Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen Akteure, wie es zahlreiche Experten, die Kirchen, Gewerkschaften, Prof. Frindte, Prof. Knigge gefordert haben und wie es auch

in der Landtagsanhörung deutlich wurde. Wir werden das in der Auswertung noch intensiv diskutieren, als Motor, Kristallisationspunkt und wirksames Mittel der Vernetzung, wie der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora treffend formulierte. Dabei geht eben gerade nicht - wie uns der Ministerpräsident weismachen will - um Aufgeregtheiten und Schnellschüsse und schon gar nicht um Vernachlässigung bisheriger Aktivitäten zugunsten des Landesprogramms, sondern um sinnvolle Vernetzung und Weiterentwicklung. So arbeiten in Thüringen die Jüdische Landesgemeinde, der DGB, Kirchenvertreter, Jugendbildungseinrichtungen und die Universität Jena an einer Konzeption für die Einrichtung regionaler Beratungsteams. Dabei geht es darum, Kommunen, Schulen und Freizeiteinrichtungen eine Analyse des vorhandenen rechtsextremistischen Potenzials zu liefern, um anschließend gemeinsam sozusagen als Hilfe zur Selbsthilfe Lösungsvorschläge für eine Veränderung der Situation zu erarbeiten. Strukturelle Erfahrungen gibt es z.B. in Sachsen-Anhalt mit dem Verein "Miteinander e.V.", der wesentliche Teile des dortigen Landtagsprogramms umsetzt. Regionale Zentren haben dort die Aufgabe der Analyse und der mobilen Beratung, der Opferbetreuung - dazu ist heute noch gar kein Wort gesagt worden -, der Vernetzung und Unterstützung kommunaler und regionaler Initiativen, der Unterbreitung von Bildungsangeboten an Multiplikatoren, d.h. Bildungs- und Workshoptätigkeit, und nicht zuletzt werden auch eigene Projekte bearbeitet. Dazu gehören Veranstaltungen, Publikationen und vielfältige kulturelle Angebote.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat neben anderen auch diesen Verein nicht zur Anhörung im Innenausschuss zugelassen. Sie wissen, wir haben eine ergänzende Anhörung durchgeführt. Und es wäre sehr gut gewesen, wenn auch die Vertreter der CDU-Fraktion diese Vertreter gehört hätten, um zu sehen, dass es auch schon hier strukturelle Möglichkeiten gibt, dass hier schon Erfahrungen da sind, wie man gerade in diesem Raum intensiv arbeitet.

(Beifall bei der SPD)

Aber ich habe manchmal den Eindruck, erfolgreiche Konzepte sind bei Ihnen nicht gefragt und wenn sozialdemokratische Landesregierungen mitwirken schon erst recht nicht. Sie präsentieren stolz eine Koordinierungsstelle "Gewaltprävention", ohne Handlungskonzept, ohne eigenes Budget - sozusagen ein zahnloser Tiger, mehr noch, die demokratischen Hürden werden noch höher. Wo früher ein Mitarbeiter eines Ministeriums ein Projekt geprüft hat, macht dies jetzt ein ganzer Stab; das erweitert natürlich die Handlungsmöglichkeiten enorm.

Meine Damen und Herren, ein Wort zum Begriff "Leitkultur". Matthias Geis hat in der "Zeit" deutlich gemacht, dass der Begriff "Leitkultur" unterhalb der Schwelle seiner politischen konkreten Deutung von ressentimentge

ladenen Vorstellungen lebt. Im Grunde, so wird suggeriert, seien Fremde für die deutsche Gesellschaft unverträglich. Aber wenn sie schon einmal im Lande sind, sollte man sie wenigstens unter verschärften Anpassungsdruck setzen, so Geis. Und dieser Ton, meine Damen und Herren, schwingt mit. In Deutschland war die Leitkultur lange genug eine Leitkultur mit "d" - eine leidende Kultur. Und was der Ministerpräsident zu diesem Thema gesagt hat, das war für mich nur enttäuschend.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Ich habe manchmal den Eindruck, die CDU hat nur eine Leitkultur, und das ist Wahlen gewinnen - koste es, was es wolle.

