Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Sollte es sich bei der 1.300 DM-Aufwandsentschädigung eventuell doch um eine am tatsächlichen Aufwand orientierte Pauschale handeln, was Sie bisher noch nicht einmal ansatzweise zu belegen versuchten, so muss man fragen, weshalb Sie ausgerechnet diesen Zeitpunkt für Ihr Vorhaben gewählt und Ihren Änderungsantrag erst zur letzten Sitzung des Justizausschusses eingebracht haben. Außerdem muss man Sie fragen, weshalb Sie von einem erheblich höheren tatsächlichen funktionsbedingten Aufwand der Ausschussvorsitzenden ausgehen als die Landtage in den sechs anderen Bundesländern, die zusätzliche Aufwandsentschädigungen für Ausschussvorsitzende vorsehen. Ein Vergleich mit diesen Ländern zeigt nämlich, dass dort entsprechende Pauschalen wesentlich niedriger sind. Könnten Sie einmal darlegen, was denn, verglichen mit diesen Regelungen, die Thüringer Besonderheiten ausmacht?

Aber damit nicht genug der Thüringer Merkwürdigkeiten: Thüringen ist nicht nur mit der Indexregelung für Abgeordnetenentschädigungen die Avantgard, es soll nach dem Willen der CDU-Fraktion auch noch bei der Aufwandsentschädigung der palamentarischen Geschäftsführer die Vorreiterrolle übernehmen. Kein anderes Bundesland sieht nämlich eine zusätzliche Aufwandsentschädigung für parlamentarische Geschäftsführer vor. Die Ursachen hierfür brauchen uns aber hier und heute nicht zu beschäftigen.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat bislang noch nicht einmal ansatzweise dargelegt, welche empirisch belegbaren Daten ihre Annahme rechtfertigen, eine zusätzliche Aufwandsentschädigung, und noch dazu in dieser Höhe, wäre tatsächlich angemessen. Der Vertreter der Landtagsverwaltung hat sowohl im Justizausschuss als auch im Haushalts- und Finanzausschuss nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Aufwandsentschädigung in Höhe von 1.300 DM sehr nahe an die für verfassungswidrig erklärte Zusatzentschädigung der Ausschussvorsitzenden, wie sie bisher bestand, herankommt, wenn man deren Besteuerung berücksichtigt. Dies sei ein erhebliches Indiz dafür, dass es sich bei der zusätzlichen Aufwandsentschädigung lediglich um einen Ersatz der verfassungswidrigen zusätzlichen Grundentschädigung und nicht um eine am tatsächlichen Sonderaufwand orientierte Entschädigung handelt.

(Beifall bei der PDS)

Außerdem ist unbeantwortet geblieben, welche Art von Sonderaufwand hier abgegolten werden soll. Lässt er sich einer der Aufwandskategorien aus § 6 Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes zuordnen? Handelt es sich hier um allgemeine Kosten, insbesondere für die Betreuung des Wahlkreises im Sinne der Nummer 1? Sind es Mehraufwendungen aus der Tätigkeit am Sitz des Landtags im Sinne Nummer 2? Sollen es Fahrtkosten im Sinne Nummer 3 sein? Letzteres dürfte vermutlich nicht gemeint sein, weil es an einer Differenzierung nach der jeweiligen Entfernung des Wohnortes bzw. des Abgeordnetenbüros vom Sitz des Landtags fehlt. Natürlich sind dies polemische Fragen,

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Stimmt.)

das gebe ich zu, nur, da es sich demnach hier um einen funktionsbedingten Sonderaufwand im Sinne der Nummern 1 und 2 des Absatzes 2 des § 6 Abgeordnetengesetz handelt, kann nicht nachvollzogen werden, weshalb hier von einem Aufwand in Höhe von 1.300 DM ausgegangen wird. Er ist nicht nur an sich nicht begründet; weshalb dieser Betrag mehr als 50 Prozent aller anderen Aufwandsentschädigungen des § 6 Abs. 2 Nummern 1 und 2 des Abgeordnetengesetzes ausmacht, bleibt ebenso wenig erkennbar. Nein, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, nichts als unbeantwortete Fragen und verdächtige Ungereimtheiten. Ich bin nicht überzeugt davon, dass die beabsichtigte Regelung einer Prüfung durch den Thüringer Verfassungsgerichtshof standhalten würde.

