentarische Geschäftsführer der Fraktionen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Ausschussvorsitzende zusätzliche Entschädigungen erhalten. Das heißt, mit dieser Feststellung hat das Bundesverfassungsgericht zum Ausdruck gebracht, dass die streitbefangene Regelung des Thüringer Abgeordnetengesetzes nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Allerdings konnte dies nur in einer Weise erfolgen, dass das Bundesverfassungsgericht feststellte, der Erlass dieser Normen habe gegen die Vorläufige Landessatzung und gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Feststellung beinhaltet hingegen keine Nichtigkeitserklärung, mithin auch keine Aufhebung der rechtswidrigen Norm. Dies ist vielmehr umgehender Auftrag an den Gesetzgeber selbst, den Thüringer Landtag. Alle drei Fraktionen des Thüringer Landtags stellen sich diesem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, und zwar uneingeschränkt, wie die Entwürfe in Drucksache 3/1010 von der PDS-Fraktion, in Drucksache 3/1016 von der SPD-Fraktion und in Drucksache 3/1025 von der CDU-Fraktion zeigen. Das heißt, damit wird nicht nur umgehend dem ergangenen Urteil Folge geleistet, sondern in einem Fall, im Gesetzentwurf in Drucksache 3/1010, dem Gesetzentwurf der PDS, wird sogar eine weiter gehende Beschneidung auch der für die Fraktionsvorsitzenden auf 50 Prozent der bisher auf 100 Prozent angesetzten zusätzlichen und so auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligten Entschädigung emp

fohlen. Doch darüber wird in einer vergleichenden Betrachtung aller drei Entwürfe in den Ausschussberatungen zu sprechen sein wie auch andere Fragen, die aufkommen könnten, wenn man die durchaus auch zukunftsweisenden Passagen des Urteils, die es ja über weite Strecken gibt, etwas näher beleuchtet.

Ich will nur eine Passage nennen, in der es heißt: "Vornan muss das Parlament zeitgemäße Strukturen ausbilden können, die der Vielzahl, Bandbreite und Komplexität der Gegenstände parlamentarischer Gesetzgebung und Kontrolle Rechnung tragen. Demgemäß setzt das Gelingen einer wirksamen und rationalen parlamentarischen Arbeit besondere Qualifikationen demokratischer Führung, vor allem besondere Sach- und Verfahrenskunde sowie Fähigkeiten der Information, Kommunikation und des Vermittelns voraus. Dies spricht dafür, dass Funktionen geschaffen und unter bestimmten Voraussetzungen auch besonders honoriert werden können, mit deren Hilfe die politische Willensbildung koordiniert werden kann." So weit wörtlich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Allerdings sieht das Bundesverfassungsgericht dies in den folgenden Ausführungen offensichtlich auf die Fraktionsvorsitzenden beschränkt, was bei der Fülle der durchaus korrekt aufgezählten Dinge, die zu leisten sind, schon verwundern darf. Darüber hinaus kann man natürlich auch statusrechtliche Fragen berühren. Ich weiß, dass in diesem Kontext zumindest einige auch über die Einbindung beispielsweise in Sozial- und Rentensysteme nachdenken. Doch ich möchte als Präsidentin dieses Parlaments an dieser Stelle die exemplarisch aufgezählten Gedanken nicht vertiefen, sondern vielmehr meinen Dank zum Ausdruck bringen, dass alle drei Fraktionen sich sofort nach dem Ende der Sommerpause mit dem Urteil befasst haben und sich in den jeweiligen Fraktionen auf die nunmehr vorliegenden Gesetzentwürfe zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes verständigt haben. Ich gehe davon aus, dass es sich weder die Fraktionen als Ganzes noch die einzelnen Abgeordneten damit leicht gemacht haben. Vielmehr liegen den eingebrachten Entwürfen intensive Diskussionen in den Fraktionen zugrunde und dennoch oder gerade deshalb möchte ich schon einmal bemerken, weil auch hier und da, zwar nicht durchschlagend, aber doch vernehmlich Rufe in der Öffentlichkeit laut waren, die da hießen: "auf Zeitgewinn spielen" oder gar von "Abwehrstrategie" die Rede war, von "Verzögerungen" und "Tatenlosigkeit". Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will hier nur sagen, das Bundesverfassungsgericht hat neun Jahre für dieses Urteil gebraucht - sicher gab es Gründe dafür, Prioritäten des Gerichts, die woanders gelegen haben, ich will da überhaupt keine Schelte betreiben -, das Urteil, was wir haben, ist nicht einmal drei Monate her, inklusive Sommerpause. Ich denke, da soll man die Kirche dann schon im Dorf lassen, denn ich kann nur feststellen, es ist bemerkenswert schnell gehandelt worden.