(Beifall bei der SPD)

(Unruhe bei der CDU)

Mehr als peinlich, meine Damen und Herren, war das, was der Ausländerbeauftragte zur Anhörung im Innenausschuss zu Papier gebracht hat. Da ist die Rede von "der Integration der Idee des nationalen in das demokratische Bewusstsein", "die Idee zur Beseelung Europas ist zu entwickeln", "die Neonaziszene ist eigentlich kein Fall für den Ausländerbeauftragten, sondern wäre einer für den Sektenbeauftragten", "Ausländer sind in Thüringen ein rarer Artikel" und so geht das pseudowissenschaftlich und pseudophilosophisch weiter. Kein Wort von Integration, kein Wort von Hilfe und Unterstützung unserer ausländischen Mitbürger. Herr Ministerpräsident, das sagte der Ausländerbeauftragte der Landesregierung. Hier sind, denke ich, Konsequenzen längst überfällig. Ich bin überzeugt, auf den "raren Artikel" Peters können wir und auch unsere ausländischen Mitbürger sehr wohl verzichten.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Das ist geistige Brandstiftung.)

repräsentative Politik - Herr Schwäblein, lesen Sie den Beitrag, dann können wir gern darüber diskutieren.

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Ich habe mich mit dem Herrn unterhalten.)

Sie sollen den Beitrag lesen und sich nicht unterhalten, das kann man im Nachhinein auch tun, das sollte man auch tun.

Meine Damen und Herren, repräsentative Politik und Exekutive repräsentieren nicht die Demokratie allein. Es geht um demokratisches Bürgerengagement im Alltag. Es geht um den Ausbau und die Stärkung demokratischer Strukturen und Aktivitäten. Hier sind wir auch als

Land in der Verantwortung, die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu entwickeln und wir Sozialdemokraten werden die Landesregierung hier auch nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 17.10. wird geschrieben, wie sich Schüler in Neustadt an der Orla gegen Rechtsradikalismus wehren. Am Samstag haben sie zu einer Veranstaltung ins Rathaus eingeladen. Petra Scheller, eine Lehrerin, die die Schüler bei der Vorbereitung unterstützt, hat dabei einen Satz gesagt, der Leitmotiv unseres Handelns sein könnte und den ich zum Schluss zitieren möchte: "Wenn viele kleine Leute an vielen Stellen viele kleine Dinge tun, wird sich das Gesicht der Welt verändern." Danke.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Seela zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren, es ist heute ja eine ganze Menge gesagt worden, es ist sehr viel gesagt worden, auch auf die Gefahr hin, dass ich Sie jetzt mit Wiederholungen konfrontiere, aber Wiederholungen sind doch ab und zu wichtig, damit zumindest auf der linken und auf der rechten Seite hier auch etwas hängen bleibt, deswegen tue ich es trotzdem. Wir von unserer Fraktion meinen, dass wir einen Bereich besonders noch mal hervorheben sollten, nämlich den Bereich der Bildung. Das möchte ich kurz tun, aber vorab möchte ich auch noch eine kleine Enttäuschung hier kundtun. Ich bin jetzt ein Jahr hier Mitglied des Landtags und ich bin eigentlich immer davon ausgegangen, sachlich zu diskutieren bei diesem brisanten Thema "Extremismus und Radikalismus in Thüringen", dass wir uns wenigstens hier in diesen Räumlichkeiten sachlich auseinander setzen und kein Showballett hier veranstalten. Da muss ich meine Enttäuschung hier schon kundtun, wenn Frau Zimmer den Bogen spannt von Helmut Kohl bis zu "Big Brother" und dass der Knüppel aus dem Sack gelassen wird und noch mal mit der deutschen Leitkultur hier hereingegangen wird, da sehe ich schon Probleme.

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Wer hat denn damit angefangen?)

Das finde ich bedauerlich. Das finde ich bedauerlich, weil

(Beifall bei der CDU)

es uns wirklich um die Inhalte geht und Inhalte sollten hier vernünftig diskutiert werden. Das ist so.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Das stimmt nicht.)

Aber vielleicht einige Allgemeinplätze. Wir können gern noch eine Veranstaltung im Nachhinein dazu durchführen, sehr gern, auch zur deutschen Leitkultur, sehr gern. Aber vielleicht ein paar allgemeine Positionen aus Sicht unserer Fraktion, die ich hier mitteilen möchte. Hinsichtlich des heutigen Beratungsgegenstands "Extremismus und Radikalismus in Thüringen" vertritt die CDUFraktion eine glasklare Position, von der wir auch in 100 Jahren nicht abweichen werden.

