Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Das heißt, die Extremismusdebatte und der Kampf gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt ist auch und vor allen Dingen eine Wertedebatte. Freiheit, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Beachtung der Würde jedes Einzelnen gelten uneingeschränkt. Sie sind eben nicht teilbar, sie gelten nicht nur gegenüber denen, die die eigene Meinung, Auffassung oder Weltanschauung teilen, nein, sie gelten auch denen, die vielleicht nicht die eigene Meinung, Auffassung oder Weltanschauung teilen oder die, wie ich selbst, die gleiche Hautfarbe haben, nein, sie gelten auch für die, die eine andere Hautfarbe haben oder einen anderen Pass besitzen. Wer diese Werte und die Freiheit, diese Werte zu verteidigen, in Frage stellt oder gar ablehnt, der muss gefragt werden, warum er dies tut. Der Ministerpräsident hat die in Auftrag gegebene Studie der Universität Jena in einigen Passagen heute vorgestellt. Daraus wird insbesondere deutlich, dass bei den Ursachen für Extremismus und Fremdenfeindlichkeit nach Meinung der Gutachter vor allem auch die Bildung eine herausragende Rolle spielt. Ich denke, hier ist ein wichtiger, vielleicht der wichtigste Ansatzpunkt für unsere politischen Handlungskonzepte. Deshalb ist es gut, dass wir, so wie in den vergangenen Jahren, auch in Zukunft verstärkt auf solide Bildung und Ausbildung setzen, auf eine Bildung, die Sozial- und Personalkompetenz genauso in den Blick nimmt wie die Fach- und Methodenkompetenz. Hier sind Schulen gefragt, hier sind Ausbildungs

einrichtungen gefragt, hier sind aber auch die Familien gefragt und jeder Einzelne, der mit Menschen umgeht. Im Kern geht es darum, das Selbstwertgefühl insbesondere junger Menschen zu stärken, sie anzunehmen, sie bei ihren Stärken anzunehmen und diese entwickeln zu helfen. Nicht selten sind Frustrationen oder "Sackgassenentwicklungen" ein Ausgangspunkt, um die Orientierung hin zu Gewaltbereitschaft und zu Extremismus zu befördern. Nicht immer ist es die Ideologie, sogar sehr häufig erst als Zweites oder Drittes. Für manche Jugendliche ist die Möglichkeit, sich in einer extremen oder gewaltbereiten Szene zu engagieren, ein Aufschrei, um auf sich aufmerksam zu machen, um angenommen zu sein, um wahrgenommen zu werden. Im Bundestagsausschuss für Inneres und in dem Ausschuss für Jugend und Familie wurde ebenfalls eine Anhörung durchgeführt und übereinstimmendes Fazit: Fehlende Bindungssicherheit, Orientierungsangst und gesellschaftliche Unsicherheit sind die entscheidenden Faktoren bei jungen Menschen, um im extremistischen und gewaltbereiten Bereich auffällig zu werden. Deshalb müssen wir hier entgegenwirken, deshalb sind alle Maßnahmen im Blick z.B. auf die Förderung, Unterstützung von Vereinsstrukturen und deren Stärkung, im Blick auf die Betätigungsmöglichkeiten junger Leute vor Ort so wichtig. Hier müssen wir Sportvereine genauso unterstützen wie z.B. die Jugendfeuerwehr, weil dort Bindung und Orientierung ermöglicht wird.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin der Thüringer Wirtschaft, insbesondere Herrn Chrestensen, dem Präsidenten der IHK Erfurt, sehr dankbar, dass er vor einigen Monaten auch die Verantwortung der Wirtschaft, der Ausbildungsbetriebe genannt hat. Denn Jugendliche, die einen Ausbildungsplatz haben, die sich so entwickeln können, die Beschäftigung haben, sind weniger gefährdet. Die Zahlen, die sich aus aktuellen Studien - so auch aus der Shell-Studie 2000 - ergeben, sind zum Teil Besorgnis erregend. In der Shell-Studie 2000 ist für die ostdeutschen Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren ein Anteil von rund 27 Prozent mit ausländerfeindlichen Einstellungen ermittelt worden. Aber das sind nicht alles Nazis oder Rechtsradikale, sondern hier werden auch Ängste formuliert und diese Ängste müssen wir ernst nehmen und mit Jugendlichen über die Ängste und das Abstellen dieser Ängste sprechen.