(Beifall bei der CDU)

Jedenfalls hat dies kein anderes Parlament von denen, die in einer vergleichbaren Lage wie Thüringen sind, z.B. Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern, bisher getan. Zugegeben, sie waren auch nicht direkt beklagt wie Thüringen, wobei ein entsprechender Änderungsbedarf aufgrund des ergangenen Urteils auch dort unstreitig sein dürfte. Auf keinen Fall, und da waren wir uns im Ältestenrat einig, konnte es für unseren Thüringer Landtag angehen, jegliche Aktivitäten in dieser Sache etwa zurückzustellen, bis sich diverse Arbeitsgruppen aller 16 Länder oder der Länder mit dem Bundestag - in welcher Zusammensetzung auch immer - möglichst konsensual zu diesem Thema und allen damit verbundenen parlamentsrechtlichen, parlamentsorganisatorischen oder auch parlamentshistorischen Fragen oder welchen Fragen auch immer verständigt haben. Diese Arbeitsgruppen sollen tagen, sie sollen sich auch verständigen, wo es möglich ist, werden wir sie auch parallel zur Ausschussberatung mit einbeziehen, sofern Ergebnisse vorliegen, aber keine Beratung, in welchem Gremium auch immer, kann uns unsere Verantwortung, die wir hier im Thüringer Landtag haben, abnehmen. Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das möchte ich betonen, haben wir allerdings auch in der Vergangenheit wahrgenommen; im Pro wie auch im von Anfang an bestehenden Kontra gegen die bisherigen Regelungen des Thüringer Abgeordnetengesetzes. Auch das möchte ich kurz um der historischen Erinnerung und auch Wahrhaftigkeit willen ins Gedächtnis rufen. Zunächst das Pro: Bei der Einbringung des damaligen Entwurfs des Thüringer Abgeordnetengesetzes hat der damalige Landtagspräsident Gottfried Müller formuliert, als er ausführte - ich zitiere, und zwar vom 10. Januar 1991: "Wir gehen davon aus, dass leistungsfähige Fraktionen die Voraussetzung für eine leistungsfähige Parlamentsarbeit darstellen. Von dieser Wertung der Fraktionsarbeit ausgehend, ist es logisch, dass der Entwurf auch bei der Grundentschädigung für die Abgeordneten, also bei der eigentlichen Diät, den Vorsitzenden, parlamentarischen Geschäftsführer und stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktionen eine Zusatzentschädigung, abgestuft von 100 bis 40 Prozent, zuspricht.

§ 5 Abs. 2 unseres Entwurfs regelt diese Frage.... Ich vermerke diesen Umstand", immer noch Zitat Dr. Müller, "besonders deswegen, weil es unter den Juristen nicht unbestritten ist, dass überhaupt eine Differenzierung entsprechend parlamentarischer Funktionen stattfindet. Die strengere Auffassung, der vor längerer Zeit auch das Bundesverfassungsgericht Ausdruck verliehen hat, geht von einer Gleichbehandlung aller Abgeordneten aus, mit Ausnahme des Präsidenten und der Vizepräsidenten, die im vorliegenden Entwurf 100 bzw. 70 Prozent Zusatzentschädigung erhalten sollen. Wir waren jedoch nach genauer Prüfung der Argumente der Meinung, dass es von der Sache her, die in den neuen Ländern besonders deutlich hervortritt, gewagt werden kann, auf eine Weiterentwicklung der Rechtssituation zu vertrauen. Auch die Ausschussvorsitzenden haben dem Entwurf nach eine Zusatzentschädigung von 40 Prozent zu beanspruchen." So weit aus der Beratung des Jahres