(Heiterkeit bei der SPD)

Wir sind gegen jegliche Form - hören Sie zu - von Extremismus, ob von rechts oder von links.

(Beifall bei der CDU)

Als Demokraten ächten wir jeden, der unsere verfassungsmäßig verbrieften Grundrechte auch nur ansatzweise in Frage stellt. Und noch ein klares Wort, meine Damen und Herren, wer die Würde seiner Mitmenschen und insbesondere unserer ausländischen Mitbürger verletzt, wer die Freiheit des Individuums einschränken möchte oder gar dessen physische Existenz bedroht oder gegen unser parlamentarisch-demokratisches System arbeitet, ist unser erklärter Gegner.

Meine Damen und Herren, wir vertrauen auf die Möglichkeiten des Rechtsstaats, auf die Möglichkeiten der wehrhaften Demokratie. An dieser Stelle möchte ich auch noch mal unserem Innenminister und unserem Justizminister Dank sagen, die Strafe ist hart und die Strafe folgt auf schnellem Fuße. Das wissen mittlerweile auch Extremisten, die Straftaten in den letzten Monaten begangen haben. Ein klares Beispiel dafür, wie hart die Strafe ist und wie schnell sie folgt, ist die Aburteilung der Straftäter im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die Synagoge hier in Erfurt.

Wie alle demokratischen Kräfte im Land verurteilt auch die CDU-Fraktion die seit Frühjahr dieses Jahres zunehmenden rechtsextremistischen Übergriffe gegen ausländische Mitbürger in Thüringen. Der Anschlag auf die Erfurter Synagoge am 20. April erscheint dabei als besonders trauriger Höhepunkt in der Kette der Ereignisse. Nicht nur, dass diese Vorfälle dem Ansehen Thüringens schweren Schaden zugefügt haben, nein, sie riefen vor allem auch in der Mitte unserer Gesellschaft Angst und Betroffenheit, aber auch die Bereitschaft zum Handeln hervor. Dennoch lehne ich es entschieden ab, ausgehend von den verabscheuungswürdigen Taten einiger weniger krimineller Rechtsextremisten, pauschale Ableitungen für die Mehrheit der Thüringer Bevölkerung zu treffen. Es bleibt dabei, meine Damen und Herren, Thüringen ist nicht das Land rechtsextremer Aufmärsche und nicht das Land rechtsextremer Anschläge. Meine Damen und

Herren, was für das Land Thüringen zutrifft, gilt selbstverständlich auch für Thüringens Schulen. Die Zahlen sprechen für sich, sie sind heute hier bereits genannt worden, sie belegen, dass rechtsextremistische Straftaten an Thüringens Schulen keine weit reichende Verbreitung finden. Ich führe sie dennoch noch einmal an: 1998 hatten wir 14 so genannte einschlägige Vorkommnisse, darunter im Wesentlichen Hakenkreuzschmierereien, rassistische Parolen und das Zeigen des so genannten Hitlergrußes. 1999 hatten wir 25 Vorkommnisse und mit Stichtag September des Jahres 2000 32. Wenn man jetzt die Schülerzahl 280.000 damit vergleicht und in Relation setzt, meine ich, ist es eine verschwindend geringe Anzahl.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Jede Zahl ist eine Zahl zu viel.)