(Beifall bei der CDU)

Auch die Untersuchungen des Mainzer Politikwissenschaftlers Jürgen Falter in einer Langzeitstudie von 1994 bis 1998 ebenso wie die Erhebung des Jenaer Kommunikationspsychologen Wolfgang Frindte decken und unterstützen diese Auffassung. Das heißt, durch eine oberflächliche Tabuisierung oder Ideologisierung dieser Debatte erreichen wir nicht das, was wir wollen.

(Beifall bei der CDU)

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen legen eindeutig den Schluss nahe, wir müssen uns den Problemen der Jugendlichen widmen und sie nicht von vornherein zu Rechtsextremisten und Ausländerfeinden abstempeln. Deswegen hat die Prävention auch so eine wichtige Rolle zu spielen. Genau an dieser Stelle hat Thüringen in den letzten Jahren von Anfang an zahlreiche Maßnahmen, Initiativen und Projekte entwickelt. Sie sind gestartet worden, sie haben erfolgreich den bedenklichen Tendenzen entgegengewirkt. Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Vorbeugung gegen die Verbreitung extremistischen Gedankenguts bei Jugendlichen bietet sich selbstverständlich und naturgemäß in den Schulen. Die Bildungspolitik im Freistaat hat sich in den letzten zehn Jahren intensiv dieser Thematik angenommen. Zum Beispiel ist das Thema "Verbrechen der NS-Diktatur" von Anfang an ein fester Bestandteil der Lehrpläne für den Geschichtsunterricht und darüber hinaus. Bereits in den Grundschulen werden die Gefahren von Rassismus und Antisemitismus in verschiedenen Fächern behandelt. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl begleitender Programme, Projekte und Initiativen. Zu nennen sind etwa der vom Thüringer Kultusminister ausgelobte Schülerfriedenspreis oder die Initiative "Demokratisch handeln". Die Landesregierung unterstützt diese Maßnahmen mit Fördermitteln, allein in diesem Jahr 320.000 DM. Und wenn wir jetzt verstärken, Herr Gentzel, dann ist das nicht das Ergebnis der Anhörung, sondern unsere feste Überzeugung, dass die bestehenden Programme auch zukünftig weiterentwickelt und ausgebaut werden müssen.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen nicht neue, sondern die Verstärkung der bestehenden Programme. Es geht am Ende um Wissen und die Kompetenz, miteinander friedlich in einer pluralen Gesellschaft zu leben. Wenn Sie sich die Fortbildungsangebote des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien über die Jahre anschauen, dann werden Sie feststellen, dass das Thema "Gewalt, Konfliktlösung und Toleranz" immer zum Grundbestand der Fortbildungsveranstaltungen gehört hat. Fächerübergreifende Themen wie "Erziehung zu Gewaltfreiheit", "Toleranz und Frieden" sind nicht neu und sie sind ein wichtiger Qualifikationspunkt für Lehrerinnen und Lehrer und insbesondere für die Schlüsselpersonen an Thüringer Schulen, die zuallererst die Probleme und Sorgen von Lehrerinnen und Lehrern, von Eltern und von Schülerinnen und Schülern gesagt bekommen, die Beratungslehrer und die Schulpsychologen. Ich möchte auch die pädagogische Arbeit der Stiftung "Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau Dora" nennen, die von zahlreichen Schülerinnen und Schülern und von Jugendlichen jedes Jahr besucht werden. Ich will auch die Informationsmaterialien und Veranstaltungen der Landeszentrale für politische Bildung zum Themenkomplex "NS-Verbrechen - Demokratie und Diktatur" hier nennen. Darüber hinaus bietet die Landeszentrale auch spezielle Bildungskonzepte, ich nenne: "Eine Welt in Vielfalt" oder