1991. Dieses Wagnis, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist, wie wir heute nach über neun Jahren wissen, zwar nicht vollständig, aber doch in entscheidenden Teilen als verfassungswidrig erklärt worden. Ich selbst habe in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2000 vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe für die bestehende Regelung ausdrücklich geworben damit,

(Beifall bei der CDU)

dass der Thüringer Landtag für die Erledigung seiner oft sehr komplexen, verantwortungsvollen und umfangreichen Aufgaben eine interne Organisation und Arbeitsteilung benötigt, die seiner nicht zuletzt durch die Verfassung vorgegebenen Aufgabenstellung als oberstes Organ demokratischer Willensbildung entspricht. Wörtlich führte ich dann aus: "Dabei können die wichtigsten politischen Aufgaben regelmäßig nicht etwa von Mitarbeitern der Landtagsverwaltung ohne eigenes Mandat, sondern nur von Mitgliedern des Landtags selbst wahrgenommen werden. Folglich muss das Parlament als Gesamtheit aller gleichberechtigten und gleich zu alimentierenden Abgeordneten bestimmte innerparlamentarische Funktionen auf einzelne Abgeordnete übertragen.... Ein Beharren aber auf der formalisierten Gleichheit aller Abgeordneten, auch für den Bereich der parlamentarischen Binnenorganisation, würde eindeutig zu einer Schlechterstellung der Funktionsträger und damit zu einer faktischen Ungleichheit führen, einer Ungleichheit, die die Funktionsträger benachteiligen würde. Dies jedoch wäre eine, auch mit dem Hinweis auf die Verpflichtung zur egalitären Gleichheit, nicht zu rechtfertigende Negierung des materiellen Gleichheitsgebots, das verlangt, Gleiches gleich, Ungleiches aber tatsächlich auch ungleich zu behandeln." So viel zur Erinnerung. In ganz besonderer Weise, denke ich, trifft das auf die parlamentarischen Geschäftsführer zu, deren Bedeutung dem Bundesverfassungsgericht wohl doch eher verschlossen blieb, ein Punkt, an dem ich meine sachlichen Zweifel am ergangenen Urteil doch nicht verschweigen möchte. Aber auch das Kontra, was es von Anfang an gab, möchte ich ebenfalls nicht unerwähnt lassen. Bereits mit Datum vom 4. März 1991 brachte die damalige Fraktion Neues Forum/GRÜNE/Demokratie Jetzt einen Gesetzentwurf ein, der die Abschaffung der damals noch bestehenden 13. Entschädigung betraf, sie ist ja inzwischen seit Jahren Geschichte, aber eben auch in Anlehnung an das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1975 - die Streichung sämtlicher zusätzlicher Entschädigungen für Funktionsträger mit Ausnahme des Landtagsvorstands. Auch hier ein Zitat von Seiten der damals antragstellenden Fraktion Neues Forum/GRÜNE/Demokratie Jetzt (aus der 2. Beratung vom 20. März 1991). Ich führe wörtlich aus: "Wir sind deshalb gegen die Zuschläge für einzelne parlamentarische Funktionen, weil wir der Meinung sind, dass mit diesen Zuschlägen eine Ungleichheit der Parlamentarier erzeugt wird, dass dadurch ein Streben nach parlamentarischen Funktionen aus rein pekuniären Gründen gefördert wird. Es gibt kein Maß für die Aktivität, für das Engagement in einzelnen parlamentarischen Funktionen. Deshalb gibt es auch keine Grundlage,