Und obwohl die Gesetzgebung dieses Hauses auch immer der Verfassungsmäßigkeit in all ihrem Tun verpflichtet sein muss, gibt es auch noch andere Gründe, von diesen geplanten Regelungen Abstand zu nehmen. Mancher mag es für deplatzierten Moralismus halten, aber dennoch: Es ist mit dem hoch anzusehenden Amt des Abgeordneten nicht vereinbar, sich immer dann an die Grenze des Zulässigen zu begeben, wenn es um die eigene Versorgung geht.

Es ist auf die Dauer nicht vertretbar, Anforderungen von Verfassungsgerichten immer gerade so oder eben mit eventuellen neuen Verfassungswidrigkeiten entsprechen zu wollen, wenn es um die eigenen Rechte und Privilegien geht; jedenfalls dann nicht, wenn man den Bürgerinnen und Bürgern des Landes ein Sparkonzept aufdrückt und sich aber gleichzeitig einen selbstherrlichen Parlamentarierpalast für rund 100 Mio. DM baut,

(Beifall bei der PDS)

und auch dann nicht, wenn man gleichzeitig Eltern erhöhte Kindergartenbeiträge zumutet, Blindengeldkürzungen beschließt und so weiter und so fort. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Sie brauchen bloß auf den Platz vor dem Landtag zu schauen, dann erfahren Sie noch weitere.

(Beifall bei der PDS)

Wenn Sie die Verpflichtung zum Sparen tatsächlich ernst nähmen, dann würden Sie auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der bisherigen Zusatzentschädigungen nicht mit einer teilweisen Wiedereinführung als Aufwandsentschädigungen durch die rechtliche Hintertür antworten. Zugleich würden Sie sich nicht so vehement gegen eine Rückdatierung innerhalb des Änderungsgesetzes wehren, wenn Sie nicht Angst hätten, es könnte eine Diskussion über die Rückzahlbarkeit von zu Unrecht erhaltenen Geldern geben. Aber anderen, den einfachen Bürgerinnen und Bürgern, muten Sie das durchaus zu. Oder bedenken Sie die Absicht der CDU-Mehrheit, Wasser- und Abwasseranschlüsse mit Beiträgen zu belegen, obwohl diese methusalemische Qualitäten haben.

(Beifall bei der PDS)

Das alles passt nicht zusammen, meine Damen und Herren, es sei denn, man begründet es mit einem bedenklichen Moralverlust bei den herrschenden politischen Eliten in diesem Land und darüber hinaus.

(Beifall bei der PDS)

Dieses aber wird dem Denken und Empfinden vieler Menschen im Land über Politik und Politiker nicht gut tun. Es wird die Politverdrossenheit fördern und den Glauben an das hohe Gut der Demokratie untergraben. Vor allem aus diesen Gründen sollte dieses Gesetz so den Landtag nicht passieren.

(Beifall bei der PDS)

Wie könnte mit dem Gesetzentwurf nun weiter verfahren werden? Es gibt mindestens zwei Lösungsmöglichkeiten; die erste lehrt mich meine Erfahrung. Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, drücken Ihre Vorlage durch, ungeachtet aller Bedenken und aller Kritik innerhalb und außerhalb dieses Hauses. Die zweite bieten uns Geschäftsordnungen und parlamentarisch-kolle

gialer Anstand, es ist der Weg der kritischen Vernunft. Er lautet, die Gesetzesvorlagen werden an den Justizausschuss zurücküberwiesen, damit die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion die Gelegenheit erhalten, ihre Absichten nicht nur differenziert zu begründen, sondern ggf. auch prinzipiell zu überdenken. Das möchte ich hiermit im Namen der PDS-Fraktion beantragt haben. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Ich rufe als nächsten Redner den Abgeordneten Dr. Pidde, SPD-Fraktion, auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat im Juli dieses Jahres über die Verfassungsmäßigkeit von Zusatzentschädigungen an Abgeordnete mit Zusatzfunktion entschieden. Der Wille der Karlsruher Richter ist eindeutig; im Urteil kann jeder nachlesen, dass zusätzliche Entschädigungen für stellvertretende Fraktionsvorsitzende, für Ausschussvorsitzende und für parlamentarische Geschäftsführer gegen das Grundgesetz verstoßen. Zuschläge sind nur erlaubt für die Präsidenten und Vizepräsidenten der Landtage und für die Vorsitzenden der Fraktionen.

