Protokoll der Sitzung vom 19.12.2000

Das war die Aussage von Frau Voigt. Auf meine Rückfrage, das kann ja eigentlich nicht sein, wenn die konjunkturellen Daten stimmen und die Beschäftigungszahlen stimmen, die die Bundesregierung immer verkündet, dann müssen, nämlich unabhängig von der Reduzierung des Bundeszuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit, mehr Gelder für die aktive Arbeitsmarktpolitik vorhanden sein - rein rechnerisch.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe zurückgefragt: Könnte es denn möglich sein, dass die Bundesregierung beabsichtigt, die

(Zwischenruf Abg. Vogel, CDU: Arbeitslo- senversicherung.)

Arbeitslosenversicherung zu reduzieren? Großer Protest bei den anwesenden SPD-Bundestagsabgeordneten. Eine Woche später wurde die Ankündigung veröffentlicht.

(Beifall bei der CDU)

Nicht dass ich das kritisiere, weil ich das für einen richtigen Weg halte, weil es die Lohnnebenkosten senkt, aber Schröder hat versprochen, mehr im Osten für aktive Arbeitsmarktpolitik zu tun als die alte CDU-geführte Bundesregierung. Und kaum versprochen, schon gebrochen.

(Beifall bei der CDU)

Bezüglich Ihrer Aussage zur Etatisierung der Gemeinschaftsaufgabe kann ich nur sagen: Wenn Sie den Aussagen der Landesregierung nicht glauben, dann gehen Sie mal zu Ihrem Kollegen Gerstenberger in die Lehre, wie man die Gemeinschaftsaufgabe im Landeshaushalt etatisiert. Er versteht da offenbar mehr davon als Sie.

(Unruhe bei der PDS)

Meine Damen und Herren, die SPD hat unser Personalkonzept kritisiert - keine Stärken-Schwächen-Analyse. Ich kann nur sagen, ein ordentlicher Behördenvergleich ist eine Grundlage, auf der man Eckwerte beschließen kann. Das ist jedesmal erläutert worden. Das heißt, wir haben verglichen, mit welchem Personalbestand macht welches Land welche Leistung und haben das auf den Prüfstand gestellt und haben unseren Personalbestand angepasst. Neudeutsch nennt man das Benchmarking. Und das ist eine ausreichende Grundlage. Wir werden das genauso machen, wie wir es 1995 in der großen Koalition beschlossen haben. Wir werden dann die Umsetzung solcher Eckwerte in den Ressorts mit den zuständigen Hauptpersonalräten besprechen, das ordentlich fachlich untersetzen. Wenn das untersetzt und in den Gremien besprochen worden ist, wo es auch hingehört, werden wir das dem Landtag auch entsprechend berichten.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, dicke Ordner des Bundesfinanzministeriums braucht man hier nicht groß hochzuhalten. Masse ist nicht gleich Klasse.

(Beifall bei der CDU)

Das sieht man in der beabsichtigten Auflösung der Zollfahndungsämter in Thüringen,

(Beifall bei der CDU)

die stehen nämlich auch in diesem Konzept drin, was Sie vorhin so hochgehalten haben.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Ich habe gar nichts hochgehalten.)

Nein, der Kollege Gentzel hat es nicht hochgehalten; der Kollege Botz war es. Meine Damen und Herren, es wird behauptet, wir konsolidieren die Landesfinanzen zu Lasten der Kommunen und Bürger. Meine Damen und Herren, das soll mir mal einer erläutern, wie man bei Reduzierung der Einnahmen, notwendiger Reduzierung der Neuverschuldung auf der Ausgabenseite alles ungeschoren lassen soll. Diese Mathematik, die verstehe ich nicht mehr.