diese Funktionen in irgendeiner Weise finanziell zu begünstigen." So weit aus der damaligen Argumentation. Die Linke Liste-PDS hat sich damals diesem Antrag angeschlossen. Dieser Antrag wurde allerdings in namentlicher Abstimmung damals mit 17 Jastimmen gegen 47 Neinstimmen und 14 Enthaltungen bei 81 abgegebenen Stimmen abgelehnt und mündete dann, wie wir wissen, schließlich im Gang der Abgeordneten Büchner und Geißler nach Karlsruhe. Dass dieser damalige Antrag nach nunmehr neun Jahren durch das Urteil von Karlsruhe doch noch zum Erfolg gekommen ist, mögen wir hier im Haus sicherlich unterschiedlich bewerten. Aber dass es in unserem Staat, dass es in dieser Bundesrepublik Deutschland möglich ist, dass Männer wie Matthias Büchner oder Siegfried Geißler, Repräsentanten der Bürgerbewegung von 1989 und Sprecher des Neuen Forums, eine Überzeugung, die sie für sich als Recht erkannt haben, bis zum obersten Gericht dieses geeinten Deutschlands verfolgen können, vor diesem Gericht sprechen können, Argumente austauschen und am Ende, zumindest in großen Teilen, Recht bekommen, ist unbeachtet aller inhaltlichen Kontroversen, denke ich, in seinem Symbolgehalt für diesen Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland wohl kaum zu übertreffen.

(Beifall im Hause)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihre Reaktion zeigt es, wir sollten gelegentlich eben auch einmal daran denken, ehe wir uns in den Ausschussberatungen dann an die Arbeit im Detail machen. Ich empfehle den Fraktionen die Überweisung aller drei Anträge an den Justizausschuss. Ich denke, dass ich hier im Namen aller drei Fraktionen sprechen kann, wenn ich das tue. Ich wünsche konstruktive Beratung und danke noch einmal, dass Sie alle sich mit den vorliegenden Entwürfen, dem ergangenen Urteil so umgehend gestellt haben. Vielen Dank.

(Beifall im Hause)

Werden weitere Redewünsche signalisiert? Das ist nicht der Fall und ich stelle jetzt die Frage, widerspricht eine Fraktion der gemeinsamen Überweisung aller drei Entwürfe an den Justizausschuss? Das ist nicht der Fall. Damit rufe ich diese Überweisung auf. Wer der Überweisung der Drucksachen 3/1010/1016/1025 an den Justizausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Das dürfte einstimmig sein. Ich frage trotzdem, gibt es Gegenstimmen? Nein. Gibt es Stimmenthaltungen? Auch nicht. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 3 in seinen Bestandteilen a, b und c und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 4

Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/1013 ERSTE BERATUNG

Ich nehme an, dass die Landesregierung keine Begründung geben will. Es ist ein Mitglied der Landesregierung da, aber ich weiß nicht, ob Herr Minister Dr. Sklenar den Gesetzentwurf begründen möchte.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Herbeirufen.)

Das will er nicht.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Kann er nicht.)

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Es ist wirk- lich nur noch einer da, unverschämt.)

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Es reicht.)

Kommen wir zur Aussprache. In der Aussprache hat sich zu Wort gemeldet die Abgeordnete Dr. Wildauer, PDSFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Finanzpolitiker dürfen nicht nur rechnen können, sie müssen darüber hinaus auch die politischen Folgen ihres Handelns abschätzen. Das föderale Finanzsystem der BRD und des Freistaats bedingen, dass man als Finanzpolitiker nicht nur seinen eigenen Haushalt im Blick haben darf, sondern auch die anderen politischen und Verwaltungsebenen beachten muss. Ministerpräsident Herr Dr. Vogel hat sich in seiner Grußansprache zur 11. Mitgliederversammlung des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes als Finanzpolitiker versucht, indem er den Bürgermeistern anhand der Ökosteuer erklärte, dass es ungerecht sei, wenn der Bund als Entlastungsmaßnahme Dinge beschließt, die die Länder finanzieren müssen. Mit dieser kausalen Darstellung hat er Reaktionen bei den Bürgermeistern verursacht, mit denen er nicht gerechnet hatte. Der Vorwurf der Bürgermeister war: Was der Bund mit den Ländern macht, das tut das Land Thüringen auch mit seinen Kommunen. Herr Dr. Vogel wollte daraufhin konkrete Beispiele hören, ihm sei es völlig unbekannt, dass das Land Maßnahmen bestimmt, die die Kommunen dann finanzieren müssen. Dazu - würde ich jetzt sagen, wenn er hier sitzen würde, Herr Ministerpräsident - gehört schon eine ganze Portion Mut, in einer Mitgliederversammlung eines kommunalen Spitzenverbandes zu diesem Fakt Unwissenheit vorzutäuschen. Vielleicht hat er aber auch diesen Ausrutscher bemerkt und ist dann, um der zu erwartenden heftigen Diskussion aus dem Weg zu gehen, gegangen. Es ist sicher unbestritten, dass der Ministerpräsident einen übervollen Terminkalender hat, aber auch ein MP sollte sich gerade Zeit für Diskussionen mit Bürgermeistern nehmen, wenn sie schon in so geballter Kraft zusammen sind. Und dies erst recht