Meine Damen und Herren, ob wir das Urteil gut finden oder nicht, spielt keine Rolle. Recht ist Recht.

(Beifall bei der SPD)

Gerade wir Abgeordneten sollten darauf achten, dass uns keine ungesetzliche Selbstbedienung nachgesagt wird. Gerade bei der Legislative darf nicht der fade Beigeschmack bleiben, dass wir leichtfertig mit Recht und Gesetz umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb sollten wir den Willen des höchsten deutschen Gerichts akzeptieren und umsetzen.

Meine Damen und Herren, die SPD hat einen Antrag eingebracht mit einer rechtlich einwandfreien Lösung, nämlich dem ersatzlosen Streichen aller verfassungswidrigen Zulagen. CDU und PDS haben fast gleich lautende Anträge und so glaubten wir an einen parteiübergreifenden Konsens bis zum letzten Donnerstag, bis zur Justizausschuss-Sitzung.

Meine Damen und Herren, die Ansichten zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts gehen scheinbar doch weit auseinander, denn die CDU beantragt eine steuerfreie Aufwandsentschädigung für Ausschussvorsitzende und parlamentarische Geschäftsführer. Zuschüsse soll es also wei

terhin geben, nur mit einem anderen Etikett, Etikett "Aufwandsentschädigung". Dagegen hegt die SPD erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Wir sehen darin eine Umgehung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Und wir sind der Meinung, wir sollten die Forderung der Karlsruher Richter erfüllen und die verfassungswidrigen Zuschläge komplett wegfallen lassen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Für die SPD-Fraktion möchte ich auch gleich sagen: Wir werden auch nicht mit anderen Tricks, z.B. Zahlungen aus der Fraktionskasse, versuchen das Urteil zu unterlaufen.

Meine Damen und Herren, Zulagen bleiben Zulagen, auch wenn die Zulagen zukünftig "Aufwandsentschädigungen" heißen. Der Vorschlag der CDU ist für uns eine Mogelpackung und wenn er heute hier die Mehrheit im hohen Haus findet, wird die SPD-Fraktion den Weg zum Verfassungsgericht nach Weimar gehen.

(Beifall bei der SPD)

Die PDS-Fraktion hat die Zurücküberweisung der Beschlussvorlage an den Justizausschuss beantragt. Sollte dem nicht zugestimmt werden, beantrage ich für die SPDFraktion namentliche Abstimmung über die Beschlussvorlage des Justizausschusses. Danke schön.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Als Nächster hat sich der Abgeordnete Wolf, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Entschädigungs- oder Diätenregelung für Abgeordnete ist immer ein sehr diffiziles Thema, aber von Seiten der Opposition sicherlich leichter zu üben, indem man sich halt dagegen ausspricht, in der Hoffnung, die anderen werden mit ihrer Mehrheit das Problem schon lösen

(Beifall bei der CDU)

und dann auch für die Opposition mit.

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Irrtum, Herr Kollege.)

Ich will vielleicht, weil es jetzt eben von dem einen oder anderen Vorredner schon angesprochen wurde, noch einmal etwas zum Ablauf sagen. Die Vorgeschichte ist uns allen bekannt. Das Urteil ist im Sommer gesprochen worden. Fast zeitgleich sind drei Gesetzentwürfe der drei Fraktionen des Landtags eingegangen, die am 12. Okto

ber zum ersten Mal beraten wurden. In seiner 14. Sitzung am 9. November sind alle drei Gesetzentwürfe beraten worden. Unter anderem ist dort auch beschlossen worden, uns einmal über den Wissenschaftlichen Dienst der Landtagsverwaltung zuarbeiten zu lassen, wie denn in anderen Länderparlamenten verfahren wird. Die Erkenntnis aus diesem Ergebnis ist dann auch in die Beratung der 15. Justizausschuss-Sitzung am 6. Dezember eingeflossen, was zu der uns heute vorliegenden Beschlussempfehlung geführt hat.