Dennoch möchte ich - jede Tat ist eine Tat zu viel, richtig, Herr Döring, da stimme ich Ihnen sogar zu - meinen, dass die Zahl Besorgnis erregend ist, aber nicht dramatisch. Das soll keine Verharmlosung sein, Verharmlosung ist ja immer ein Totschlagargument, das gerade wir als CDU uns jedes Mal anhören müssen, wenn wir mit Fakten, mit Tatsachen aufwarten. Ich warne in dieser Situation aber auch vor pauschalen Vorverurteilungen und Aktionismus, der bringt uns nicht weiter. Vielmehr sehe ich in den derzeitigen rechtsextremistischen Vorfällen vor uns eine aktuelle politische Herausforderung, auf keinen Fall eine Überforderung für die Thüringer Schulen. Die Schule leistet hier Präventionsarbeit, ich möchte anfangen z.B. bei den Lehrplänen. Die Lehrpläne enthalten die fächerübergreifende Themenstellung "Erziehung zu Gewaltfreiheit, Toleranz und Frieden". Prävention wird in verschiedenen Unterrichten geleistet. Ich erwähne den Rechtskundeunterricht z.B., wo Juristen eingesetzt werden. Das ist eine außerordentlich vernünftige Initiative des Kultusministeriums und des Justizministeriums. Ich erwähne den Deutschunterricht, z.B. die Behandlung des "Tagebuchs der Anne Frank" oder verschiedene andere Lektüre. Aber auch der Sach- und Heimatkundeunterricht spielt hier eine große Rolle, dass man sich bereits, bevor der Nationalsozialismus in der 9. Klasse behandelt wird, also schon in Klasse 7 oder 8, mit der jüdischen Kultur beschäftigen und als junger Schüler den Hinweis auf die antisemitischen Ausschreitungen im Nationalsozialismus, auf die NS-Verbrechen erhalten kann. Wichtig ist natürlich - und das ist ein wichtiger Aspekt bei den Lehrplänen der Geschichtsunterricht. Hier muss ich mich entschieden dagegen wehren, die Geschichte des Nationalsozialismus schon in Klasse 7 oder 8, wie es von der SPD gefordert worden ist, zu behandeln. Ich selbst meine, dass es sich hierbei um ein komplexes Thema handelt - sehr kompliziert, es finden sozialpsychologische Aspekte hier Erwähnung, juristische Probleme. Ich denke, in Klasse 7 oder 8 hat man dafür noch nicht die Basis, auf der man aufbauen und solche komplizierten Themen auch dort schon behandeln kann. Es kommt aber immer darauf an,

wie man etwas vermittelt. Deswegen sind selbstverständlich die Lehrer in der Pflicht und, ich denke, auch hier an dieser Stelle ein Dank an unsere Lehrer in diesem Lande, die ihre Aufgabe erfüllen und vor allem auch die Qualifizierungs- und Bildungsmaßnahmen, die z.B. das ThILLM anbietet, wahrnehmen.

(Beifall bei der CDU)

An dieser Stelle auch ein großer Dank an Herrn Dr. Schreier und seine Mitarbeiter des ThILLM, die erst neulich wieder ein neues Arbeitsheft publiziert haben, nämlich Heft 43, "Arbeitsmaterialien zum KZ Buchenwald und Mittelbau Dora", eine sehr nützliche Handreichung, um den Unterricht zu bereichern. In Ergänzung aber auch die Möglichkeiten, die die Landeszentrale für politische Bildung anbietet. Die Lehrer nutzen diese Sache, auch wenn es in der Vergangenheit eine Kritik gab, dass die Lehrer zu wenig auf die Angebote zurückgreifen. Diese Kritik nehme ich auch an mich, ich bin Mitglied des Kuratoriums, wir müssen die Angebote spannender gestalten, interessanter gestalten, dass man natürlich auch dann seitens der Lehrer auf diese Angebote zurückgreift.

Meine Damen und Herren, viel versprechend sind die überaus zahlreichen Projektarbeiten in den Thüringer Schulen. Auch darüber ist heute schon gesprochen worden. Es ist erwähnt worden, dass Thüringen Sitzland des Förderwettbewerbs "Demokratisch handeln" ist. Wir reagieren vom Land aus, wir haben im Haushalt 2001/2002 noch einmal 100.000 DM für solche Projekte draufgelegt, ursprünglich waren es 323.000 DM, jetzt sind es 423.000 DM, im Entwurf zumindest vorgesehen. Diese Angebote müssen verbreitet werden. Dafür muss geworben werden. Ich könnte jetzt viele Beispiele nennen, "Gewaltfreie Schule" in Suhl z.B., ich könnte für Jena zahlreiche Projekte nennen. Zum Beispiel haben wir in Jena eine Schule, die nutzt auch den Musikunterricht. Sie haben ein Musical gegen Gewalt erarbeitet. Es gibt hier vielfältige verschiedene Angebote. Deswegen noch einmal, wir brauchen kein Landesprogramm, es gibt Projekte, es gibt Maßnahmen, man kann auf diese Maßnahmen zurückgreifen und, ich denke, wenn wir das in den nächsten Jahren tun, leisten wir einen entscheidenden Beitrag, um auch hier in diesem Lande etwas gegen Extremismus zu tun. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Damit ist die Rednerliste abgeschlossen. Herr Abgeordneter Sonntag, ist das eine Redemeldung oder eine Anfrage?