(Beifall bei der CDU)

Wenn schon immer so Statistiken zitiert werden, die öffentlichen Finanzen der Kommunen sehen 1999 folgendermaßen aus - ich kann das jedem empfehlen, die Kreiszahlen für Thüringen der Ausgabe 2000 sind veröffentlicht: Schuldenaufnahme der Kommunen 574.319.000 DM, Schuldentilgung der Kommunen 577.996.000 DM. Wir sind eine Solidargemeinschaft und wer vom Land verlangt, sich mit 1,6 Mrd. DM zu verschulden, von denen 600 Mio. DM Landesmittel zur Stärkung der Kommunalfinanzen in den Kommunalen Finanzausgleich eingestellt werden, aber die Kommunen insgesamt - nicht jede ein

zelne, das sind saldierte Zahlen - einen ausgeglichenen Haushalt im letzten Jahr haben, ich kann nur sagen, wenn wir dieses Konsolidierungskonzept nicht gemeinsam schultern, sondern die Lasten nur auf eine Gebietskörperschaft, nur auf das Land legen, dann werden die Kommunen in wenigen Jahren nicht mehr in der Lage sein zu investieren, weil wir dann nämlich nicht mehr in der Lage sein werden Fördermittel bereitzustellen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist der Grund, warum wir gemeinsam konsolidieren müssen. Man darf da auch nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Wir haben die Kommunen mit etwa 150 Mio. DM am Konsolidierungsvolumen beteiligt. Das entspricht etwa dem Anteil, den wir insgesamt im Landeshaushalt konsolidieren. Da mag es in der Stelle nach dem Komma Plus/Minus-Verschiebungen geben, aber es entspricht ungefähr diesem Anteil.

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich würde Ihnen gern einmal ein Gespräch mit meiner Kollegin Frau Keler aus Mecklenburg-Vorpommern empfehlen, die sich letztens bei mir beklagt hat, dass in Mecklenburg sowohl die Regierungskoalition und die CDU-Opposition noch viel schlimmer auf die Landesregierung einschlägt wegen des vorbildlichen Kommunalen Finanzausgleichs in Thüringen. Man hat eben andere Voraussetzungen. Wenn man einen hohen Kommunalen Finanzausgleich hat, ist der Konsolidierungsbedarf wesentlich größer, als wenn der Kommunale Finanzausgleich auf niedrigem Niveau ist.

Ich bin dankbar, dass die ganzen Debatten der letzten Wochen zumindestens ein Ergebnis gebracht haben einschließlich Kindertagesstättengebühr, Haushaltbegleitgesetz. Es ist einmal ein Auge geöffnet worden, wie die Kostenstrukturen in diesem Bereich sind.

(Beifall bei der CDU)

Heute, am 19.12.2000, kenne ich bereits etliche Kommunen, die haben ihren Haushalt beschlossen auf der Basis des Entwurfs der Landesregierung, nicht einmal der Erhöhung durch den Haushalts- und Finanzausschuss. Sie haben ausgeglichene Haushalte und sie haben keine Erhöhung der Kindertagesstättenbeiträge beschlossen. Das heißt: viel Wind um nichts. Es ist richtig, dass wir diesen Weg gehen.

(Beifall bei der CDU)

Es sind viele Punkte angesprochen worden. Der Kollege Zeh hat zu den Änderungsanträgen der Opposition schon Stellung genommen. Ich kann nur sagen, da steckt natürlich ein Programm dahinter. Wenn ich den Polizisten keine Autos mehr kaufe, dann spare ich natürlich auch die Verwaltungskosten ein und kann ÖPNV subventionieren. Dann kann ich vielleicht in zwei Jahren hier eine Debatte entfachen, dass die innere Sicherheit nicht mehr gewährleistet wäre, weil die Polizei nicht mehr arbeiten kann.

Während bei der SPD-Fraktion überhaupt kein Konzept erkennbar ist,

(Beifall bei der CDU)

ist bei der PDS-Fraktion wenigstens ein Konzept erkennbar - das wird durch uns nicht mitgetragen, das will ich ganz deutlich sagen -, nämlich Umschichten von investiven Leistungen in konsumtive Leistungen, und das zu Lasten der nächsten Generation.

(Beifall bei der CDU)

Ob das richtig ist, 800 Stellen im dritten Arbeitsmarkt zu schaffen und dafür 5.000 Stellen im zweiten Arbeitsmarkt keine Chance zu geben, müssen Sie selbst politisch bewerten.

(Beifall bei der CDU)

Das wäre nur der beschäftigungspolitische Aspekt Ihrer Sozialstellen. Wir werden sicherlich auf viele Punkte in den Beratungen der Einzelpläne noch kommen. Ich kann nur sagen, ein Konzept der Opposition zur Konsolidierung der Landeshaushalte für die nächste Generation liegt hier nicht vor und wird wahrscheinlich in diesen Beratungen auch nicht vorgelegt werden, darum können wir uns frohen Mutes mit allen Argumenten Ihrerseits auseinandersetzen.