"Achtung und Toleranz". Ich will an dieser Stelle auch noch die Stiftungen und Erwachsenenbildungseinrichtungen in Thüringen nennen. Wichtig ist, Thüringen behält die soziale Lage der hier lebenden Jugendlichen im Blick. Feste soziale Bindungen, feste soziale Beziehungen, eine sichere Existenz - das sind die entscheidenden Voraussetzungen, um das Abgleiten junger Menschen in die rechte Szene, in die gewaltbereite Szene, zu verhindern. Deswegen ist es wichtig, dass zur Verbesserung und Stabilisierung sozialer Situationen vor Ort allein im Jahr 2001 geplant ist, mehr als 23 Mio. DM für die so genannte Jugendpauschale aufzubringen und mehr als 11,5 Mio. DM zur Förderung von Maßnahmen der Jugendlichen vorgesehen sind. Die CDU-Fraktion hat beschlossen, die Mittel in diesem Bereich noch um 800.000 DM aufzustocken, um damit u. a. Mitarbeiter in der Jugendhilfe in einem neuen Fort- und Weiterbildungsprojekt für Demokratie und Toleranz gezielt zu schulen. Sie werden damit in die Lage versetzt, konkrete Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit und Extremismus vor Ort zu entwickeln. Durch die Förderung freier Träger und Einrichtungen der Jugendhilfe aus den Mitteln des Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit wird die sinnvolle Freizeitgestaltung gefährdeter Jugendlicher unterstützt und damit die kommunale Aufgabe gestärkt.

Ich möchte auch an dieser Stelle die vielfältige Arbeit des Sports in Thüringen nennen; eine der größten Vereinigungen, der sich für Jugendliche Woche für Woche einsetzt. In einem sehr beachtlichen ehrenamtlichen Engagement vieler Thüringerinnen und Thüringer wird sich Jugendlichen umfassend zugewandt. Hier werden Erlebnis- und Orientierungsräume geschaffen, die aus der sinnvollen Freizeitgestaltung, aus der Entfaltung von Talenten und Interessen die Prävention junger Menschen im Blick auf Verlockung extremistischer Gruppierungen wesentlich unterstützen. In der Extremismuskonzeption des Innenministers ist deutlich ausgedrückt worden, dass die Landesregierung eine Koordinierungsstelle "Gewaltprävention" eingerichtet hat. Diese Koordinierungsstelle widmet sich eben nicht nur der Koordinierung, sondern auch der Beratung, der Information, der Koordination und dem Aufbau eines Netzwerks zwischen den Thüringer Kommunen. Als Beispiel will ich die Info-Hotline nennen, wo Eltern, Lehrer, Behörden, Kommunen, jeder, der interessiert ist, der Sorgen hat, der Fragen hat, sich informieren kann. Das macht alles sehr deutlich, dass wir nicht ein neues Programm brauchen, sondern dass es um die Verstärkung und immer wieder Neuausrichtung der bestehenden Programme gehen muss. Es geht um die Vernetzung und die Information und es geht darum, dass wir die Maßnahmen und Programme immer wieder an der sich natürlich verändernden aktuellen Situation ausrichten. Das heißt, Thüringen hat das Problem des politischen Extremismus nicht nur im Blick, nein, Thüringen reagiert entschlossen.

(Beifall bei der CDU)

Klar ist aber auch, Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt werden nicht von heute auf morgen verschwinden. Das heißt, eine entscheidende Aufgabe ist, die weitere Verankerung unserer Verfassung und die Festigung unserer demokratischen Werte als anspruchsvolle und kontinuierliche Aufgabe ernst zu nehmen. Da helfen Sofort- und Sonderprogramme wenig. Und auch deshalb lehnen wir ein gesondertes Landesprogramm gegen Rechtsextremismus ab. Es ist nicht nachgewiesen, auch nicht durch Brandenburg, dass aktionistische Sonderprogramme gegen politischen Extremismus wirkungsvoll sind. Wie anders ist sonst zu erklären, dass ausgerechnet dort, wo ein solches Programm existiert, die DVU mit fünf Abgeordneten in den Landtag eingezogen ist. Nein, in Thüringen setzen wir - und, ich denke, da sollten wir auch einig sein - auf eine Weiterführung und immer wieder Neujustierung aller Maßnahmen gegen den politischen Extremismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und vor allen Dingen gegen den Bazillus Gewalt.