(Zuruf Abg. Sonntag, CDU: Redebeitrag.)

Dann Herr Abgeordneter Sonntag.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Kollege Döring darauf hinweist und - wie ich leider sagen muss - zu Recht darauf hinweist, dass die Bedeutung rechtsgerichteter Jugendgruppen, rechtsgerichteter Jugend - man könnte fast schon sagen Organisationen in der letzten Zeit an Zulauf gewonnen hat, meine Damen und Herren, so sollte das nicht nur zu denken geben, sondern, das war das, was ich den Abgeordneten Döring vorhin fragen wollte, so sollten wir doch mal darauf aufmerksam werden, dass es gerade auch wir, aber vor allen Dingen es gerade auch diejenigen sind, die sich links orientiert einstufen, die mit ihrer Freigabe von Positionen in der Öffentlichkeit, in der Literatur, im Recht, in der öffentlichen Meinung doch die theoretische Spielwiese mit bereiten, die dann natürlich gern und dankenswerterweise von einigen angenommen wird. Das wäre ja noch zu tolerieren. Aber die dann diese Spielweise verunstalten, verunglimpfen, verunzieren und für ihre schändlichen Zwecke missbrauchen, meine Damen und Herren, - wenn heute jemand sagt, ich bin stolz, ein Deutscher zu sein, da zucken wir zusammen -,

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Nein!)

dann ist das für viele mittlerweile schon ein Eingeständnis, dass derjenige, der das sagt, zur rechten Szene zählt. Ich habe diesen Satz, meine Damen und Herren, zum allerersten Mal gehört, nein gelesen als Ausspruch eines jüdischen Menschen, Teilnehmer des Ersten Weltkriegs, der wirklich stolz darauf war, nicht mehr Jude genannt zu werden, sondern Deutscher zu sein. Es ist geradezu beschämend, wenn dieses Erbe in die rechte Szene abgleitet. Meine Damen, meine Herren, niemand in Frankreich, in den USA oder in Schweden fände etwas dabei, wenn dort jemand, ein ganz normaler Bürger, die schwedische, französische oder US-amerikanische Flagge in seinem Garten hisst. Tun Sie das mal in Deutschland!

Meine Damen, meine Herren, Sie mögen hier protestieren, ich freue mich, dass Sie das hier so deutlich rüberbringen, ich freue mich, aber reden Sie doch mit Jugendlichen. Gehen Sie doch mal in die Klassen, wie dort mittlerweile von uns Demokraten solche Allgemeinplätze eigentlich preisgegeben wurden. Ob das so simple Sachen sind wie die Autobahnlüge, dass im Dritten Reich oder noch vereinfachter, dass Adolf die gebaut hätte, was nicht der Wahrheit entspricht, oder ob das andere einfache Dinge sind. Ja selbst, meine Damen und Herren, die Polizei unterscheidet kaum noch, ob es sich um die Reichskriegsflagge, die ja verboten ist, handelt oder ob einfach nur jemand das Banner des Kaiserreichs getragen hat. Das sind Unterschiede. Bebel würde sich im Grabe rumdrehen, wenn man dieses Banner verbieten würde.

Meine Damen, meine Herren, ich möchte nur auf eines noch hinweisen: Wir sollten bei allem, was heute angesprochen worden ist, bei aller Gemeinsamkeit im Hinblick auf den Kampf gegen Radikalismus, rechts wie links, immer daran denken, und ich bitte Sie, das nie zu unterlassen, dass wir es sind, wir Demokraten es sein müssen, die diese Felder besetzen, die diese Felder besetzt halten müssen, um eben zu verhindern, dass, und das können wir den Jugendlichen, die sich ja erst einfügen müssen in diese Gesellschaft, die sich ja erst einfügen wollen, gar nicht mal so sehr verübeln, wenn diese dann als Suchende Rattenfängern hinterherlaufen. Es liegt an uns, den Rattenfängern das Material, den Rattenfängern die Möglichkeiten zu nehmen. Und ich denke, meine Damen und meine Herren, in der Frage sollten wir uns einig sein, dass wir alles tun sollten, um Begriffe wie Volk, wie Vaterland, wie Rechtsstaat und wie Gerechtigkeit auf keinen Fall den Rattenfängern zu überlassen. Ich danke Ihnen.