(Beifall bei der CDU)

Ich schließe die Generalaussprache und ich komme zum Aufruf der Einzelpläne bzw. der zusammengefassten Komplexe aus den Einzelplänen. Wir beginnen mit dem Einzelplan 02 - Staatskanzlei.

Ich möchte noch folgenden Hinweis dazu geben: Es ist ein Entschließungsantrag in der Drucksache 3/1231 verteilt worden, der bezieht sich auf den Einzelplan 01 und es ist vereinbart worden, dass die Beratung dazu unter der Behandlung des Einzelplans 02 stattfindet. Als erster Redner in der Debatte hat sich dazu zu Wort gemeldet der Abgeordnete Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, unsere Vorschläge hinsichtlich eines Landesprogramms gegen Rechtsextremismus und Rassismus haben Sie abgelehnt. Das Gleiche wird wohl unseren Änderungsvorschlägen in dieser Beratung geschehen. Vielleicht lassen Sie unseren Entschließungsantrag aber leben und zu dem will ich hier sprechen.

Natürlich, gegen Rechtsextemismus gibt es kein Allheilmittel. Ein solches würde nur der Repressionsapparat eines antiliberalen autoritären Staates bieten und vielleicht nicht

einmal der, es sei denn, es ist selbst ein rechtsextremer. Extrem rechte Einstellungen können nicht vollständig verhindert, wohl aber stark zurückgedrängt werden. Erfolge zeigen sich gerade da, wo eines zivilgesellschaftlich deutlich gemacht wird: Gegen Rechtsextremismus wird nicht in erster Linie draufgehauen, sondern widersprochen. Es wird gezeigt, dass viele Leute keinen Rechtsextremismus wollen und ihn nicht tolerieren. In Brandenburg z.B. wird seit einigen Jahren versucht, Rechtsextremismus mit einem vorwiegend auf zivilgesellschaftliche Maßnahmen ausgerichteten Konzept zu bekämpfen. Zivilgesellschaftliche Maßnahmen beginnen noch weit vor den ordnungspolitischen. Sie wirken präventiv, ohne Grund- und Bürgerrechte einzuschränken. Was die Erfolgsmeldungen von Innenministern hinsichtlich repressiver Maßnahmen angeht, sollte hinzugefügt werden, dass Zahlen von Ermittlungsverfahren kaum etwas darüber aussagen, was in den Köpfen von in Gewahrsam Genommenen vorgeht oder was in Haftanstalten tatsächlich an demokratisierender Arbeit gegen Rechts geleistet wird oder geleistet werden kann.

Meine Damen und Herren, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedmann, stellte am Donnerstag in einem Streitgespräch mit dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein neuerlich fest: "Lange Zeit haben führende Politiker Rechtsextremismus nicht ernst genommen und ihn nicht wirkungsvoll bekämpft." Der Versuch, sich in Thüringen über Ursachen und in deren Folge auch über konzipierte Gegenstrategien gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu verständigen, ist von der Mehrheit dieses Hauses als Parteiengezänk zurückgewiesen worden. Das führte und führt aber dazu, das komplexe Problem in den Köpfen als Gewaltproblem zu verharmlosen. Verharmlosend ist ein solcher Umgang deshalb, weil all diejenigen nicht angesprochen werden, die selbst nicht zu Gewalt greifen, sondern "nur" wegsehen, wenn Gewalt ausgeübt wird oder gar ein starker Staat gefordert wird, der ggf. auch ein starker Mann sein kann. Angriffe auf Asylbewerber, Ausländer, Obdachlose, Schwule und Lesben oder alternative Jugendliche drücken sich zudem nicht nur in Gewalttaten aus. Pöbeleien, Drohungen oder verbale Attacken charakterisieren einen beängstigenden Disziplinierungs- und Raumgewinn der Neonazis in zu vielen Gegenden, auch Thüringens. Das aggressive und massive Auftreten und die oft zu geringe Gegenwehr installieren eine allgemeine rechtsextreme Alltagskultur. In einem solchen Klima verlieren Betroffene ihre Bewegungs- und Handlungsspielräume, sie können die Grund- und Menschenrechte nicht mehr wahrnehmen.