Die bestehenden Programme und Initiativen werden selbstverständlich intensiviert und die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten hat dies deutlich gemacht. Die Ausgaben für Jugend, Bildung, für Wissenschaft und für Ausbildung werden trotz der notwendigen Haushaltskonsolidierung auf hohem Niveau gehalten. Die weitere erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung Thüringens ist ebenfalls ein ganz wesentlicher Bestandteil, um Vertrauen in die Gesellschaft, Vertrauen zum Staat, Vertrauen zur Politik und damit auch Selbstvertrauen zu stärken.

Unser Einsatz für Polizei und Justiz, der materielle, aber auch der ideelle Einsatz und auch der Einsatz für den Verfassungsschutz in Thüringen wird bleiben und ist eine wesentliche Voraussetzung, um konsequent gegen Extremismus und Gewalt zu kämpfen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben Vertrauen in die übergroße Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger des Freistaats, denn sie haben bereits unübersehbare Zeichen gesetzt. Das heißt an dieser Stelle stehen Bürger und Staat Seite an Seite, wenn es darum geht, Freiheit, Demokratie und Menschenwürde zu verteidigen, wenn es darum geht, für Toleranz, Weltoffenheit und Solidarität einzutreten. Das Signal ist klar: Extremismus und Gewalt werden in Thüringen nicht hingenommen. Extremisten haben keine Chance auf gesellschaftliche Anerkennung in unserem Land. Thüringen sagt Nein zu Extremismus und Gewalt und dieses Nein wird von den demokratischen Parteien und von der übergroßen Mehrheit der Menschen konsequent gesprochen und es wird danach gehandelt. Gut zehn Jahre besteht nun Thüringen - ich denke, auch das macht die Studie deutlich -, eine stabile demokratische Ordnung ist aufgebaut und handlungsfähig beweist der Rechtsstaat, dass Freiheit und Demokratie in Thüringen gesichert sind.

Was wir tun müssen, ist, mit Konsequenz, Langfristigkeit und Nachhaltigkeit alle Mittel des Rechtsstaats, die Zivilcourage der Bürger und das Wertebewusstsein in unserem Land zu stärken. Wenn Thüringen für uns alle als weltoffenes Land auch offen sein will für Meinungsvielfalt, für die, die hier zu Hause sein wollen und die, die hier zu Hause sind, dann heißt es, dass wir unsere Werteordnung im Gemeinwesen bei allen verankern. Denn eine plurale Gesellschaft wird nicht durch Tabus im Denken und Reden eine gemeinwohlorientierte Gesellschaft sichern, sondern nur in der Akzeptanz und Toleranz unterschiedlicher Auffassungen, aber auch in der Akzeptanz einer gemeinsamen Wertegrundlage. Das heißt, an dieser Stelle fallen Prävention und Repression zu einer Einheit zusammen, wenn es darum geht, diese Akzeptanz zu sichern.

Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und Extremismus überfordern Thüringen nicht, überfordern die Thüringerinnen und Thüringer nicht, überfordern nicht den Staat und nicht die Politik, wenn wir bereit sind, auch gemeinsam das im konsequenten Handeln auf den Weg zu bringen, was wir zur Stabilisierung unserer Werte- und Grundgesetzordnung als wichtig erachten. Das auf den Weg gebrachte NPD-Verbot ist ein wichtiges politisches Signal. Es geht aber nicht nur um politische Signale, sondern es geht vor allen Dingen darum, dass die Staatsgewalt konsequent ist. Die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag ist der festen Überzeugung, und der Ministerpräsident hat das in seiner Rede deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Thüringerinnen und Thüringer und damit auch die demokratische Thüringer Politik Ja sagt zu Freiheit, zu Demokratie und zu Weltoffenheit. Und wenn wir uns einig sind, an dieser Stelle nicht durch Ideologien zu tabuisieren, sondern unsere politischen Aussagen in diesem Sinne auch zu gemeinsamen Handlungen zu bündeln, dann werden wir dieses Ja zu Freiheit, Demokratie und Weltoffenheit noch stärken und dann wird Freiheit, Demokratie und Weltoffenheit Thüringen auch zukünftig attraktiv für die Thüringerinnen und Thüringer, aber auch für die Gäste machen. Die CDU-Fraktion dankt dem Ministerpräsidenten für die Initiative zu dieser Regierungserklärung und ist sich einig mit der Thüringer Landesregierung, dass die Konzeptionen zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit, Extremismus und Gewalt weiterentwickelt werden, dass wir aber kein neues Landesprogramm brauchen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es liegt eine weitere Redemeldung von Herrn Abgeordneten Fiedler, CDU-Fraktion, vor.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten

haben wir zur Kenntnis genommen und die Fraktionsvorsitzenden haben dazu gesprochen. Ich glaube, dazu braucht man keine weiteren Kommentare hinzuzufügen. Mir geht es noch einmal darum, einige Aspekte mit zu benennen. Ich beginne vielleicht mit der Meinungsäußerung von einem Richter. "Tiere gehen mit den am Boden liegenden Gegnern gnädig um, Rechtsradikale offensichtlich nicht", stellte der Vorsitzende Richter Albrecht Hennig fest, als er am 30. August 2000 in Halle das Urteil über die Mörder von Alberto Adriano verkündete. Der Erste Strafsenat des Oberlandesgerichts schloss sich der Sicht der Bundesanwaltschaft an. Die drei Skinheads wurden zu hohen Haftstrafen verurteilt. Wegen gemeinschaftlichem Mord aus niedrigen Beweggründen erhielt der 24-jährige Haupttäter lebenslänglich, die beiden 16-Jährigen je 9 Jahre Jugendhaft. Ein Ausländer wurde aus Ausländerhass zu Tode getreten. Der Prozess zeigt, dass der Rechtsstaat, denke ich, doch gerüstet ist, obwohl wir gehört haben, dass noch einige Dinge dort gegebenenfalls nachzuarbeiten sind. Allerdings dämpfte Richter Hennig die Erwartungen an das Strafrecht. Es ist kein taugliches Instrument gegen menschliche Dummheit und rassistische Borniertheit, schon gar nicht, wenn diese sich unter Glatzen breit macht. Obwohl Strafen generalpräventive Wirkung hätten, sei es keineswegs selbstverständlich. Wenn aber eine Strafe die Wirkung hätte, dass sich Zivilcourage zeigt, dass Bürger einschreiten, dass Bürger sich wenigstens als Zeugen melden und ihre Beobachtung schildern, dann wäre dies schon ein Erfolg. Ich glaube, das zeigt eigentlich deutlich, dass die Instrumente weitestgehend da sind, dass sie angewendet werden und dass der Rechtsstaat sich mit allen seinen Möglichkeiten hier wehren muss und wehrt. Wir sollten unterstützen, dass dieses in unserem Freistaat Thüringen auch weiterhin konsequent fortgesetzt wird, wie es schon seit Jahren hier passiert. Man kann immer wieder weiter verbessern, weitere Dinge beifügen und weitere Dinge lernen, aus dem, was noch nicht gut genug ist. Ich denke, dass insbesondere die Anhörung, die wir vor wenigen Tagen hier im Thüringer Landtag durchgeführt haben, dazu sehr konkrete Beispiele und Hinweise gebracht hat.