Ich darf vielleicht noch einmal auf einen wichtigen Punkt hinweisen: Wir sind das allererste Parlament, das aus diesem Urteil, das in diesem Sommer gesprochen wurde, überhaupt die Konsequenzen zieht.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Das Urteil galt ja auch für Thüringen.)

Ohne jetzt den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, gibt es auch noch Länder wie Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern, die ähnliche Regelungen treffen müssten, dieses aber bis jetzt noch nicht getan haben. Ich darf auch noch einmal an den Wortlaut des Urteils erinnern. Der Kollege Pidde hat ja schon einiges vorgetragen, hat aber nur einen Teil vorgetragen. In der Begründung zum Urteil steht nämlich auch, dass die zusätzliche Entschädigung, die jetzt gezahlt wird, nicht durch den Gedanken des Aufwendungsersatzes getragen ist. Dieser Gedanke des Aufwendungsersatzes setzt erstens einmal voraus, dass es bei diesen in Frage stehenden Personengruppen, sprich also parlamentarische Geschäftsführer und Ausschussvorsitzende, um einen zusätzlichen Aufwand überhaupt geht. Unbestritten ist, dass sowohl Ausschussvorsitzende als auch parlamentarische Geschäftsführer einen Mehraufwand haben. Und ich darf alle noch einmal, vielleicht auch die Kollegen, die im Justizausschuss anwesend waren und auch wissen, wie es begründet wurde... Es ist während des Verfahrens von Seiten der Landtagsverwaltung hier im Thüringer Landtag zugearbeitet worden, welchen Mehraufwand Ausschussvorsitzende, parlamentarische Geschäftsführer haben, und es ist aus diesem Mehraufwand auch entsprechend die Begründung, die aber nicht entsprechend im Urteil mit einbezogen wurde, weil das Urteil davon ausgeht, dass Abgeordnete alle gleich sein sollen und dass aufgrund einer zusätzlichen Entschädigung keine Abhängigkeiten entstehen sollen. Wenn wir aber jetzt die Situation so betrachten, dass ja sowohl parlamentarische Geschäftsführer als auch Ausschussvorsitzende einen Mehraufwand haben, der unbestritten ist, dann würde es faktisch zu einer Schlechterstellung dieser Abgeordnetengruppe führen, was im Umkehrschluss zu einer Besserstellung der anderen Abgeordneten führt, was auch entsprechend, wenn man das Urteil umsetzen will, nicht vorgesehen ist. Und diese Schlussfolgerung hat uns dazu geführt zu sagen, in das Gesetz auch eine Regelung einzuführen, wonach der parlamentarische Geschäftsführer, insoweit er einen Mehraufwand im Rahmen seiner Tätigkeit hat, die durch die

Tätigkeit beim Landtag bedingt ist, eine Aufwandsentschädigung erhält. Das Gleiche trifft auch für die Ausschussvorsitzenden zu.

Ich darf noch einmal sagen: Was das Gesetz jetzt regelt, ist, dass sowohl parlamentarische Geschäftsführer, Ausschussvorsitzende und stellvertretende Fraktionsvorsitzende keine zusätzlichen Diäten mehr erhalten. Auch das sollten wir endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir wirklich das streichen und dass auch kein Ersatz für die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden in dem jetzigen Entwurf enthalten ist.

Ich will auch noch etwas zu dem Problem der Rücküberweisung sagen. Wenn wir so habgierig wären, wie man uns von Seiten der SPD oder PDS vorhin versuchte zu unterstellen, dann wäre es jetzt ein Leichtes zu sagen, wir stimmen dieser Rücküberweisung zu und dann bleibt das nämlich alles so, wie es ist, und dann wird nach wie vor in voller Höhe weitergezahlt.