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Die Landesregierung war doch da.)

Ich habe ja nicht gesagt, dass die Landesregierung nicht da war, Herr Minister Köckert. Nein. Was soll ich jetzt mit Ihnen streiten! Ich habe gesagt, die Bürgermeister hätten es gern gesehen, wenn der Ministerpräsident zur Diskussion dageblieben wäre. Und dies erst recht, wenn eben seine Regierung die Amtsausübung der Kommunalpolitiker derart einschränkt, wie dies durch den vorliegenden Gesetzentwurf beabsichtigt ist. Man könnte annehmen, dass es eben auch für den Ministerpräsidenten wichtigere Sorgen gibt als die kommunalen Angelegenheiten. Die beabsichtigte Änderung des Kommunalen Finanzausgleichs bestärkt letztlich diese Vermutung. Diese Landesregierung verfährt in der Tradition ihrer Vorgängerinnen: Die Landesinteressen stehen ein Vielfaches über den kommunalen Interessen. Ich weiß, da kommt Protest wieder von Ihrer Seite und Sie haben das heute schon mehrfach gesagt. Ich behaupte es anders: Die Kommunen sind die Stiefkinder der Landespolitik. Der Beweis für diese Aussagen: Während die allgemeinen Kürzungen im Landeshaushalt 2001 nur rund 2 Prozent betragen, kürzen Sie im Kommunalen Finanzausgleich um rund 4 Prozent.

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Das ist doch Unsinn.)

Nach Ihren eigenen Aussagen wollen - ich rechne es auch auf, nach meiner Sicht - Sie mit dem Haushaltentwurf auch weiterhin Politik gestalten und Prioritäten setzen und diesem Anliegen werden Sie durchaus nach Ihrem Verständnis gerecht. Sie setzen tatsächlich Prioritäten und gestalten Politik - jedoch gegen die Kommunen. Wenn Sie aber so verfahren, dann sollten Sie ehrlicherweise sagen, dass für Sie die kommunale Selbstverwaltung als Aufgabe und Auftrag nicht mehr steht. Die kommunale Selbstverwaltung funktioniert ohne Kommunalen Finanzausgleich nicht. Das wissen Sie so gut wie ich. Und im Übrigen hat der Innenminister zur Mitgliederversammlung die Probleme der Kommunen richtig benannt. Nur, die Lösungen, die er angeboten hat, können nicht befriedigen - aber dazu später noch.

Meine Damen und Herren, Finanzpolitik muss berechenund kalkulierbar sein. Der Kommunale Finanzausgleich ist kein Gnadenakt des Landes gegenüber seinen Kommunen, sondern Verfassungsauftrag mit dem Ziel der Schaffung annähernd gleicher Lebensverhältnisse. Wir fordern Sie auf, so ernst, wie Sie die Verfassung nehmen, so sollten Sie auch den Kommunalen Finanzausgleich gestalten. Hören Sie auf, den Finanzausgleich zum Sanierungspool des Landeshaushalts zu missbrauchen!

(Beifall bei der PDS)

Seit 1995 greifen Sie auf den Finanzausgleich zurück, um den Landeshaushalt zu sanieren. Und wie sehr Sie dadurch die kommunale Selbstverwaltung aushöhlen, belegen die Zahlen eindeutig. Frau Neudert ist vorhin darauf eingegan