Meine Damen und Herren, auch der SPD und der PDS, ich glaube, die Anhörung des Thüringer Landtags hat schon viele Aussagen dazu gebracht. Wir haben fast 40 Anzuhörende dort gehabt. Es war schon ein wirklicher Marathon, von früh bis abends dieses hier durchzuführen, aber ich halte es trotzdem für wichtig. Ich glaube, es steht den Oppositionen offen, auch eigene Anhörungen dazu zu machen. Ich glaube, die Anhörung des Parlaments hat gezeigt, dass hier viele wichtige Dinge genannt wurden. Der Tenor der Anhörung war weitestgehend, dass eben kein besonderes Programm gefordert wurde, von den meisten jedenfalls nicht, ein extra Landesprogramm, sondern dass die vorhandenen Programme genutzt werden, dass sie gebündelt werden, dass man hier weiter daran arbeitet. Ob das der Privatdozent Dr. Klaus Schroeder aus Berlin war, der gesagt hat, ob

Landesprogramme zur Reduzierung des Rechtsextremismus beigetragen haben, lässt sich ebenfalls seriös nicht beantworten. Oder wenn ich die Dinge nenne, die die Polizeigewerkschaften hier zum Ausdruck gebracht haben, die für uns alle den Kopf hinhalten müssen, wenn sie diesem braunen Mob entgegentreten, die gesagt haben, die Programme sind ausreichend, sie müssen nur konsequent von allen umgesetzt werden. Herr Dittes und Herr Dr. Hahnemann, ich kann Sie nur einfach bitten, versuchen Sie nicht, unsere Polizei in ein Licht zu rücken, was sie nicht verdient hat.

(Beifall bei der CDU)

Nehmen Sie einfach solche Behauptungen zurück, denn ich glaube, wir dürfen nicht die Arbeit unserer Polizei, die es schon schwer genug hat, noch belasten, indem solche Anwürfe gegebenenfalls hier noch gegen die Polizei gerichtet werden. Ich fordere Sie einfach auf, dass dieses schnellstmöglich aufgeklärt wird und wir jedenfalls, da bin ich mir, denke ich, auch mit der linken Seite des Hauses einig, unsere Polizei im Freistaat Thüringen weiterhin unterstützen werden und ihnen den Rücken stärken, dass sie nämlich diesem braunen Mob entgegentritt.

(Beifall bei der CDU; Abg. Gentzel, SPD)

Das sind wir uns jedenfalls schuldig. Ja, Herr Gentzel, da können Sie ruhig mit klopfen. Aber ich sehe an Ihrer Geste, Sie teilen dort meine Meinung. Danke schön.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Ich bin so frei, Herr Fiedler.)

Meine Damen und Herren, ich denke auch, dass wir das Zusammenspiel der Instrumentarien der inneren Sicherheit im Freistaat Thüringen nutzen sollten, ob das auf der einen Seite die Polizei ist, ob das die Justiz ist oder ob das der Verfassungsschutz ist. Ich bin froh, auch das ist in der Anhörung noch einmal herausgekommen - wir haben das Bundesamt für Verfassungsschutz mit da gehabt und haben nachgefragt, ob die Zusammenarbeit mit dem Landesamt klappt oder nicht klappt, ob die gut ist oder schlecht ist -, dort ist bestätigt worden, dass eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Landesamt stattfindet. Ich bin froh, dass auch jetzt ein neuer Präsident im Amt ist, dass unser Amt seine gute Arbeit fortführen kann, auch wenn das dem einen oder anderen nicht passt und sie dieses gern abschaffen möchten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich denke, es ist notwendig, dass insbesondere auch das Zusammenspiel mit den Kommunen in ganz verstärkter Weise weiter fortgeführt wird, dass wir mit den Kommunen gemeinsam die Dinge angehen, die notwendig sind. Wir müssen uns hier alle an die Nase greifen oder müssen alle überlegen, bei