Rechtsextremismus ist ein komplexes Zusammenspiel von politischer Ideologie und Reflexen auf gesellschaftliche Verhältnisse, also muss eine Gesellschaft auf vielfältige Weise und entsprechend in allen Haushaltsbereichen reagieren, nicht nur mit einem Landesprogramm allein. Wir halten aber ein Landesprogramm für Thüringen ebenso wie in anderen ostdeutschen Bundesländern für ein wichtiges Signal und ein Instrument der Bündelung und Initiierung von Aktivitäten. Zugleich darf man natürlich nicht

verschweigen, dass es auch völlig andere oder weitgehend kostenfreie Maßnahmen gibt, z.B. die Beendigung zur Diskreditierung antifaschistischer Initiativen und Organisationen, eine Kehrtwende in der Ausländer- und Asylpolitik zugunsten der Betroffenen und die Überprüfung bestehender Angebote der Jugendarbeit mit Rechtsextremen oder so orientierten Jugendlichen mit der angeblichen Zielstellung, solche Orientierungen zurückzudrängen. Dann würde es ermöglicht, frei werdende Stellen, Mittel und andere materielle Grundlagen für qualifiziertes Personal in klug konzipierten Projekten einzusetzen. Ein solches zivilgesellschaftliches Landesprogramm, ein Programm für Demokratie ist von einer Überzahl der Anzuhörenden in der Anhörung des Innenausschusses am 09.11.2000 befürwortet worden. Unsere Fraktion hatte einen Katalog erforderlicher Maßnahmen bereits im März dieses Jahres in einem parlamentarischen Antrag konkretisiert.

Meine Damen und Herren, Pädagogen, Sozialarbeiter, Kommunalpolitiker und Eltern sind vielfach hilflos gegenüber rechtsextremen Haltungen und Aktivitäten. Sie haben oft schon Mühe, die Zeichen und Codes zu erkennen, die Musik zu identifizieren, geschweige denn können sie Gegenargumentationen führen oder Konzepte in ihren jeweiligen Bereichen entwickeln. Ob hier die veranschlagten Mittel für ein Programm zur Fort- und Weiterbildung für Demokratie und Toleranz mit 700.000 DM Lottomitteln und eine mit 200.000 DM geförderte Arbeit im Justizbereich zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit reichen, wagen wir zu bezweifeln.

Multiplikatoren brauchen eine dauerhaft an- und abfragbare Infrastruktur zur Unterstützung, um selbst nachhaltig gegen Rechtsextremismus und Rassismus arbeiten zu können. Diese Unterstützung muss unseres Erachtens räumlich flexibel sein und Alternativen vor Ort beratend und moderierend befördern. Mobile Teams sollten bestehende Initiativen vernetzen, Informationen und Erfahrungen bereithalten und Analysen, Dokumentationen, Referenten, aber auch Bildung und Beratung von Bürgerinnen und Bürgern und Initiativen, freien Trägern, Verbänden, Kirchgemeinden oder kommunalen Verantwortungsträgern in der Öffentlichkeit anbieten. Zielsetzung ihrer Arbeit sollte sein, sich am Ende überflüssig zu machen, also Hilfe zur Selbsthilfe.

Oft ist in den vergangenen Monaten der "Aufstand der Anständigen", das "Gesicht zeigen", das "Engagement des Einzelnen" gefordert worden. Viele Initiativen haben hier bewundernswerte Arbeit geleistet, viele lokale Bündnisse haben sich spontan zusammengefunden und mit einfachsten Mitteln den Protest gegen Rechtsextremismus und Rassismus organisiert und demonstriert. Selbst Big Brother, die Inkarnation des Verzichts auf Grundrechte für Geld, hat Rezzo Schlauch in die Höhle der medialen Idiotie gelockt, um 200.000 DM für "Gesicht zeigen" in Empfang zu nehmen. Widersinnig, aber bemerkenswert, denn, meine Damen und Herren, wir alle wissen, solche Arbeit kostet nicht nur die Zeit und die Nerven der Aktiven, sondern auch Geld. Wir sprechen uns deshalb für einen Fonds für anti

faschistische und antirassistische Arbeit sowie für die Förderung von Projekten der Selbstorganisation von Flüchtlingen und Opfern rassistischer und rechter Gewalt aus.

(Beifall Abg. Nitzpon, PDS)