allen Einsparmaßnahmen der unterschiedlichen Ebenen, die wir aus bestimmten Zwängen teilweise durchführen müssen, müssen wir aufpassen, dass wir an bestimmten Stellen, wenn es darum geht, Jugendarbeit und Ähnliches, dass wir das in vernünftigen Relationen weiterführen. Es darf nicht dazu kommen, dass wir Bankrotterklärungen abgeben müssen, dass Jugendarbeit im vernünftigen Umfang nicht weitergeführt werden kann. Ich weiß, dass es nicht so ist. Die meisten Kommunen, wenn sie auch schwache Finanzen haben, haben ihre Verantwortung erkannt und werden diese auch wahrnehmen.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Da bin ich mir ganz sicher. Ich möchte den Präsidenten des Gemeinde- und Städtebundes zitieren: "Aus Sicht des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen können fremdenfeindliche und rechtsextremistische Handlungen nur durch ein gemeinsames Vorgehen aller gesellschaftlichen Ebenen und Gruppierungen erfolgreich bekämpft werden. Wesentlich ist dabei, unseren Jugendlichen eine berufliche Perspektive zu eröffnen und ein Umfeld für eine attraktive Freizeitgestaltung zu bieten. Die Gemeinden und Städte in Thüringen werden sich auch in Zukunft aktiv an diesem gemeinsamen Anliegen im Rahmen ihrer Möglichkeiten beteiligen." Ich glaube, das ist ein klares Bekenntnis und wir werden dieses Zusammenspiel der einzelnen Ebenen weiterhin, denke ich, auch unter der Koordinierungsstelle des Innenministers hier weiter voranführen, denn dort läuft dieses Zusammenspiel auch ein - mit der Bildung, mit der Wissenschaft, mit allen, die hier unterstützend mit beitragen können. Was mir Sorge macht, ich will das nicht zu weit ausdehnen, auch aus den Anhörungen heraus, ich denke, dort haben wir noch ein weites Feld und große Betätigung, Land und Bund, ist die ganze Frage des Internets. Es kommt immer wieder zum Vorschein, dass wir fast ohnmächtig sind, wie das Internet, das auch seine sehr guten Seiten hat, genutzt wird, um dieses braune Gedankengut und Fremdenfeindlichkeit zu verbreiten. Mit ganz einfachen Mitteln ist es möglich, dass auch Jugendliche hier herankommen. Ich denke, hier sind wir gefordert, dass wir mit allen Möglichkeiten gemeinsam, Bund und Land, zu Felde ziehen, dass wir das in den Griff bekommen. Ich weiß, dass im LKA dazu einige Dinge und Programme schon laufen. Herr Innenminister, ich kann nur dringend raten und bitten, dass wir das ganz konsequent weiterführen auf diesem Gebiet.

Lassen Sie mich abschließend noch einige Worte aus der Anhörung mit auf den Weg geben und, ich denke, das soll keine Medienschelte sein. Man muss ja sehr vorsichtig sein, wenn man sich zu unseren Medien äußert. Es kann einem passieren, dass man dann gleich in den nächsten drei Tagen wieder in der Zeitung steht.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Jawohl.)

Professor Dr. Georg Ruhrmann hat in seinen Ausführungen, die er zu unserer Anhörung hier gemacht hat, noch einmal klar darauf verwiesen, ich empfehle einfach auch den Medien, dass man dieses entsprechende Papier der Friedrich-Schiller-Universität hier noch einmal auch mit zu Rate zieht, dass eine der Ursachen für Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit ist - ich zitierte aus dem Papier: "In keinem Beitrag zur aktuellen politischen Diskussion über Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus fehlt heute der Hinweis auf die Rolle der Medien. Seit Beginn der 90er Jahre ist die Berichterstattung über Emigranten, also Ausländer, Gastarbeiter, Asylbewerber anderer Kulturkreise in den Verdacht geraten, unter bestimmten Umständen, und hier speziell im Falle des Verbreitungsmediums Fernsehen, als Katalysator einer eskalierenden Gewalt gegen Fremde fungieren zu können. Daher interessiert sich die Kommunikationswissenschaft, auch medienpolitisch motiviert, für die Integrationsfunktion der Medien und ihre entsprechenden Leistungen. Damit sind aus der Sicht dieses Faches auch Fragen nach den Ursachen von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus angesprochen." Ich denke, es ist notwendig, es laufen ja dazu schon Programme. Ich kann auch nur die Bitte an alle Bevölkerungsschichten unseres Landes, an die Politik, an die Wissenschaft, an die Kultur, auch an die Medien richten, dass man sich Diskussionen in und mit der journalistischen Praxis, die Empfehlung bedürfen, der intensiven Diskussion in und mit der journalistischen Praxis, wie das in Nachbarstaaten oder in der Weiterbildung schon realisiert wird. Ich erinnere an den Workshop in Essen. Meine Bitte ist, hier darf sich niemand ausschließen, hier müssen wir gemeinsam antreten. Ich glaube, wir sind im Freistaat Thüringen auf einem guten Weg. Wir werden die Anhörung ganz konsequent weiter auswerten und wir werden ganz konsequent mit darauf einwirken, ich denke, der gesamte Thüringer Landtag, dass die Landesregierung diesen begonnenen Kurs fortsetzt. Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU; Abg. Gentzel, SPD)

Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Abgeordneter Döring zu Wort gemeldet.

"Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich nicht protestiert; ich war ja kein Gewerkschaftler. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte."

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, diese aus eigener leidvoller Erfahrung von Martin Niemüller getroffene Aussage sollte uns gerade hier und heute zu

denken geben. So weit wir auch heute in Deutschland von einer Wiederholung der Nazidiktatur entfernt sind, so berechtigt ist doch die Mahnung, nicht wegzuschauen, wenn rechtsextreme Gewalttäter auf Ausländer, Obdachlose, anders Denkende Jagd machen.

Meine Damen und Herren, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit ist kein Problem des so genannten Randes dieser Gesellschaft. Sie finden sich auch in der Mitte der Gesellschaft und haben auch dort ihre Ursachen. Dabei haben insbesondere unter Jugendlichen rechtsorientierte Subkulturen eine hohe Attraktivität. In vielen Kommunen nehmen rechtsorientierte Klicken eine dominante Stellung ein. Anderen Jugendgruppen wird dadurch der Zugang zum öffentlichen Raum erschwert oder gar unmöglich gemacht. Es besteht die Gefahr, dass sich in Teilen der nachwachsenden Generation eine antidemokratische und fremdenfeindliche Grundhaltung verfestigt und die aggressive Ausgrenzung von Fremden und anderen Minderheiten zu einer alltäglichen Erscheinung werden. Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sind wie Eisberge. Nicht alles ist sichtbar und auffällig. Die Gefahr lauert auch unter der Oberfläche. Mit Polizei und Repressionen lassen sich die sichtbaren Spitzen, die sich in Straf- und Gewalttaten äußern, bekämpfen, nicht aber die fremdenfeindlichen Einstellungen. Deshalb greift der Ansatz der Landesregierung prinzipiell zu kurz. Rhetorik und Rituale, symbolische Handlungen und öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen, wie sie Herr Dr. Vogel heute angekündigt hat, sind angesichts der Komplexität des Phänomens Rechtsextremismus einfach zu wenig.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage durch Herrn Sonntag?

Nein, danke. Wir brauchen langfristige und kontinuierliche politische und pädagogische Arbeit auf der Grundlage solider Konzepte und einer soliden Struktur. Erfolgreich, meine Damen und Herren, werden wir nur sein, mit einer auf die lokalen Probleme zugeschnittenen Arbeit, die sich präventiv an langfristige Veränderungen orientiert und dabei die bestehenden Inseln bürgerschaftlichen Engagements stärkt, ausdehnt und auch zu einem Netzwerk verbindet.

Meine Damen und Herren, deshalb brauchen wir ein Landesprogramm gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus

(Beifall bei der PDS, SPD)

zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen Akteure, wie es zahlreiche Experten, die Kirchen, Gewerkschaften, Prof. Frindte, Prof. Knigge gefordert haben und wie es auch